Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 2

January 13, 2020

Normalität kann man nicht betonen

Vor ein paar Jahren hatte die Caritas in meiner Heimatstadt mal eine Plakatkampagne, mit der sie für mehr Toleranz und Inklusion werben wollten. An der Hauswand des Caritasgebäudes hing ein riesiges Banner, auf dem eine junge Frau im Rollstuhl, wahrscheinlich Spastikerin, abgebildet war und dazu stand dort der Spruch „Ich hätte auch lieber blonde Haare!“.  Ich habe dieses Banner gehasst. 





Raul Krauthausen hat mal gesagt, er wollte nie „Berufsbehinderter werden“. Dafür hat er wohlwollendes Lachen geerntet. Doch dahinter steht eine ernste und ziemlich vertrackte Frage. 





Die Frage danach, ob es nicht paradox ist, sich für Inklusion einzusetzen und dabei zu jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit als „Der/ die Behinderte“ aufzutreten. Denn wenn ich so auftrete, werde ich auch ausschließlich so adressiert und indem ich auf meinen Adressaten eingehe, setze ich das Fundament dafür, dass ich zur nächsten Gelegenheit erneut so adressiert werde. 





Dieser Kreislauf läuft dann eine Weile und ich laufe mit ihm. Ich bekomme Bestätigung, mir wird Gehör verschaffen und auf die Schulter geklopft. Das ist gut gemeint und fühlt sich auch erstmal sehr gut an… aber wie weit ist der Weg zum sogenannten „Inspiration Porn“, den rührigen Bekundungen fremder Menschen dazu, was für ein bewundernswerter Mensch man doch sei, außer, dass einem nun nicht mehr für den Einkauf im Supermarkt oder das Abhängen in einer Bar sondern für das Aufschreiben und Äußern von ein paar Gedanken auf die Schulter geklopft wird…?





„Na, Moment mal!“, wird der/die empörte Leser*In jetzt ausrufen, „Wir brauchen doch Aktivist*Innen. Die machen doch einen hervorragenden Job!“ – Und völlig zurecht! Ja, wir brauchen viel mehr Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen in der Öffentlichkeit! 





Wir brauchen  viele Gesichter, die beweisen, dass „die Behinderten“ keine homogene Gruppe sind, dass sie mitten im Leben stehen, dass sie mit 1000 Barriere-Monstern zu kämpfen haben und davon bestimmt locker 600 nichts mit dem zutun haben, was sich nicht-beeinträchtigte Menschen darunter so vorstellen. Sie können und müssen zeigen, dass sie Ideen und Visionen haben und ihr Umfeld zum Umdenken bringen können. Es herausfordern und das auch in Bereichen, die auf den ersten Blick gar nichts mit Inklusion zutun haben scheinen. Für all das und viel mehr brauchen wir Aktivismus in der Inklusion. 





Und trotzdem komme ich um eine Paradoxie nicht umher. Man kann Normalität nicht betonen. Oder: Es ist ein schmaler Grat zwischen Empowerment und Reproduktion der Opferrolle! Mit jeder Veranstaltung, zu der ich als die starke junge selbstbewusste Rollstuhlfahrerin eingeladen werde, identifiziere ich mich mehr als diese Person. Und ich weiß, wenn ich genauso jung und genauso stark und genauso Frau wäre, ohne im Rollstuhl zu sitzen, wäre ich nicht eingeladen worden. Das ist nicht schlimm. Aber es ist Fakt, dass meine Behinderung und meine Entscheidung, über das Leben mit ihr öffentlich zu reden, das ist, was mich interessant macht in diesem Moment. Das bedeutet aber auch, dass ich in jeder dieser Situationen meinem Gegenüber die Möglichkeit nehme, etwas anderes als meine Behinderung als mein herausstechendes, wichtiges Merkmal wahrzunehmen! Ich biete der Öffentlichkeit an, mich als Rollstuhlfahrerin zu adressieren und genau das wird sie tun. Das ist okay aber uns sollte bewusst sein, dass wir, obwohl wir uns hinstellen, um Vorurteile abzubauen und Vielfalt zu repräsentieren, damit auch immer ein Stück weit einen Unterschied, eine Kategorie reproduzieren, die wir eigentlich eliminiert haben wollen.





