Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 33

May 2, 2016

Blogger mit Behinderungen – NDR Kulturjournal vom 2. Mai 2016

Viele körperlich behinderte Menschen wie Raul Krauthausen oder Anastasia Umrik erklären ihre und unsere Welt im Internet. Das ist auch für nicht Behinderte spannend und erhellend.





„Darf ich fragen, was du hast? Ach so, Glasknochen. Ja, das kenne ich aus dem Fernsehen.“ „Kannst du Sex haben?“ „Ist deine Freundin auch so klein wie du?“ Es sind Fragen, die Raul Krauthausen nicht mehr hören kann. Zu intim, zu abgedroschen und ignorant. Und doch kriegt er sie oft gestellt. Vielen Nicht-Behinderten, so scheint es, fehlen die richtigen Worte für das, was nicht ihrer Norm entspricht.


Es geht Raul Krauthausen auch um Sprache: „In den Medien zum Beispiel liest man tagtäglich Aussagen wie ‚an den Rollstuhl gefesselt‘. Dabei sind Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, ja alles andere als gefesselt. Der Rollstuhl bedeutet für sie Freiheit und Unabhängigkeit. Was wir reflektieren müssen, ist diese Annahme, dass Behinderung immer etwas Negatives ist, aber ohne es gleichzeitig schönzureden.“


Behinderte sind zum Armsein verdonnert

Raul Krauthausen ist es gewohnt, die Barrieren im Alltag zu umgehen. Schwieriger ist es mit den Barrieren in den Köpfen – und in der Politik. Trotz Teilhabegesetz sind Behinderte in Deutschland zum Armsein verdonnert.


Menschen mit Behinderungen, die auf Assistenz angewiesen sind, dürfen kein Vermögen ansparen, das über 2.600 Euro geht. Alles darüber hinaus würde der Staat sofort einziehen, mit der Begründung, er bezahle ja die Assistenz.


Aufklärung per Blog hat großen Zulauf

Soziale Ungerechtigkeiten und verkrampfter Umgang mit Behinderten – darüber bloggt „Rollstuhlaktivist“ Raul schon lange. Wer sich für Inklusion interessiert, landet früher oder später auf seiner Seite www.raul.de.


Das Internet macht es Menschen mit Behinderungen wesentlich leichter, sich Gehör zu verschaffen, in klassischen Medien ist das viel schwerer. „Die tauchen ja im medialen Alltag so gut wie gar nicht auf. Vor allem können auch Nicht-Behinderte ihre Ängste und Vorurteile ablegen.“


Anastasia Umrik Auch Anastasia Umrik bloggt über das Leben mit Behinderung – und über viele andere Themen.

Auch Anastasia Umrik gehört zu der Szene von Bloggern, die auch – aber nicht nur – über das Leben mit Behinderung schreiben. Ihr Artikel „Die behinderte Bachelorette“ etwa ist eine TV-Parodie aus ungewohnter Perspektive.


Wie wäre es, wenn in einer Sendung wie „Der Bachelor“ plötzlich eine Frau im Rollstuhl auftauchen würde, fragt sie sich: „Ich hab in diesem Artikel einfach ein paar Dinge zusammengebracht. Zum einen habe ich auch dargestellt, wie es sein würde, wenn ich auf eine Party gehe. Wenn ich am Buffet stehe. Worauf achte ich denn überhaupt, wenn ich irgendwo reinkomme? Ich kritisiere damit natürlich auch die Medien, dass über sowas gar nicht erst nachgedacht wird, man sieht da immer noch viel zu wenig Menschen mit Behinderung in den Medien. In solchen Formaten sowieso. Gott sei Dank, einerseits, vielleicht aber auch schade. Warum eigentlich nicht?“


Anastasia braucht ständige Hilfe – und leitet einen Modeversand

Die junge Frau braucht rund um die Uhr Hilfe von Assistentinnen. Und spannt diese auch schon mal für den Modeversand ein. Anastasia leitet zusammen mit einer Freundin das Designlabel InkluWas. Mit Logos in Gebärdensprache etwa wollen sie Zeichen für Vielfalt setzen. Ihren eigenen Weg musste Anastasia sich erst erkämpfen.


Bis sie 16 war ging sie auf eine Sonderschule, hatte kaum Kontakte zu Nichtbehinderten. Erst in der Ausbildung ging für sie das echte Leben los. Wie man Hürden meistert, die viele Menschen gar nicht kennen, beschreibt sie in ihrem Blog. Sie versteht ihn als ihren Beitrag zur Inklusion: „Weil ich über Welten und Erlebnisse erzähle, die anderen Menschen ohne Behinderung verborgen bleiben. Das sind einfach alles so intensive Punkte, die viele Menschen nicht erleben und die durch mich neue Welten kennenlernen dürfen.“

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Published on May 02, 2016 14:02

April 16, 2016

KRAUTHAUSEN – face to face: Maximilian Dorner, Autor

In der Sendung „KRAUTHAUSEN – face to face“ lade ich als Moderator Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und Medienleute mit und ohne Behinderung zum Talk ein. In “face to face”-Gesprächen tausche ich mich mit einem jeweiligen Gast über künstlerisches Schaffen, persönliche Interessen und Lebenseinstellungen aus. Und natürlich geht es auch ab und zu um das Thema Inklusion.


