Raúl Aguayo-Krauthausen's Blog, page 14
May 14, 2019
Ende der Berührungsängste – Sagen Sie ruhig „behindert“! (n-tv.de)
May 13, 2019
Newsletter: Um Probleme zu lösen, muss man die Lösung nicht kennen; KIMI-Siegel für vielfältige Kinder & Jugendliteratur verliehen; Inklusion ist kein Restebe
Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.
Um Probleme zu lösen, muss man die Lösung nicht kennen; KIMI-Siegel für vielfältige Kinder & Jugendliteratur verliehen; Inklusion ist kein Restebe
Auch heute gibt es wieder von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter.
Wenn die Hilfsmittel versagen
In meinem Alltag spielen der PC und mein Smartphone eine
wichtige Rolle. Alles was sich ein normal sehender Mensch auf einem Blatt
Papier notieren kann, schreibe ich mit Hilfe meiner Elektronik auf. Ebenso
verhält es sich mit Texten, die ich ebenfalls digital lese und bearbeite. Und
solange diese funktionieren, ist das für mich eine große Hilfe und
Lebensqualität.
Vor zehn Tagen habe ich mir mein Office 2013 zerschossen.
Ich konnte nicht mehr nachvollziehen wie ich das gemacht hatte. Fakt war, dass
ich es neu aktivieren musste. Und das möglichst schnell. Denn ich schreibe
meine gesamten Dokumente auf dem PC über Word und verwalte meine E-Mails über
Outlook. Tja, und da ich solche Dinge immer gründlich mache, hatte ich auch den
Lizenzschlüssel so gut versteckt, dass ich ihn selbst nicht mehr finden konnte.
Okay, so dachte ich mir, kaufst Du Dir mal einen Key über EBay, gibst ihn ein,
und schon hast Du wieder eine aktive Lizenz. Gesagt getan. Ich fand einen
Schlüssel, der mir nach Zahlung per E-Mail zugeschickt wurde, gab diesen ein,
und startete die Aktivierung. Daraufhin bekam ich eine Fehlermeldung. So, und
da ich irgendwie nicht damit klar kam, suchte ich mir sehende Hilfe und
versuchte es noch einmal. Nein, ging nicht. Jetzt versuchte ich es mit der
telefonischen Aktivierung, quälte mich durch die Tiefen einer musikalisch
geprägten Warteschleife, und hatte später einen Mitarbeiter von Mikrosoft.
Dieser prüfte den gekauften Schlüssel, und erklärte mir, dass dieser nicht für
Europa zugelassen war. Der Spaß hatte mich viele Stunden gekostet.
Dementsprechend sauer war ich auf den Verkäufer, der mir dann noch erklären
wollte, dass die Mitarbeiter des Support nicht daran interessiert seien mir zu
halfen, sondern mir was zu verkaufen.
Kurz, letztlich konnte ich den Kauf wieder rückgängig machen.
Dasselbe Spiel wiederholte sich zwei Tage später, als ich
noch mal einen Schlüssel kaufte, und sich wieder heraus stellte, dass eben
dieser Schlüssel ausschließlich für den asiatischen Raum gültig sei. Auch hier
diskutierte ich lang und breit mit dem Händler, bis ich mein Geld wieder hatte.
Jetzt schaute ich mir die entsprechenden Händler genauer an, und beschloss
künftig die Finger davon zu lassen. Denn inzwischen hatten wir eine Woche
später. Und während dieser Zeit konnte ich nur mit meinem Smartphone bzw. iPad
arbeiten. Und das während einer terminlichen Großkampfwoche. Ganz oft musste
also Plan B her.
Seit heute, zehn Tage später, funktioniert mein Office Paket
wieder. Und vielleicht braucht es solche Erlebnisse, um die Hilfsmittel, mit
denen man täglich arbeitet, schätzen zu lernen.
May 10, 2019
Vielfalt in Kinder- und Jugendbüchern sichtbar machen!

Verleihung des KIMI-Siegels 2019 für vielfältige Kinder- und Jugendliteratur
Zum ersten Mal wurde am Donnerstag, den 9. Mai 2019 das KIMI-Siegel für Vielfalt in der Kinder- und Jugendliteratur bei einem Festakt in der Werkstatt der Kulturen verliehen.