Und dann ist da noch die persönliche Ebene. Es macht etwas mit mir als Mensch, mich so zu präsentieren. Vielleicht macht es mich stolz. Selbstbewusst. Mutig. Das ist gut. Aber es ändert auch die Beziehung zur eigenen Behinderung. So oder so. Es kann einen die Behinderung besser annehmen lassen können. Aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, ich habe mich auch mehr mit meiner Behinderung identifiziert. Das bedeutet auch, ich habe mich mehr über meine Behinderung definiert. Und das ist wieder ein schmaler Grat: Akzeptanz, Empowerment und Selbstliebe sind großartig. Aber sich über seine Behinderung zu definieren? Sich über Defizite generell zu definieren halte ich für ungesund.  Und kämpfen wir nicht alle grad dafür, von unserem Umfeld nicht über unsere Behinderung definiert zu werden?





Ich habe noch keine Lösung für diesen Balanceakt, beginne ich selbst doch erst, ihn zu verstehen. Natürlich braucht es Identifikation und Empowerment und daraus wachsende Solidarität.  Und doch will ich mich auch immer wieder selbst hinterfragen: „Wie viel trage ich selbst zum Erhalt des Systems in den Köpfen bei? – Vielleicht auch, und gerade, ohne es zu merken?“

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Published on January 13, 2020 21:52

Warum die Berliner Schulpolitik mal wieder ins Abseits steuert

Ein Schüler im Rollstuhl an der inklusiven Sophie-Scholl Schule in Berlin.Foto: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de



Der Senat von Bildungssenatorin Sandra Scheeres investiert in neue „Förderplätze“ für „Geistige Entwicklung“. Und verabschiedet sich damit von einer Inklusion, die bisher sowieso nicht ernst genommen wurde. 





Schon komisch, wie Meldungen hingenommen werden, als ginge es um die Übermittlung einer frohen Botschaft. „Mehr als 800 zusätzliche Plätze für Kinder mit geistiger Behinderung geplant“, schreibt der „Tagesspiegel“.  Ganz nutzwertorientiert heißt es weiter: „Diese Bezirke profitieren.“ Bleibt die Frage, ob auch die 800 Kinder davon profitieren.





Der Berliner Senat baut bestehende Förderschulen aus und begründet dies mit der gestiegenen Zahl von Schüler*innen mit geistiger Behinderung. Im Schuljahr 2009/10 besuchten 1896 Schüler*innen eine öffentliche Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, 2018/19 waren es 2426. Allerdings, so stellt auch der „Tagesspiegel“ fest, „stieg in dieser Zeit auch die Gesamtschülerzahl um etwa 40000 auf knapp 360000“.  Auffallend ist, dass im Artikel nichts über extra Lehrer*innen oder Lehrmittel für die 800 dazukommenden Schüler*innen erwähnt wird. Ist dafür auch Geld vorgesehen, oder werden tatsächlich nur neue modulare Klassenräume in den Förderschulen bereitgestellt? 





An dieser Stelle sei kurz vermerkt, dass die Bildungspolitik in Berlin seit Jahren im Dauerschlaf liegt. Dass Menschen die heute in Berlin geboren werden, sehr wahrscheinlich sechs Jahre später einen Schulplatz brauchen, scheint für Berlin ebenso verwunderlich. Dass Berlin eine attraktive Stadt ist, die Zuzügler*innen anzieht, wollte man partout auf der Kostenseite nicht zur Kenntnis nehmen: Mittlerweile gibt es einen Wettbewerb zwischen zu vielen Schüler*innen für zu wenige Schulplätze. 





So gesehen erscheint die Meldung mit den 800 neuen Plätzen als eine gute Nachricht, ist aber in Wirklichkeit das Eingeständnis, nicht wirklich an einer guten Bildung für alle Schüler*innen interessiert zu sein, auch wenn die Bildungsverwaltung eilig mitteilen lässt, der Platzausbau sei keine Abkehr von der Inklusion.





Doch. Das ist es!





Die neuen Investitionen zementieren ein altes Modell, während man das neue eh nicht richtig will.