Als vierten Gast hatte ich den Autoren und Schauspieler Maximilian Dorner zu Besuch:



Maximilian Dorner – das kulturelle Multitalent: Schriftsteller aus Leidenschaft, Regisseur, Dramaturg, Radiomoderator, Schauspieler, Hochschul-Dozent, Kulturreferent, inszenierte eine Oper, erhielt den Bayerischen Kunstförderpreis – und ist zudem noch Käptn Wheelchair.


Weitere Informationen zu Maximilian Dorner: www.maxdorner.de


Erstausstrahlung: 16.04.2016, 9.30 Uhr, Sport 1

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Published on April 16, 2016 08:53

March 27, 2016

„Lass dir von niemandem sagen, was du kannst oder nicht kannst“ – unterwegs mit ze.tt am 24. März 2016

Jeder zehnte Mensch in Deutschland hat eine Behinderung – aber warum nehmen wir Menschen mit Behinderung in unserem Alltag so selten wahr? Ze.tt hat mit mir über Inklusion und Barrierefreiheit gesprochen.

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Published on March 27, 2016 13:29

March 17, 2016

Über Barrieren im Alltag – ZDF heutplus vom 15. März 2016

Aufhören, ÜBER Menschen mit Behinderung zu reden. Anfangen, MIT ihnen zu reden, fordert Aktivist und Schauspieler Raul Krauthausen in der ZDF heuteplus-Serie: ‪#‎Barriere, Diskriminierung im Alltag.

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Published on March 17, 2016 05:45

March 10, 2016

Vortrag beim ESPRIX Forum 2016

Am 10. März 2016 war Raul Krauthausen am ESPRIX Forum 2016.

Gründer der Aktionsgruppe SOZIALHELDEN und Initiator von Wheelmap.org / Träger des Bundesverdienstkreuzes.

Autor des Buches „Dachdecker wollt ich ja eh nicht werden“.

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Published on March 10, 2016 05:14

February 29, 2016

Für ein gutes Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen!

Wir müssen leider draußen bleiben

Die Bundesregierung plant mit der Reform des ‪‎Behindertengleichstellungsgesetzes‬ (BGG) Verbesserungen für Menschen mit ‪‎Behinderung‬ in Sachen ‎Barrierefreiheit‬. Allerdings wird die ‪‎Privatwirtschaft‬ in ihrer ‪‎Verpflichtung‬ ausgenommen. So heißt es im Entwurf:


Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft:

Der Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.


Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:

Keine.


Der Bundesrat scheint das in Ordnung zu finden und ignoriert damit die Empfehlung des federführenden Ausschusses für Arbeit, Integration und Sozialpolitik des Länderparlaments.


Auf ZEIT Online schreibt Christiane Link treffend:


Inklusion und Teilhabe wird ohne die Privatwirtschaft aber nicht funktionieren. Wir gehen in Supermärkte, Cafés, Restaurants, Kaufhäuser, fliegen in den Urlaub und gehen ins Kino. Außerdem schaffen private Unternehmen Arbeitsplätze, die auch behinderte Menschen brauchen und gut ausfüllen können. Es ist also nicht realistisch zu glauben, ein Behindertengleichstellungsgesetz sei ausreichend, wenn es nur den Staat in die Pflicht nimmt.


Wer wirklich möchte, dass behinderte Menschen endlich in der Mitte der Gesellschaft ankommen, der darf sich nicht davor fürchten, privaten Unternehmen Auflagen zu machen. Ausgerechnet Länder wie Großbritannien und die USA schaffen das, obwohl sie nicht gerade als wirtschaftsfeindlich bekannt sind. Aber die Politik in Deutschland traut sich immer noch nicht, Privatunternehmen zur Barrierefreiheit zu verpflichten.


Wichtig dabei: Verhältnismäßigkeit. Es geht nicht darum, dem kleinen Eckkiosk am Ende der Straße einen 100.000 Euro teuren Lift vorzuschreiben, aber für große Banken sollte das kein Problem sein.


Nun müssen wir aktiv werden und unseren Bundestagsabgeordneten unsere Meinung sagen. Hier mein Brief:


Sehr geehrte Damen und Herren,


Sie werden in Kürze über einen Entwurf zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes im Deutschen Bundestag debattieren. Da ich selbst Rollstuhlfahrer bin, werde ich von Ihren Entscheidungen in der Debatte direkt betroffen sein und deshalb möchte ich Ihnen gerne ein paar meiner Gedanken mit auf den Weg geben:


Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass private Anbieter von Dienstleistungen und Produkten nicht zur Barrierefreiheit verpflichtet werden. Das sehe ich mit großer Sorge, denn im Alltag stoße ich täglich auf Barrieren, die von diesem Gesetzesentwurf nicht erfasst werden. Zu dieser Problematik habe ich mit meinem Verein, den SOZIALHELDEN, vor fünf Jahren Wheelmap.org gegründet, eine Onlinekarte zum Suchen und Finden von rollstuhlgerechten Orten.


