Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 37
January 31, 2015
Ausstechform für Kekse: Rollstuhl-Plätzchen backen. “New Accessible Icon”-Edition.
Als ich kurz vor Weihnachten folgendes Rollstuhl-Plätzchen-Ausstechform-Bild bei instagram postete gab es viele positive und interessierte Reaktionen, wo man das käuflich erwerben könnte.
Was für eine coole Ausstechform: #wheelchair #cookie
Ein von Raul Krauthausen (@raulkrauthausen) gepostetes Foto am 17. Dez 2014 um 2:47 Uhr
Im Netz wurde dieses Angebot gefunden.
Dennoch dachte ich mir, dass man das doch evtl. auch anders hinkriegen müsste. Und so fragte ich meinen Kumpel Ben von 5meter.de, ob er nicht Lust und Zeit hat, nach der Vorlage des neuen Accessible Icons eine 3D-Ausstechform mit einem 3D-Drucker zu drucken.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen:
Leider hatte ich noch keine Gelegenheit mit der Ausstechform Rollstuhl-Kekse zu backen, aber wer will, kann sich hier die 3D-Drucker-.stl-Datei herunterladen und schonmal anfangen :)
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January 30, 2015
GEO Saison: “Mit dem Rollstuhl um die Welt”

In Berlin ist Raul Krauthausen zu Hause, dank der Einträge bei seiner wheelmap entdeckt auch er immer wieder neue barrierefreie Cafés oder Orte in der Hauptstadt.
(Foto: Andi Weiland)
Im Januar erschien in der GEO Saison ein Interview mit mir:
Raul Krauthausen hat die Glasknochenkrankheit –und bereist im Rollstuhl die Welt. Für sich und andere sammelt er auf wheelmap.org barrierefreie Orte. Im Interview sagt er, was die Reiseindustrie für Rollifahrer verbessern sollte
GEO: Sie haben wheelmap.org ins Leben gerufen. Was ist das Konzept?
Es gibt 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer in Deutschland, jeder kennt Cafés, Clubs oder Restaurants, die barrierefrei sind. Es bräuchte also nur einen Platz im Netz, an dem wir diese Expertise miteinander teilen. So entstand die Website wheelmap.org. Wir haben binnen vier Jahren 450 000 Plätze weltweit gesammelt, sogar Bordelle oder der berühmte Berliner Club “Berghain” sind gelistet.
Wie sind Sie zum Reisen gekommen?
Ich bin in Südamerika aufgewachsen. Meine Eltern waren sehr pragmatisch, die Behinderung war nie ein Kriterium, so war ich seit frühester Kindheit unterwegs. Mal ist der Rollstuhl kaputtgegangen, oder es lief sonst nicht wie geplant, aber wir hatten immer die Zuversicht, dass wir eine gute Zeit erleben werden.
Was war Ihre ausgefallenste Reise?
Als Kind reiste ich mit meiner Familie nach Bahía Solano. Wir flogen mit einer kleinen Propellermaschine über den Dschungel und landeten auf einem Kiesstrand. Weiter ging es in einem überfüllten Jeep zum Hafen und dann mit einer Nussschale von Boot auf eine Insel. Das war ein echtes Abenteuer. Toll war auch mein Ausflug zum Machu Picchu. Den Rolli haben wir einfach untergestellt, ein Helfer trug mich in einer Kraxe zur Kultstätte. Außerdem mache ich gern Reiseexperimente: So bin ich einmal um 13:13 Uhr von Gleis 13 per Regionalexpress losgefahren und an der 13. Station ausgestiegen – irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Der einzige Mensch, den ich traf, war ein Nazi, mit dem ich mich kurz unterhalten habe, dann fuhr ich wieder zurück. Sehr unterhaltsam.
Wie reagiert man in anderen Ländern auf Sie?
In Südamerika oder China fällt ein Weißer in einem modernen Rollstuhl natürlich mehr auf als in Europa. Völlig anders war es in Japan. Die höfliche Kultur erlaubt es nicht, Menschen anzustarren. Tokio hat mich sehr fasziniert, weil dort Technik scheinbar alle Barrieren überwindet. Irgendwann habe ich mir den Spaß gemacht und aktiv nach Hindernissen gesucht. Ich fand eine U-Bahnstation ohne Fahrstuhl, aber der Bahnhofsvorsteher stellte die Rolltreppe kurzerhand so ein, dass aus vier Stufen eine Plattform wurde, auf der ich fahren konnte – Wahnsinn. Die Rolltreppe stammte aus dem Hause Thyssen-Krupp, nur setzt sie in Europa niemand ein. In Japan machen sie es, einfach weil die Technik es ihnen erlaubt.
Und wo gab es die meisten Barrieren?
In Venedig. Mein Begleiter kam bei den ganzen Treppen ziemlich ins Schwitzen.
Sie waren vor kurzem in Bangladesch, auch kein klassisches Reiseziel. Wie ist es dazu gekommen?
Ich war als Botschafter für die Christoffel Blindenmission in Bangladesch. Wir haben uns pro Tag teilweise bis zu vier Projekte angeschaut. Meine Rolle war es zu schauen, ob und wie die Spenden vor Ort eingesetzt werden. Dadurch bin ich sehr privilegiert gereist, nämlich mit einem eigenen Auto, sonst wäre es für mich auch nicht möglich gewesen, Bangladesch zu bereisen.
Wie haben die Menschen dort auf Sie reagiert?
Die Menschen vor Ort waren unglaublich interessiert, sind teilweise aus den Dörfern angereist, um uns zu sehen. Ob das an meiner Behinderung lag, oder daran, dass wir einfach zehn weiße Männer in einem Konvoi waren, lässt sich schwer herausfinden. Am häufigsten wurde ich gefragt, ob ich verheiratet sei. Sicherlich, weil es für die Bangladescher ein wichtiges Thema ist, aber viel mehr stand dahinter die versteckte Frage: Können Menschen mit Behinderung überhaupt heiraten?
Was wünschen Sie sich von der Reiseindustrie?
Wenn ich nach barrierefreien Reisen suche, stoße ich oft auf Kurhotels oder Rehabilitationsreisen. Das ist aber nicht mein Lebensstil. Mich interessiert, ob es möglich ist, mit einem elektrischen Rollstuhl zu fliegen, oder ein rollstuhlgerechtes Hostel. In denen fehlt meistens leider ein barrierebarrierefreies Bett. Ich plane momentan einen Familienurlaub mit meiner Freundin und deren Kindern. Da wird es wirklich schwierig, etwas Erschwingliches und Normales zu finden. Ich würde mir generell wünschen, dass die Veranstalter Rollstuhlfahrer als ganz normale Gäste wahrnehmen, da fehlt aber noch das Angebot. Ich möchte Menschen nicht vor allem deshalb treffen, weil ich im Rollstuhl sitze, sondern aufgrund anderer Gemeinsamkeiten.
Was wäre Ihr Reise-Tipp für Menschen im Rollstuhl?
Einfach machen! Was ist kann denn schlimmstenfalls passieren? Dass der Urlaub anders verläuft als geplant, aber genau das macht das Reisen aus, ob mit Rollstuhl oder ohne.
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January 23, 2015
Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau: “Dann brech’ ich mir halt was”

Foto: Christian Mayer / bwhw 2013
Anfang Januar erschien im Kölner Stadt-Anzeiger, der Berliner Zeitung sowie in der Frankfurter Rundschau ein Interview von Alexandra Ringendahl mit mir:
Raul Krauthausen ist 34 Jahre alt, nur einen Meter groß und ist in seinem Elektrorollstuhl kaum zu bremsen. Der Aktivist wirbt für einen anderen Umgang mit Behinderung, weil unsere Gesellschaft Behinderte systematisch aussortiere.
