Albrecht Behmel's Blog: über Bücher, Filme und Publikationen, page 12
March 3, 2013
Brechts öde Erben
Die Tradition des Brecht'schen Theaters und der Deutsche Film - warum's einfach nicht klappt...
Das moderne deutsche Theater ist zutiefst von den Ideen Bertolt Brechts geprägt - auch fast sechzig Jahre nach seinem Tod (also Brechts, nicht des Theaters).
Und über das Theater hat dieser Einfluss auch den Film erreicht... das Problem ist nur: Dort, auf der Leinwand, funktionieren seine Ideen leider nicht. Besser gesagt, sie funktionieren schon, nur berauben sie das Medium Film dabei aller seiner genuinen Stärken und Potenziale.
Brecht selber hielt sich ja bekanntlich von der deutschen Filmbranche eher fern - erstaunlicherweise, da er in den Jahren vor seinem Exil mitten in einer der lebendigsten Film-Metropolen der Welt saß,
in Berlin - das war in einem vergangenen Jahrtausend. Erst im Exil in Kalifornien gab es dann einige Berührungen mit Hollywood. Nur, was genau forderte Brecht von einem "modernen Theaterstück" eigentlich?
In den Anmerkungen zu Mahagonny findet sich eine Liste mit Kriterien, wie das Brecht'sche Theater funktionieren solle. Episches Theater. In meinen Augen liest sich diese Liste wie ein Katalog all dessen, was mit dem deutschen Film im Argen liegt, bzw. das Gegenteil dessen, was einen kommerziell erfolgreichen Blockbuster ausmacht.
Das Stück soll erzählend sein, nicht handelnd;den Zuschauer soll es dabei zum Betrachter machen ohne ihn emotional zu involvieren;das Weltbild des Zuschauers wird damit in Frage gestellt; die Geschichte soll an die Vernunft gerichtet sein, nicht an Gefühle der Zuschauer soll studieren, nicht erleben;Nicht das Ende soll interessieren, sondern der Verlauf;Sprünge sollen anstelle von evolutionärem Aufbau der Handlung stehen;Das gesellschaftliche Sein bestimme das Bewusstsein, nicht andersherum Ich bin der Ansicht, dass es genau diese immer noch lebendigen Ideen oder sogar Ideale sind, die den deutschen Film so langweilig und gefühlsarm werden ließen. Sie sind über die Ausbildung von Schauspielern und Regisseuren am Theater zum Film gekommen und aus den germanistischen Seminaren mittels Kritikern und Redakteuren ins Feuilleton und von dort aus in die Produktionshäuser, die Jurys und die Kommissionen. Ein epischer Einfluss, sozusagen.
Ist das die späte Rache des SED-Kommunisten und freiwilligen Stalin-Untertanen Brecht am Glamour von Hollywood, wo er anders als seine Komponisten auf nur relativ wenig Interesse stieß? Ist es Rache, oder haben wir, tja, in der Filmbranche in Deutschland auch mit diesem Erbe nur einfach wiedermal Pech gehabt?

Und über das Theater hat dieser Einfluss auch den Film erreicht... das Problem ist nur: Dort, auf der Leinwand, funktionieren seine Ideen leider nicht. Besser gesagt, sie funktionieren schon, nur berauben sie das Medium Film dabei aller seiner genuinen Stärken und Potenziale.
Brecht selber hielt sich ja bekanntlich von der deutschen Filmbranche eher fern - erstaunlicherweise, da er in den Jahren vor seinem Exil mitten in einer der lebendigsten Film-Metropolen der Welt saß,
in Berlin - das war in einem vergangenen Jahrtausend. Erst im Exil in Kalifornien gab es dann einige Berührungen mit Hollywood. Nur, was genau forderte Brecht von einem "modernen Theaterstück" eigentlich?
In den Anmerkungen zu Mahagonny findet sich eine Liste mit Kriterien, wie das Brecht'sche Theater funktionieren solle. Episches Theater. In meinen Augen liest sich diese Liste wie ein Katalog all dessen, was mit dem deutschen Film im Argen liegt, bzw. das Gegenteil dessen, was einen kommerziell erfolgreichen Blockbuster ausmacht.