Aus der Vielzahl an Neuerscheinungen aus dem Jahr 2018 wurden insgesamt 40 Bücher ausgewählt, die Geschichten in vielfältiger, diskriminierungssensibler Weise erzählen bzw. darstellen. Zu den Kategorien gehören das Bilderbuch, das erzählende Kinderbuch und das Jugendbuch.
Alle ausgezeichneten Titel sind auf der KIMI-Siegel-Website zu finden.
„Das KIMI-Siegel ist ein Kompass in schwierigen Zeiten wie diesen. Wir wollen Brücken bauen und ein Bewusstsein dafür wecken, dass Vielfalt im Mainstream ankommen muss.“
Raul Krauthausen
Von guten und schlechten Traditionen
Einrichtungen für Menschen mit Behinderung starteten mit einem Versprechen. Und wurden zu einer klassischen Komponente deutschen Alltags – aber auch unbeweglich und wenig hilfreich. Zeit für neue Ansätze.
Ich bin kein Dauerrevoluzzer, der 24 Stunden am Tag mit wehenden Fahnen durch die Straßen wuselt. Alles neu? Das wäre mir ein Grauen. Denke ich an Traditionen, merke ich: Die sind für mich wichtig. Sie geben Halt und Orientierung. Und meistens existieren sie, weil sie einen Sinn für die Gegenwart ergeben. Ob auch für die Zukunft, sollte man natürlich überprüfen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Ich weiß, welche Bäckerei welches Brot in meinem Kiez bereithält, mag Kartoffeln, wie meine Mutter sie zuzubereiten gelernt hat und halte es für eine überflüssige Tradition, die Tagesschau noch immer im TV zu schauen, aber für keine lästige. Viele Traditionen entstehen aus dem Motiv heraus, Gutes zu schaffen und zu bewahren.
So war es auch mit Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen wie Werkstätten oder Wohnheime. Sie haben sich in Deutschland längst etabliert, 200.000 Menschen, zum Beispiel, arbeiten in den Werkstätten; der Weg dort hinein ist für viele traditionell, ja selbstverständlich. Die Werkstätten scheinen von der Mehrheit der Deutschen auch nicht in Frage gestellt zu werden – man hält sie vielleicht nicht für die Ideallösung, aber für „ganz okay“. Dass die wenigsten Menschen ohne Behinderung ein genaues Bild davon haben, fällt dabei kaum ins Gewicht.
Die Geschichte dieser Einrichtungen ist eine des guten Willens. Sie wollten mit einer furchtbaren Zeit brechen und eine bessere begründen. Um nicht zu vergessen: Vor 80 Jahren war Deutschland lebensgefährlich für Menschen mit Behinderung. Viele wurden erst weggesperrt, dann machten sich die Regierenden gar an ihre massenhafte Ermordung. Nach dem Zweiten Weltkrieg drohte nicht mehr der Tod, aber ein Dasein in Verwahranstalten. Neue Wohnheime und Werkstätten setzten dem ein Ende. Man wollte Menschen mit Behinderung mehr schützen, zunächst setzte sich sogar der Begriff der „Schützenden Werkstätten“ durch. Sie sollten es besser haben und sich auch ein Stück weit ausprobieren, jenseits konventionellen Arbeitsdrucks. Doch diese zur Tradition gezimmerte Sitte wirkt heute unlebendig und für viele, in Zeiten der Inklusion, wenig sinnvoll.