Er nennt sich der Mann mit der Mütze. Die ist sein Markenzeichen. „Ich bin Berliner, Aktivist und Glasknochenbesitzer“, stellt sich Raul Krauthausen vor. Außerdem ist er Buchautor, Sozialunternehmer und regelmäßiger Talkshowgast. Der 34-Jährige ist einen Meter groß und schnell. Wer mit seinem Elektrorollstuhl Schritt halten will, muss auf Zack sein. „Der ist getunt“, gibt er zu.
Herr Krauthausen, wenn Ihr Name fällt, betitelt man Sie gern als einen der „prominentesten Deutschen auf Rädern“ Wie lebt es sich mit solchen Attributen?
Ich tue mich sehr schwer damit. Ich wollte mein Leben lang nie Berufsbehinderter werden. Es gab genug von denen, bei denen sich alles um die eigene Behinderung drehte. Ich fand die Welt immer so aufregend, dass es mehr gibt als die eigene Behinderung. Eigentlich bin ich in die Rolle und die Medienpräsenz reingestolpert.
Sie wollen nicht über Ihre Behinderung definiert werden und jetzt reden wir doch schon wieder drüber…
Ja, aber entscheidend ist der andere Dreh. Ich bin Aktivist. Mit unserem Verein „Sozialhelden e.V.“ machen wir keine Projekte von Behinderten für Behinderte. Wir wollen vielmehr die Mehrheit dazu bringen, über Behinderung nachzudenken und sie für das Thema zu öffnen. Und zwar ohne zu jammern. Unser Slogan ist „Einfach mal machen“, ohne die Weisheit schon zu Beginn mit Löffeln gegessen zu haben.
So wie mit eurer Wheelmap.org, der Online-Karte für rollstuhl-gerechte Orte…
Ja das ist unser erfolgreichstes Projekt: Wir haben Menschen befähigt, über ihr Smartphone, Orte zu bewerten – Restaurants, Cafés, Kulturstätten. Niedrigschwellig, sozusagen im Vorbeigehen. Inzwischen gibt es fast 500 000 Orte auf der als App verfügbaren Online-Karte und damit ist es das weltweit größte Projekt zum Thema Rollstuhlgerechtigkeit. Das ist die Idee der Sozialhelden, dass wir andere befähigen, Gutes zu tun und soziales Handeln mit Spaß verbinden.
Welche Berufsträume hatten Sie für sich als Kind?
Als Kind wollte ich immer Pilot werden. Ich kann mich erinnern, dass meine Mutter mich fragte, wie stellst du dir das vor? Und ich hab gesagt, naja wie immer, du trägst mich halt rein und wieder raus. Meine Mutter hat das so stehen lassen und nicht gesagt, das geht aber nicht. Sie wusste, dass ich irgendwann lernen werde, dass es nicht so sein wird. Jedes Kind will schließlich irgendwann Astronautin oder Feuerwehrmann oder Polizistin werden. Egal ob behindert oder nicht: Man sollte es seine Träume träumen lassen.
Wann wurde Ihnen klar, dass Sie anders sind und bestimmte Dinge für Sie nicht gehen werden?
Das Interessante ist, dass ich schon immer wusste, dass ich anders bin. Ich hatte als einziger in meiner Klasse einen Rollstuhl. Das war meine Normalität, die ich nie hinterfragt habe. Ich hatte nie den Wunsch laufen zu können, es sei denn, ich hatte eine Treppe vor mir. Es war nie so, dass ich weinend aufwachte und mich fragte, warum bin ich bloß behindert? Das ist eine Phantasie, die Nicht-Behinderte haben, dass ich darunter leiden würde. Trotzdem gab es einen Punkt, wo ich gemerkt habe, das ist jetzt wirklich anders.
Wann war das?
Es war in der 5. Klasse, als der Sportunterricht leistungsdifferenziert wurde. Davor gab es ein bisschen Ballspiele, plötzlich gab es Punkte und Noten. Da merkte ich: Bisher war ich dabei, jetzt nicht mehr. Plötzlich geht es um Schnelligkeit und nicht mehr ums Mitmachen. Ich war immer öfter im Nebenraum und machte Krankengymnastik. Das hat mich sehr verletzt, weil ich nicht krank war, sondern einer von den anderen. Meine Eltern haben mich nie demotiviert. Sie haben mich machen lassen und nie gesagt, das kannst du nicht.
Ziemlich mutig – bei einem Kind mit Glasknochen und Knochenbrüchen in Serie.
Meine Mutter hat immer gesagt, ich bin ein Stehaufmännchen. Bei ihr war nie der Ansatz „Wie machen wir das mit Raul“, sondern „Dann kommt er halt mit, wird schon irgendwie gehen.“ Da schwang immer mit, dann brichst du dir halt was. Ähnlich sehe ich das auch. Na, dann breche ich mir halt was. Es sollte kein Grund sein, nicht das Haus zu verlassen.
Wie oft ist Ihnen das schon passiert?
Hunderte Male. Ich habe aufgehört zu zählen. Aber meine Mutter ist Ärztin, die konnte das Eingipsen zuhause. Und die Erfahrung von Hunderten von Knochenbrüchen ist: Die erste Woche ist kacke und dann geht’s wieder aufwärts.
Wie erleben Sie den Umgang mit Behinderung. Lösen Sie bei Ihrem Gegenüber Unsicherheit aus?
Sobald die Leute das Wort Glasknochen hören, haben sie Respekt und denken, ich breche mir den Arm, wenn sie mir die Hand geben. Oder sie springen zehn Meter vor mir zur Seite, nur weil ich mit dem Rolli vorbeifahre. Ich habe einen Umgang damit gelernt. Wenn ich spüre, dass mein Gegenüber unsicher ist, versuche ich durch Humor die Stimmung zu lockern.
Das stelle ich mir anstrengend vor, immer den Clown für andere zu geben, nur um die Unsicherheit der anderen zu kompensieren…
Meine Mutter hat mal gesagt, dass ich immer der Klassenclown war. Das war eine Strategie, andere dafür zu belohnen, dass sie mir helfen, dadurch dass ich witzig bin. Gute Stimmung um mich herum zu verbreiten, damit die Leute gerne in meiner Anwesenheit sind. Inzwischen sehe ich das kritischer. Ich merke, dass viele von mir erwarten, dass ich witzig bin.
Fühlen Sie sich instrumentalisiert?
Ja, es gibt diese positive Form der Diskriminierung. Viele Menschen mit Behinderung werden instrumentalisiert, um andere Menschen zu inspirieren. Facebook oder Twitter sind voll von Bildern von Arm- oder Beinamputierten, die trotzdem Surfen. Und dann steht da drunter: Jeder kann es schaffen, wenn er an sich glaubt. Wenn Menschen Behinderte sehen, benutzen sie das oft, um sich als Nicht-Behinderter besser zu fühlen. Sie sind erleichtert, dass sie keine Behinderung haben, sehen ihr Schicksal relativiert. So wie RTL mit Schicksalen von Hartz IV-Empfängern und Ehestreit vor Gericht. Und der Zuschauer denkt, dir geht’s ja gar nicht so schlecht.