Das Stück soll erzählend sein, nicht handelnd;den Zuschauer soll es dabei zum Betrachter machen ohne ihn emotional zu involvieren;das Weltbild des Zuschauers wird damit in Frage gestellt; die Geschichte soll an die Vernunft gerichtet sein, nicht an Gefühle der Zuschauer soll studieren, nicht erleben;Nicht das Ende soll interessieren, sondern der Verlauf;Sprünge sollen anstelle von evolutionärem Aufbau der Handlung stehen;Das gesellschaftliche Sein bestimme das Bewusstsein, nicht andersherum Ich bin der Ansicht, dass es genau diese immer noch lebendigen Ideen oder sogar Ideale sind, die den deutschen Film so langweilig und gefühlsarm werden ließen. Sie sind über die Ausbildung von Schauspielern und Regisseuren am Theater zum Film gekommen und aus den germanistischen Seminaren mittels Kritikern und Redakteuren ins Feuilleton und von dort aus in die Produktionshäuser, die Jurys und die Kommissionen. Ein epischer Einfluss, sozusagen.
Ist das die späte Rache des SED-Kommunisten und freiwilligen Stalin-Untertanen Brecht am Glamour von Hollywood, wo er anders als seine Komponisten auf nur relativ wenig Interesse stieß? Ist es Rache, oder haben wir, tja, in der Filmbranche in Deutschland auch mit diesem Erbe nur einfach wiedermal Pech gehabt?
Published on March 03, 2013 15:19
February 28, 2013
FB und Wikipedia: Kätzchen versus Netze
Was man auch recherchiert, Ergebnisse aus der Wikipedia stehen fast immer ganz weit oben - vor allem bei Google. Ist Wikipedia das wahre Social Network?
Ein Gerücht besagt ja, dass Google eine besondere "Zuneigung" zu dem Projekt Wikipedia habe und hin und wieder ein wenig nachhelfe, doch es gibt auch technische Gründe dafür, dass die Einträge stets so dominant erscheinen: Geht es also wirklich mit algorithmisch rechten Dingen zu? Kann sein! Und die Gründe wären ganz simpel:
Da ist zunächst einmal die enorme Zahl von denkbaren Suchbegriffen pro Artikel und die sehr starke Verlinkung der Artikel untereinander - also innerhalb der Wikipedia selbst. Dazu kommt die Tatsache, dass Wikipedia in den allermeisten Fällen (inzwischen) hervorragenden und ausführlichen Content bietet, der sich um genau den Suchbegriff rankt, den die Suchmaschine präsentiert. Und dieser Content wird ständig erweitert und vertieft. Auch die Kultur der Quellenangaben wird immer besser, wenn auch die deutsche Wikipedia hierbei der englischen hinterher hinkt.
Wikipedia hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt, nicht nur, was die Umgangsformen der Wikipedianer untereinander betrifft (Indikatoren für die zunehmende Relevanz der Organisation sind u.a. die wiederholten Aufrufe zu Spenden), sondern auch, was die Fülle, das Tempo und die Qualität der Beiträge angeht. Insbesondere im Hinblick auf den Knowledge Graph bei Google, das ist der Kasten mit Ergebnissen rechts, der manchmal erscheint, wird dies deutlich: Google, und dort meint man es ernst, bezieht eine Menge Informationen direkt von Wikipedia.
Facebook auf der anderen Seite, eine Plattform zur Selbstdarstellung, die die eigene Person in den Vordergrund rücken lässt unabhängig davon, welchen enzyklopädischen Wert sie hat, bleibt zurück. Bei Wikipedia indessen steht die Person des Uploaders im Hintergrund, Pseudonyme sind die Regel und es gibt ein gemeinsames Ziel, nämlich die Erstellung eines möglichst guten Artikels. Das macht Wikipedia im Gegensatz zu Facebook so wertvoll - nicht nur für Google, und das wird Facebook kurz über lang zu schaffen machen.
