Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 36
May 5, 2015
“#FindingInclusion In Digital Europe” auf der re:publica 2015. #rp15
Aktivist_innen mit und ohne Behinderung nutzen das Internet, um sich miteinander zu vernetzen und für Inklusion und Barrierefreiheit eine digitale Öffentlichkeit zu schaffen. Die Stimme der digitalen Behindertenbewegung wird immer lauter und vielfältiger. Mareice Kaiser (Journalistin & Bloggerin) und ich begaben uns auf eine inklusive Expedition durch das digitale Europa. Auf der re:publica 2015 – der Konferenz zu digitalen Gesellschaftsthemen – stellten wir #-Aktionen und Aktivist_innen für Inklusion vor.
Wir haben 200 Aktivisten in ganz Europa gesichtet. Unsere Rechercheergebnisse haben wir unter http://findinginclusion.eu veröffentlicht.
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April 4, 2015
„Manchmal vergesse ich, dass du im Rollstuhl sitzt.” – Meine Behinderung & ich
Immer wieder höre ich den Satz: „Ich sehe dich nicht (mehr) als Behinderten.“ – Was wohl gut gemeint ist, kommt bei mir leider nicht immer so an.
Immer wieder versuchen Menschen, oft Menschen ohne Behinderungen, mich von meiner Behinderung zu trennen. Nicht nur ich, auch andere Menschen mit Behinderungen kennen die Sätze, die anfangen mit: „Manchmal vergesse ich, dass du im Rollstuhl sitzt.”
Wenn man solche Dinge zu mir sagt, dann ist es wahrscheinlich gut gemeint. Oder vielleicht denkt man, es wäre nett und motivierend. Aber ich empfinde es nicht so. Im Gegenteil.
Meine Behinderung beeinflusst mich immer und überall. Ich kann (und will) sie nicht einfach ablegen, wie ein unbequemes Hemd oder einfach ignorieren, wenn ich vor einer Stufe stehe. Alle Erfahrungen, mein Alltag und auch meine Gedanken befassen sich jeden Tag damit. Meine Behinderung ist Teil meiner Identität. Und das ist gut so.
Wenn ich vor Barrieren stehe, heißt es oft: „Das Leben geht weiter. Lass dich davon nicht unterkriegen. Denk nicht so viel darüber nach.“
Aber genau das kann und will ich nicht! Ich denke die ganze Zeit darüber nach.
Ich denke darüber nach, ob ich genug Zeit und Energie habe, die Dinge zu tun, die ich tun möchte, ohne ständig jede Eventualität einplanen zu müssen. Wie lange brauche ich mit dem Rollstuhl von A nach B? Was mache ich, wenn ein Aufzug auf dem Weg defekt ist? Ich denke darüber nach, welche Aktivitäten für mich sicher sind und wie ich für diese Priorität einräumen kann. Welchen Rollstuhl nehme ich am besten? Den Elektrischen, mit dem ich keine Treppen hoch kann aber unabhängig bin? Was wenn meine Freunde lieber spontan woanders hin wollen, und ich am Ende mit dem Elektrorollstuhl nicht mitkommen kann? Ich denke darüber nach, wie ich mich fühle, bevor ich das Haus verlasse. Habe ich Lust, mich von meinem Assistenten im Schieberollstuhl zur Veranstaltung bringen und abholen zu lassen? Wie ein Kind? Wie weit muss ich das im Voraus planen? Was mache ich, wenn ich früher/später gehen will, mein Assistent aber noch/schon frei hat?
Ich denke über meine Behinderung nach und ich will mich gar nicht darüber beschweren, denn ich fühle mich gut als behinderter Mensch – auch wenn ich mir wünschen würde, in einer barrierefreieren Welt zu leben, die es etwas unnötiger machen würde, ständig über Behinderungen nachdenken zu müssen.
Meine Behinderung gehört zu mir und ist von überwältigender Wichtigkeit für mich. Wenn Menschen mich von meiner Behinderung zu trennen versuchen, dann leugnet man die Kraft meiner Behinderung und den enormen Einfluss, den sie auf mein Leben hat.
Für Menschen ohne Behinderungen ist das vielleicht schwer oder gar nicht nachvollziehbar, weil auch jedes Selbstexperiment mit Rollstuhl, dunkler Sonnenbrille oder Kopfhöhrern irgendwann endet. Meistens dann, wenn es nervt oder weh tut. Oft bleibt dann der Gedanke übrig, dass man die Behinderung „ablegen” kann, weil das ja auch das Selbstexperiement gezeigt hat. Für Menschen mit Behinderung ist es jedoch langfristig gar nicht möglich die eigene Behinderung zu vergessen. Ich habe es eine Zeit lang versucht. Ich wollte meine Behinderung in den Hintergrund schieben. Das Ergebnis?
Es hat nicht funktioniert.
Ich habe mich selbst belogen. Ich habe mehr Dinge zugesagt, als ich in der Zeit schaffen konnte. Egal wie sehr ich es versuchte, meine Behinderung zu verleugnen, es gelang mir nicht und ich wurde frustriert, traurig und unternahm immer weniger.
Das Ignorieren von Behinderungen kann auch nach hinten losgehen, wenn man der Person mit Behinderung die Schuld für ihre Einschränkungen gibt, weil man diese nicht wahr haben will. Dass ich beispielsweise einen Rollstuhl nutze, bedeutet auch, dass ich mehr Zeit für einige Strecken brauche und es ist dann keine Faulheit, wenn ich später komme oder vielleicht auch gar nicht. Wenn man solche Tatsachen ignoriert, weil die „Behinderung doch kein Teil” von mir ist, dann wird das früher oder später zu Missstimmungen in Teams oder Beziehungen führen. Denn es ist nicht meine Schuld, dass ich eine Behinderung habe und, dass mein Körper anders funktioniert als die meisten anderen Körper, die ich so kenne. Kein Wille und kein Glaube, keine Medizin, keine Technik können das ändern.
Ich definiere mich deswegen als behindert, weil ich es einfach bin. Ich beleidige mich nicht damit, weil dieses „behindert“ keine Beleidigung für mich ist. Ich lasse mich nicht dadurch definieren, denn es definiert mich eh. Ich stelle mir nur eine Frage: bin ich behindert oder werde ich behindert?
Wenn ich sage „Ich bin behindert“, dann ist das kein Selbstmitleid, keine Selbstaufgabe und kein Eingeständnis für Schwäche. Ich bin stark, wertvoll und behindert. Ich bin liebevoll, mitfühlend, selbstbestimmt und habe Glasknochen.