Spüren Sie diese Form der Diskriminierung auch, wenn Sie die Bühne betreten?
Mein Coach hat mir mal gesagt: Das Traurige ist, dass 90 Prozent deiner Miete allein die Anwesenheit ist. Es reicht, einen behinderten Menschen auf eine Bühne zu stellen, wenn der dann noch ’nen graden Satz rauskriegt, ist die Show gelaufen. Es geht nicht um das, was ich sage. Weil die ganzen Bankmanager im Publikum noch nie mit einem Behinderten in Kontakt waren und denken: Boah.
Wie gehen Sie damit um?
Ich hole die Leute aus ihrer Komfortzone raus. Ich sage: Sie werden sich jetzt sicher fragen, hat der Typ Sex. Dann sind alle irritiert. Ich versuche, einen anderen Blick auf Behinderung zu geben. Dass es hier nur um das Verhältnis behindert und zeitweise nicht behindert geht. Ich habe einen Vorsprung, weil ich die Erfahrung habe, wie es ist, behindert zu sein. Ich sage: Sie alle im Publikum werden bald eine Behinderung haben, nämlich im zunehmenden Alter – und dann reden wir noch mal. Das hilft.
Gewöhnt man sich daran, immer Blicke auf sich zu ziehen?
Ich bin so aufgewachsen und weiß nicht, ob auch das nicht eine Perspektive von Nicht-Behinderten auf Behinderte ist, dass man annimmt, ich könnte unter den Blicken leiden. Schwieriger sind die Sekundärbilder: Wenn ich in Begleitung zur Bank gehe, redet der Bankangestellte immer mit meiner Begleitung, auch wenn es um mein Konto geht. In Cafés bekomme ich manchmal keine Speisekarte. Oder eine wildfremde Frau in der Bahn fragt mich, ob ich Sex habe. Hinzu kommt der Mitleidsfilm, der oft in den Köpfen läuft, wenn Leute sich nicht trauen, mich zu kritisieren, weil sie denken „Der hat’s doch so schwer“.
Sie geben mit den Sozialhelden auch Kurse für Journalisten, um auch für die Sprache im Hinblick auf Behinderte zu sensibilisieren…
Da gibt es viel Bedarf, jenseits des Vorwurfs aufzuklären. Nicht nur, wenn mal wieder jemand „an den Rollstuhl gefesselt ist“. Warum werden in Filmen Behinderte immer von Nicht-Behinderten gespielt? Man malt ja auch weiße Menschen nicht mehr schwarz an. 90 Prozent des Wissens sagt die Wissenschaft, das Nicht-Behinderte über Behinderte haben, haben sie aus den Medien. Das liegt daran, dass wir im Umfeld kaum Menschen mit Behinderung haben. Obwohl zehn Prozent offiziell eine Behinderung haben, sind nicht zehn Prozent unserer Freunde behindert – weil unser System sie systematisch aussortiert.
Genau das soll sich ja jetzt durch die Inklusion ändern.
Der Prozess, dass wir alle zusammen lernen, fängt ja gerade erst an. Aber die Widerstände sind groß und geprägt von der Sorge vor Mehrbelastung. Da heißt es, wir müssten die Lehrer erst mal fortbilden. Eltern, die ein behindertes Kind zur Welt bringen, waren auch vorher keine Fachkräfte. Was für eine Annahme steckt dahinter, dass man für den Umgang mit Behinderten erst mal eine Ausbildung machen muss. Unser Motto ist: Erst mal anfangen. Die Kernforderung ist: kleinere Klassen. Die tun übrigens auch nicht-behinderten Kindern gut.
Sie sind als Vorstandsvorsitzender der Sozialhelden Chef von zehn Angestellten. Wieviel arbeiten Sie und wieviel Geld dürfen Sie behalten?
Ich bin auf Assistenz angewiesen – also auf Menschen, die mir helfen, aus dem Bett zu kommen und mich anzuziehen. Diese finanziert das Sozialamt – mit dem Effekt, dass ich damit unter das Sozialhilfegesetz falle und nicht mehr verdienen darf, als den doppelten Hartz-IV-Satz, also 768 Euro. Das ist für mich in der Verantwortung mit einer 60-Stunden-Woche weniger als der Mindestlohn. Noch fataler ist, dass ich weder sparen noch erben darf. Alles, was ich über diesen Grenzsatz verdiene, wird ab dem 1. Euro zu 80 Prozent eingezogen. Alles über 2600 Euro Rücklagen wird komplett eingezogen. Egal, wie viel ich arbeite, ich werde in der Altersarmut enden. Diese Aussicht macht mich krank.
Das heißt, man fördert auf der einen Seite Inklusion, bestraft aber Menschen, die diese erfolgreich durchlaufen haben.
Das Anreizmodell ist an dieser Stelle kaputt. Wenn ich den ganzen Tag RTL2 gucke, nehme ich genauso viel Hilfe in Anspruch. Seit 20 Jahren versprechen Bundesregierungen, daran etwas zu ändern, in dieser Legislatur gibt es wieder Beratungen. Assistenz müsste in einem neuen Teilhabegesetz einkommensunabhängig sein.
Mal abgesehen vom Finanziellen. Was ist Ihre Sehnsucht?
Natürlich bin ich nicht mit mir zufrieden. Ich entspreche nicht dem Sunnyboy, dem Mister Germany, sondern ich bin halt ein kleinwüchsiger Mann im Elektrorollstuhl, der selten in das Beuteschema von Singles fällt. Wobei ich gerade in einer Partnerschaft lebe. Egal ob auf dem Singlemarkt oder dem Arbeitsmarkt – mein Möglichkeitshorizont ist ein anderer. Ich sehne mich danach, nicht aufgrund meiner Behinderung bewertet zu werden, sondern aufgrund meines Charakters und Könnens.
Wer Sie erlebt, kann sich Ihrem Tatendrang und der positiven Energie, die sie ausstrahlen kaum entziehen…
Von meinem peruanischen Vater habe ich diese unglaubliche Lust aufs Entdecken mitbekommen. Ich lebe gerne. Und ich habe gelernt, dass es nicht darauf ankommt, wie wir unseren Weg gehen, sondern, dass wir losgehen. Die Reise dazwischen ist das Leben. All diese Bewertungen, ob schnell oder langsam, schön oder nicht schön, finden von außen statt. Eigentlich wichtig ist, dass wir uns selbst als glücklich empfinden.
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December 10, 2014
Süddeutsche Zeitung: “Ich bringe der Volkswirtschaft mehr, als ich koste”
Foto: Andi Weiland, SOZIALHELDEN e.V.
Am 14. November erschien im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung ein Interview von Lea Hampel und Hannah Wilhelm mit mir über das Teilhabegesetz.
Er wollte auf keinen Fall Berufsbehinderter werden und ist mittlerweile dennoch einer der prominentesten Deutschen auf Rädern. Raul Krauthausen über seine heimliche Schwäche, Bankmitarbeiter zu ärgern, den Traum vom großen Geld und den Rollstuhl als Investition.
Dass Raul Krauthausen Humor hat, zeigt sich schon in der ersten Mail: „Gesendet aus meinem Rollstuhl“, steht in der Signatur. Zum Gespräch bittet der 34-jährige Buchautor, Radiomoderator und Sozialunternehmer ins Berliner Café A.Horn nahe dem Landwehrkanal. Zum einen, weil er es mag. Zum anderen, weil das Café einer von Dutzenden Orten ist, die in der von Krauthausen gestarteten „Wheelmap“ stehen, einer interaktiven Karte für barrierefreie Orte. Es sind immer noch zu wenige, findet er. Und erzählt mit leichtem Berliner Dialekt, warum er Chef von acht Angestellten ist und trotzdem Geldspenden bekommt – und ein Rollstuhl gelegentlich sogar Vorteile hat.