In einem früheren Beitrag hatte ich von meinen eigenen Erfahrungen mit Wikipedia berichtet, und innerhalb kürzester Zeit war der fragliche Fehler korrigiert und dokumentiert; es bleibt abzuwarten: Wann werden wir die Geschichte von Wikipedia im Kino sehen?

Da ist zunächst einmal die enorme Zahl von denkbaren Suchbegriffen pro Artikel und die sehr starke Verlinkung der Artikel untereinander - also innerhalb der Wikipedia selbst. Dazu kommt die Tatsache, dass Wikipedia in den allermeisten Fällen (inzwischen) hervorragenden und ausführlichen Content bietet, der sich um genau den Suchbegriff rankt, den die Suchmaschine präsentiert. Und dieser Content wird ständig erweitert und vertieft. Auch die Kultur der Quellenangaben wird immer besser, wenn auch die deutsche Wikipedia hierbei der englischen hinterher hinkt.

Wikipedia hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt, nicht nur, was die Umgangsformen der Wikipedianer untereinander betrifft (Indikatoren für die zunehmende Relevanz der Organisation sind u.a. die wiederholten Aufrufe zu Spenden), sondern auch, was die Fülle, das Tempo und die Qualität der Beiträge angeht. Insbesondere im Hinblick auf den Knowledge Graph bei Google, das ist der Kasten mit Ergebnissen rechts, der manchmal erscheint, wird dies deutlich: Google, und dort meint man es ernst, bezieht eine Menge Informationen direkt von Wikipedia.
Facebook auf der anderen Seite, eine Plattform zur Selbstdarstellung, die die eigene Person in den Vordergrund rücken lässt unabhängig davon, welchen enzyklopädischen Wert sie hat, bleibt zurück. Bei Wikipedia indessen steht die Person des Uploaders im Hintergrund, Pseudonyme sind die Regel und es gibt ein gemeinsames Ziel, nämlich die Erstellung eines möglichst guten Artikels. Das macht Wikipedia im Gegensatz zu Facebook so wertvoll - nicht nur für Google, und das wird Facebook kurz über lang zu schaffen machen.
In einem früheren Beitrag hatte ich von meinen eigenen Erfahrungen mit Wikipedia berichtet, und innerhalb kürzester Zeit war der fragliche Fehler korrigiert und dokumentiert; es bleibt abzuwarten: Wann werden wir die Geschichte von Wikipedia im Kino sehen?
Published on February 28, 2013 15:30
February 25, 2013
Der Deutsche Film oder: Walking with Zombies
Umfrage-Ergebnis: "Deutsches Kino" - wie man einen richtig teutonischen Film macht...
Wenn man einen "echt deutschen Film" produzieren will, muss man laut meiner letzten Umfrage folgendermaßen vorgehen.
(befragt wurden 19 nicht sonderlich repräsentable Filmschaffende im Post-Berlinale Trauma)
Im Grunde ist es ganz einfach, und das ist schon mal die Hälfte der Tragödie...
1.) Man nimmt ein beliebiges Drehbuch und entfernt alle Szenen mit Action, Komik, Sinnlichkeit, Natur, Esprit, Erotik bzw. Lebensfreude. Statt dessen werden ausführliche und pädagogisch raffinierte Dialoge und Monologe im Stil von Heinrich Böll eingefügt, in denen erklärt wird, was vor Beginn der Handlung vermutlich geschehen sei.
2.) Dieses Drehbuch wird noch zweimal von zwei überforderten Praktikanten überarbeitet und am letztmöglichen Termin bei der Filmförderung eingereicht. Möglichst alle Bedenken von Sendern, Verwandten, Passanten, Förderern und Verleihern müssen berücksichtigt und von den Praktikanten in das Drehbuch eingearbeitet werden.
3.) Alle Rollen werden kostengünstig mit unvermittelbaren Theaterschauspielern, Verwandten oder mit einem Klon von Til Schweiger besetzt. Außer Veronica Ferres sollte kein Darsteller sowohl talentiert als auch attraktiv sein, sondern maximal eins von beidem. Besser noch keins von beidem.