Das sind keine Widersprüche: Ich sage und bestimme, wer und wie ich bin.
Ich habe mit vielen Menschen mit Behinderungen gesprochen, die es genau so empfinden. Wenn wir sagen „Wir sind und werden behindert“, dann machen wir uns, unsere Körper und unsere Bedürfnisse geltend.
Deshalb ist meine Bitte:
ignoriert unsere Behinderungen nicht. Wir brauchen keinen Trost. Wir brauchen Empathie und eine barrierefreie Welt.
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April 1, 2015
#findinginclusion
Aktivist_innen mit und ohne Behinderung nutzen das Internet, um sich miteinander zu vernetzen und für Inklusion und Barrierefreiheit eine digitale Öffentlichkeit zu schaffen. Die Stimme der digitalen Behindertenbewegung wird immer lauter und vielfältiger. Wir sind Mareice Kaiser (Journalistin & Bloggerin) und re:publica – der Konferenz zu digitalen Gesellschaftsthemen – stellen wir #-Aktionen und Aktivist_innen für Inklusion vor. Damit wir das tun können, müssen wir sie erst einmal finden. Wir überwinden dafür Barrieren wie Sprache und geographische Entfernung dank des Internets.
Und jetzt kommst Du!
Kennst Du Menschen, die sich im europäischen Internet stark machen für ein gelebtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung? Menschen, die selbst behindert sind – oder auch (noch) nicht? Die #-Aktionen wie #notjustsad ins Leben gerufen haben und damit die Perspektiven von vielen Menschen verändert haben? Die ihre inklusive Stimme online erheben und damit schon etwas bewirkt haben? Vielleicht kennst Du Menschen, die bei YouTube aus ihrem Leben mit Behinderung berichten, oder auf Twitter? Menschen mit und ohne Behinderung, die eigene inklusive Blogs betreiben?
Wir suchen Menschen, die Europa und die Welt verändern möchten und das Internet als Chance begreifen, für Inklusion und Barrierefreiheit.
Wir möchten, dass Inklusionsaktivisten in Europa nicht mehr nebeneinander kämpfen, sondern miteinandner. Dafür müssen wir uns kennenlernen. Wir freuen uns, dass uns die re:publica in diesem Jahr den Raum gibt, eine Öffentlichkeit für das Thema Inklusion im digitalen Raum zu schaffen.
Unter dem Hashtag #findinginclusion suchen wir Europas digitale Inklusionsaktivisten!
Wir freuen uns über alle Tipps und Hinweise an: inclusion@kaiserinnenreich.de
Vielen Dank & mit inklusiven Grüßen,
Mareice & Raúl
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March 29, 2015
Mein Kurzurlaub im HausRheinsberg Hotel am See

Schloß Rheinsberg
Nach Jahren war ich dieses Wochenende mal wieder im Urlaub. Ich verband eine Lesung aus meinem Buch im HausRheinsberg Hotel am See mit einem Kurzurlaub im besagten Hotel.
Die Stadt Rheinsberg ist ein staatlich anerkannter Erholungsort im Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg am Rhin. Berühmt wurde Rheinsberg durch das Buch Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte von Kurt Tucholsky und durch die Erwähnung in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg von Theodor Fontane.
In den vergangenen Jahren war ich schon öfter dort und muss sagen, es ist immer wieder eine Reise wert. Zwar sind die Menschen dort alle locker doppelt so alt wie ich, aber das Schloss und der See sind wunderschön.
Das Hotel
Wirklich beeindruckt hat mich aber vor allem das HausRheinsberg Hotel am See. Denn es ist eines der barrierefreiesten Hotels, das ich je gesehen habe.

Zimmer mit Seeblick
Die Zimmer sind schön groß und geräumig. Die Türen problemlos zu öffnen und zu schließen. Kleiderhaken in verschiedenen Höhen.
Das Bett ist höhenverstellbar und alles im Hotel problemlos barrierefrei erreichbar.
Die Essensauslage im Restaurant ist tief genug für Rollstuhlfahrer. Und das Essen sehr lecker.
Wird einem an verregneten Tagen mal langweilig, kann man sich in der Sauna, dem Schwimmbad, der Kegelbahn, der Turnhalle oder der Bar die Zeit vertreiben. Alles barrierefrei und im Sitzen perfekt zu erreichen.

Turnhalle
Am See
Scheint hingegen die Sonne, empfiehlt es sich unbedingt einen Rundgang um den See zu machen. Ohne Stufen, komplett rollstuhlgerecht.
Am Obelisken haben wir das Titelbild dieses Artikels geschossen.
Der Obelisk
Und ein Geocache gefunden:
Das Geocache
Fazit & Tipps
Da die Anfahrt nach Rheinsberg mit der Bahn nicht so einfach ist, empfiehlt es sich, mit dem Auto zu kommen bzw. sich vom Hotel abholen zu lassen.
Wer in’s Internet möchte, der sollte lieber einen eigenen UMTS-Stick mitbringen, da die Internetversorgung in Rheinsberg leider noch nicht so gut ausgebaut ist. Das W-LAN des Hotels ist etwas langsam.
Der Übernachtungspreis des 4-Sterne Hotels ist sicherlich nicht für Jeden etwas und auch über dem meines üblichen Reisebudgets. Aber es ist ein guter Preis für den Service und die Qualität die man da bekommt.
Ich habe mir fest vorgenommen, im Mai wiederzukommen!
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March 26, 2015
Every bit counts! How digital activism is changing the world.
Boris Moshkovits und Andrea Bauer interviewten Geraldine De Bastion und mich im Soho House Berlin im Rahmen eines dday-Networks-Abends. Wir sprachen über digitalen Aktivismus und wie digitale Innovationen unser Leben verbessern könnten.
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March 22, 2015
#SetzEinZeichen! – Botschafter für CBM-Kampagne zur Post-2015-Agenda der Vereinten Nationen gesucht.

Raúl Krauthausen, Aktivist und CBM-Botschafter, unterstützt die Kampagne “Setz ein Zeichen!” der Christoffel-Blindenmission .
Im September 2015 verabschieden die Vereinten Nationen (UN) mit der Post-2015-Agenda neue Ziele, wie die Welt zukunftsfähig gestaltet werden kann. In dieser globalen Entwicklungsagenda dürfen die Rechte und Chancen von Menschen mit Behinderungen nicht vergessen werden. Deshalb hat die Christoffel-Blindenmission (CBM) die Kampagne “Setz ein Zeichen!” gestartet und ruft zur Unterstützung auf.