Denn Inklusion an Berlins Schulen verfährt bisher nach dem typisch berlinerischen Schlendrian, wonach alles möglich ist, solange es nichts kostet: Von oben wurde schlicht beschlossen, dass Berliner Schulen Inklusionsschulen werden. Die Bundesregierung hatte ja die UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderung unterschrieben, und da steht auch etwas mit Anrecht auf Bildung für alle. Also hieß es in der Hauptstadt: Türen auf, aber “außer Spesen nichts jewesen” würde ein Berliner-Original sagen. Die Erfahrungen seitdem sind nicht so toll. Denn eine Inklusion, die verordnet wird, ohne die nötigen Mittel, Konzepte oder Personal, kommt nicht in den Köpfen an. Die Lehrkräfte haben zu exekutieren, ohne große Hilfestellung.





Also gab es Kritik aus der Elternschaft, als 2018 eine Sonderschule schließen sollte. Denn das Misstrauen gegenüber solch einer Inklusion auf dem Papier sitzt berechtigterweise tief.





Nun ist der Ausbau um 800 Plätze vorwiegend an Sonderschulen angeblich eine Antwort auf diese Kritik. „An meiner politischen Linie hat sich nichts verändert“, zitiert der „Tagesspiegel“ Bildungssenatorin Sandra Scheeres. „Ich war immer dafür, die Inklusion in Berlin behutsam und mit Augenmaß umzusetzen. Dabei waren mir Elternwille und Elternwahlrecht stets wichtig.“





Nun, Augenmaß hätte bedeutet, die Klassengrößen nach jeweiligem Bedarf auszurichten. Und behutsam wäre gewesen, die Ressourcen für eine Inklusion in Klassenräume in allgemeinen Schulen zu schaffen. 





Denn nun zu den Fakten:



Die gestiegene Anzahl der Schüler*innen mit geistiger Behinderung ist interessant. Bundesweit steigen sie auch. Aber: Die Anzahl der „schwer beeinträchtigten“ Menschen bleibt in Deutschland seit Jahren konstant. Nur jene mit einer Lernbehinderung werden mehr, und sie werden nun als „geistig behindert“ deklariert. Dabei gibt es den Förderbedarf “Lernen” in anderen Ländern nicht mal. Es ist, als müssten die geschaffenen Ressourcen der Sonderschulen gefüllt werden. Und so werden die Herausforderungen wegdelegiert, weg aus den Augen der Mehrheitsgesellschaft und hinein in die Sonderwelten.





Studien haben einhellig dokumentiert, dass ein gemeinsames Lernen für alle besser ist. Und dass an Förderschulen der Lernerfolg geringer ist. Kommen gerade viele Kinder mit Lernschwierigkeiten zusammen, passen sich alle an ein niedrigeres Niveau an, als wenn sie gemeinsam mit Kindern ohne Lernschwierigkeiten lernen.





Hat sich noch keiner gefragt, ob es nicht ein Skandal ist, dass seit Jahrzehnten so viele Schüler*innen die angeblich tollen Förderschulen ohne angemessenen Abschluss verlassen, kaum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt  ankommen und in der Regel in Werkstätten landen, in denen sie dann für 180 Euro im Monat Arbeiten nachgehen?





Warum ist uns der Übergang von einer Sonderwelt in die andere prädestiniert und nicht der von der Sonderwelt ins reale Leben?





Eine echte Inklusion bricht diese verkrusteten Muster auf! Ich bin verdammt froh, dass ich das Glück hatte in einer allgemeinen Schule unterrichtet worden zu sein. Es eröffnete mir die Bildungschancen, die ich ergriff. Und es lehrte mir die Selbstverständlichkeit des gemeinsamen Lernens. So wie es Jahre später eine andere Schüler*innengeneration feststellte: Im Dokumentarfilm Kinder der Utopie wird dargestellt, wie ehemalige Schüler*innen ihren Weg nach der Schule gegangen sind. Er zeigt, wie sie Wünsche, Erwartungen, Herausforderungen und Ängste vorm Scheitern teilen – eben gemeinsam über das Leben reflektieren, das sie in einer Grundschulklasse für Kinder ohne und mit Behinderung einst teilten.











Wer diesen Film sieht, spürt die Selbstverständlichkeit gegenseitigen Respekts. Und versteht nicht, warum der Berliner Senat das wenige Geld, das er für Bildung investieren will, dann noch an der falschen Stelle versenkt.

