Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 8
September 2, 2019
Newsletter: Gespräch mit Jens Spahn; 32 Jahre mit Beatmung in eigener Wohnung; Katastrophale Bilanz zum BTHG; Selbsthilfe verbindet; LEGO für Blinde
Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.
washabich.de
Ärztliche Befunde – eine Aneinanderreihung medizinischer Fachbegriffe. Wer sich die Entschlüsselung dessen ersparen will, hat die Möglichkeit seinen Befund/Arztbrief unter washabich.de hochzuladen und von Medizinstudent*innen ab dem 8. Fachsemester sowie Ärzt*innen in eine leicht verständliche Sprache übersetzen zu lassen. Das Angebot ist kostenlos, weil es ein Angebot für jeden, unabhängig des Einkommens, sein soll. Weiterhin bieten die Initiator*innen universitäre Online-Kurse für Medizinstudent*innen an, um ihnen zu vermitteln, wie man für den/die Patient*in verständlich kommuniziert. Das Ziel dieser Angebote ist es, den/die Patient*innen an der Entscheidung über seine Behandlung teilhaben zu lassen.
Was bedeutet Glück?
Ich frage mich mindestens einmal die Woche, was Glück
eigentlich bedeutet. Für manche Menschen ist Glück viel Geld und ein großes
Haus zu haben. Aber für mich ist Glück wenn ich jeden Tag mit einem Lächeln aufstehen
kann weil ich weiß dass es der Gesellschaft gut geht. Ich liebe es wenn ich den
Menschen auf der Straße ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann, dann merke ich
schon wie ich etwas Gutes getan habe und freue mich darüber. Natürlich machen
mich auch meine Freunde glücklich, zusammen zu sein mit den Menschen die ich
liebe und noch andere Dinge, Reisen, coole Menschen kennenlernen, es gibt so
vieles. Ich bin eigentlich für jeden Tag den ich lebe dankbar. Aber ich würde
mir wünschen dass alle Menschen da draußen sich mal hinsetzen würden und sich
mal zusammen einen Plan überlegen könnten wie man die Welt für alle Menschen
besser machen könnte. Aber ich weiß dass es zu viel erwartet ist, aber wenn ich
die Möglichkeit hätte, würde ich die Zeit zurückspulen und die Sache am
Kernproblem packen.
Als Erstes würde ich ein Krisenmanagement zusammen stellen
und dann einen Plan machen für die Zukunft. Als nächstes dann die Waffen
abschaffen, die Hierarchie, die Konsumorientierte Geldwirtschaft und dass wir
selbst entscheiden, endlich, wie wir unser Leben leben, dass endlich mal wieder
untereinander geholfen wird und klar, gibt es immer Reibereien das war schon
immer so, der Mensch ist halt ein Jagdtier, wie die Tiere auch. Aber dass wir
endlich mal wieder zu unserem Ursprung zurückkehren und klar, gibt es dann auch
weiterhin Rollstühle aber dass wir uns gegenseitig endlich mal anfangen zu
Lieben und glücklich zu sein. Dass jeder einfach so sein kann wie er ist und so
wird glaube ich auch die Inklusion funktionieren. Wir müssen endlich aufhören
immer der Stärkste und der Klügere zu sein und einfach miteinander Leben, und
jeden so akzeptieren wie er ist. Wir müssen anfangen zusammen tolle Projekte
ins Leben zu rufen und unseren Planeten zu retten.
Was würdet ihr denn gern für euer Glück tun?
August 26, 2019
Newsletter: AbilityWatch kritisiert Spahn; Gewalt in Behindertenhilfe; Teilhabemöglichkeiten in DE sehr verschieden; Freiwilligendienst mit Behinderung in Ghana?
Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.
nachrichtenleicht
Für viele Menschen, bspw. mit Lernschwierigkeiten oder Demenz, sind die gängigen Nachrichten im Fernsehen, den Zeitungen, im Radio oder Internet, zu schwierig formuliert, sodass sie nicht gut verständlich sind. Der Radiosender “Deutschlandfunk” will mit der Webseite nachrichtenleicht dagegen wirken und hat speziell für eben diese Menschen einen Nachrichtenkanal eingerichtet, in dem jeden Freitag die wichtigsten Nachrichten der Woche aus allen Bereichen in Einfacher Sprache veröffentlicht werden. Unter jedem Artikel werden außerdem die Schlagwörter ausführlich erklärt.
Mein Alltag und ich
Ich finde es immer wieder erstaunlich wie viel Halbwissen über blinde und sehbehinderte Menschen existiert. Und ich finde es ebenso interessant mit wie viel Vehements manche nicht blinden Personen diese Klischees verteidigen.
Ich erinnere mich an eine ältere Dame, die mir ernsthaft erzählen wollte, dass blinde Personen nichts am Herd zu suchen hätten, da sie sich sonst verbrennen würden. Und sie kannte eine ältere Dame, deren Sehkraft nachließe, und die deshalb kein Essen mehr selbst zubereiten würde. Ich war damals Mitte zwanzig, und hatte meine eigene Wohnung. Als hoffnungslose Optimistin versuchte ich ihr meine Vorgehensweise zu erklären. Doch irgendwann begriff sogar ich, dass sie mir nicht zuhören wollte. Für sie war es so, das blinde Menschen nicht kochen können und Basta!
Im Laufe meines Lebens bin ich immer wieder solchen Menschen begegnet, für die Blindheit eine der schlimmsten Schicksalsschläge im Leben waren. Dementsprechend gehörten Menschen wie ich in die Obhut sehender Angehöriger, eines gesetzlichen Betreuers oder in eine Einrichtung für Menschen mit Behinderung.
Später, als ich heiratete, gingen viele Personen davon aus, dass ich einen sehenden Partner habe. Am liebsten einen, der eine Mischung aus meinem Krankenpfleger, Betreuer und Fahrdienst abgibt. Und natürlich muss er auch noch kochen und den Haushalt führen können. Und das neben seinem Job. Leute, der Tag hat nur 24 Stunden. Und dem Übermenschen, der das alles leisten kann, bin ich noch nicht begegnet. Ihr etwa? Jedenfalls ist mein Partner ebenfalls sehbehindert, und führt wie ich ein selbst bestimmtes Leben.
Aber die Story geht noch weiter. Als mein erstes Kind unterwegs war, kamen Bemerkungen wie „Die Familie hilft ja bestimmt“, oder „Das Kind kann Dir später viel helfen“. Kopfkino: Das Grundschulkind zaubert ein gesundes Frühstück, stellt die Waschmaschine vor der Schule an, und kocht nach der Schule das Mittagessen für die Eltern. Nach dem Mittagessen beantwortet es die Post der Eltern, begleitet sie zu Terminen oder geht einkaufen. Leute, wir reden hier von Kindern, und nicht von einem Roboter.
So, genug gemeckert. Wir können alle etwas dafür tun, dass die Gesellschaft lernt, dass wir Menschen mit Behinderung mehr können als Hilflosigkeit. Ich fange mal damit an, dass ich Euch einen Beitrag ans Herz lege, der meine Vorgehensweise beim Backen eines Kuchens beschreibt. Kuchen backen, wenn man blind ist.
August 24, 2019
SIRPLUS Talk mit Raul Krauthausen
Raul Krauthausen ist eine inspirierende Persönlichkeit! Im SIRPLUS Talk erzählt er von seinen Erfolgen: dem Pfandraising, Wheelmaps und vielen mehr – Dabei spricht er immer von „Wir“ statt „Ich“. Sein soziales Engagement, vor allem als Inklusionsaktivist, ist beeindruckend. Raphael Fellmer ist mit Raul im Gespräch und bringt die vielen Ungerechtigkeiten im Alltag von Menschen mit Behinderung zur Sprache. Disability Mainstreaming!