Jeder siebte Mensch auf der Welt lebt mit einer Behinderung, 80 Prozent in Entwicklungsländern und meistens in größter Armut. Damit künftig alle Menschen von Entwicklung profitieren, ist es wichtig, dass auch die Bedürfnisse von behinderten Menschen erkannt werden. “Deshalb müssen Menschen mit Behinderungen explizit in allen für sie relevanten Zielen in der Entwicklungsagenda genannt werden”, fordert Michael Herbst, Sprecher der CBM-Kampagne. “Um dies zu erreichen müssen wir gemeinsam mit vielen Unterstützern diese Forderung an Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller herantragen.”
Unterschrift für mehr Chancengleichheit
Mitmachen kann dabei jeder: Die CBM stellt Unterschriftenlisten, Broschüren und Poster zur Verfügung. Außerdem gibt es die Möglichkeit auch online Stimmen zu sammeln. Botschafter können sich binnen fünf Minuten ihre persönliche Website gestalten, auf der Verwandte, Freunde und Kollegen unterschreiben können. “Wir hoffen, dass besonders Menschen mit Behinderungen Botschafter in eigener Sache werden. Denn keiner kann besser andere davon überzeugen, dass Chancengleichheit wichtig ist, als behinderte Menschen selbst mit ihren persönlichen Erfahrungen”, sagt Herbst. Minister Müller hat bereits signalisiert, dass er sich für eine inklusive Entwicklungsagenda einsetzen will. Je mehr Menschen bei der CBM-Kampagne mitmachen, desto mehr Unterstützung hat Müller für seine Forderungen bei den Verhandlungen im Gepäck.
Wer mitmachen will, kann seine Stimme einfach im Internet abgeben unter www.setz-ein-zeichen.org. Hier kann man sich als Botschafter engagieren und das Aktionspaket mit Hintergrundinfos, Unterschriften, Postern und Anzeigen erhalten. Auf der Setz-ein-Zeichen-Seite gibt es darüber hinaus Informationen zur Kampagne und zur Post-2015-Agenda. Das Kampagnen-Team erreichen sie unter info@setz-ein-zeichen.org oder Telefon (06251) 131-475 und Fax (06251) 131-117.
Seit über 100 Jahren Entwicklungszusammenarbeit
Die Christoffel-Blindenmission (CBM) zählt zu den größten und ältesten Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland. Als christliche Entwicklungshilfeorganisation ist es ihr Hauptziel, die Lebensqualität der ärmsten Menschen dieser Welt zu verbessern, die behindert sind oder in der Gefahr stehen, behindert zu werden. Mit 106 Jahren Erfahrung unterstützt die CBM zurzeit 672 Projekte in 68 Ländern.
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March 8, 2015
“Leben mit Behinderung – Immer noch Barrieren?” – SWR Nachtcafé vom 6. März 2015
Ob im Kindergarten, am Arbeitsplatz oder schlichtweg bei der Partnersuche – von einer Teilhabe am Leben sind wir offenbar noch meilenweit entfernt. Da die Schule als Schlüsselbereich gilt, in dem die Gesellschaft frühzeitig zusammen-geführt wird, bekommt diese besondere Aufmerksamkeit. Doch ist der Plan, dass Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam lernen, realisierbar, sodass es für alle ein Gewinn ist?
Wie weit sind die gesellschaftlichen Strukturen nach jahrzehnterlanger und intensiver Förderung gewachsen, dass sich behinderte Menschen tatsächlich integriert fühlen? Welche Lebensbereiche bleiben ihnen noch verwehrt?
Etwa 7,5 Millionen schwerbehinderte Menschen leben unter uns in Deutschland, fast jeder zehnte ist körperlich oder geistig schwer beeinträchtigt. Der Alltag bedeutet für sie und ihre Angehörigen eine enorme Herausforderung, auch wenn die Politik sich um Inklusion, um Gleichstellung bemüht. Doch wie selbstverständlich ist heute wirklich das Miteinander mit Behinderten?
Die Gäste in der Sendung:
Leslie Malton – Schauspielerin mit behinderter Schwester
Kirsten Bruhn – ehemalige Behindertensportlerin
Raul Krauthausen – Behinderten-Aktivist
Andreas Stoch – Kultusminister Baden-Württemberg
Bernd Saur – Vorsitzender Philologenverband Baden-Württemberg
Kirsten Jakob und Christa Schwarz – Mütter von Kindern mit Down-Syndrom
Antje und Rüdiger Claaßen-Fischer – Liebesglück trotz Behinderung
Prof. Elisabeth Wacker – Diversitätssoziologin
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March 2, 2015
Unterwegs mit dem dicken B
Abfahrbereit: Raúl Krauthausen ist fast das ganze Jahr über für seine beruflichen Projekte mit der Bahn unterwegs. Bevor er zwischendurch Langeweile bekommt, lädt er lieber jemand für die Fahrt ein.
Wer das Merkzeichen „B“ in seinem Schwerbehindertenausweis hat, kann im öffentlichen Personenverkehr eine Begleitperson kostenlos mitnehmen. Für mich eine prima Gelegenheit, neue Menschen kennenzulernen. Ein Erfahrungsbericht.
Wenn ich mich so an meine Kindheit zurückerinnere, würde ich nicht behaupten, dass ich ein Zugnarr war. Ich hatte zwar eine kleine Modelleisenbahn, aber ich habe nie mit meinen Eltern den großen Maschinen auf den Gleisen hinterhergeschaut. Heute mache ich das fast jeden Tag, weil es mein Job mit sich bringt. Denn durch meine Arbeit bei den Sozialhelden und durch mein Buch bin ich in den letzten Jahren ständig auf Reisen, die ich am liebsten mit dem Zug zurücklege. Für mich sind Züge zu einem zweiten Büro geworden, weil ich dank Laptop und Hotspot doch die ein oder andere Arbeit während der Fahrt schaffe.
Dank meiner BahnCard hat es sich für mich stark verbilligt, Termine außerhalb von Berlin wahrzunehmen und so auch mit vielen Menschen in anderen Städten ins Gespräch zu kommen. Manchmal kann ich das auch schon während der Fahrt. Durch meinen Schwerbehindertenausweis habe ich die Möglichkeit, eine zweite Person kostenfrei mitzunehmen. Bei Reisen über mehrere Tage brauche ich diese Option, um meine Assistenz dabeizuhaben, aber bei Eintagesfahrten biete ich den zweiten Platz gern über Mitfahrzentralen an. So lernte ich bei einer Fahrt von Berlin nach Leipzig und zurück Katharina und Debora kennen, die sich auf meine Anzeige meldeten und die ich kostenfrei mitnehmen konnte.
