Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 11

July 8, 2019

Was genau ist Barrierefreiheit?

Rollstuhlrampen, Blindenleitlinien, Sprachausgaben von Automaten: das alles sind materielle oder technische Ausstattungen, die Barrierefreiheit herstellen. Aber kann nicht auch ein Mensch Barrierefreiheit bedeuten? Selbst in der Idealvorstellung einer barrierefreien Welt würde ich ohne menschliche Hilfe nicht überleben, geschweige denn teilhaben können. So gibt es zur Übersetzung einer Veranstaltung in Gebärdensprache noch keine künstliche Intelligenz; eine Toilette kann nicht automatisch selbstständig benutzt werden, nur weil sie eine DIN-Norm erfüllt und ein Fahrplan kann manchmal nicht so dargestellt werden, dass es für jeden verständlich ist. Für all diese Barrieren benötigen wir Menschen, die es uns ermöglichen sie zu überwinden. Diese Menschen befreien uns in dem Moment von Barrieren. Sie selbst sind Barrierefreiheit. 





Im Alltag hingegen unterscheiden wir häufig in Assistenz/Pflege und (materieller) Barrierefreiheit. Dabei haben beide das gleiche Ziel: Teilhabe und Selbstständigkeit. Wir sollten beides unter dem Begriff von Barrierefreiheit verstehen! 





Weil materielle Barrierefreiheit nicht spontan hergestellt werden kann, sie vielen unterschiedlichen Personen dient und meist nur eine einmalige Investition ist, ist die Bereit- und Herstellung von solcher Barrierefreiheit in der Verantwortung der gesamten Gesellschaft und soll von jedem Betrieben werden, der öffentlich zugängliche Orte, Produkte oder Dienstleistungen anbietet. 





Aber wie sieht es mit personeller Barrierefreiheit aus? Muss zum Beispiel jeder Veranstalter Gebärden- oder Leichte Sprache-Dolmetscher vorhalten oder sollten Hotels kostenlos ein Zimmer für Begleitpersonen bereitstellen müssen? Und wie groß wäre das Interesse dieser dann behinderte Menschen als Kunden oder Besucher zu gewinnen, wenn sie solche Kosten auch noch selbst zu tragen hätten? Anders als bei materiellen Barrieren kann personelle Barrierefreiheit – zumindest theoretisch – flexibel und spontan da eingesetzt werden, wo sie benötigt wird und so auch individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen. Es ist effizienter und im eigenen Interesse, diese personelle Barrierefreiheit durch die Verknüpfung mit einem einzelnen behinderten Menschen herzustellen. 





Aber Obacht: Eine Person, die ausschließlich auf materielle Barrierefreiheit angewiesen ist, hat diese Autonomie in dem Moment erlangt, indem ein Dritter seiner Pflicht zur Barrierefreiheit nachgekommen ist. Er selbst hat also weder für die Kosten aufzukommen, noch muss er sich für die Nutzung anmelden oder gar rechtfertigen. Behinderte Menschen, die auf personelle Barrierefreiheit angewiesen sind, hat hingegen oftmals Pech: Er wird an Kosten beteiligt, trägt selbst die Verantwortung zur Organisation und muss sich gar für den Bedarf an Barrierefreiheit rechtfertigen. Bei allen Ausnahmen dieser simplen Darstellung wird doch deutlich, dass hier eine fundamentale Ungleichbehandlung im Nachteilsausgleich von Menschen mit Behinderungen besteht! 





Ich glaube, wir benötigen ein anderes Verständnis von Barrierefreiheit und ihren Formen. Zumindest aus Sicht von behinderten Menschen darf es kein Unterschied machen, ob ich als querschnittsgelähmter agiler Rollifahrer „nur“ Rampen und Aufzüge für eine nahezu volle Autonomie und Teilhabe benötige, oder ob ich beispielsweise als gehörlose Person für Veranstaltungen einen Dolmetscher brauche. Personelle Barrierefreiheit muss ebenso gesellschaftlich gewertschätzt, solidarisch von allen finanziert und als notwendige Investition für eine Gesellschaft betrachtet werden. 

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Published on July 08, 2019 10:51

July 7, 2019

Nullbarriere.de

Die Website nullbarriere.de greift die Thematik Barrierefreiheit beim “Planen, Bauen, Wohnen” auf. Man findet ein breites Spektrum an Informationen: angefangen mit allen Themen rund um die Barrierefreiheit allgemein und die Finanzierung barrierefreier Maßnahmen, bis hin zu Gesetzesgrundlagen, DIN-Normen sowie einer Produkt- und einer Expertendatenbank. Weiterhin gibt es einen großen Bereich, in dem aktuelle Meldungen zum Thema veröffentlicht werden. Zuletzt lässt sich auch ein Weiterbildungskalender finden sowie ein gut organisiertes Forum, in dem von jedem Besucher alle möglichen Fragen rund um Barrierefreiheit gestellt werden können.