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Published on January 13, 2020 09:19

January 8, 2020

#BarrierenBrechen – Auf die Barrikaden, damit sie einstürzen!

Dies ist ein Aufruf. Halten wir mit dem Inklusionsgerede mal inne: Entweder wir beginnen den Umbau der Gesellschaft aktiv selbst – oder wir können uns das alles sparen. Darum sammeln wir jetzt aus der Community Vorschläge für Barrieren, die wir gemeinsam eine nach der anderen abbauen wollen. Denn wir wollen nicht mehr auf andere warten.





Schluss mit dem Drehen im eigenen Kreis. Schluss mit den hehren Worten. Ich will nicht mehr. Seit Jahren rede ich mir den Mund fusselig und mir geht es dabei um Menschenrechte: Vermeintlich allen ist klar, dass die auch für Menschen mit Behinderungen gelten. Oder wenigstens in Zukunft gelten sollen. Aber tun sie das? Die Schönwetterreden, in denen das Miteinander mal gepriesen, mal angemahnt wird, kann ich nicht mehr hören, denn meine Bilanz der letzten zehn Jahre sieht so aus: Außer Spesen nix gewesen, außer Beschwörungsformeln kein spürbarer Abbau von Diskriminierungen. Immer noch leben wir in einem Deutschland mit zahllosen Orten und Dienstleistungen, die vielen Menschen unzugänglich sind, weil sie von Barrieren ausgeschlossen werden. Manche Bereiche und Verantwortliche unserer Gesellschaft verbarrikadieren sich gar. Wir leben immer noch in einem Deutschland, in dem die meisten Menschen mit Behinderung isoliert und in sklavenhafte Arbeitsverhältnisse gesteckt werden und man ihnen zu verstehen gibt, es sei gut so, wie es ist. Fragen, was sie selbst denn wollen und zuhören, was sie antworten, will aber niemand. Denn es macht Arbeit, kostet Geld und würde irgendwie bewährte Denkmuster in Frage stellen. Niemand will verantwortlich sein. In den Jahrzehnten dieses Aneinandervorbeilebens haben sich Rituale gebildet, bei denen Leute ohne Behinderung ein bevormundendes Verhalten als selbstverständlich und notwendig verteidigen und in denen Leute mit Behinderung sich diesem Zustand hingeben (müssen und manchmal auch lassen), sich nicht trauen diesen Zustand anzuzweifeln oder es wagen über die inneren und äußeren Barrikaden hinweg zu sehen.





Wir sind in Zonen eingerichtet – gemütlich, aber nicht gut



Auf dem Papier stehen viele Verpflichtungen, doch eine echte Kehrtwende ist nicht in Sicht. Wir müssen also handeln. Informationskampagnen, all die hübschen Plakate voller Verständnis und des “Awarenessraisings” sind Mittel von gestern, sie beschwören letztendlich nur den Status quo: Denn wer Dinge daherredet wie: “Zuerst müssen die Barrieren im Kopf sinken”, verschiebt Veränderungen auf den Sankt-Nimmerleinstag. Ein Gegenbeispiel: Die Umweltbewegung. Veränderungen gab es dann, wenn nicht nur nette Filmchen gedreht wurden, sondern dort, wo entweder Konflikte auf offener Straße ausgeführt wurden oder wo die Politik harte Grenzen gesetzt hat. Selbstverpflichtung und eigene moralische Geißelung bringen nichts. Genau so ist es auch mit der Inklusion: Erst wenn Menschen zusammengeführt werden, sie an einem Tisch sitzen und sie sich gegenseitig begegnen, miteinander lachen, streiten und voneinander lernen können, beginnen Veränderungen. Da muss vorher nichts im Kopf entstehen. Das passiert bei der Begegnung ganz von allein. Aber um diese Begegnung zu ermöglichen, muss der Zugang zum Raum zuerst barrierefrei sein!