Raus aus der eigenen Filterbubble
Reisegefährten: Auf der Fahrt von Berlin nach Leipzig nahm Raúl Krauthausen Debora Bleichner mit. Die Zeit im Zug vertrieben sie sich mit netten Unterhaltungen.
Ich mag es, immer wieder neue Menschen kennenzulernen, weil es oft Ausbrüche aus der eigenen „Filterbubble“ sind – man also nicht immer über Inklusion und weitere Themen spricht, mit denen ich mich jeden Tag beschäftige. Auf diesen Fahrten habe ich die Möglichkeit, unkompliziert auch andere Lebenswelten kennenzulernen. Debora, die mich auf dem Weg von Berlin nach Leipzig begleitete, hatte ein ähnliches Anliegen, gepaart mit einem ökonomischen Interesse: Sie suchte eine möglichst günstige Mitfahrgelegenheit und wollte sich unterwegs mit anderen Menschen unterhalten. Gesucht. Gefunden.Die gebürtige Weinheimerin arbeitet bei einem Zirkus in Berlin und an einem Projekt an der East Side Gallery. Das finde ich besonders spannend, weil unser Büro am Ostbahnhof genau an diesen ehemaligen Mauerstücken liegt. Wir beide waren davon begeistert, wie einfach es heute für uns ist, zwischen West und Ost hin und her zu fahren, ohne dass eine Mauer die Menschen trennt. Für Debora ist das an diesem Wochenende besonders wichtig, weil sie sich in Leipzig mit vielen Freunden zu einer „Reunion“ trifft. Und obwohl inzwischen alle über die Welt verteilt leben, kann man sich einfach in Leipzig treffen und gemeinsam feiern! Debora hat da wohl noch den kürzesten Anreiseweg.
Noch am Berliner Hauptbahnhof treffen wir auf einen Rollstuhlfahrer, der mich auf www.brokenlifts.org und die Wheelmap anspricht, zwei Onlinedienste für Rollifahrer, die ich mit den Sozialhelden entwickelt habe. Debora ist ein bisschen irritiert, dass ich erkannt werde, mir ist es eher unangenehm. Es ist immer wieder ein komisches Gefühl, wenn mich Menschen erkennen. Am Ziel angekommen, stellen wir fest: Der Leipziger Bahnhof ist wunderschön, und auf Gleis 24 stehen sogar alte Waggons und eine historische Lok. Okay, vielleicht steckt in mir doch ein verhinderter Zugnarr. Habe ich da in der Kindheit etwas verpasst?
Der Termin in Leipzig ist vorbei, und ich fahre mit der S-Bahn zurück zum Leipziger Bahnhof. Im Gegensatz zum wunderschönen Kopfbahnhof wirken die neuen Leipziger S-Bahn-Stationen leicht überdimensioniert. Am Gleis wartet schon Katharina auf mich. Es hat auch Vorteile aufzufallen: Dank meiner Statur erkennt mich Katharina sofort und spricht mich an. Auf geht’s! Die Leipziger Medizinstudentin ist auf dem Weg zu ihrem Freund nach Berlin, mit dem sie gemeinsam die Wohnung streichen möchte. Wir sprechen ein bisschen über Fernbeziehungen und kommen zu dem Schluss, dass Leipzig–Berlin eine zeitlich und preislich vertretbare Bahnstrecke ist, es aber trotzdem gut ist, wenn man ab und zu kostenlos von der einen in die andere Stadt kommt. Ich glaube auch, dass es ein Vorteil von Fernbeziehungen sein kann, das Wochenende intensiv zusammen verbringen zu können und in der Woche Zeit für die Arbeit zu haben. Katharina beispielsweise schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit über Lymphdrüsen, und obwohl ich nur die Hälfte von all dem verstehe, was sie darüber erzählt, klingt es spannend.
Fragen zu meiner Behinderung? Fehlanzeige!
Für die angehende Ärztin war Leipzig ein Riesensprung in eine große Stadt, weil sie in einem kleinen Dorf in Thüringen aufgewachsen ist, wo nur zweimal die Woche der Bäckerwagen kam. Ich bin ja in Berlin groß geworden und kann mir das nicht so richtig vorstellen, aber umso mehr interessiert es mich, weil die Kluft zwischen Stadt und Land auch viel Stoff für Diskussionen über Inklusion bietet. Was macht ein Mensch mit Behinderung in einem Dorf, wenn es dort keine inklusive Schule gibt?
Aber weg von der eigenen Arbeit, wieder hin zu den First-World-Problemen, die Katharina und mich einen: die komische Auswahl von Filmen in Onlinemediatheken. Warum gibt es den einen doofen Film, der schon auf DVD mal höchstens 2,99 Euro auf dem Grabbeltisch kostet, in jeder Mediathek, aber aktuelle Blockbuster nur vereinzelt und mit viel Glück? Katharina erzählt, dass ihr Freund vier Monate in den USA war und danach begeistert von den Angeboten bei Hulu oder Netflix schwärmte. Irgendwann. Irgendwann, hoffen Katharina und ich und schauen aus dem Fenster, vor dem die Brandenburger Landschaft an uns vorbeirauscht.
Zum Schluss frage ich Katharina noch, warum sie gern mit dem Zug fährt. Sie meint, dass sie eigentlich lieber Mitfahrgelegenheiten mit dem Auto sucht, weil es günstiger als Zugfahren ist, aber nicht so voll wie in Bussen. Mein Angebot hat sie angenommen, weil es sehr günstig ist – und weil sie mich gern kennenlernen wollte. Ich werde rot. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Auf einmal meldet sich die freundliche Stimme des Zugbegleiters über den Lautsprecher: „In wenigen Minuten erreichen wir pünktlich Berlin-Hauptbahnhof!“. Katharina und ich schauen uns erstaunt an. Die Zeit ist unheimlich schnell vergangen, und ich freue mich sehr, dass ich sie und Debora kennengelernt habe. Erst jetzt fällt mir auf, dass beide nur sehr wenige Fragen zu meiner Behinderung gestellt haben und wir über sehr viele andere Themen gesprochen haben. Genau das, was ich mir erhofft hatte. Eine Frage haben Debora und Katharina, genau wie viele andere Mitfahrer zuvor auch schon, dann aber doch noch gestellt: „Möchtest du wirklich kein Geld für die Fahrt haben?“ „Nein“, antworte ich dann. „Aber eine Süßigkeit aus dem Bordbistro wäre toll.“ Denn im Gegensatz zu Zügen mochte ich Süßigkeiten schon in meiner Kindheit sehr. Gute Fahrt!