August 21, 2019
Newsletter: „Ich werde lieber laut sterben“: Menschen mit Behinderung protestieren gegen Spahns neues Pflegegesetz; Pränataldiagnostik: Ich bin ein Risikomensch;
Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.
August 19, 2019
REHADAT
Zum Themenkomplex “Berufliche Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderung” bietet die Website REHADAT ein reichhaltiges und vor allem unabhängiges Informationsangebot. Unter dem Punkt “Portale” lassen sich 14 Unterthemen finden, die von Informationen zu Hilfsmitteln, Bildung, Recht und Ausgleichsabgabe bis hin zu Forschung, Statistiken und Literatur reicht. Auch ein Adressbuch mit Kontakten zu weiteren Informationen und Angeboten wird bereitgestellt und fortlaufend aktualisiert. Um auf dem Laufenden zu bleiben, lässt sich der REHADAT-Newsletter oder die REHADAT-Neuigkeiten in Leichter Sprache abonnieren. Ein Lexikon erklärt umfassend die wichtigsten Begriffe von A-Z. Alle Angebote sind barrierefrei und kostenlos zugänglich.
Häusliche Beatmung bedeutet Freiheit und Aktivität
Ich bin Anfang dreißig, habe zwei Studiengänge absolviert, nebenbei eigentlich immer gearbeitet. Ich bin mit zwanzig Stunden angestellt und mache nebenbei noch einiges freiberuflich. Ich treffe Freund*innen, gehe gern auf Konzerte und Festivals und netflixe. Norwegen, Russland, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal über USA und Island – ich habe zahlreiche Länder dieser Welt besucht.
Immer dabei: ein Beatmungsgerät.
Denn ich lebe mit einer Muskelerkrankung, die fast jeden meiner Muskeln lahm legt, auch die, die fürs Atmen zuständig sind. Deshalb mache ich alle Aktivitäten im Rollstuhl. Für alle Dinge, die ich selbst nicht kann, habe ich Assistenz und seit 19 Jahren, also mehr als mein halbes Leben lang, benutze ich nachts ein Beatmungsgerät. Doch wenn es nach einem Vorhaben der Bundesregierung geht, dann ist mein aktives und soweit normales Leben bald vorbei. Denn dann soll ich in eine Spezialeinrichtung, damit vermeintlich endlich die Qualität meiner Beatmung stimmt und kein Missbrauch stattfindet.
Dabei bedeutet meine Beatmung für mich, Freiheit und aktiv am Leben teilhaben zu können. Das war nämlich nicht immer so. Als ich Teenager war, merkte meine Mutter, dass ich nachts unruhig schlafe und morgens schweißgebadet aufwachte. Sie wusste, dass dies Anzeichen dafür sind, dass man nachts nicht genug Sauerstoff bekommt. Das ist bei meiner Muskelerkrankung nicht selten. Wir gingen zum Arzt und der stellte fest, dass meine nächtlichen Werte sehr schlecht seien und ich eine Beatmung bräuchte. Der Termin zur Eingewöhnung wäre am nächsten Tag gewesen und hätte eine Woche Krankenhaus bedeutet. Doch das wollte ich nicht. Ich hatte gerade die Schule gewechselt und war endlich unter nicht-behinderten Jugendlichen angekommen. Ich wollte unbedingt zur Schule. Außerdem stand ein Auftritt mit meiner Schülerband an, den ich auf gar keinen Fall verpassen wollte. Also sagten wir den Termin ab – sehr zum Unverständnis der Ärzte.
Ein paar Monate später wachte ich oft völlig gerädert auf, hatte Kopfschmerzen und mir war schwindlig. Oft konnte ich erst später zur Schule gehen. Also war es Zeit für eine Beatmung. Wir machten einen Termin aus und in meiner Erinnerung hat es drei Atemzüge gedauert, bis ich annehmen konnte, dass da eine Maschine für mich atmet. Ein paar Tage wurde an den Einstellungen optimiert und dann ging es mit der Maschine nach Hause. Für immer, denn eine Entwöhnung ist bei mir nicht möglich.