Denn es ist wirklich sehr ärgerlich, wenn die Abendplanung ins Wasser fällt, weil das Café eine Stufe am Eingang hat oder auch spontane Treffen zum Essen in der Mittagspause nicht möglich sind. In der Wheelmap sind mehr als 630.000 Orte weltweit markiert, ob sie rollstuhlgerecht sind oder nicht. In Deutschland sind über 90.000 Orte nicht rollstuhlgerecht, dazu kommen mehr als 92.000 öffentlich zugängliche Orte, die nur teilweise zugänglich sind. Die meisten dieser Orte werden von privaten Anbietern betrieben. Wir reden also von mehr als 180.000 Orten, die von dem aktuellen Gesetzesentwurf nicht betroffen wären.


Hinter diesem Link finden sie eine Übersicht wie es allein in Berlin Mitte mit der Zugänglichkeit aussieht.


Ich begrüße natürlich, dass es überhaupt einen Gesetzesentwurf zur Barrierefreiheit gibt, weil damit die Zugänglichkeit von öffentlichen Schulen und Ämtern gefördert wird. Auf der anderen Seite sollten wir in einer inklusiven Gesellschaft so viele Orte wie möglich zugänglich machen. Der Bäcker in der Nachbarschaft, das Programmkino oder der Einkaufsladen an der Ecke gehören für Menschen mit Behinderungen genauso zum Alltag wie der Besuch einer Schule oder Behörde.


In den USA gibt es seit über 25 Jahren den Americans with Disabilities Act (ADA), der die barrierefreie Zugänglichkeit von privaten Läden, Restaurants, Geschäften und vieles mehr regelt. Warum sollte das also nicht auch in Deutschland möglich sein?


In dieser ganzen Debatte geht es nicht nur um mich, sondern um mehr als 1,6 Millionen Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer in Deutschland. Dazu viele Menschen, die auf Mobilitätshilfen, wie Rollatoren, angewiesen sind, und Familien mit Kinderwagen. Barrieren, die wir abbauen können, kommen Allen zu gute, ob jetzt oder in Zukunft. Sie haben die Chance darüber zu entscheiden, wie wir Barrierefreiheit in Zukunft in Deutschland behandeln werden.


Ich würde mich freuen, wenn dieser Einblick bei Ihrer Entscheidung eine Rolle spielen kann und wir einen Weg finden, dass der Alltag für Menschen mit Behinderungen einfacher wird. Ihre Meinung zu dem Thema würde mich sehr interessieren und so stehe ich Ihnen gerne für Fragen zur Verfügung und Danke Ihnen für Ihre Zeit.


Mit freundlichen Grüßen,

Raul Krauthausen


Auch in der UN-Behindertenrechtskonvention steht unter Artikel 9, 2b:


Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen.


Im Übrigen blockiert Deutschland auch die 5. EU-Antidiskriminierungsrichtline. Aus Angst, die Privatwirtschaft zu sehr in die Pflicht zu nehmen?


Jetzt ist es an uns! Egal ob Menschen mit Behinderungen oder noch-nicht Behinderte, Barrierefreiheit hilft allen Menschen und daher würde ich mich freuen, wenn ihr euren politischen VertreterInnen, euren Abgeordneten schreibt und sie auf das Menschenrecht von Zugänglichkeit hinweist.

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Published on February 29, 2016 12:44

February 21, 2016

„Jung & Naiv“ über die Notwendigkeit eines guten #Teilhabegesetz

Mitte Januar durfte ich mit Tilo Jung von Jung & Naiv über die andauernde Sonderstellung von Menschen mit Behinderung in Deutschland und über die Notwendigkeit eines guten Teilhabegesetzes sprechen.





Jeder Zehnte in unserer Gesellschaft hat eine Behinderung, aber nicht jeder zehnte in unserem Freundeskreis ist behindert. Das heißt: Irgendwo müssen die ja sein! Wir werden versteckt. In Sondereinrichtungen. Wir werden in Behindertenwerkstätten beschäftigt, in Heime gepackt, weil wir sonst zu teuer sind, wenn wir alleine wohnen wollen…


Für ein Recht auf Sparen und gleiches Einkommen für Alle!

Helfen Sie mit!

Jetzt Petition unterzeichnen!
oder
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Published on February 21, 2016 14:25

February 20, 2016

KRAUTHAUSEN – face to face: Ninia LaGrande, Poetry Slammerin

In der Sendung „KRAUTHAUSEN – face to face“ lade ich als Moderator Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende und Medienleute mit und ohne Behinderung zum Talk ein. In “face to face”-Gesprächen tausche ich mich mit einem jeweiligen Gast über künstlerisches Schaffen, persönliche Interessen und Lebenseinstellungen aus. Und natürlich geht es auch ab und zu um das Thema Inklusion.