Freiwillige Selbstverpflichtung hat noch nie funktioniert



Wir haben zwei Forderungen: Die Bundesregierung muss endlich die Werkstätten für Menschen mit Behinderung kritisch evaluieren und auf ihren Gesetzesauftrag hin prüfen: ob sie wirklich die Leute fit für den Arbeitsmarkt machen. Und ja, die Unternehmen auf dem sogenannten 1. Arbeitsmarkt sollen sich nicht länger der Verantwortung entziehen. Die Ausgleichsabgaben müssen empfindlich erhöht werden, denn Werkstätten sind nicht Teil einer Lösung, sondern Teil des Problems. Für Menschen mit Behinderung bedeutet dies einen Ruck heraus aus der vermeintlichen Wohlfühlzone. Es wird Niederlagen und vielfaches Scheitern geben, aber der Weg, aus diesem zu lernen, ist der richtige. Wir brauchen mehr Risiken, mehr Rücken- und Gegenwind, einfach Wind! Das ist unsere erste Forderung, sie richtet sich an die Politik. 





Die zweite Forderung hat uns Menschen mit Behinderungen selbst zum Adressaten: Wir müssen das Zepter in die Hand nehmen, wenn es um unsere eigenen Belange geht. Wir haben die Expertise, wir wissen aus erster Hand, was fehlt und was oder wer uns daran hindert, das zu erreichen. Setzen wir uns daher selbst ans Werk, anstatt weiterhin Sonntagsreden zu akzeptieren. Lassen wir nicht mehr zu, dass über unsere Köpfe hinweg geredet und entschieden wird. Werden wir laut, indem wir konkret handeln und Barrieren abbauen.





Schaffen wir selbst Barrieren ab, Stück für Stück!



Allein das Geld für nette Verständniskampagnen könnte sinnvoller in konkrete Zugänglichkeit gesteckt werden – damit schaffen wir echtes Miteinander. Die Welt werden wir nicht an einem Tag retten, aber fangen wir doch bitte damit an…





Schickt uns eure Ideen, Anregungen, Vorschläge! Welche Rampen braucht es wo, die nachhaltig bleiben? Welche strukturellen Prozesse braucht es, um mehr Teilhabe zu ermöglichen? Welche Produkte für den Alltag, welche Rechtsänderungen? Wo wird euch verwehrt, genauso wie alle anderen mitmachen zu können? Welche Barriere ist euch schon länger ein Dorn im Auge? Wir müssen das sammeln und wir kümmern uns dann auch Schritt für Schritt darum, diese Barrieren mit euch allen abzubauen.





Dafür brauchen wir Euch!



Wir fragen alle, was sie/er beitragen kann um das Problem zu lösen.Das Ganze wird in den Sozialen Medien begleitet und regelmäßig berichtet.Dabei gehen wir vor wie Unternehmensberater*innen: Wir teilen die Probleme in kleinere Pakete, definieren numerische Ziele, um den Fortschritt sichtbar zu machen.



So bauen wir ein Netzwerk auf, welches handelt. Inklusion kostet Geld und muss verpflichtend sein. Wir machen uns derweil selbst auf den Weg. Legen wir los!

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Published on January 08, 2020 02:56

January 6, 2020

Signissimo

Signissimo bietet das Dolmetschen und Übersetzen zwischen Gebärden- und Schriftsprachen sowie International Sign an. Weiterhin vermittelt und organisiert Signissimo Gebärdensprachdolmetscher*innen für Veranstaltungen und bietet Gebärdensprachunterricht an. Eingesetzt werden nur zertifizierte, taube Gebärdensprachdolmetscher*innen.

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Published on January 06, 2020 21:28

Barrieren im Kopf als Taktgeber? Schluss damit!

„Zur Umsetzung von Inklusion müssen zunächst Barrieren im Kopf abgebaut werden.“





Dieser Satz hängt mir nur noch zum Hals raus. Nicht nur, weil wir ihn dank des über 10-jährigen Bestehens der UN-Behindertenrechtskonvention seit mehr als einem Jahrzehnt in jeder Rede zu hören bekommen, sondern auch, weil er eine völlig falsche Herangehensweise ist.





Wer die Überzeugung proklamiert, man könne erst dann wirksam für Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung sorgen, wenn die bequeme Mehrheitsgesellschaft ihre Vorurteile überwunden habe, erhebt eben diese Mehrheitsgesellschaft zum Taktgeber. Aber auch ganz praktisch funktioniert das nicht: Vorurteile werden durch Begegnung bekämpft. Wie aber soll das funktionieren, wenn gerade diese beliebige Begegnung mit Menschen mit Behinderung erst ermöglicht werden kann, wenn Nicht-Behinderte sich für Veränderungen bereit erklären?