Ab diesem Zeitpunkt konnte ich wieder jeden Tag um 5.30 Uhr aufstehen und zur Schule gehen, Freunde treffen und alle Dinge tun, die man als Teenager und junge Frau halt so macht. Ich musste nie wieder wegen einer Bronchitis, gar Lungenentzündung ins Krankenhaus, weil meine Lungen besser durchlüftet werden. Meine Beatmung sorgt dafür, dass ich tagsüber die Power habe, selbst zu atmen, weil sich die Muskeln regenerieren können. Atmen ist quasi mein täglicher Ironman.
Das erste Atemgerät hatte noch einen Blasebalg in sich, mittlerweile steht ein kleines Gerät auf meinem Nachttisch, dass sogar einen Red Dot Award gewonnen hat. Ein Schlauch führt in mein Bett an dessen Ende zwei Stöpsel sind, die man mir in meine Nase steckt. Zur Befestigung wird ein Band über meinen Kopf gezogen. Meine Assistentin stellt das Gerät mit einem Knopfdruck an und wieder aus. Klar, es müssen ein paar hygienische Dinge beachtet werden, aber das ist jetzt auch keine Raketenwissenschaft. Die Komplexität entspricht eher dem Wechsel eines Staubsaugerbeutels.
Mir ist bewusst, dass ich mich verständlich äußern kann und dass das nicht auf jeden Menschen mit Beatmung zutrifft. Hier braucht es Qualität und geschultes Personal, keine Frage! Doch gerade dann ist es wichtig, Assistenz zu haben, die den Menschen gut kennt. In einer Einrichtung, in der, wenn überhaupt, eine Pflegekraft auf vier behinderte Personen kommt, ist das nicht gegeben. Neulich habe ich mich auf der Arbeit am Käsebrot verschluckt. Einfach so. Innerhalb von ein paar Minuten war meine Lunge voller Schleim und mir fiel das Atmen schwer. Meine Assistentin wusste, dass es mir persönlich am besten hilft, mich hinzulegen. Das ist das Gegenteil davon, was in jedem Lehrbuch steht. Ich musste nur Nicken und sie wusste, was zu tun ist. Innerhalb von 10 Minuten war alles wieder gut. Kurz haben wir beide überlegt, ob wir einen Krankenwagen rufen müssen. Doch dann fiel uns ein, dass ganze zwei Krankenhäuser in Berlin überhaupt wissen, was ein Cough Assist ist – ein Gerät, dass Husten bei Menschen simuliert, denen dafür die Kraft fehlt.
Ein Absauggerät, dass vielleicht auch geholfen hätte, ist aber nicht standardmäßig in jedem Krankenwagen. Herr Spahn: hier wäre Potential für bessere Qualität! Die käme dann auch wirklich bei den betroffenen Menschen an.
Bisher hatte ich wenig Angst, einmal dauerhaft auf Beatmung angewiesen zu sein. Doch seit vorgestern ist das anders. Danke Herr Spahn! Denn wenn es nach ihm geht, müsste ich in ein Heim ziehen. Ich könnte nicht morgen ganz früh auf Dienstreise fahren. Ich könnte nicht ins Büro fahren, wenn es das bedarf. Ich könnte nicht noch spontan mit Freunden Bier trinken gehen oder mit einem Date nach Hause kommen. Ich könnte nicht all die Orte bereisen, an denen noch nie ein Rollstuhlfahrer zuvor gewesen ist (meine jeweilige Challenge). Ich könnte nicht mal einfach aufs Klo gehen, wenn ich muss, essen was und wann ich mag und erst recht nicht weit nach Mitternacht ins Bett gehen und bis nachmittags schlafen.
Es hat also weder mit Inklusion noch mit Qualität zu tun, was die Bundesregierung gerade plant. Für uns Betroffenen ist das Gesetzesvorhaben ein enormer Einschnitt in die Lebensqualität und widerspricht jeglichen Rechten auf Selbstbestimmung. Aber dank Beatmung werde ich genug Power haben, dagegen zu kämpfen.