4.) Locations dürfen keinen Wiedererkennungswert haben und Landschaftsaufnahmen haben allein den Zweck, die Sinnlosigkeit des Daseins auszudrücken. Es ist erlaubt, längere Einstellungen von Plattenbauten durch noch längere Einstellungen von anderen Plattenbauten stilistisch aufzulockern.
5.) Jegliche dramatisch wichtige Handlung, wie zum Beispiel Händewaschen oder Geschirrspülen ist stets in Echtzeit und in voller Länge zu zeigen. Ausnahme: Mario Adorf spült. In diesem Fall ist Marios Bart in Echtzeit und voller Länge zu zeigen.
6.) Jede wichtige Figur muss mindestens einmal einen gänzlich unvermittelten Wutanfall oder Heulkrampf erleiden, um den Geist Klaus Kinskis in der Unterwelt nicht zu verstimmen. Es gilt die Regel: Je unbegabter der Darsteller, desto lauter das Gebrüll oder Geheul. Jegliche Musik sollte leise und in einer zuverlässig risikofreien moll-Tonart sein.
7.) Es muss möglichst viel lausiger ("kantiger") O-Ton eingesetzt werden, um die Atmosphäre der Locations (siehe Punkt 4) einzufangen und den Gehalt der Dialoge auf einer sozialkritischen Ebene zu betonen. Es ist streng darauf zu achten, dass Dialoge tatsächliche Sprachgepflogenheiten auf keinen Fall widerspiegeln. Fremde Akzente oder Dialekte dürfen nie mit Muttersprachlern besetzt werden. Denn Nachahmung ist das eigentliche Original.
8.) Bei Spezialeffekten ist anzustreben, dass sie bei herzschwachen Rentnern und sensiblen Kleinkindern höchstens mitleidiges Lächeln hervorrufen. Das gleiche gilt für alle Szenen, die fahrende Autos zeigen, auf denen nicht Mathis Landwehr steht. Aus dem Kino-Plakat darf das Genre nicht hervorgehen.
9.) Der Spannungs-Bogen muss genau wie von Brecht gefordert, möglichst flach gehalten werden, um jegliche emotionale Erregung zu vermeiden, die das kritische Urteilsvermögen der beiden Zuschauer beeinträchtigen könnte.
10.) Die beiden Zuschauer sollten das Kino mit einem intellektuell fundierten schlechtem Gewissen bzw. unbestimmbaren aber bundesrepublikanisch gefärbten Schuldgefühlen verlassen. Dieser Effekt wird am besten durch homöopathisch überdosierte Anspielungen auf die deutsche Geschichte erzielt.
Lesen Sie demnächst hier: "Wie man sich als richtig deutscher Zuschauer verhält..." (Auswertung der Umfrage unter den beiden Zuschauern.)

Wenn man einen "echt deutschen Film" produzieren will, muss man laut meiner letzten Umfrage folgendermaßen vorgehen.
(befragt wurden 19 nicht sonderlich repräsentable Filmschaffende im Post-Berlinale Trauma)
Im Grunde ist es ganz einfach, und das ist schon mal die Hälfte der Tragödie...
1.) Man nimmt ein beliebiges Drehbuch und entfernt alle Szenen mit Action, Komik, Sinnlichkeit, Natur, Esprit, Erotik bzw. Lebensfreude. Statt dessen werden ausführliche und pädagogisch raffinierte Dialoge und Monologe im Stil von Heinrich Böll eingefügt, in denen erklärt wird, was vor Beginn der Handlung vermutlich geschehen sei.
2.) Dieses Drehbuch wird noch zweimal von zwei überforderten Praktikanten überarbeitet und am letztmöglichen Termin bei der Filmförderung eingereicht. Möglichst alle Bedenken von Sendern, Verwandten, Passanten, Förderern und Verleihern müssen berücksichtigt und von den Praktikanten in das Drehbuch eingearbeitet werden.