SZ: Herr Krauthausen, reden wir über Geld. Sie können nicht selbst Geld abheben, weil Sie im Rollstuhl sitzen. Wonach suchen Sie aus, wem Sie Ihre PIN-Nummer verraten, damit er hilft?
Raul Krauthausen: Ich mache das nur mit meinen Assistenten. Im Zweifel weiß ich bei denen auch, wo die wohnen (lacht). Wenn ich einen guten, gehässigen Tag habe, konfrontiere ich Bankmitarbeiter mit dem Problem und frage die, ob ich ihnen meine PIN sagen soll.
Aber das dürfen die nicht bejahen.
Genau. Da gibt es oft beschämende Momente. Vielleicht bringen die mal ein Umdenken in dieser Filiale.
Sie sitzen Ihr Leben lang im Rollstuhl. Womit wollten Sie später Geld verdienen, als Sie Kind waren?
Ich wollte Pilot werden. Da hat meine Mutter gefragt: Wie stellst du dir das vor? Ich habe geantwortet: Na ja, so wie immer: Du trägst mich rein und du trägst mich wieder raus (lacht). Sie hat mich in meinem Luftschloss gelassen. Es war wichtig, dass ich solche Träume selbst aufgegeben habe. Menschen mit Behinderungen wird oft so wenig zugetraut, statt dass man darauf setzt, dass sie selbst einschätzen können, was sie können und was nicht.
Gab es keine Träume, die Ihnen Ihre Mutter doch nehmen musste?
Ich war zu faul, mein Abitur zu machen. Da hat sie gesagt: „Hast du dir was anderes überlegt? Dir muss klar sein: Dachdecker kannst du nicht werden.“ Und damit hatte sie ja recht. Ich bin dann auf der Schule geblieben.
Schon, weil Sie reich werden wollten.
Ja. Ich dachte, dann kann man alles machen, was man will.
Hatten Sie denn das Gefühl, nicht alles machen zu können?
Zum Glück war in meiner Familie nie die Frage: „Oh Gott, wie machen wir das nur mit Raul?“ Sondern immer: „Wo geht’s hin? Raul mitzunehmen, wird schon klappen.“ Aber es gab Situationen, in denen ich mich gefragt habe, ob meine Eltern mich lieben. Meine Mutter hat zum Beispiel immer gesagt, dass ich mit 18 ausziehen soll. Im Nachhinein muss ich sagen, dass sie recht hatte. Sie hat mir damit zu verstehen gegeben, dass ich es schaffen kann.
Sie hat Ihnen auch ein Leben in der Fremde zugetraut.
Meine Eltern haben sich an einer Schule in Südamerika kennengelernt. Als meine Mutter mit mir schwanger war, erfuhr sie, dass ich behindert sein würde. Wir zogen nach Deutschland, weil hier die Versorgung besser ist, und sie studierte Medizin. Sie fand keine Stelle, und als ich neun war, gingen wir nach Kolumbien. Ich konnte kein Wort Spanisch, war ziemlich verloren, aber nach einem halben Jahr habe ich das hingekriegt. Dann fiel die Mauer, es gab wieder Stellen für Ärzte in Deutschland, und wir gingen zurück. Ich konnte in die Berliner Klasse, in der ich vorher war. Das war gut, denn das war Deutschlands erste inklusive Schule.
Ganz schön mutig, Ihre Mutter.
Stimmt. Gut war auch, dass sie mich anderen anvertraute. Ich kenne viele Eltern von Kindern mit Glasknochen, die ängstlicher sind. Meine Mutter hat immer gesagt: „Dann brichst du dir halt was.“
Ist das passiert?
Klar, schlimme Brüche. Ab dem hundertsten Bruch hört man auf zu zählen. Würde man versuchen, sich genauso selten etwas zu brechen wie Menschen ohne Glasknochen, müsste man abgeschottet leben.
Heilen die schnell?
Genau so wie bei Menschen ohne Glasknochen. Und gipsen konnte meine Mutter selbst, sie war ja Ärztin.
Waren Sie das einzige Kind mit Glasknochen in Ihrer Klasse?
Ja. Die Mehrzahl war nicht behindert, aber wir hatten bis zur sechsten Klasse ein Mädchen mit sogenannter geistiger Behinderung, in der siebten kamen Kinder mit Hörproblemen oder Lernschwierigkeiten. Es gab für uns aber keine Extrawurst. Ich wurde auch aus dem Klassenzimmer geschmissen, wenn ich zu laut war. Das ist Inklusion (lacht).
Haben Sie mal versucht, mit Ihrer Behinderung einen Vorteil zu bekommen?
Ja, einmal. Für den Englischunterricht sollten wir an einen imaginären Brieffreund schreiben. Ich dachte, die Lehrerin ist nah am Wasser gebaut. Ich habe geschrieben, dass ich jeden Tag traurig aus dem Fenster schaue und zusehe, wie meine Freunde Fußball spielen. Ich habe es wirklich übertrieben und bekam die beste Note. Was ich nicht bedacht hatte, war, dass ich vor der ganzen Klasse den Text vorlesen musste. Meine Mitschüler waren sauer, weil sie wussten, dass das nicht stimmt. Und meine Mutter war wütend. Ich habe mich furchtbar geschämt. Es war die einzige Eins, die ich jemals hatte.
Was haben Sie nach der Schule gemacht?
Zehn Jahre lang ein Studium absolviert, das auf neun Semester angelegt war (lacht). Damals kam meinem Cousin und mir die Idee für den Verein Sozialhelden. Ich hatte die Zivis immer aus meinem Freundeskreis rekrutiert. Als alle studierten oder zu alt waren, haben wir über Radio Fritz ein Casting gemacht, Deutschland sucht den Super-Zivi. So kamen wir auf die Idee, soziales Handeln mit Spaß zu verbinden.
Wovon lebten Sie damals?
Ich habe Websites programmiert und brauchte nicht viel zum Leben, 300, 400 Euro. Mit dem Verein ging es nicht um Reichtum. Wir wollten uns engagieren, das sollte sich aber tragen. Das war Social Entrepreneurship, ohne dass wir wussten, was das ist.
Wovon leben Sie jetzt?
2010 habe ich ein Stipendium für Sozialunternehmer bekommen und aufgehört zu arbeiten. Die vergangenen Jahre konnte ich so Wheelmap vorantreiben.
Was ist das?
Die Idee von einem Freund, der keinen Bock mehr hatte, sich mit mir immer im selben Café zu treffen. Es war das einzige, das ich kannte, das rollstuhlgerecht war. Wir haben eine Landkarte programmiert, in die jeder barrierefreie Orte eintragen kann. Wir waren eine der wenigen Apps mit einem sozialen Aspekt. Und gegen Behinderte darf eh niemandwas haben – also hatten wir schnell Aufwind. Tja. Eigentlich wollte ich nie Behinderung zum Thema machen. Ich fand das zu banal.
Wie finanziert sich das Projekt?
Durch Spenden und Fördergelder. Seit mein Stipendium ausgelaufen ist, bin ich selbständig, mache Lesungen, berate und gebe Workshops zum Thema Inklusion, Innovation, sowas eben. Aber viel darf ich eh nicht verdienen.