Als dritten Gast hatte ich die Poetry Slammerin Ninia LaGrande zu Besuch:



Die Hannoveranerin Ninia LaGrande ist Moderatorin, Autorin, Poetry Slammerin und seit 2015 moderiert sie auch ihre eigenen Fernsehformate. Im August 2014 ist ihr Erzählband „Und ganz, ganz viele Doofe!“ im Blaulicht-Verlag erschienen. Sie ist ein gefragter Gast bei Konferenzen und Podiumsdiskussionen.


Gemeinsam mit mir philosophiert sie über ihre Arbeit, Feminismus und Inklusion sowie über ihre Wünche für die Zukunft.


Weitere Informationen zu Ninia LaGrande: www.ninialagrande.de


Erstausstrahlung: 20.02.2016, 9.30 Uhr, Sport 1

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Published on February 20, 2016 02:01

February 8, 2016

Roger Willemsen ist gestorben.

Raul Krauthausen und Roger Willemsen

Roger Willemsen ist gestorben. Ich bin zu tiefst schockiert.

Er war mein erster Mentor und der Grund für mein Interesse an Medien und gesellschaftskritischen Themen.

Er schrieb für mein Buch das Vorwort und jedes mal, wenn ich es lese, weine ich vor Rührung. Heute vor Trauer:


Vorwort


Vor gut fünfzehn Jahren habe ich zum ersten Mal gehofft, dass es dieses Buch eines Tages geben werde. Vor gut zehn Jahren war ich sicher, dass es entstehen werde. Heute weiß ich, da ist eine Reise ans Ziel gekommen, und wirklich handelt es sich um ein besonderes Buch – einmal, weil es die Geschichte eines ungewöhnlichen Lebenslaufes erzählt, dann aber auch, weil es sich nicht darin erschöpft, „Autobiographie“ zu sein, vielmehr handelt es sich um eine Ansicht unseres Gemeinschaftslebens, gesehen durch die Perspektive Eines, der uns auch in unseren Versäumnissen und Ausblendungen scharf sieht, aber nicht der Verführung erliegt, die eigene Geschichte wichtiger zu nehmen als die seiner Zeit.

Man kann dies nicht hoch genug schätzen. Denn üblicherweise engagieren sich Vertreter von Minderheiten für ihre Minderheit. Sie arbeiten also vor allem für die eigene Sache. Raul aber nimmt am gesellschaftlichen Leben teil als ein leidenschaftlicher Zeitgenosse. Er würde sich gegen Rassismus und Homophobie genauso einsetzen, wie gegen Waffenexporte oder Überwachung. Als ein Liebhaber moralischer Entscheidungen hat er es auch schon abgelehnt, für die Zigarettenindustrie oder einen gewissen Getränkehersteller zu arbeiten. Denn auch wenn es öffentlich kaum auffällt, sind es die Neinsager, die NichtMitmacher, die Verweigerer, die als letzte manchen Wert konsequent und glaubhaft vertreten können.

Rauls Weise, den vollständigen Menschen zu interpretieren, beruht auf der eigenen Mündigkeit. Er hat ein Bild von dem, was sein und was besser nicht sein soll. Er urteilt auf der Basis seines Sachverstandes. Er lässt sich nicht dumm machen, und er betrachtet die Welt gerne im Hinblick auf ihre Veränderbarkeit. In dieser Arbeit wirft er seine Erfahrung in die Waagschale – und das ist nun einmal die eines Menschen, der im Rollstuhl sitzt, seine Einschränkungen erlebt und damit fertig wird. Basta. Keine Bedauern gefordert, keine Stilisierung erwünscht. Von Mitleid zu schweigen, wogegen Behindertenwitze nichts anderes beweisen, als dass Behinderte humorfähig sind. Diesen Anspruch dürfen sie nicht nur, den müssen sie haben, findet Raul.

Irgendwann hat es sich bei den Wohlmeinenden durchgesetzt zu sagen, nach kurzer Zeit in der Gesellschaft eines Behinderten habe man gar nicht mehr bemerkt, dass er behindert sei. Klingt gut, aber ist es auch wahr? Wie kann ich die Einschränkung des Bewegungsraumes, die Mühen bei alltäglichen Abläufen, die Allgegenwart von Schmerzen, die Auflagen des sozialen Lebens in der Gesellschaft eines behinderten Freundes je vergessen? Wie kann ich mir nicht die Frage stellen, welche Bürde die Bewegung, das Reisen mit sich bringen, welche Schwierigkeiten es machen könnte, Freunde und Geliebte zu finden? Es ist eben kein Schritt zu einem barrierefreien Umgang mit der Behinderung, wenn man sie dauernd mit diesem drakonischen Begriff eines übergeordneten „Normalen“ identifiziert. Wichtiger als so zu tun, als seien wir alle behindert, wäre doch, die Differenz wahrzunehmen und sie um ihrer selbst willen schätzen zu können.