3.) Alle Rollen werden kostengünstig mit unvermittelbaren Theaterschauspielern, Verwandten oder mit einem Klon von Til Schweiger besetzt. Außer Veronica Ferres sollte kein Darsteller sowohl talentiert als auch attraktiv sein, sondern maximal eins von beidem. Besser noch keins von beidem.
4.) Locations dürfen keinen Wiedererkennungswert haben und Landschaftsaufnahmen haben allein den Zweck, die Sinnlosigkeit des Daseins auszudrücken. Es ist erlaubt, längere Einstellungen von Plattenbauten durch noch längere Einstellungen von anderen Plattenbauten stilistisch aufzulockern.
5.) Jegliche dramatisch wichtige Handlung, wie zum Beispiel Händewaschen oder Geschirrspülen ist stets in Echtzeit und in voller Länge zu zeigen. Ausnahme: Mario Adorf spült. In diesem Fall ist Marios Bart in Echtzeit und voller Länge zu zeigen.
6.) Jede wichtige Figur muss mindestens einmal einen gänzlich unvermittelten Wutanfall oder Heulkrampf erleiden, um den Geist Klaus Kinskis in der Unterwelt nicht zu verstimmen. Es gilt die Regel: Je unbegabter der Darsteller, desto lauter das Gebrüll oder Geheul. Jegliche Musik sollte leise und in einer zuverlässig risikofreien moll-Tonart sein.
7.) Es muss möglichst viel lausiger ("kantiger") O-Ton eingesetzt werden, um die Atmosphäre der Locations (siehe Punkt 4) einzufangen und den Gehalt der Dialoge auf einer sozialkritischen Ebene zu betonen. Es ist streng darauf zu achten, dass Dialoge tatsächliche Sprachgepflogenheiten auf keinen Fall widerspiegeln. Fremde Akzente oder Dialekte dürfen nie mit Muttersprachlern besetzt werden. Denn Nachahmung ist das eigentliche Original.
8.) Bei Spezialeffekten ist anzustreben, dass sie bei herzschwachen Rentnern und sensiblen Kleinkindern höchstens mitleidiges Lächeln hervorrufen. Das gleiche gilt für alle Szenen, die fahrende Autos zeigen, auf denen nicht Mathis Landwehr steht. Aus dem Kino-Plakat darf das Genre nicht hervorgehen.
9.) Der Spannungs-Bogen muss genau wie von Brecht gefordert, möglichst flach gehalten werden, um jegliche emotionale Erregung zu vermeiden, die das kritische Urteilsvermögen der beiden Zuschauer beeinträchtigen könnte.
10.) Die beiden Zuschauer sollten das Kino mit einem intellektuell fundierten schlechtem Gewissen bzw. unbestimmbaren aber bundesrepublikanisch gefärbten Schuldgefühlen verlassen. Dieser Effekt wird am besten durch homöopathisch überdosierte Anspielungen auf die deutsche Geschichte erzielt.
Lesen Sie demnächst hier: "Wie man sich als richtig deutscher Zuschauer verhält..." (Auswertung der Umfrage unter den beiden Zuschauern.)
Published on February 25, 2013 12:22
February 20, 2013
Entwicklungsland "Filmbranche"
Die deutsche Filmbranche als Entwicklungsland.
Zwischen 2008 und 2012 habe ich einen Club für Profis aus der Filmbranche in Berlin geführt, Filmforum, mit einigen Hundert Mitgliedern und einer Reihe von Events zum Beispiel in der Homebase Lounge, im Adagio, im Soho House und der Kulturbrauerei. Deswegen hatte ich gute Einblicke in verschiedene Berufe dieser "Industrie", wie sie sich selbst gerne nennt - Produzenten, Autoren, Techniker, Schauspieler, Komponisten, Designer, Verleiher... Und sie hatten alle sehr ähnliche Probleme.
Interessanterweise sind dies die gleichen Schwierigkeiten, mit denen Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt zu kämpfen haben.