Warum nicht?
Es lohnt sich nicht. Ich brauche jeden Tag morgens und abends sechs Stunden Unterstützung – Hilfe, aus dem Bett zu kommen, beim Waschen, Anziehen, Essen-Zubereiten. Das Sozialamt bezahlt dafür 6000 Euro im Monat. Sobald du als Mensch mit Behinderung auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen bist, gelten Einkommensregeln. Das bedeutet für mich, dass ich nur den doppelten Hartz-IV-Satz verdienen darf, also 700 Euro, und nur 2600 Euro Vermögen ansparen darf.
Das wird schwierig mit Ihrem früheren Wunsch, reich zu werden.
Alles darüber hinaus würde das Sozialamt zu bis zu 80 Prozent einziehen. Ich darf keinen Bausparvertrag abschließen, keine Lebensversicherung, keine Altersvorsorge betreiben außer Riester, die sich nicht lohnt, weil ich nicht weiß, ob ich bis 67 arbeiten kann. Erben darf ich auch nicht, das kassiert das Sozialamt. Wenn ich heiraten würde, würde das Geld meiner Frau eingezogen werden. Ich bin eine tickende Bombe für jede Frau.
Dafür zahlt die Allgemeinheit die 6000 Euro für Betreuung.
Da haben Sie recht. Aber Menschen wie ich sind doch das, was der Staat gerne hat: arbeits- und leistungsbereite Menschen mit Behinderungen, die kreativ sind und Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig werden genau diese Menschen demotiviert, mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen.
Es demotiviert Sie?
Natürlich arbeite ich trotzdem. Aber ich müsste mehr als 6700 Euro verdienen, um deutlich mehr als 700 Euro im Monat zu haben. Das ist unrealistisch. Menschen mit Behinderungen werden immer als Kostenfaktor gesehen. Aber: Ich bringe der Volkswirtschaft mehr, als ich koste. Ich habe das mal spaßeshalber mit meinem Steuerberater ausgerechnet. Nur dadurch, dass ich morgens aufgestanden werde, kann ich zur Arbeit bei Sozialhelden kommen. Dort habe ich acht Arbeitsplätze geschaffen, die nichts mit meiner Behinderung zu tun haben. Wir könnten gerne über 20 Prozent Beteiligung reden, aber 80 finde ich heftig. Besonders gemein finde ich, dass ich fürs Alter nicht sparen darf. Ich steuere direkt auf Altersarmut zu, ohne etwas tun zu können.
Das heißt, Sie arbeiten wie jemand ohne Behinderungen und haben ein Einkommen, als würden Sie gar nicht arbeiten.
Ja. Ich habe zwei Studien hinter mir, habe viel Berufserfahrung, bin seit zehn Jahren Chef und habe acht Angestellte. 700 Euro sind da ganz schön wenig. Mit meinen 60 Stunden Arbeit pro Woche bin ich weit unter einem Mindestlohn. Ich will nicht reich werden, aber 2600 Euro netto wären nett.
Wie wird das kontrolliert?
Ich muss alle drei Monate meine Konten offenlegen. Das ist ein krasser Eingriff in meine Privatsphäre. Die Kontrolle kostet mehr, als sie bringt. Die Regierung will sich dem Problem in dieser Legislaturperiode widmen. Das sogenannte Teilhabegesetz.
Das ist doch ein Anfang.
Ja, aber ich befürchte, dass die Politik sagt, „wir haben verstanden, 2600 sparen ist doof, wir erhöhen auf 4000 Euro“. Das ändert fürs Alter gar nichts. Das Fatale wäre: Das Thema wäre die nächsten zehn Jahre vom Tisch.
Geht es Ihnen wirtschaftlich trotzdem relativ gut im Vergleich zu anderen Menschen mit ihrer Behinderung?
Ja. Ich hatte viel Glück: Junge Eltern, Berlin als Großstadt, Schule und Uni waren rollstuhlgerecht, die Agentur, für die ich gearbeitet habe, hatte ein Fabrik-Loft im Erdgeschoss.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner Mutter. Ich bewarb mich für ein Praktikum und stand vor der Frage: Schreibe ich in den Lebenslauf, dass ich behindert bin? Juristisch bin ich nicht dazu verpflichtet. Ich hatte Angst, dass sie mich deswegen ablehnen. Aber es ist gegenüber dem Personaler doof, wenn ich es nicht sage. Meine Mutter hat mir geraten, es so zu formulieren, dass ich von der Behinderung schreibe, aber auch alle Besonderheiten in meine Verantwortung nehme. So verhindert man Absagen mit Ausreden wie „Wir haben keine rollstuhlgerechte Toilette“.
Dann mussten Sie das auch selbst organisieren?
Ja, und es hat mich im Nachhinein nachdenklich gemacht, weil es ein unglaublich neoliberaler Ansatz ist, soziale Verantwortung zum Problem des Einzelnen zu machen. Es war ein netter Einstieg in die Berufswelt, aber ich würde nicht jedem empfehlen, die Probleme, die andere mit einem haben, selbst zu lösen. Das nervt auch viele Menschen mit Behinderung. Dass sie immer gute Laune verbreiten und den anderen ihre Ängste nehmen müssen.
Damit die nicht unsicher sind?
Ja. Auch bei mir war es meine Methode, durch Humor Menschen auf meine Seite zu ziehen. Das muss ich, weil ich auf ihre Hilfe angewiesen bin. Dass ich auch Zweifel und Ängste habe, wissen deshalb eher weniger Menschen.
Reagieren viele Menschen mit Mitleid?
Klar. Selbst wenn ich ein Arschloch wäre, würden die Leute mich nicht kritisieren, weil „der hat’s ja schon so schwer“. Ich kann Menschen mit Behinderung verstehen, die keinen Bock mehr drauf haben, Inspiration für andere sein. Zum Beispiel: Nur weil ich auf eine Party gehe, bin ich nicht besonders lebensfroh. Ich geh’ halt auf eine Party,wie jeder andere auch. Mein Rollstuhl hat damit nichts zu tun.
Jetzt aber ist Ihr Rollstuhl auch Ihr Markenzeichen.
Ja, aber ich muss auch zugeben, dass ich mich erst seit fünf Jahren bewusst mit dem Thema Behinderung auseinandersetze.
Warum?
Aus der Haltung heraus, dass auch nicht jede Frau sich für Frauenrechte starkmacht. Im Nachhinein würde ich sagen: Ich habe es verdrängt.
Wie hat sich das gezeigt?
Als ich bei Radio Fritz in die Arbeitswelt geworfen wurde, fühlte ich mich am Anfang schwach und wollte nie, dass meine Behinderung zur Last fällt. Ich habe lieber zwölf Stunden gearbeitet, ohne auf die Toilette zugehen, anstatt jemanden um Hilfe zu bitten. Ich habe lieber vor einer verschlossenen Tür gestanden und gewartet, statt jemanden zu fragen, ob er mir aufmacht.
Wann hat sich das geändert?
Mit der Wheelmap und meiner Diplomarbeit. Da habe ich gemerkt: Meine Erfahrungen haben viele gemacht. Und ich habe gelernt: Was immer fehlt, ist Normalität. Es heißt immer: Er wird trotz Rollstuhl Internetkonzepter. Dabei sagt niemand: Er wird trotz seiner blonden Haare Internetkonzepter.
Heute verdienen Sie Ihr Geld mit Projekten, die Menschen mit Behinderung das Leben erleichtern.