Dieser Text entstand für das Aktion Mensch Printmagazin.
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February 25, 2015
“Nicht dass Sie denken, ich wäre ein Feminist…”

Foto CC BY-NC-SA 2.0, by mag3737
“Nicht dass Sie denken, ich wäre ein Feminist…”. Das war der Satz, den mein Sitznachbar auf einer Inklusions-Konferenz zu mir sagte, als auf dem Podium der Vergleich von der Behindertenquote zur Frauenquote gezogen wurde. Ein Satz, der mich zum Nachdenken brachte.
So wie mein Gegenüber damals, wollen sich viele Menschen ungern als Feministin oder Feminist bezeichnen, vermutlich weil sie Angst haben, mit einer Reihe von Vorurteilen assoziiert zu werden: Männerhass und „Verweichlichung“ sind nur zwei von ihnen.
Seit Jahren setze ich mich bei den SOZIALHELDEN für die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen ein. Ich gebe zu, dass ich mich bisher kaum mit dem Thema Feminismus auseinandergesetzt habe. Aber als “Aktivist für Inklusion” sehe ich immer mehr die Notwendigkeit, Inklusion breiter zu definieren. Wenn man das tut, wird schnell klar, dass Inklusion eben nicht nur bedeutet, behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam zu beschulen. Sondern, dass es darum geht, gleichberechtigt zu leben. Egal, welches Geschlecht ein Mensch hat, welche Hautfarbe, welche Behinderung.
Ich habe oft den Eindruck, dass es leichter ist, sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einzusetzen, als gegen die Diskriminierung von Frauen. Warum tun sich Männer eigentlich so schwer, für die Rechte von Frauen einzustehen? Warum distanzieren sich so viele von dem Begriff Feminismus?
Ich meine: Viele Männer, die mit Feminismus nichts zu tun haben wollen, befürchten vor allem einen oder noch schlimmer: ihren Machtverlust.
Aber was ist eigentlich dieser “Feminismus”?
Nach der Definition der Encyclopædia Britannica ist der Feminismus nichts weiter, als der “Glaube an die gesellschaftliche, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter”. In der ZEIT schreibt Elisabeth Raether, dass der heutige Feminismus in Deutschland nicht mehr die Schlachten der 1970er Jahre kämpft, sondern die ökonomische Benachteiligung der Frauen anprangert, die sich in den letzten 50 Jahren nicht verändert hat. Der Feminismus ist kein Männerhass, sondern beschreibt, neben dem Anprangern der ökonomischen Benachteiligung, auch das Bekenntnis zur politischen und sozialen Gleichheit der Geschlechter.
Können Männer überhaupt Feministen sein?
Natürlich kann man(n) die Frage nicht so einfach mit einem “Ja” oder einem “Nein” beantworten. Ich habe gelernt, dass sich einige Menschen unwohl fühlen, wenn Männer sich als Feministen bezeichnen, weil es als freiwillige Zuordnung zu einer Bewegung von Frauen für Frauen scheint. Wie Marion Guerrero im “Standard” schreibt, werden Männer als nicht Betroffene oft auch als Teil des Problems gesehen. Feminismus vermittelt für viele Frauen ein neues Selbstverständnis zur Hinterfragung und Brechung traditioneller Strukturen. Ein Verständnis, das eng verknüpft ist mit der Annahme, dass viele Frauen ähnliche Erfahrungen teilen oder zumindest vergleichbaren (Diskriminierungs-)Situationen ausgesetzt sind.
Viele bevorzugen daher die Bezeichnungen Pro-Feminist oder Verbündeter, wenn von Männern gesprochen wird, die Feminismus unterstützen und befürworten. Ähnlich wie Meredith Haaf in der ZEIT schreibt, kann man sagen, dass ein Pro-Feminist ein Mann ist, der selbstbewusst genug ist, sich von alten Männlichkeitsvorstellungen zu lösen.
Pragmatisch gesehen macht es wenig Sinn, Männer von einem politischen Feminismus auszuschließen, denn 50 Prozent der Gesellschaft von dem Kampf für die Gleichstellung der Frau fernzuhalten, birgt wenige Erfolgschancen. Wenn Frauen in traditionell männliche (Macht-)Sphären eindringen sollen, müssen Männer auch bereit sein, Aufgaben zu übernehmen, die bisher als typisch weiblich galten. Ein Beispiel dafür ist die Elternzeit: Erst wenn auch Väter sich beteiligen, kann das zu einer Entlastung der Mütter und somit zu einer gerechten Aufteilung der Kindererziehungszeiten führen.
Wir Männer müssen Frauen als Verbündete zur Seite stehen. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, in der Öffentlichkeit den Frauen das Wort zu stehlen und für sie zu sprechen. Denn wir Männer haben die Diskriminierungserfahrung einfach nicht gemacht. Auch weil Männer in der Öffentlichkeit (noch) immer als die “lauteren und wichtigeren” Stimmen wahrgenommen werden, ist der beste Weg für Verbündete der, Frauen zuzuhören und sie darin zu unterstützen ihre Stimme für sich selbst zu erheben und für ihre Rechte zu kämpfen. Frei nach dem Motto: “Nothing about us, without us” („Nichts über uns, ohne uns“), wie es die Behindertenbewegung ebenfalls formuliert.
Als weißer, heterosexueller Mittelschicht-Mann will ich mein Möglichstes tun um für die Belange von Frauen einzustehen. Wohlwissend, dass ich immer achtsam bei dem Thema sein muss. Zwar habe ich als Mensch mit Behinderung auch Diskriminierungserfahrungen, aber eben auf einem anderen Gebiet. Die Diskriminierung, die eine Frau im Alltag zu bewältigen hat, werde ich trotz Behinderung nie zu 100% nachempfinden können.
Auf identities.mic schreibt Derrick Clifton dazu:
Ein Feminist zu sein heißt nicht, als Mann ein besonderes Abzeichen zu bekommen, nachdem du auf einer Kundgebung warst, dich für die Gleichberechtigung der Geschlechter ausgesprochen hast oder einen anderen Mann für sein sexistischen Verhalten zur Rechenschaft gezogen hast. Es geht nicht darum, jedes Mal Pluspunkte („ally cookies“) oder ein Schulterklopfen zu bekommen, wenn man etwas tut, das als pro-feministisch gilt. Vielmehr geht es darum, darauf zu achten, dass dein Verhalten nicht sexistisch oder transfeindlich ist und geschlechtsspezifische Diskriminierung nicht wiederholt und verstärkt. Es ist nichts herausragendes, sich sich respektvoll und solidarisch zu verhalten gegenüber Frauen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen.