Dambisa Moyo beschreibt in ihrem Buch "Dead Aid" einige dieser Punkte, die genauso die Zustände in der deutschen Filmbranche beschreiben könnten:
- Entwicklungshilfen und Zuschüsse
Subventionen und Förderpolitik schaffen eine Art gelähmte Bittsteller- und Antragskultur, die nicht wettbewerbsfähig ist.
- Mangelnde Transparenz
Die Hilfsmaßnahmen werden nicht bestmöglich transparent gemacht. Hilfen kommen an - oder auch nicht. Die Vergabekriterien sind unnötig kompliziert und die Gelder gehen meist an die "Üblichen Verdächtigen".
- Braindrain und Selbstausbeutung
Daher verlassen viele Talente das Land oder die Branche und gehen dorthin, wo das Geld tatsächlich herkommt. Lukrative Projekte werden im Ausland realisiert. Kapital wandert ab.
- Niedriges Pro-Kopf-Einkommen
Eine große Zahl der Einwohner ist unterbezahlt oder arbeitslos. Wenn nur geringe Aussicht auf Verbesserung besteht, verstärkt dies das Phänomen Brain-Drain. Es herrscht "Durchhalte-Mentalität" und ein Hang zu Illusionen bei den Übrigen.
- Schlechte Ausbildungskultur
Geringe Verdienstmöglichkeiten bringen es mit sich, dass die Professionalisierung der Berufe im internationalen Vergleich zu langsam voranschreitet. Ökonomische Allgemeinbildung ist auf einem niedrigen Stand, was zu ruinösen Projekten führt ("Berliner Projekte", wie Patrick Jacobshagen sie nennt).
- Barter anstatt Cash
Deals qua Gefälligkeit, Barter-Geschäftte, Bezahlung mit Naturalien oder Gegenleistungen, oder auf Rückstellung sind verbreitet, daher bleiben selbst engagierte Unternehmen umsatzschwach und können keine eigenen Budgets aufbauen.
- Fehlender Mittelstand
Ein gesunder Mittelstand, dessen Unternehmen sich nicht von Projekt zu Projekt hangeln müssen um zu überleben, fehlt weitgehend. Die Zahl von verschuldeten Einzelkämpfern und wirtschaftlich schwachen Kleinstunternehmen ist hoch.
- Trampelpfade
Dies führt dazu, dass Unternehmen keine Chance haben, innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Trotz einzelner, ständig erwähnter Erfolgsgeschichten bleibt die durchschnittliche Qualität der heimischen Produkte hinter dem globalen Wettbewerb zurück.
... klingt bekannt, oder?
Zwischen 2008 und 2012 habe ich einen Club für Profis aus der Filmbranche in Berlin geführt, Filmforum, mit einigen Hundert Mitgliedern und einer Reihe von Events zum Beispiel in der Homebase Lounge, im Adagio, im Soho House und der Kulturbrauerei. Deswegen hatte ich gute Einblicke in verschiedene Berufe dieser "Industrie", wie sie sich selbst gerne nennt - Produzenten, Autoren, Techniker, Schauspieler, Komponisten, Designer, Verleiher... Und sie hatten alle sehr ähnliche Probleme.

Dambisa Moyo beschreibt in ihrem Buch "Dead Aid" einige dieser Punkte, die genauso die Zustände in der deutschen Filmbranche beschreiben könnten:
- Entwicklungshilfen und Zuschüsse
Subventionen und Förderpolitik schaffen eine Art gelähmte Bittsteller- und Antragskultur, die nicht wettbewerbsfähig ist.
- Mangelnde Transparenz
Die Hilfsmaßnahmen werden nicht bestmöglich transparent gemacht. Hilfen kommen an - oder auch nicht. Die Vergabekriterien sind unnötig kompliziert und die Gelder gehen meist an die "Üblichen Verdächtigen".
- Braindrain und Selbstausbeutung
Daher verlassen viele Talente das Land oder die Branche und gehen dorthin, wo das Geld tatsächlich herkommt. Lukrative Projekte werden im Ausland realisiert. Kapital wandert ab.