Ja, dabei wollte ich nie ein Berufsbehinderter sein. Auch heute finde ich es schwierig zu unterscheiden: Verbindet uns unsere Behinderung oder sind es gemeinsame Interessen? Frauen sind ja auch nicht automatisch Freundinnen, nur weil sie Frauen sind. Ich wurde schon häufig gefragt: Mein Nachbar sitzt auch im Rollstuhl, kennen Sie den? Äh… nein.
Ihr Rollstuhl sieht im Übrigen sehr speziell aus. War der teuer?
Der hier hat 12 000 Euro gekostet. Aber nicht, weil er so besondere Technik beinhaltet, sondern weil die in kleiner Stückzahl produziert werden.
Und Sie investieren zusätzlich.
Ja, den Rollstuhl bezahlt die Krankenkasse. Aber da ich ihn tagtäglich benutze, versuche ich schon, damit mein Leben angenehmer zu gestalten. Zum Beispiel kann ich mein Smartphone daran aufladen.
Und Sie haben ihn schneller machen lassen – dürfen wir das überhaupt fragen oder outen wir Sie als Verkehrssünder?
Also… Er fährt schneller als das Standardmodell.
Wie viel schneller?
In Deutschland darf man sechs fahren, der hier fährt zehn.
Wollten Sie flotter unterwegs sein?
Nee, aber mir hat der Rennmodus gefehlt. Ich war so schnell wie normal Laufende, aber die konnten rennen, wenn der Bus kommt, das wollte ich auch. Jetzt ist der Rollstuhl ungefähr so schnell wie ein Jogger, und natürlich fahre ich immer so schnell, seitdem kommen mir Fußgänger langsam vor. Dann zeigen mir meine Assistenten einen Vogel, wenn ich sage: Komm, lass uns die zwei U-Bahn-Stationen laufen.
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December 8, 2014
Stolz statt Vorurteile

Sportlerin Christiane Reppe: Stolz mit Behinderung, statt gegen Vorurteile zu kämpfen. (Foto: Andi Weiland)
Ich treibe mich viel auf YouTube herum und zeige auch gerne meinen Arbeitskollegen einen tollen Videoclip. Immer öfter entdecke ich dabei auch junge Menschen mit Behinderung, die stolz sind, statt gegen Vorurteile zu kämpfen.
In einem Lehrbuch für „Wie verhält man sich als guter Chef“ würde ich wohl als Negativbeispiel aufgeführt werden. Nicht, wenn es um die Sozialhelden-Struktur geht oder unsere Projekte, sondern wenn es ums YouTube-Videos-Gucken im Büro geht. Da bin ich wohl alleiniger Anführer in der Liste „Hey, guckt mal hier, was ich für ein Video gefunden habe“. So habe ich auch letztens erst wieder das ganze Büro vor mein Laptop gelockt, um das Video zu zeigen von einem Mädchen, das nur einen Arm hat und sich einen französischen Zopf flechtet.
Einige Frauen und unser langhaariger Pressesprecher waren beeindruckt und meinten nur: „Das schaffe ich ja nicht mal mit zwei Armen!“
Junge Generation von Menschen mit Behinderung auf YouTube, Facebook und Co
Das Video war für mich ein schönes Beispiel dafür, dass es eine junge Generation von Menschen mit Behinderungen gibt, die sich nicht mehr so stark mit den Kämpfen gegen Vorurteile auseinander setzen muss/will, sondern lieber gleich per YouTube, Facebook und Co zeigt, wie ihr Leben aussieht. Wenn ich an meine Jugend denke, als ich so alt wie das Mädchen war, dann erinnere ich mich daran, dass mir meine Behinderung zum ersten Mal so richtig bewusst wurde, weil sie mich in manchen Dingen einschränkte. Ich habe nicht mehr mit anderen Kindern im Sportunterricht Fangen gespielt, sondern wurde von dem Leistungsvergleich ausgeschlossen. Auf der einen Seite hätte ich bei dem Leistungsvergleich wohl nicht gut abgeschnitten, aber auf der anderen Seite wurde ich dadurch von meinen Freunden getrennt, weil ich früher nach Hause geschickt wurde und die anderen ihre Verabredungen in den Umkleidekabinen getroffen haben.
Zeigen, dass die Behinderung nicht alles an mir ist
In der Zeit dachte ich oft: Verdammte Behinderung, kann ich nicht irgendwie zeigen, dass sie für meine Freunde kein Problem ist?
Vielleicht hätte ich in dem Alter auch einen YouTube-Kanal eröffnet oder irgendwas anderes gemacht, um zu zeigen, dass die Behinderung nicht alles an mir ist. Problem nur: Das Internet war noch weit weg.
Als ich mir meiner Behinderung immer mehr bewusst wurde, dachte ich auch, dass ich gegen Vorurteile kämpfen müsste, obwohl es sie manchmal noch gar nicht gab. Ich wurde irgendwie zum Klassenclown oder auch manchmal ein bisschen arrogant, wenn mich beispielsweise Menschen auf der Straße zu lange angeschaut haben.
Selbstbewusster Umgang mit der Behinderung
Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich habe geglaubt, dass ich als Mensch mit einer Behinderung Abwehrmechanismen entwickeln müsste, um mich nicht immer wegen Vorurteilen zu rechtfertigen oder auch manchmal zu schämen.
Jetzt sehe ich das Video von dem Mädchen mit nur einem Arm oder eine andere Frau, die sich eine Prothese aus Lego baut, an und denke nur: Wow, gehen die schön selbstbewusst damit um! Fast so, als wollten sie sagen: Ja, mir fehlt ein Bein oder Arm, aber es ist mir egal, was du denkst. Auch in meinem Freundeskreis sehe ich bei jüngeren Menschen mit Behinderungen, dass sie „lockerer“ damit umgehen als ich damals.
Ob es jetzt David Lebuser ist, der mit seinen Rollstuhl auf Halfpipes herumskatet,
oder Christiane Reppe, die als Handbikerin gerade alles gewinnt, was es so gibt, und sich uns auf Bildern als stolze Sportlerin präsentiert.
Vielleicht ändert sich ja doch langsam was und wir können mehr zeigen, dass wir stolze Menschen mit Behinderungen sind, statt gegen Vorteile zu kämpfen. Es wäre zumindest ein schöner Gedanke!
Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.
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December 5, 2014
Weihnachts-Verlosung: Dachdecker wollte ich eh nicht werden.
Pünktlich zur Weihnachtszeit verlose ich 10 Exemplare des Buches “Dachdecker wollte ich eh nicht werden”. Ich verspreche, dass sie pünktlich zu Heiligabend unterm Baum (oder wo auch immer bei Euch) liegen werden. Mit Widmung und signiert!
So einfach gehts:
a Rafflecopter giveaway
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December 1, 2014
Inklusion ist, was wir draus machen! #Inklusion2025
“Ich mag das Wort ‘Inklusion’ nicht!” höre ich immer öfter von Menschen, die mir während meiner Arbeit bei den SOZIALHELDEN begegnen. Meist sind es Menschen mit Behinderung, die enttäuscht von dem Begriff und der (langsamen) inklusiven Entwicklung in unserer Gesellschaft zu sein scheinen.
Für viele ist das Wort einfach alter Wein in neuen Schläuchen: Ein Großteil des medialen und politischen Diskurses ersetzt den Begriff “Integration” durch das Wort “Inklusion” und beschreibt lediglich wieder das “integrieren einer (behinderten) Minderheit in eine (nicht behinderte) Mehrheit”. Die Deutungshoheit bleibt der Mehrheit überlassen und die Minderheit hat dankbar dafür zu sein.