Im Zuge der vermeintlichen „Normalisierung“ des behinderten Menschen wird seine Erfahrung mitunter bagatellisiert. Man kann aber nicht davon sprechen, wie wir alle in unserer Entwicklung historisch zu verstehen seinen, ohne dies Verständnis auch auszudehnen auf jene, die den Begriff des „Normalen“ nicht für sich in Anspruch nehmen können. Sie ist aber in der Geschichte unserer Kultur besonders belastet, und so ist auch die Emanzipation des Behinderten vom Bann der Vorurteile eine andere, als alle übrigen Minderheiten sie erleben.

Bis zum 18. Jahrhundert war die Gestalt des Behinderten von Aberglauben umgeben: Sah die Mutter einen Gehenkten während der Schwangerschaft, so konnte das Kind mit krummen Gliedern zur Welt kommen, so glaubte man. War sie unaufrichtig, so konnte das Kind schielen. Andererseits war für den Arzt Rudolf Virchow genau dies Amorphe, Ungestaltete, anders Gebildete das Leben in Reinform, das, was sich behauptet. Im Durchschnittsmenschen ist die Form geronnen, das Leben organisiert und in seine Form gefallen. Im Behinderten dagegen wuchert es selbst, eigenmächtig und stark. Er ist also nach Virchow so etwas wie der Beweis für die Natürlichkeit der Natur. Abnormal wäre, wenn sie nichts Abnormales erschaffte und bloß maschineller Logik folgte.

Der so genannte „normale Mensch“ betritt die Bühne der Menschheit ja auch erst spät – jedenfalls, wenn man sich die abendländische Neuzeit und jedenfalls, wenn man sich seine Darstellung ansieht. Dann nämlich kann es scheinen, als habe dieser normale Mensch ehemals geradezu um seine Darstellbarkeit gerungen. „Der ‚normale Mensch’ (das Wort macht mich rasend)“, heißt es bei André Gide, „das ist jener Rückstand, jener Urstoff, den man nach dem Schmelzvorgang, wenn das Besondere sich verflüchtigt hat, auf dem Boden der Retorten findet. Er ist die primitive Taube, die man aus der Kreuzung seltener Arten wieder erhält – eine graue Taube – die bunten Federn sind gefallen, nichts zeichnet sie mehr aus.“

Wenn ich früher manchmal mit dem Jazzpianisten Michel Petruccini oder der Schauspielerin Carole Piguet unterwegs war, die beide mit „Glasknochen“ geboren worden waren, dann konnte ich bei Passanten bisweilen diesen besonderen Blick sehen. Kein böser Blick war das, eher ein fassungsloser, der hätte verweilen wollen, wäre er nicht so indezent erschienen. Es war ein Blick, der die Differenz notierte, aber man könnte auch sagen, er suchte genau so gut die Identität, das Gemeinsame im Unterschiedlichen.

Von diesem Blick, diesem Perspektivwechsel, scheint die Gegenwart wieder so fasziniert wie vergangene Jahrhunderte. Doch die Panoptiken der Vergangenheit heißen heute „Doku Soap“, „Talkshow“ oder „Körperwelten“, auch sie sind Manegen, auch sie bieten als Selbstrechtfertigung an, das Abweichende als das Normale zu zeigen. Solche besonderen Menschen hat man nicht erst nach Tod Brownings legendärem Film von 1932 „Freaks“ genannt, und der Ausdruck hat für eine viel größere Gruppe der Originellen, der Abweichler und Nonkonformisten überlebt. Ein „Freak of Nature“ ist, wörtlich genommen, nichts anderes als „eine Laune der Natur“, also keine Ausnahme, sondern der Ausdruck ihrer Freiheit, eigentlich ihr Inbegriff. „Die meisten Menschen“, sagt Diane Airbus zur Begründung eines FotoZyklus zum Thema, „gehen durch ihr Leben in der ständigen Angst vor einer traumatischen Erfahrung. Freaks wurden schon mit ihrem Trauma geboren. Sie haben ihre Prüfung im Leben bereits absolviert. Sie sind Aristokraten.“

In diesem Sinn wäre jede, die ihre Wunde zeigt, und jeder, der seine Narben entblößt, dank eigener Kraft selbst aristokratisch – um s noch einmal mit dem Furor des Valentin Knox beim jungen André Gide zu sagen: „Denn hören Sie jetzt einmal auf, die Krankheit als einen Mangel anzusehen; im Gegenteil: sie ist ein Zuwachs. Ein Buckliger ist ein Mensch plus dem Buckel, und mir wäre lieber, Sie fassten die Gesundheit als einen Mangel an Krankheiten auf.“

Raul ist bei der Betrachtung seiner Situation denkbar gelassen, hat sie ihn doch befeuert, zu werden, was er ist. Er ist kein Eiferer in Behindertenfragen, und die Pflege von Selbstmitleid empfindet er als Zeitverschwendung. Eher ist er für eine sprachlich exakte Fassung seiner Besonderheit: Nicht eine „Krankheit“ ist sie, sondern ein Gendefekt. Wenn es eine sprachliche Diskriminierung gibt, dann liegt sie darin, nicht präzise zu sein. Eine Krankheit ist ansteckend, eine Krankheit für viele ist lukrativ für die Pharmazie. Ein Gendefekt aber ist weder ansteckend, noch medikamentös zu beseitigen.