Auch ist es für den Feminismus wichtig, dass verbündete Männer respektieren, dass es Situationen und geschützte Orte geben muss, in denen sich Frauen untereinander austauschen können. Ohne Männer. Denn es ist und bleibt eine Frauenbewegung.
Eigentlich sprechen doch die Tatsachen für sich.
Die aktuellen Diskurse über Feminismus mit den Hashtags #YesAllWomen, #QuestionsForMen und #Aufschrei, zeigen das wahre, traurige und verstörende Ausmaß der Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber Frauen, die immer noch weit verbreitet sind. Es muss sich etwas ändern!
Ein Thema (unter vielen wichtigen Themen), das zeigt, dass wir mehr Feministen und Feministinnen brauchen, betrifft die fehlende Chancengleichheit von Frauen im Beruf. Wenn der Großteil der deutschen Bevölkerung weiblich ist (Frauenanteil 51% von 82,5 Mio. Einwohnern in der BRD) und etwa die Hälfte aller Studienanfänger*innen und Studienabgänger*innen Frauen sind, zeigt sich bei der Erlangung von Doktortiteln (39% Frauen), bei der Habilitation (23% Frauen), bei den Professuren (14% Frauen) und bei der am höchsten besoldeten Stufe, die C4-Professur (9% Frauen) das wahre Ausmaß der gläsernen Decke.
Nur ein Drittel aller Führungskräfte in der Industrie, im Dienstleistungsbereich oder in der öffentlichen Verwaltung ist weiblich (1,7 Mio). Im Lichte dieser Zahlen wirkt auf mich die 30%-Frauenquote in DAX-Unternehmen als Ziel eher wie ein schlechter (männlicher?) Witz.
Auch das Argument gegen die Frauenquote, dass Frauen allein durch Leistung nach oben kommen können, scheint mit diesen Zahlen widerlegt. Wenn Führungspositionen nur nach Leistung vergeben würden, gäbe es keinen Grund, warum sich der Anteil an weiblichen Führungskräften nicht stetig in Richtung der 50% bewegt.
Bei behinderten Frauen, sieht es noch finsterer aus: Nur ein Fünftel von ihnen, die im erwerbsfähigen Alter sind, sind erwerbstätig. Viele schätzen ihre Vermittlungschancen schlecht ein und ziehen sich deshalb aus dem Erwerbsleben zurück, und das sogar, ohne sich arbeitslos zu melden!
Was können wir also tun?
Nutzen wir doch unsere Chance, mit anderen Menschen über Feminismus zu reden. Zeigen wir ihnen, dass feministisch zu sein reine Vernunft ist und kein Männerhass, kein „Mimimi“. Deshalb schreibe ich diesen Text. Ich möchte die gesellschaftliche Debatte um das Thema Feminismus weiter in der Öffentlichkeit sehen, ich wünsche mir, viele zum Nachdenken über Geschlechtergerechtigkeit anzuregen. Auch immer aus der Sicht des Inklusionsaktivisten, für den Feminismus die Grundlage von Inklusion ist.
Ich möchte jede Aussage, die Frauen herabwürdigt, beschränkt oder verletzt – unabhängig davon, ob Frauen direkt betroffen sind – hinterfragen und kritisieren. Ich möchte Verharmlosungen und dummen Sprüchen die „ja gar nicht so gemeint sind“ eine klare Abfuhr erteilen und sie kritisieren. Ich möchte die Botschaft verbreiten, dass es keinen „Krieg der Geschlechter“ gibt und mich dagegen wehren, wenn das Gegenteil behauptet und als „natürlich“ bezeichnet wird.
Privilegien-Check
Wir Männer müssen uns unserer (männlichen) Privilegien bewusst sein. Hier gibt es dazu sogar eine Checkliste. Wir werden selten aufgrund unseres Geschlechts auf der Straße angebaggert. Wir werden bewundert, wenn wir uns um (unsere) Kinder kümmern und gleichzeitig wird nicht an unserer Männlichkeit gezweifelt, wenn wir uns gegen eigene Kinder entscheiden. Bei Frauen ist dies nicht der Fall.
Ich bin dankbar für jede Kritik, wenn ich Frauen (un)wissentlich benachteilige. Genauso bin ich offen dafür, wenn ich es zum Beispiel beim Thema Behinderung mal wieder “zu genau” nehme und das Haar in der Suppe suche – auch das ist mir schon passiert. Niemand ist perfekt. Und dennoch ist es wichtig, sensibel zu bleiben.
Dieser Text entstand für das Kleinderdrei-Blog.
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February 14, 2015
DEWEZET: “Wie verändert man eine Gesellschaft?” & “Behinderte wollen Arbeit statt Mitleid”

Foto: Christian Mayer / bwhw 2013
Leere Ausbildungsplätze, demografischer Wandel und Fachkräftemangel, dass sind nur wenige Stichworte, mit denen sich Personalmanager derzeit beschäftigen müssen. Gleichzeitig ist die Quote der Arbeitslosen mit Behinderung doppelt so hoch wie bei der übrigen Bevölkerung. Zwei Fünftel der schwerbehinderten Menschen sind 55 Jahre und älter und besitzen zahlreiche Qualifikationen. Was liegt dann nicht näher, als im Zuge des gesellschaftlichen Wandels mit Ihnen die Querschnitte dieser so verschiedenen und überaus wichtigen Ziele zu diskutieren?
Das Kuratorium zur Förderung der Inklusion lud daher gemeinsam mit dem Verband der Arbeitgeber im Weserbergland AdU zur Podiumsdiskussion „Arbeit und Inklusion“ am 11. Februar 2015 in die Räumlichkeiten der DeWeZet ein.
Gemeinsam mit mir waren auf dem Podium:
Gabriele Lösekrug-Möller – Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Zur Zeit bereitet sie federführend das Bundesteilhabegesetz vor, welches eine Vielzahl von Veränderungen und Verbesserungen im Sozialrecht für Menschen mit Behinderungen bringen soll.
Dr. Jörn Hülsemann – Fachanwalt für Arbeitsrecht im Anwaltshaus seit 1895 in Hameln und spezialisiert auf Fragen rund um das Thema „Arbeitnehmer mit und trotz Behinderung“. Er wird anfangs eine kurze Einführung in das Thema geben.
Der großartige Constantin Grosch moderierte die Veranstaltung.