Andere behinderte Gesprächspartner*Innen sagen offen zu mir, dass “diese Inklusion” nicht funktionieren kann, wenn wir anfangen, die Maßstäbe der nicht behinderten Menschen auf Menschen mit Behinderung zu übertragen. Daher ist der Begriff zum Scheitern verurteilt.
“Inklusion kann gar nicht funktionieren”, weil behinderte Menschen sich häufig nicht als Mensch gesehen fühlen, sondern von den nicht behinderten Menschen ausschließlich als Kostenfaktor und Probleme-Machende stigmatisiert.
Zu all diesen Kritiker*Innen aus den eigenen Reihen kann ich nur sagen:
Ja, Inklusion ist eine Utopie. Aber eine, für die es sich zu kämpfen lohnt! Denn: “Inklusion ist…”, wie Fred Ziebarth, der Psychotherapeut meiner ehemaligen Grundschule, sagt: “…ein beiderseitiger Prozess der Bewältigung und der Annahme von menschlicher Vielfalt, der uns alle einschließt.”
Wir sollten froh sein, einen (Kampf-)Begriff gefunden zu haben. Denn wenn es kein Wort für die gleichberechtigte Teilhabe von allen Menschen gibt – ob hochbegabt, behindert, erkrankt, jung, alt, mit Migrationshintergrund, anderem Geschlecht oder unterschiedlicher Sexualpräferenz – dann haben wir als Aktivist*Innen auch nichts zum Anpacken. Das Problem ist in meinen Augen nicht die Begrifflichkeit. Das Problem sind die eingefahrenen Denkmuster der deutenden Mehrheit. Diese zu ändern ist eine Mammut-Aufgabe und wird es leider auch noch lange sein; wie bei jedem großen gesellschaftlichen Wandel.
Sprache schafft Realität!
Wenn wir also unzufrieden mit der Verwässerung des Begriffs “Inklusion” durch die Mehrheitsgesellschaft sind, dann müssen wir, die Betroffenen, die Deutungshoheit zurückgewinnen! Ähnlich der Rückgewinnung des “Krüppel”-Begriffs durch die Krüppelbewegung in den 1970er Jahren oder des Wortes “Feminismus” durch die jüngere #Aufschrei-Bewegung.
Was gilt es also zu tun?
Medien und Politiker*Innen müssen begreifen, dass es notwendig ist, den Minderheiten die Deutungshoheit zuzugestehen. Das bedeutet, dass nicht behinderte Menschen Macht abgeben müssen. Macht in Form von medialer Aufmerksamkeit und politischer Gestaltung. Es darf nicht sein, dass ein Großteil des Inklusions-Diskurses fast ausschließlich von nicht behinderten, weißen, heterosexuellen, priviligierten Menschen (meist: Männern) geführt wird! Projekte wie Leidmedien.de können einen Anfang darstellen.
Bewusstseinsbildung in den eigenen Reihen ist wichtig. Wie wollen wir die dominierende Mehrheit von unseren Ansichten überzeugen, wenn wir uns selber nicht einig sind? Auch wir, die “Minderheit”, müssen uns den unbequemen Fragen rund um das Thema Inklusion stellen und Lösungen für die anfallende Kosten und Umsetzbarkeit entwickeln. Diese Antworten müssen natürlich nicht deckungsgleich mit denen der Mehrheit sein. Projekte wie Inklusionsfakten.de und Eine Schule für Alle versuchen die Chancen und Lösungen zur Inklusion herauszuarbeiten.
Dann braucht es einen zeitlosen Rahmen. Einen, der Selbstbestimmung und Selbstbewusstsein ausdrückt. Das alt bewährte Motto #NichtsÜberUnsOhneUns (Als Hashtag z.B.) könnte hier gut passen und uns dabei helfen, uns Gehör zu verschaffen.
Was ich mir also wünsche?
Auch wenn es nur noch elf Jahre hin sind, so wünsche ich mir bis zum Jahr 2025, dass Inklusion soweit voran geschritten ist, dass wir uns nicht mehr fragen, ob Inklusion möglich ist – sondern, wie es früher, ohne die Inklusion, möglich war. Schließlich fragen wir uns ja auch nicht mehr, ob wir Jungs und Mädchen gemeinsam beschulen können.
Meine Wünsche:
Dass das Kind mit Rollstuhl im Doppeldecker-Bus oben sitzen darf.
Dass Teenager*innen mit und ohne Behinderung gemeinsam selbstbestimmt und ohne vorherige Anmeldung Bahnfahren und spontan ein- und aussteigen können.
Dass Architekt*Innen eine*n Vorgesetzte*n mit Behinderung haben können.
Dass die Frage des Brandschutzes vs. Teilhabe ein für alle Mal im Sinne der Teilhabe entschieden wurde.
Dass Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung am 1. Arbeitsmarkt genauso selbstverständlich präsent sind, wie nicht behinderte Menschen auch
Dass die Kellner*innen des Lieblingscafés natürlich auch blind sein können, und nicht nur im Dunkelrestaurant bedienen dürfen.
Dass die Gebärdensprache an der Regelschule unterrichtet wird.
Dass das Einkommen eines Menschen mit Behinderung und dessen Angehörigen für die Assistenz irrelevant ist, weil es um Teilhabe und nicht um Kosten geht.
Dass wir begreifen, dass auch nicht behinderte Menschen ein Recht darauf haben, mit Menschen mit Behinderung zusammen zu leben.
Der Zukunftskongress ‘Inklusion 2025’ von der Aktion Mensch wäre für unseren neuen, gemeinsamen Aktivismus doch ein guter Auftakt!
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November 13, 2014
Storify Story: Als Botschafter mit der Christoffel Blindenmission in Bangladesch. #cbmbd14
Zum Abschluss der Reise, habe ich mal eine Storify-Story seiner Bangladesch-Reise gebaut:
[View the story "Als Botschafter mit der Christoffel Blindenmission in Bangladesch." on Storify]
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Gute Nachrichten aus Bangladesch! #cbmbd14
Seit ein paar Wochen bin ich nun wieder zurück aus Bangladesch und der Alltag hat mich wieder. Dennoch hat die Reise nach Bangladesch bei mir wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Auch Peter Liebe (Pressesprecher der CBM) sowie Yvonne Koch (Radiojournalistin) bloggen seitdem ihre Erlebnisse unserer gemeinsamen Reise. Lesenswert.
Rampe für besseren Zugang
Vor ein paar Tagen erreichte mich die Meldung, dass Badshah M. auf unsere Anregung hin einen neuen Zugang zur Rampe zu seinem Kiosk erhalten hat.
Ein von Raul Krauthausen (@raulkrauthausen) gepostetes Foto on Nov 11, 2014 at 2:33 PST
Gebärdensprache als Weg zur Teilhabe
Auch Anjuara B. nimmt seit Anfang November an einem offiziellen Gebärdensprachkurs teil und wird sich so mit mehr Menschen verständigen können als nur mit ihrer Familie und ihrer eigens entwickelten Zeichensprache.
Anjuara B. zeigt uns ihre selbstentwickelte Gebärdensprache. #cbmbd14
Ein von Raul Krauthausen (@raulkrauthausen) gepostetes Foto on Okt 10, 2014 at 5:30 PDT
Das ganze lief sehr unbürokratisch und zeitnah ab. Es freut mich, dass wir helfen konnten und bleiben natürlich dran!