Der Ist-Zustand in der Aufklärung der Mehrheitsgesellschaft funktioniert oft nur über Bande – im wörtlichen Sinne: Plakatwände, Bücher und nette Filmchen sollen persönliche Begegnungen ersetzen und Vorurteile abbauen. Was könnte man für reale Konfrontationen zwischen Nicht-Behinderten und behinderten Menschen ermöglichen, würde man die für diese Kampagnen genutzten Gelder anderweitig ausgeben? Selbst wenn man der derzeitigen Vorgehensweise eine gewisse Fähigkeit zur Sensibilisierung und zum Abbau von geistigen Barrieren zugestehen mag, ist im Moment des Vorbeigehens an der Littfasssäule noch keine einzige real existierende Barriere abgebaut. Die Effizienz zur Transformation einer Gesellschaft will ich arg anzweifeln.





Nein, Barrieren müssen zuerst ganz faktisch abgebaut werden. Das ist einerseits ohnehin humanitäre Verpflichtung, ermöglicht andererseits ganz im Gegenteil zu netten Postern sofortige Selbstbestimmung, direkte Teilhabe und sorgt so effizient durch Berührung für einen Abbau der Barrieren in den Köpfen.





„Aber Constantin, wie sollen wir denn Entscheidungsträger und Leitungspersönlichkeiten in den unterschiedlichen Bereich der Gesellschaft zur Umsetzung von Barrierefreiheit und Teilhabe behinderter Menschen bringen, wenn diese nicht zunächst aufgeklärt wurden?“





Meine Antwort auf diese Frage ist simpel: Wir haben im Jahr 2020 kein Defizit an Wissen, keinen Mangel an Aufklärung – erst recht nicht in Führungsebenen und bei Entscheidungsträgern. Diejenigen, die noch immer das Abbauen realer Barrieren verhindern und Teilhabe einschränken, machen dies aus Absicht oder Bequemlichkeit. Beides ist und darf in unserer Gesellschaft, die im letzten Jahr Jahr 70 Jahre Grundgesetz feierte, keine Ausrede sein. Und sollte es tatsächlich noch Führungspersonen geben, die aus Unwissenheit agieren, so muss man deren Qualifikation und Vorausschau auf sich permanent verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen hinterfragen.





Barrieren in Köpfen benötigen keine Baugenehmigung, kein Budget und keinen Masterplan. Sie zu überwinden braucht nur Begegnung. Lasst uns die Ressourcen, die zur Verfügung stehen, in den Abbau echter Hindernisse einsetzen.





Stellt Euch das mal vor: Ein Jahr lang würden wir all das Geld für schicke Plakatkampagnen, all die Arbeitskraft und all unsere Kontakte in … sagen wir z.B. das Zugänglichmachen aller Musik-Festivals in Deutschland setzen. Oder alle Kinos mit Hörschleifen ausstatten. Oder oder oder. Was wären das für großartige Möglichkeiten Begegnungen zu schaffen, nachhaltig Zugänge und Teilhabe für behinderte Menschen zu öffnen und ja, letztlich auch Aufklärung zu betreiben? Und das Jahr darauf machen wir das wieder. Lasst uns daraus eine dauerhafte Herausforderung machen: Jedes Jahr einen Bereich zugänglich und barrierefrei machen. Lasst uns #BarrierenBrechen!

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Published on January 06, 2020 21:02

December 30, 2019

SeWo – Selber Wohnen in Westfalen-Lippe

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat 2017 ein Programm ins Leben gerufen, das Menschen mit Behinderungen ermöglichen soll selbstständig zu wohnen. Hierzu wurden 15 Wohnprojekte ausgewählt, die in Zusammenarbeit mit den Betreffenden selbst und ihren zukünftigen Nachbarn weiterentwickelt und vom Verband finanziell unterstützt werden. Ein Hauptfokus liegt auf der Einbindung der Mieter*innen in ihr jeweiliges Quartier und die Unterstützung im Alltag durch technische Hilfsmittel. Auf der Website der SeWo – Selbstständiges Wohnen gGmbH werden Berichte, Interviews und weiterführende Informationen zum Thema Wohnen zusammengetragen. 