Wikipedia führt Raul Krauthausen als „Aktivist“. Wie habe ich mich gefreut, als ich das las! Von einem Aktivisten wird man nicht sagen, dass er an den Rollstuhl „gefesselt“ sei, und dieser Rollstuhl ist ja zugleich auch, sagt Raul, die Bedingung seiner Freiheit. Ein Aktivist ist man dank der Beweglichkeit von Ideen und dank der Wirkung von Impulsen, deren Nachhall man in der tätigen Welt verfolgen kann. Der Aktivist ist ein Entzünder, ein Auslöser und Anreger. Er beweist Tatkraft und hat doch zugleich eine hohe Meinung vom Umgang mit Ideen. Und Ideen hat Raul dauernd. Er verfolgt sie, sie verfolgen ihn, und was die meisten von ihnen nicht gewohnt sind: Er setzt sie um Sozialheld, nicht Maulheld.

Man nehme allein dieses Beispiel: In einem Supermarkt stellt Raul fest, dass Kunden bisweilen gerne Leergut abgeben, aber nicht Schlange stehen möchten, bis sie an der Kasse ihr Pfandgeld entgegennehmen können. Er erfindet die „Pfandbox“, die nahe der Leergutannahme aufgestellt wird, inzwischen in einem Drittel aller Berliner Supermärkte zu finden ist, und durch die Kunden ihr Pfandgeld auf diese Weise spenden können. 100.000 Euro sind in einem einzigen Jahr zusammengekommen und an eine Organisation für Obdachlose gegangen.

Auf dem Weg, der zu solchen Initiativen (und zum Bundesverdienstkreuz) führt, befindet sich Raul schon lange, und die Stringenz, mit der er seinen Weg verfolgt, ist bemerkenswert, auch weil er weniger von Ehrgeiz, als von Leidenschaft befeuert ist.

Als ich Raul kennenlernte, war er 17, sehr zart und ebenso sehr entschlossen in das öffentliche Leben hinein zu wirken – durch Gedanken, durch Medienkritik, durch Humor, durch Engagement. Ich sollte damals eine große BenefizVeranstaltung der „Aktion Mensch“ moderieren. Diese wollte vor allem Bewusstsein bilden für den Umstand, dass die Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz ausdrücklich auch die Behinderten einschloss – etwas, das seit Jahren rhetorisch bekräftigt wurde, in der Umsetzung aber nicht erreicht war. Gerade öffentliche Gebäude waren oft nicht barrierefrei und damit behinderten Mitarbeitern verschlossen, ein Umstand, gegen den HansJochen Vogel lange gestritten hatte, und der nun auch von Bundespräsident Roman Herzog zu seiner Sache gemacht worden war.

An jenem Abend sollte ich auf der Bühne zahlreiche Menschen, darunter viele mit Behinderungen, zu diesem Thema befragen. In der Überzeugung, dass aber auch einer von ihnen als Moderator denkbar sein müsste, und dass ein Behinderter vielleicht andere Fragen stellen würde, fragte ich nach einem entsprechenden CoModerator, und Ja, sagte man mir, da gäbe es einen mit Ambitionen auf diesem Feld. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dann erst mit Raul telefoniert, dann habe ich ihn in Berlin besucht und ihn für den Tag vor der GalaModeration in meine wöchentliche ZDFSendung eingeladen, wo mit Michel Petrucciani seit Beginn immerhin ein Pianist mit Glasknochen am Flügel saß.

Das Ergebnis war ein Gespräch, an das sich noch Jahre später alle erinnerten, die es gesehen hatten. Raul war 117 Zentimeter kleiner als ich, sein Rollstuhl wurde auf ein Podest geschoben, und so durchlässig und animiert sein Gesicht agierte, hätte man ihn eher für 12 als für 17 gehalten. Er kannte den Effekt, der für einen Halbwüchsigen auch nicht eben leicht zu ertragen war. Von den ersten Sätzen allerdings war klar, dass dieser Gast seinen Platz behaupten würde. Erst einmal kritisierte er meine Aussprache seines peruanischen VaterNamens „Aguayo“, dann informierte er das Publikum über die Fakten zu dem, was „Glasknochen“ heißt und über die verschiedenen Weisen „das Normale“ zu begreifen, vor allem aber vermittelte er den Eindruck unkalkulierter Ehrlichkeit, und er wollte gefordert werden, denn er konnte viel ertragen. Das war nicht „altklug“, wie er selbst später fand, es war entwaffnend geradlinig und sehr charmant.

Ob er glaube, dass in diesem Augenblick die Leute abschalteten, weil sie einen Behinderten sähen, wollte ich wissen. Er räumte ein, dass in der Tat der vermeintlich perfekte Mensch offenbar gut sei, wollte man sich die Anhänglichkeit des Zuschauers sichern. Ob ihm dann die Werbung nicht auf die Nerven gehe, mit all ihren künstlich vollkommenen Menschen? „Nee, ich falle ja selber drauf rein“, erwiderte Raul. „Siehst du im Fernsehen eher Paralympics oder Baywatch?“, fragte ich. „Dann doch eher Baywatch“, erwiderte er.