Denn der gute Wille mutierte zu einem Paternalismus, über den ich hier schon viel geschrieben habe. Man entschied über andere, ohne sich genügend zu fragen, ob die nicht besser mitentscheiden: Wo und wie sie leben wollen und können, welche Arbeit am besten ist, in welchem Umfeld, mit welchen Anforderungen und welchem Lohn. Paternalismus beschreibt Menschen mit Behinderung wie zu hätschelnde Teddybären, aber dieses Bild kommt der Wirklichkeit wenig nah. Auch ist die Tradition der Werkstätten derart gewachsen, dass sie sich zu einem sich selbsternährenden System entwickelte, welches Fragen wegdenkt: Ist ein Mensch in einer Werkstatt, kann er nicht die Arbeitslosenstatistik verunzieren. Unternehmen sparen durch Aufträge an Werkstätten Steuern, tun sich also Gutes. Wahrgenommen wird jedoch: Sie tun Gutes, auch wenn sie selbst keine Angestellten mit Behinderung haben (wollen). Neue gesellschaftliche Herausforderungen werden gescheut, alles bleibt in einem Rahmen, den die Mehrheitsgesellschaft selten betrachtet – denn die Leute in den Werkstätten bleiben unter sich. Man tauscht sich mit ihnen nicht aus, kriegt kaum voneinander mit, Scheuklappen auf und weiter lebt die Tradition!
Paternalismus beschreibt Menschen mit Behinderung wie zu hätschelnde Teddybären
Auch viele Wohneinrichtungen prägen diese Isolierung. Es gibt etliche Bemühungen um ein gutes Leben dort: nicht nur reinen Verwaltungscharakter, durchaus Modernität versuchende Konzepte. Doch der Weg in ein Wohnheim scheint normal, bewährt – aus Sicht der Menschen ohne Behinderung. Was aber, wenn jemand nicht nur lieber, sondern auch besser allein wohnt? Wie wird darauf eingegangen? Die Wohnheime sind wie Werkstätten zu Elementen riesiger Sozialkonglomerate geworden, getragen von Sozialverbänden, die vieles wollen, aber sicher nicht ihre eigene Arbeit in Frage stellen.
Genau das sollte indes geschehen. Eigentlich sind wir alle doch schon weiter. Andere Bewegungen, wie die diverser Frauengruppen oder LGBTIQ+, haben mehr für sich erreicht – zum Vorteil der Gesellschaft. Bei Menschen mit Behinderung ist die Erkenntnis vorhanden, wie wohltuend Selbstbestimmung auch für sie ist. Aber angegangen wird sie viel zu wenig. Denn da steht ein weißer Elefant im Raum, der drückt sie weg. Es ist die Beibehaltung all dieser tradionellen Einrichtungen.
Dabei geht es nicht um eine Revolution! Nicht darum, Betroffenen, die in diesen Einrichtungen aktuell zufrieden sind, alles wegzunehmen. Ein Bewohner mag sein Heim vielleicht besonders? Soll er darin leben. Ohne Stress in einer Werkstatt mit guten Kolleg*innen Warndreiecke für einen Automobilkonzern verpacken gefällt einer Mitarbeitenden ungemein? Sollte sie machen können. Aber für viele andere Menschen mit Behinderung ist so viel mehr machbar. Denken wir vielfältiger, an die Möglichkeiten, an Neues – dann bleibt eine Tradition sinnvoll, weil elastisch und zukunftsgewandt.
Dieser Artikel ist unter der Kolumne
"Krauthausen konsequent" auf sagwas.net zuerst erschienen.
May 6, 2019
Grenzen überwinden: Zur Europawahl aus Sicht behinderter Menschen
Eine Behinderung setzt den Betroffenen und ihrem Umfeld Grenzen. Die Europäische Union (EU) steht für die Überwindung von Grenzen. Bei durchaus berechtigter Kritik an politschen Entscheidungen der EU ist sie selber gerade auch für Menschen mit Behinderungen wichtig.
Wer alt genug ist, sich an die Zeit vor dem Inkrafttreten des Schengener Abkommens zu erinnern, deem fallen sofort langwierige und unangenehme Grenzkontrollen ein. Mal waren sie locker und oberflächlich oder bestanden in einem freundlichen Durchwinken, vereinzelt waren sie aber auch übergründlich und anstrengend oder gar erniedrigend. Gerade für Menschen mit neurologischen Erkrankungen, die sich vor Stress schützen müssen, ist das Europa der offenen Grenzen ein gigantischer Gewinn an gesunder Freizügigkeit.