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Published on July 07, 2019 10:36

July 1, 2019

Newsletter: Woran man Verbündete behinderter Menschen erkennt; Behinderung führt zu Armut; BDSM mit Behinderung; Warum Gebärdensprach-Avatare problematisch sin

Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.

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Published on July 01, 2019 23:21

Sommerzeit ist Gartenzeit

Da bilden blinde Menschen keine Ausnahme. Auch bei uns gibt
es solche, die sich für die Gartenarbeit begeistern können, und andere, die damit
rein gar nichts anfangen können. Und ich bin irgendwas dazwischen.





Ich liebe Pflanzen, die duften. Da wäre mein Sommerflieder,
meine Tagetes oder Heliotrop, der nach Vanille duftet. Ich liebe es die
Pflanzen anzufassen, und ihnen beim Wachsen zuzusehen. Jedenfalls im
übertragenen Sinn.





In diesem Jahr habe ich ganz viele Kräuter im Garten, die
entsprechend duften. Da wäre mein Rosmarin, Thymian, Salbei, den mir jemand als
kleine Pflanze aus Jordanien mitgebracht hat, und natürlich meine marokkanische
Minze, die viel Verwendung in der arabischen Küche findet. Ich liebe den Duft
der Kräuter am Morgen, oder wenn sie abends gegossen werden.





Ich habe bei den Blumen darauf geachtet, dass sie Blühten
haben, die man ruhig anfassen darf, ohne dass sie kaputt gehen. Ein weiteres
Kriterium war, das ich auf Kontraste achte. Pflanzen, die weiß oder gelb sind,
bilden einen hohen Kontrast zur Erde. Dieser reicht aus, damit ich diese mit
meinem Restsehen noch optisch wahrnehmen kann.





In diesem Jahr versuche ich mich zum ersten Mal an Tomaten.
Auch diese Pflanzen durften. Sie haben ihr Zuhause in einem Blumenkübel
gefunden, und ich kann ihnen täglich beim Wachsen zusehen. Es ist ein
Experiment, dessen Ausgang ich noch nicht kenne. Genauso wenig wie bei der
Minigurke, die ich ebenfalls zum ersten Mal pflanze.





Es macht mir einfach Freude mich neben meinen anderen
Pflichten diesen Pflanzen zu widmen, sie zu fühlen oder ihren Duft zu riechen.
Und es freut mich, wenn sich Freunde in diesem Garten wohl fühlen.





Vieles mache ich selbst im Garten. Aber manche Arbeiten
kriege ich nicht hin. Hier hole ich mir am liebsten bezahlte Hilfe. Ein
Beispiel ist z. B. der Umgang mit der Heckenschere, an die ich mich bisher noch
nicht getraut habe. Sich Hilfe holen ist keine Schande. Erst recht nicht, wenn
dadurch die Lebensqualität dadurch verbessert wird.

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Published on July 01, 2019 23:01

Eltern beraten Eltern e.V.

EbE steht für: Eltern beraten Eltern von Kinder mit und ohne Behinderung, Krankheit oder Entwicklungsverzögerung. Der Name des Berliner Vereins ist Programm. Die Beratung soll Hilfe zur Selbsthilfe bieten und Eltern mit Anliegen rund um die Thematik die Möglichkeit eröffnen, einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfen zu erhalten.
Weiterhin werden Kontakte zu Selbsthilfegruppen und zu Eltern, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, vermittelt. Auch Beratung zu Behörden und rechtlichen Fragen ist möglich und es gibt sogar eine Bibliothek. Auf der Website werden außerdem regelmäßig Freizeitaktivitäten und Workshops angekündigt.

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Published on July 01, 2019 10:14

EbE e.V.

EbE steht für: Eltern beraten Eltern von Kinder mit und ohne Behinderung, Krankheit oder Entwicklungsverzögerung. Der Name des Berliner Vereins ist Programm. Die Beratung soll Hilfe zur Selbsthilfe bieten und Eltern mit Anliegen rund um die Thematik die Möglichkeit eröffnen, einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfen zu erhalten.
Weiterhin werden Kontakte zu Selbsthilfegruppen und zu Eltern, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, vermittelt. Auch Beratung zu Behörden und rechtlichen Fragen ist möglich und es gibt sogar eine Bibliothek. Auf der Website werden außerdem regelmäßig Freizeitaktivitäten und Workshops angekündigt.