Als Raul geboren wurde, zählten die Ärzte 19 Knochenbrüche. „Wie hat dir deine Mutter deinen Zustand erklärt?“, wollte ich wissen. „Weiß ich nicht, da war ich noch ganz klein“, erwiderte er und hatte die Lacher auf seiner Seite. „Die Ärzte dachten, ich würde nur zwei Tage leben, jetzt bin 17, selber schuld“, fügte er hinzu und fand, mit dreißig könne er die Ärzte vielleicht mal besuchen und ihnen zeigen, wie lebensfähig er war. Das könnte ihnen dieses Buch jetzt sagen.

Alles andere als selbstverständlich war das. Ein Jahr verbrachte Raul in Kolumbien in einer Behindertenschule, ohne Rollstühle, Hefte, Stifte. Im Alter von drei Jahren kam er in einen Behindertenkindergarten bis zur Vorschule, eine Integrationsschule, in der die Schüler, Behinderte und NichtBehinderte bis zur 7. Klasse zusammen blieben. Kontakt zu den nicht behinderten Schülern hatte er erst allmählich aufgebaut.

„Wann hast du dir zuletzt die Knochen gebrochen?“ Kurzes Zögern. „Wann warn das? Vor vier Wochen.“ Beim Anrempeln oder Verdrehen könne das passieren und schmerzhaft sei es immer. Ob es irgendein Feld gebe, auf dem er Vorteile habe? „Ich muss mir nicht alle drei Monate neue Schuhe kaufen“, erwiderte Raul und lachte darüber, kein Fashion Victim werden zu können. „Sitzt Du, wenn du träumst, auch im Rollstuhl?“ „Nee, glaube ich nicht“, erwiderte Raul, aber er sehe im Traum auch nicht an sich runter. Einen starken Eindruck hatte er hinterlassen, und beim abschließenden Schwenk über das Publikum sieht man alle lächeln.

Die folgende GalaVeranstaltung haben wir moderiert wie zwei Komplizen. Ich habe Raul dann immer mal wieder besucht, verfolgt, welche Wege er nahm, und als ich einmal zu einer szenischen Lesung aus dem Buch über die GuantánamoHäftlinge eingeladen wurde, bat ich Raul, die Fragen zu lesen. Da waren wir ganz selbstverständlich wieder auf der Bühne.

Heute hat sich seine Stimme gesenkt, er trägt einen Bart und Streetwear. Noch immer brennt er dafür, soziales Handeln zu erleichtern und den Funken auf andere zu übertragen. Sein Radius ist immer größer geworden, doch auch seine Erfolge haben seinen starken Charakter nicht deformiert. Manchmal macht er immer noch das Gesicht eines Schwärmers, dann ahnt man, hier könnte vielleicht gerade wieder eine Idee entstehen, und vielleicht könnte sie sogar die Welt verbessern. Raul wäre es zuzutrauen.


Lieber Roger, ich vermisse dich und werde dich nie vergessen!

Danke für alles, was du mir beigebracht hast und das ganze Vertrauen in mich.


Aktion Mensch-Gala zur Grundgesetznovellierung

Aktion Mensch-Gala zur Grundgesetznovellierung „Artikel 3, Absatz 3“ (1997)


Aktion Mensch-Gala zur Grundgesetznovellierung

Aktion Mensch-Gala zur Grundgesetznovellierung „Artikel 3, Absatz 3“ (1997)


Fotoshooting für die Christoph Metzelder-Stiftung 2012

Fotoshooting für die Christoph Metzelder-Stiftung 2012

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Published on February 08, 2016 06:49

January 20, 2016

Meine 5 Erfahrungen, die ich mit jüngeren Menschen mit Behinderungen teilen möchte

Raul blickt in Kamera Nach dem Artikel über die 6 Dinge, die man wissen sollte, wie es ist, mit einer Behinderung zu leben, möchte ich im zweiten Teil noch weiter auf meine eigenen Erfahrungen eingehen. Erfahrungen, die sich an jüngere Menschen mit Behinderungen richten. Ich freue mich über weitere Ergänzungen von Euch.


Es ist schwer gegen das vorherrschende Bild jeden Tag anzukämpfen.

Wir Menschen mit Behinderungen werden immer wieder damit konfrontiert, was wir können und was wir nicht können. Gerne auch von Menschen ohne Behinderungen. Ich sage mir deswegen immer wieder: ich lasse mir von niemanden sagen, was ich kann oder nicht kann. Weder von „Experten“, von Eltern, noch von sonst Irgendjemandem.

Unsere eigenen Grenzen können nur wir erreichen, spüren und erfahren. Nur dann wissen wir, was wirklich geht und was nicht. Ich hatte schon früh den Traum, irgendwas mit Medien zu machen, vielleicht beim Radio zu arbeiten und ich bin sehr froh, dass mir niemand gesagt hat: das schaffst du eh nicht. Wer sagt denn, dass man nicht Erzieher*in oder Reiter*in werden kann, auch mit Behinderung? Ist es der eigene Körper oder sind es die anderen? Probiert euch aus. Man kann nichts verlieren. Nur gewinnen!