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November 12, 2014
Zurück in die Zukunft
Wenn man schon alles an seinem Rollstuhl hat, dann fehlt nur noch ein Gerät für Zeitreisen, um mit seinem 14-jährigen Ich zu reden. Blogger Raul Krauthausen hätte gerne mal die Chance, mit sich selbst vor 20 Jahren zu sprechen und sich ein paar Sätze mit auf den Weg zu geben.
An meinem Rollstuhl habe ich schon einige Gimmicks nachgerüstet: unter anderem einen USB-Adapter mit dem ich mein Handy aufladen kann und ganz neu eine Halterung für einen mobilen Klapptisch. Wenn ich gerade so aus dem Fenster über Berlin schaue und meine Kaffeetasse auf den praktischen Klapptisch stelle, dann hätte ich gerne noch ein weiteres Gadget an meinem Rollstuhl. Wie gerne würde ich einen Fluxkompensator einbauen, damit ich zurück in die Vergangenheit wie Marty McFly reisen kann, um meinem 14-jährigen Ich ein paar Tipps mit auf den Weg zu geben. Denn im Laufe meines Lebens habe ich viele Dinge zu meiner Behinderung erkannt, die ich gerne schon vor 20 Jahren gewusst hätte.
Hier mein Notizzettel, was ich dem jungen Raul sagen würde, wenn das mit dem Fluxkompensator klappt:
Lasse dir von niemandem sagen, was du nicht kannst! Erforsche, was dir Freude bereitet
Lieber 14-jähriger Raul, in deinem weiteren Leben wirst du öfters als deine nicht behinderten Freunde damit konfrontiert werden, was du alles (angeblich) nicht kannst, beispielsweise ein Fußballstar oder Dachdecker werden. Das ist auf der einen Seite manchmal realistisch, aber auf der anderen Seite wirst du auch viele Sachen kennenlernen, die dir Spaß machen, und davon sollte dich niemand abhalten. Nicht deine Eltern. Nicht deine Lehrer. Nicht deine Bekannten. Glaub an deinen Traum. Wenn du gerne beim Radio arbeiten willst, dann bewirb dich auf Stellen und nimm in deinem Zimmer eigene Podcasts auf. Denn aus Freude entspringt Motivation, es häufiger zu tun. Und wenn du es häufiger praktizierst, an deinem Hobby arbeitest, dir Feedback einholst, dann wirst du Erfolge sehen. Behinderung hin oder her.
Verlasse deine Komfortzone
Menschen werden dich oft hilfsbedürftig anschauen und allein wegen deiner Körperstatur, deiner Stimme und dem furchteinflößenden Wort „Glasknochenkrankheit“ in deiner Behinderungsart schon kleine „Erfolge“ bei dir feiern. Was gut gemeint ist, wird dich aber nicht viel weiter bringen, sondern eher in deiner Komfortzone verharren lassen. Es ist einfach, den niedrigen Ansprüchen, die von dir erwartet werden, gerecht zu werden, aber wirst du damit auch dir selbst gerecht? Wenn du dich langweilst, fordere mehr und scheitere auch mal, bekomme Kritik und verbessere dich dadurch. Verlass deine Komfortzone, reise, so oft und so weit du kannst, und probiere neue Sachen aus!
Es ist okay, nach Unterstützung zu fragen
Wenn du merkst, dass du manche Dinge nicht alleine schaffst, dann kannst du auch jemanden um Rat und Unterstützung fragen. Du musst nicht immer der Held sein, der alles alleine schafft, um dich zu beweisen. Das macht jeder Mensch, und du musst da keine Ausnahme sein.
Tausche dich mit anderen Menschen aus, die auch (d)eine Behinderung haben.
Du wirst hoffentlich auch Freunde haben, die keine Behinderung haben. Das ist für deine eigene Entwicklung sehr wichtig. Denn so lernst du andere Perspektiven kennen – und sie deine. Natürlich gibt es auch Sachen, die du lieber mit Freunden besprechen willst, die auch eine Behinderung haben. Denn nicht behinderte Freunde können sich in bestimmte Themen wie z. B. wie es ist, sich als behinderter Mensch in einen nicht behinderten Menschen zu verlieben, nicht so gut reinversetzen. Wichtig ist einfach die Mischung aus behinderten und nicht behinderten Freunden, um deinen Horizont zu erweitern.
Zieh so schnell es geht von zu Hause aus!
Der Rat ist auf keinen Fall eine Kritik an deinen Eltern, sondern nur ein wichtiger Tipp für deine Selbstständigkeit. Wie bei allen Jugendlichen ist es einfach ein Luxus, im „Hotel Mama und Papa“ zu leben, aber auch hier entwickelt sich schnell eine Komfortzone, die deine Entwicklung und das Leben deiner Eltern stark beeinflussen kann. Mit einem Persönlichen Budget und Assistenz ist es möglich, dass du auch mit Behinderung in eine eigene WG ziehen oder auch alleine wohnen kannst. Rückblickend ist das eine der wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben gewesen, dass ich früh von zu Hause ausgezogen bin. Oh sorry, junger Raul, dass ich dir das jetzt verraten habe, aber du wirst es lieben!
Bleib du selbst
Ja, der Satz klingt jetzt ein bisschen so, als ob ich ihn auf einem Teebeutel gelesen habe, aber wenn du 14-jähriges Ich mal in meinem Alter bist, dann wirst du mir vielleicht zustimmen. Denn deine Behinderung wird dich dein ganzes Leben lang begleiten, also steh zu ihr. Sie gehört zu dir wie deine Haarfarbe. Und das ist gut so! Es bringt nichts, sich zu verstellen, so zu tun, als ob du alles alleine kannst und deine Behinderung nie eine Rolle spielt. Denn das zehrt an deinen Kräften. Deine Behinderung ist nicht an allem schuld, was du (nicht) erleben wirst. Meistens ist es die Gesellschaft, die einen behindert. Vergiss nie: Du hast es selbst in der Hand, ob du ein guter Typ oder ein Idiot wirst. Eine Behinderung kann auch Chancen bieten, die dich alternative Wege entdecken lässt, z. B. einen Job zu finden, in dem deine eigene Perspektive als Rollstuhlfahrer als bereichernd empfunden wird.
In unserer Gesellschaft musst du leider immer noch mehr leisten und arbeiten, als es vielleicht deine nicht behinderten Freunde müssen, weil wir einfach noch keine inklusive Gesellschaft haben. Deswegen ist es so wichtig, dass du dich immer wieder selbst kontrollierst, ob du noch der bist, der du sein willst. Sei charmant-respektlos den Menschen gegenüber, die nicht an dich glauben.
Lehne niemals Süßigkeiten ab!
Wenn dir Schokolade angeboten wird, nimm sie an! Denn sie ist lecker. Ach ja, Raider heißt nun Twix, aber sonst ändert sich nix.
So, jetzt muss ich aber schnell los. Um Punkt Mitternacht schlägt der Blitz in der Kirche ein, und ich brauche den Strom, um zurück in die Zukunft zu kommen! Ciao, junger Raul!
Eines noch: Die bunte Leggings sieht witzig aus, das wird 2014 wieder in Mode sein.
Zurück in der Gegenwart
Welche Tipps hättet ihr für euer jüngeres Ich, wenn ihr eine Zeitreise machen könntet?
Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.
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