Die gemeinsame Währung hat vor Allem Blinden vieles erleichtert. Fremdes Geld ist immer eine Herausforderung, die nicht ohne Aufregung und Furcht vor Fehlern zu bewältigen ist. Der Euro ist – wie sehr viele andere Errungenschaften – aber nicht nur eine Erleichterung für Sehbehinderte und Blinde.
Übergreifende Regelungen der EU zugunsten barrierefeier Zugänge zu Informationen und Bauten sind ebenso ein Gewinn für behinderte Menschen wie das Diskriminierungsverbot Die Bindung privater Unternehmen an solche Regeln ist eine vorrangige Aufgabe künftiger EU-Politik. Wünschenswert wäre auch ein europaweiter Schwerbehindertenausweis mit einheitlichen Regeln zur Freifahrt in Verkehrsmitteln und der unentgeltlichen Mitnahme von Begleitpersonen.
Nicht zuletzt ist aber auch die steigende Fremdenfeindlichkeit und damit einhergehende Behindertenfeindlichkeit ein wichtiger Grund, für eine zukunftsorientierte EU einzutreten. Wählen bei der Europawahl am 26. Mai ist nicht nur im eigenen Interesse behinderter Menschen für ihre individuellen Lebensbedingungen im Alltag, sondern auch für ein Umfeld von Frieden, Völkerverständigung, Vielfalt und Toleranz.
Newsletter: Inklusion in der US-Film- und Werbebranche; #DieKinderDerUtopie; Warum wir für Inklusion kämpfen müssen; Sex und Behinderung
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April 29, 2019
Die Kündigung
Ich habe es getan: Ich habe meinen unbefristeten, okay bezahlten Job gekündigt. Ein Job der mir Spaß machte, der mir sehr sinnvoll erschien, bei dem ich viel lernte, der mich mal herausforderte und mal langweilte und bei dem ich ein sehr nettes, wertschätzendes Team hatte. Ich habe gekündigt, weil ich das Gefühl hatte, da muss jetzt etwas Neues kommen und sich die Gelegenheit bot. Mein Master-Studium ist nun ein Jahr zu Ende. Ich möchte die Karriereleiter weiter erklimmen und die Welt ein kleines bisschen verändern und inklusiver gestalten.
In der Nacht bevor ich offiziell kündigte, kamen die Zweifel. In mir rumorte alles. Tue ich das Richtige? Ich fange einen neuen Job an, der befristet ist und begebe mich damit in Unsicherheit. Was wird danach sein? Finde ich etwas Neues? Fragen die sich vermutlich jede*r in einer ähnlichen Situation stellt.
Doch gleichzeitig merkte ich, irgendwas ist anders. Einige Tage später saß ich mit einer Freundin in einer Bar. Die Kündigung war ausgesprochen. Ängste hatte ich immer noch, obwohl sich alles gut und richtig anfühlte. Ich erzählte ihr davon. Doch bevor ich zu Ende erzählte, meinte sie nur: „Wie geil ist, dass denn bitte? Das ist Inklusion!“ Und plötzlich merkte ich, wie privilegiert ich eigentlich mit dieser Situation bin.
Denn für Menschen mit Behinderungen ist es gar nicht normal den festen Job zu kündigen. Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist auch heute – zehn Jahre nach der Ratifizierung der UN-BRK – keine Selbstverständlichkeit. Viele Menschen mit Behinderungen lernen und arbeiten in speziellen Einrichtungen, einem Berufsbildungswerk oder einer Werkstatt für behinderte Menschen. Die Arbeitslosenquote von behinderten Menschen ist immer noch doppelt so hoch, wie die von nicht behinderten Menschen. Die, die es dennoch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen, arbeiten häufig unter prekären Arbeitsbedingungen. Selbst Akademiker*innen mit Behinderungen sind häufiger auf der Suche nach einem Job, als ihre Mitstudierenden.
Ich habe also das Glück, mir gerade den Job auszusuchen, den ich machen möchte. Doch Inklusion wäre, wenn alle Menschen mit Behinderungen diese Möglichkeit hätten.
Newsletter: Warum nichtbehinderte Kinder eine inklusive Schule besuchen; Warum Heilerziehungspfleger umbenannt werden; Gab es vor 2008 schon behinderte Menschen?
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