Man darf die eigene Einschränkung hassen.

Es ist okay, nach Unterstützung zu fragen. Wenn ihr merkt, dass ihr manche Dinge nicht alleine schafft, dann könnt ihr auch jemanden um Rat und Unterstützung fragen. Ihr musst nicht immer der oder die Held*in sein, und alles alleine schaffen, um euch zu beweisen. Jeder Mensch braucht mal Hilfe, und ihr müsst da keine Ausnahme sein.


Denn eure Behinderung wird euch euer ganzes Leben lang begleiten, also steht zu ihr. Sie gehört zu euch wie eure Haarfarbe (nur dass ihr sie nicht färben könnt). Und das ist gut so! Es bringt nichts, sich zu verstellen, so zu tun, als ob man alles alleine kann und die Behinderung nie eine Rolle spielt. Denn das zehrt an den eigenen Kräften. Ich habe beispielsweise sehr oft den Klassenclown gegeben, weil ich dachte, dass ich damit meine Behinderung kompensieren kann, aber es ist oft auch ein dummes Gefühl. Besonders, wenn man schlechte Laune oder Liebeskummer hat.


Eure Behinderung ist nicht an allem schuld, was ihr (nicht) erleben werdet.

Meistens ist es die Gesellschaft, die einen behindert. Vergesst nie: Ihr habt es selbst in der Hand, ob ihr ein guter Mensch oder ein/e Idiot*in werdet. Eine Behinderung kann auch Chancen bieten, die euch alternative Wege entdecken lässt, z. B. einen Job zu finden, in dem eure eigene Perspektive als Mensch mit Behinderung als bereichernd empfunden wird.

In unserer Gesellschaft müssen wir leider immer noch mehr leisten und arbeiten, als es vielleicht unsere nicht behinderten Freund*innen müssen, weil wir einfach noch keine inklusive Gesellschaft haben. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns immer wieder selbst kontrollieren, ob wir noch der Mensch sind, der wir sein wollen. Man kann z.B. charmant-respektlos den Menschen gegenüber sein, die nicht an einen glauben.


Tauscht euch mit anderen Menschen aus, die auch eine bzw. eure Behinderung haben.

Ihr habt hoffentlich auch Freunde, die keine Behinderung haben. Das ist für die eigene Entwicklung sehr wichtig. Denn so lernt man andere Perspektiven kennen – und sie eure. Natürlich gibt es auch Sachen, die wir lieber mit Freunden besprechen wollen, die auch eine Behinderung haben. Denn nicht behinderte Freunde können sich in bestimmte Themen wie z. B. wie es ist, sich als behinderter Mensch in einen nicht behinderten Menschen zu verlieben, nicht so gut reinversetzen. Wichtig ist einfach die Mischung aus behinderten und nicht behinderten Freund*innen, um den eigenen Horizont zu erweitern.


Wir dürfen auch mal schlechte Tage haben. Tage, an denen uns unsere Behinderung schwächt. Wir dürfen auch mal hassen, dass unser Körper nicht so will wie wir… Das ist kein Selbsthass, denn wir sind nicht unsere Behinderung. Unsere Behinderung ist nicht unser ganzes Ich. Die Momente hat bestimmt jeder im Leben. Das sind einfach schlechte Tage. Es kommen auch wieder gute Tage. Versprochen.


It’s not a bug, it’s a feature.

Am Anfang habe ich versucht meine Behinderung zu leugnen, dann habe ich sie zwar hingenommen, aber lieber hinter einem Witz versteckt und erst in den letzten Jahren habe ich angefangen, die Behinderung als Teil von mir zu akzeptieren. Ich habe dadurch auch entdeckt, dass meine Behinderung auch Vorteile hat. Ich habe schon physisch einen anderen Blick auf die Welt, ich muss mehr planen als andere Menschen (zum Beispiel die Termine meiner Assistenten) und durch Umwege finde ich Alternativen. Diese Eigenschaften helfen mir auch bei meiner Arbeit und dadurch entstehen dann auch neue Ideen.


Eine Behinderung kann nerven, aber sie ist nun mal da. Man kann lernen, damit zu leben, Vorteile zu finden und sie nicht das eigene Leben dominieren zu lassen. Viele Menschen ohne Behinderungen haben uns Barrieren in den Weg gelegt (und manchmal werden sie immernoch dahin gelegt), aber wir lernen auch viele Menschen kennen, die uns und nicht unsere Behinderung sehen. Menschen, die uns unterstützen, wenn wir Hilfe brauchen, die uns kritisieren, wenn es angebracht ist und die auch mal einen Witz auf unsere Kosten machen, weil wir es verdient haben. Ich kann euch daher nur empfehlen euch auch Freunde mit und ohne Behinderung zu suchen, die euch begleiten und ihr einfach eine schöne Zeit habt.


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Published on January 20, 2016 11:14