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Published on December 30, 2019 21:59

Liebt euren Körper so wie er ist!

Ich habe schon, seit ich denken kann, immer gern Musik gehört. Wenn ich Musik höre, kann ich einfach abschalten und in eine andere Welt abtauchen. Als ich meine erste eigene Song Idee hatte, lag ich mal wieder mit Musik im Bett und mir ist aufgefallen, dass ich was zu sagen habe und was ich zu sagen habe, könnte ein guter Text werden. Viele der Songs, die ich höre, handeln nur von Liebe und Schmerz und haben nichts mit den Themen zu tun, die mir so hauptsächlich durch den Kopf gehen. Gedacht, getan. Meine erste Idee war, ich möchte einen Song schreiben, wo die Menschen über sich und wie sie ihren Körper sehen, nachdenken und dass man auch mal ausbrechen kann und sich nicht immer in der Gesellschaft gefangen fühlen muss, dass man zu sich stehen kann, egal was andere Menschen von einem halten. Bildet gemeinsam einen Kreis, dann ist es leichter auf der Welt zu sein.





Aber bis es dann ein richtiger Song wurde, musste ich auch lernen, dass ein guter Text ein langer Prozess sein kann und man auch bereit sein muss Hilfe anzunehmen, wenn man nicht weiter weiß.





Ich habe mich bei Facebook auf die Suche nach jemanden begeben, der den Song mit mir vertonen kann. Bei der ersten Person, die ich gefunden habe, musste ich dann leider feststellen, dass er mich nicht ernst nimmt. Daraufhin habe ich eine Weile vom Projekt pausiert, weil ich so enttäuscht war und gedacht habe, dass das eh nix wird. Aber ihr kennt mich, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ziehe ich das auch durch. Als ich dann wieder Power hatte, habe ich eine Facebook Gruppe mit Musikern rausgesucht und eine Anzeige geschaltet. Und schwupps, ist mein Postfach hinten über gekippt. Ich habe darüber die unglaublich talentierte junge Songwriterin CassMae kennen gelernt, die auch selber eine Behinderung hat. Wir haben uns dann auf Anhieb gut verstanden und sie hat mir erst einmal erklärt, was eine Bridge ist. Ich bin dann zu einem ihrer Konzerte gegangen und habe gedacht, oh man bin ich ein Glückspilz, mit so einem talentierten Menschen zusammen arbeiten zu dürfen. Als wir uns dann das erste Mal richtig getroffen haben, war ich soo nervös. Aber wie so häufig war meine Nervosität nicht nötig. Wir sind den Text durchgegangen und waren uns schnell einig. Als der große Tag der Aufnahme dann da war, konnte ich es gar nicht erwarten mein Lied aufzunehmen. Der Text den ich selbst geschrieben habe, hat mich so berührt und CassMaes warme und sanfte Stimme in meinem Wohnzimmer zu hören, war einfach magisch. Als ich den Song dann bei Youtube veröffentlicht habe, war ich so stolz auf mich und auf die positiven Kommentare und wie ich mit meinem Lied Menschen berührt habe. Das war ja mein ja Ziel, Leute zu bewegen.





Ich möchte euch ermutigen euren Körper so zu lieben wie er ist, traut euch es in die Welt hinaus zu schreien!





Mein Song: Du bist – mit CassMae

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Published on December 30, 2019 21:51

December 23, 2019

Euro-WC-Schlüssel

In den 1980er Jahren bestand bereits ein gutes Netz von öffentlichen Behindertentoiletten, die allerdings häufig u.a. wegen Verschmutzung und Vandalismus nur bedingt benutzbar waren. Aus diesem Umstand heraus entwickelten die Mitglieder des CBF Darmstadt (Club behinderter und ihrer Freunde in Darmstadt und Umgebung e.V.) die Idee eines europaweit einheitlichen Schließsystems für öffentliche Behindertentoiletten. Um sicherzugehen, dass der dazugehörige Schlüssel nur in die “richtigen” Hände kommt, wird er deutschlandweit ausschließlich über die Website des CBF Darmstadt vertrieben. Hier finden sich auch Informationen darüber, wer eine Bezugsberechtigung besitzt.