Hier zwei DEWEZET-Berichte die im Rahmen der Veranstaltung erschienen:
DEWEZET-Artikel vom 11. Februar 2015:
Wie verändert man eine Gesellschaft?Raúl Aguayo-Krauthausen über Behinderung, Vielfalt und ein „uraltes“ Bildungssystem (INTERVIEW: Kerstin Hasewinkel)
Hameln. Sein Buch „Dachdecker wollte ich eh nicht werden“ erzählt das Leben aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers – wobei er selbst betont, die andere Perspektive gar nicht zu kennen. Raúl Aguayo-Krauthausen ist Autor und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Er nennt sich selbst „sozialer Aktivist“. Der 34-Jährige ist am heutigen Mittwoch Gast bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Arbeit und Inklusion“ in den Räumen der Dewezet. Er hat Glasknochen und ist kleinwüchsig, der Berliner nennt sich selbst eine Frohnatur und möchte nicht weniger, als die Gesellschaft verändern. Wir haben vorab mit ihm gesprochen.
Herr Aguayo-Krauthausen, wie verändert man eine Gesellschaft?
Indem man die Öffentlichkeit aufklärt, seine Sicht der Dinge darstellt und die Gesellschaft für das Thema Menschen mit Behinderungen sensibilisiert. Nicht alle leiden und hadern mit ihrem Schicksal. Ein großer Teil der Behinderten fühlt sich nicht selbst behindert, sondern wird behindert durch die Gesellschaft.Sie haben vor zehn Jahren den Verein Sozialhelden gegründet. Warum?
Wir arbeiten in der Öffentlichkeit und haben mit wheelmap.org eine Online-Karte über rollstuhlgerechte Orte erstellt.Ist Hameln auch dabei?
Die funktioniert weltweit – hier der Link. Wir bieten aber auch mit unserem Projekt Leidmedien.de Workshops für Medienhäuser an, denn eines unserer Hauptziele ist die vorurteilsfreie Berichterstattung zum Thema Behinderung.Wird manches nicht auch aus Unsicherheit gesagt?
Das stimmt schon, selten steckt böse Absicht dahinter. Wir wollen auch keine Sprachpolizei sein, sondern ein Bewusstsein schaffen. Oft heißt es beispielsweise: ,Er ist an den Rollstuhl gefesselt.´ Das ist eine Floskel, denn für die meisten Behinderten bedeutet der Rollstuhl Freiheit. Menschen mit Behinderungen haben auch Leidenschaften, Interessen – und sie sind auch keine Superhelden, nur weil sie sich im Rollstuhl fortbewegen.Sie haben in Ihrem Blog geschrieben, Sie würden gerne einmal mit Ihrem Ich vor 20 Jahren sprechen – warum?
Ich habe eine entspannte Kindheit gehabt. Und durch zunehmende Reife und Reflexion inzwischen einen selbstbewussten Umgang – aber das war nicht immer so. Bis ich Mitte 20 war, hatte ich schon auch Probleme, zur Behinderung zu stehen.Liegt das nicht auch am Umfeld, in dem man aufwächst?
Das ist immer eine Wechselwirkung. Ich hatte viel mit mir selbst zu tun und habe keine große Mobbing-Erfahrung. Ich bin aber auch vorsichtig, wenn es heißt, jeder kann es schaffen, man muss nur zu sich selbst stehen, denn natürlich hat das auch mit dem Umfeld zu tun. Aber Mobbing ist Thema in jeder Schulklasse und das muss nicht zwangsläufig das Kind mit der Behinderung betreffen, es kann auch das Mädchen mit den roten Haaren sein. Eigentlich steckt dahinter die eigene Angst – und das ist das Problem von Inklusion insgesamt.Ist das Wort Inklusion nicht sehr sperrig – und alles andere als dazu geeignet, Öffentlichkeit zu schaffen?
Es wird immer mehr zum Unwort. Leider. Bei uns wird immer noch darüber diskutiert, ob es klappen kann. Dabei ist das doch nicht mehr die Frage, es geht um das Wie. Die Deutschen sehen immer an erster Stelle die Probleme. Dabei bringt Inklusion nicht nur den Behinderten etwas, sondern auch den Nichtbehinderten. In den 80ern haben wir diskutiert, ob Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam beschult werden können, in den 1920er Jahren ging es um den gemeinsamen Unterricht von Jungen und Mädchen. Hätte man damals die Lehrer gefragt, ob das geht, hätten die Nein gesagt. Lehrer sind Bedienstete des Staates, und wenn der Staat Inklusion will, dann müssen sie mitmachen. Das klingt jetzt nach Schelte mit den Lehrern, so ist das nicht gemeint; natürlich muss der Staat auch die Ressourcen schaffen und beispielsweise kleinere Klassen einrichten.In Italien gibt es Inklusion ja schon viel länger, und da funktioniert es.
Deutschland hat ein uraltes Bildungssystem, das beratungsresistent ist und von heterosexuellen, alten und konservativen Männern gemacht wurde und dominiert wird. Inklusion stellt die Systemfrage. Es ist immer schwierig, Ressourcen umzuverteilen, weil alle Angst haben, etwas hergeben zu müssen.Was ist für Sie normal?
Normal ist Vielfältigkeit. Inklusion sagt nicht, dass alle gleich sind, sondern, dass alle die gleichen Rechte haben. Warum gibt es die Schulwahlfreiheit für Nichtbehinderte, nicht aber für Behinderte. Das ist eine Frage der Rechte.Sie haben gesagt, es habe auch Vorteile, körperlich eingeschränkt zu sein – ist das Zynismus?
Ich kann zum Beispiel kostenfrei öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ich bin seit Geburt an behindert, ich kenne es nicht anders. Mir glaubt keiner, dass ich gar nicht laufen können will. Ich träume nicht davon. Aber ich habe sicherlich den Vorteil, dass mich viele wiedererkennen, dass ich manchmal einfach Sympathieträger bin und sogar ein gewisses Kindchenschema erfülle – klein, großer Kopf. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen mir immer freundlich begegnen.Haben Sie noch nie etwas Böses erlebt?
Doch, natürlich auch, mir hat mal jemand das Handy aus der Hand gerissen. Aber ich versuche das nicht überzubewerten; auch Nichtbehinderte erleben böse Sachen. Die Berliner Busfahrer sind zum Beispiel zu allen unfreundlich. Ich bin eher eine Frohnatur.Bei der Podiumsdiskussion in Hameln geht es um Arbeit und Inklusion. Wie war Ihr eigener Werdegang?