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Published on July 01, 2019 10:14

June 28, 2019

Zu Gast bei Friedemann & Freunde: Der Kampf um Freiheit





Raúl Krauthausen will nicht „an den Rollstuhl gefesselt“ werden. Oder im Zug sitzen bleiben müssen, weil ihn keiner aussteigen lässt. Dafür kämpft der Moderator und Aktivist schon seit Jahren. Warum er trotzdem dagegen ist, Jugendliche zurechtzuweisen, wenn sie ihre Freude als „behindert“ beschimpfen und was ihn stattdessen wirklich wütend macht, erzählt er in dieser Folge von „Friedemann & Freunde“. Außerdem: Was er sich wünschen würde, wenn ihm eine Fee erscheinen würde, wann der Rollstuhl auch mal von Vorteil sein kann und wieso ihm eine erfundene Leidenschaft für Fußball mal ganz schön Ärger eingehandelt hat.

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Published on June 28, 2019 05:38

June 24, 2019

Newsletter: Warum Schauspieler mit Behinderung keine Rollen finden; Alltag gehörloser Menschen; Pride-Parade: „Krüppelbewegung“ akzeptiert auch „Normalgestörte

Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.

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Published on June 24, 2019 23:21

Schubladen in Köpfen öffnen

Immer wieder werde ich damit konfrontiert, dass Menschen mit Beeinträchtigung von der Gesellschaft unterschätzt werden. Häufig nehmen mich die Leute im ersten Gespräch aufgrund meiner körperlichen Einschränkung nicht komplett ernst.
Wenn ich mit selbstgeschriebenen Texten bei Poetry Slams auftrete, kommen nicht selten Zuschauer*Innen in der Pause zu mir und meinen: „Wirklich bewundernswert, dass du dich mit deiner Stottersymptomatik auf die Bühne traust.“
Teilweise kommt es sogar vor, dass Personen aus dem Publikum meinen, ich hätte die Spastik und das Stottern nur gespielt. Erst im Laufe des persönlichen Gesprächs wird ihnen klar, dass ich wirklich beeinträchtigt bin. Dabei bin ich froh, wenn mich diese Menschen ansprechen. Denn nur dann habe ich die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Die meisten, die Vorurteile hegen, haben keine oder nur wenig Erfahrung im Umgang mit beeinträchtigten Menschen. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Das verunsichert sie. In diesen Augenblicken liegt die wahre Beeinträchtigung in den Denkmustern meiner Gesprächspartner*Innen. Aus Angst, etwas Falsches zu sagen, schweigt der Großteil. Aber nur, wenn viele, viele Gespräche zustande kommen, wird sich auf lange Sicht etwas ändern. Heute sehe ich es als meine Pflicht an, sowohl auf als auch neben der Bühne auf dieses gesellschaftlichen Missstand aufmerksam zu machen und Schubladen in den Köpfen der Menschen zu öffnen.
Auf der anderen Seite regen meine Bühnenaktivitäten aber auch Menschen an, selbst aktiv zu werden und an der Verwirklichung Ihrer Ziele zu glauben. Nach dem Motto: „Wenn der Kai das schafft, bekomme ich das auch hin.“ Diese motivierende Wirkung, die mein künstlerisches Schaffen auf Menschen haben kann, macht mich unheimlich stolz.
Nichtsdestotrotz werde ich noch heute, wenn ich mich im Beisein meiner Eltern beim Arzt oder auf einem öffentlichen Amt befinde, aufgrund meiner Beeinträchtigung meistens nicht in Gespräche mit einbezogen. Stattdessen sprechen die Personen häufig über mich in der dritten Person, zu meinen Eltern obwohl sich die Unterhaltung um meine Belange dreht. Diese Situationen verdeutlichen mir jedes Mal aufs Neue, wie viel Arbeit noch vor uns liegt, und wie viele Schubladen in den Köpfen noch geöffnet werden müssen.

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Published on June 24, 2019 23:01

WOHN:SINN e.V.

Menschen mit Unterstützungsbedarf kommen meist in stationären Einrichtungen unter, wo sie mit anderen Menschen mit Unterstützungsbedarf „unter sich“ bleiben und in denen sie in ihrem Alltag häufig fremdbestimmt werden. Da dies alles andere als inklusiv ist, wurde der WOHN:SINN e.V. gegründet.
Die Verbreitung der Idee inklusiver Wohnformen und somit die Verbesserung der Wohnsituation für Menschen mit Behinderung, sind die Ziele des Vereins. Um diese zu erreichen, vernetzen die Mitglieder bundesweit inklusive Wohnformen und ihre Beteiligten, unterstützen die Gründung inklusiver Wohnformen durch Information und Beratung und forschen zum Thema. Auf der Website findet man eine WOHN:BÖRSE, wo Zimmer in inklusiven Wohngemeinschaften angeboten werden, sowie das WOHN:BLOG, in dem regelmäßig zu allen Themen rund um inklusives Wohnen von verschiedenen Autor*innen gebloggt wird.

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Published on June 24, 2019 01:34