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Published on December 23, 2019 21:52

Selbstbewusst leben mit Behinderung

Wenn ich die Bühne für einen meiner Auftritte betrete, bricht mein Erscheinungsbild die Erwartungen des Publikums. Denn der Großteil geht nicht davon aus, dass ein Tetraspastiker, der noch dazu stottert, an Poetry Slams teilnimmt und Theater spielt. Davon lasse ich mich jedoch nicht beirren. Dem Großteil der Zuschauenden gefallen meine Auftritte. Somit verwirkliche ich mich und bereite dadurch auch noch vielen Personen Freude. Eine klassische Win-Win-Situation. Es gibt wahrlich unangenehmeres.
Mir ist bewusst, dass meine Vortragsweise auf der Bühne polarisiert. Einige Zuschauende stören sich sicherlich an meiner langsamen Vortragsweise.
Nichtsdestotrotz bin ich mir über meine Stärken im Klaren. Wenn mir Menschen aufgrund meiner Sprechgeschwindigkeit nicht zuhören, entgeht ihnen eben der Spaß. Scusi, Pech gehabt!
Durch meine Auftritte versuche ich, dem Publikum die Augen zu öffnen. Aufzuzeigen, dass meine Stottersymptomatik einer erfolgreichen Bühnen-Show nicht im Wege steht. Das Selbstbewusstsein hierfür habe ich über Jahre hinweg aufgebaut. In meinen Poetry-Slam-Workshops vermittle ich neben meiner Hingabe für die Sprache auch dieses Vertrauen in sich selbst.
Meiner Meinung nach kann es nur dann wachsen, wenn man sich annimmt und lernt, ab und an über sich selbst zu lachen.
Glaube an dich und lass dir von Einschränkungen und Rückschlägen nicht die Lebensfreude rauben. Eine Person aus meinem Umfeld ist auf einen Rollator angewiesen. Sie empfindet es als unangenehm, mit diesem Hilfsmittel gesehen zu werden. Aus Angst, andere Passanten könnten sie belächeln, verlässt diese Person ihre Wohnung nur noch, wenn sie unbedingt muss. Dadurch nimmt sie immer weniger am gesellschaftlichen Leben teil. Das macht mich sehr traurig. Denn erst dadurch findet eine wirkliche Einschränkung statt. Wer sich zu viele Gedanken darüber macht, was fremde Menschen denken könnten, legt sich selbst unnötige Steine in den Weg. Natürlich sind auch mir Meinungen mir unbekannter Personen nicht völlig gleichgültig. Aber ich verstelle mich nicht und lasse mich nicht einschränken. In der Fußgängerzone werde ich aufgrund meines Gangbildes häufig angestarrt. Das ist nicht schön, aber hindert mich nicht daran, mit Freunden durch die Stadt zu schlendern, Smoothies mit seltsamen Namen zu schlürfen und mich des Lebens zu erfreuen. Oftmals meint es das Gegenüber nicht böse, sondern ist überrascht. Mich irritiert wiederum, dass sich so viele Menschen über verschiedene Erscheinungsbilder wundern. Vielleicht etabliert sich durch diese Kolumne der Begriff „Meta-Verwunderung“, allerdings lohnt es sich nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

Steh zu dir! Steh zu deinem Erscheinungsbild, zu deinem Körper und zu deinen Charakterzügen! Egal, ob mit oder ohne Behinderung, zeige dich! Finde den Mut, deine Berufung auszuüben. Vorausgesetzt, sie ist legal, ansonsten hast du nämlich ein gewaltiges Problem.
Ich verspüre das große Glück, einige Menschen motivieren und inspirieren zu dürfen. Frei nach dem Motto:  „Wenn der Kai es schafft, seiner Berufung nachzugehen, schaffe ich das auch.“ Auf diesen Effekt hoffe ich auch jetzt. Wenn ich durch diese Kolumne nur eine Person zu einer stärkeren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder zur Ausübung ihrer Leidenschaft ermutige, hat sich die Aneinanderreihung dieser Buchstaben bereits gelohnt.


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Published on December 23, 2019 21:48

December 21, 2019