Ich habe mich nach der Schule an den Unis beworben und Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Ich habe diverse Praktika in Werbeagenturen gemacht und mich dann beworben. Wobei meine Mutter die gute Idee hatte, die Bewerbung so zu schreiben, dass der Arbeitgeber mich nicht nur deshalb ablehnen kann, weil ich behindert bin – nämlich, weil er keine behindertengerechte Toilette hat. Das wäre dann nämlich eine Ausrede. Also habe ich es als letzten Satz geschrieben, dass ich selbst mich um Alternativen kümmern würde, sollte beispielsweise das Gebäude nicht rollstuhlgerecht sein. Denn es gibt ja auch die Möglichkeit, mit Hilfe von Fördermitteln vermeintliche Probleme zu lösen.Hatten Sie viele Absagen?
Nein, ich hatte das Glück, dass es in meiner Branche einen Fachkräftemangel gibt. Einer meiner Chefs hatte anfangs auch Zweifel, wie er mir später gestand. Aber: Inklusion gelingt nur durch Konfrontation, nicht durch Diskussion. In Deutschland wird schon wieder nach Heilerziehungspflegern gerufen, da frage ich immer: Welche Mutter, die ein behindertes Kind bekommt, war das vorher? Konfrontation ist die beste Lernmethode. Nur, weil wir eine Frau als Bundeskanzlerin und einen Finanzminister im Rollstuhl haben, haben wir noch lange keine Inklusion.
DEWEZET-Artikel vom 12. Februar 2015:
“Behinderte wollen Arbeit statt Mitleid”Expertenrunde sieht Chance im Kampf gegen Fachkräftemangel / Appell für höhere Strafabgabe der Betriebe
Hameln. Er sieht sich selbst als „freies Radikal“, will die alten Systeme aufbrechen: Für Raúl Aguayo-Krauthausen, Autor und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, wird über „Inklusion“ zu viel diskutiert – darüber, ob es klappen kann, sagt er im Dewezet-Interview: „Dabei ist das doch nicht mehr die Frage, es geht um das Wie.“ Die Deutschen würden immer an erster Stelle die Probleme sehen, dabei bringe Inklusion nicht nur den Behinderten etwas, sondern auch den Nichtbehinderten.
Dass gerade die Arbeitswelt viele Vorteile aus der Inklusion, hier: der gleichberechtigten Beschäftigung von Behinderten, ziehen kann, darüber waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion im Hause der Dewezet einig. Das Kuratorium zur Förderung der Inklusion hatte gemeinsam mit dem Arbeitgeberverband AdU die Diskussionsrunde organisiert – bedauert wurde, dass vor allem die der Einladung gefolgt waren, die sich ohnehin mit dem Thema beschäftigen. Eigentlich habe man die zeitgleich stattfindenden Gesundheitstage des Landkreises „kapern“ müssen, hieß es zu Beginn der Veranstaltung, die Constantin Grosch moderierte.
Krauthausen, der selbst im Rollstuhl sitzt, kann Beschwichtigungsversuche, die Umsetzung von Inklusion brauche Zeit, nicht mehr hören. Er wehrt sich dagegen, dass das Thema Behinderte zum „Charitythema“ werde – und sieht sich zu deutlichen Forderungen veranlasst: „Wir brauchen radikale Thesen.“ Dazu gehört für ihn auch die Forderung nach einer drastischen Erhöhung der Zwangsabgabe für Unternehmen, die keine Behinderten einstellen. Es sind vor allem Scheu und Unwissenheit, die Arbeitgeber davon abhalten, hatte Dr. Jörn Hülsemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht und spezialisiert auf Fragen rund um das Thema Arbeitnehmer „mit und trotz Behinderung“, in seinem kurzen Referat eingangs deutlich gemacht. Es gelte, die eigenen Barrieren im Kopf zu überwinden. Hülsemann wandte sich gegen Begriffe wie „behindertengerecht“ und „leidensgerecht“: Zwar müssten einige zur Ausübung ihres Berufs eine „behinderungsgerechte“ Ausstattung des Arbeitsplatzes haben, aber das gelte eben nicht für alle und es gebe Fördermittel. Behinderte würden nicht automatisch leiden. „Behinderte wollen kein Mitleid, sie wollen Arbeit“, so Hülsemann. Wie genau ein Arbeitsplatz behinderungsgerecht gestaltet werden könne, darüber gebe es in einer Broschüre entsprechende Informationen und ausführliche Beispiele.
Der Fachanwalt gab einen weiteren Punkt zu bedenken: den vielfach dignostizierten Fachkräftemangel. Auch Gabriele Lösekrug-Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, sieht hier „eine Ressource, vor der viele die Augen verschließen“. Obwohl ein Rückgang der allgemeinen Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen sei, gelte dies nicht entsprechend bei den Behinderten. „Daran müssen wir arbeiten.“ Die Quote der Arbeitslosen mit Behinderung ist doppelt so hoch wie bei der übrigen Bevölkerung. Zwei Fünftel der schwerbehinderten Menschen sind 55 Jahre und älter und besitzen zahlreiche Qualifikationen.
Die heimische Bundestagsabgeordnete, die federführend das Bundesteilhabegesetz vorbereitet – das eine Vielzahl von Veränderungen und Verbesserungen im Sozialrecht für Menschen mit Behinderungen bringen soll – hält eine Erhöhung der „Strafabgabe“ für die Unternehmen für den falschen Weg. Sie möchte die Zahl der Beschäftigten unter den Behinderten „nicht durch Druck, sondern durch Einsicht“ der Arbeitgeber erhöhen. Das sei mühsam und koste Zeit.
Zeit, die Krauthausen nicht mehr länger verstreichen lassen will: „Den Satz hören Frauen auch seit hundert Jahren.“
Zustimmung erhielt Krauthausen in seiner Kritik an Vermögens- und Einkommensgrenzen für Behinderte: „Da brauchen wir andere Sichtweisen“, so die Abgeordnete. Außerdem hält sie es für unglücklich, dass Betroffene auf „eine Landschaft jeder Menge Zuständigkeiten“ treffen. Sei die Schwelle, den ersten Menschen mit Behinderung im Unternehmen zu beschäftigen, erst einmal überwunden, würden viele merken, dass es keine Probleme gibt und weitere Beschäftigte folgen. Die Deutschen, so die Sozialdemokraten, würden nun mal Kommoden mögen: „Je mehr Schubladen, desto besser…“ Bislang sei separiert worden – doch Inklusion meine das genaue Gegenteil.
Die Zwangsabgabe für Unternehmen, die keine Behinderten einstellen, „muss drastisch erhöht werden“: Radikale Thesen vertritt Raúl Aguayo-Krauthausen
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