- Niedriges Pro-Kopf-Einkommen
Eine große Zahl der Einwohner ist unterbezahlt oder arbeitslos. Wenn nur geringe Aussicht auf Verbesserung besteht, verstärkt dies das Phänomen Brain-Drain. Es herrscht "Durchhalte-Mentalität" und ein Hang zu Illusionen bei den Übrigen.
- Schlechte Ausbildungskultur
Geringe Verdienstmöglichkeiten bringen es mit sich, dass die Professionalisierung der Berufe im internationalen Vergleich zu langsam voranschreitet. Ökonomische Allgemeinbildung ist auf einem niedrigen Stand, was zu ruinösen Projekten führt ("Berliner Projekte", wie Patrick Jacobshagen sie nennt).
- Barter anstatt Cash
Deals qua Gefälligkeit, Barter-Geschäftte, Bezahlung mit Naturalien oder Gegenleistungen, oder auf Rückstellung sind verbreitet, daher bleiben selbst engagierte Unternehmen umsatzschwach und können keine eigenen Budgets aufbauen.
- Fehlender Mittelstand
Ein gesunder Mittelstand, dessen Unternehmen sich nicht von Projekt zu Projekt hangeln müssen um zu überleben, fehlt weitgehend. Die Zahl von verschuldeten Einzelkämpfern und wirtschaftlich schwachen Kleinstunternehmen ist hoch.
- Trampelpfade
Dies führt dazu, dass Unternehmen keine Chance haben, innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Trotz einzelner, ständig erwähnter Erfolgsgeschichten bleibt die durchschnittliche Qualität der heimischen Produkte hinter dem globalen Wettbewerb zurück.
... klingt bekannt, oder?
Published on February 20, 2013 20:31
February 17, 2013
Prinzessin Diana und die GEZ
Wo warst du, als die Twin Towers einstürzten; wo warst du, als Prinzessin Diana beerdigt wurde? Es gibt Momente - über die weiß man so was.
Am 6. September 1997 saß ich in meiner Küche in Berlin, Prenzlauer Berg, und habe das Begräbnis angeschaut. Als die Zeremonie zuende war, ging der Fernseher kaputt: "Plopp!" und das war's. Basta. Seitdem habe ich keinen Fernseher mehr. Statt dessen habe ich angefangen, Bücher zu schreiben und Sachen zu erfinden. Das war ein Neuanfang, zwar nicht für Diana, aber immerhin für mich.
Und mit jedem Jahr entferne ich mich mehr von der Welt des Rundfunks, auch des ÖR. Klar, im Gym oder in Hotels schaue ich mal rein: BBC, CNN und Aljazeera... alles andere interessiert mich nicht mehr wesentlich. Nein, auch nicht der Tatort. Man sagt, dass Fernsehkonsum die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtige - bei mir ist es auch so: kaum sitze ich davor, verliere ich die Lust, mich darauf zu konzentrieren. Lieber schreibe ich ein neues Buch.
Ich bin ganz sicher, dass die Zahl der Patente, Geschmacksmuster, Unternehmensgründungen oder die Zahl der künstlerischen Werke signifikant nach oben gehen würden, wenn aus welchen Gründen auch immer, für eine Woche im Jahr kein TV ausgestrahlt würde: Der öffentliche Rundfunk frisst in mehr als einer Hinsicht Ressourcen.
Deswegen bin ich ein Gegner der ARD, der GEZ und sämtlicher Zwangsgebühren und Zuschüsse für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
Zugegeben: Ich profitiere auch von der ARD, indem ich jedes Jahr Honorare für Skripte bekomme, die irgend wann einmal realisiert und erneut ausgestrahlt wurden. Viel mehr als ich jetzt bezahlen muss. Aber das Prinzip stimmt nicht.
Mit der neuen Regelung muss ich ein System unterstützen, das mit meinem Leben nichts zu tun hat, und das, wenn ich mich ihm aussetzen würde, meinen Beruf beeinträchtigen würde, genau wie ein Giftstoff oder eine Behinderung. Meine Arbeitsunfähigkeitsversicherung trägt die GEZ-Gebühren übrigens nicht. Ich habe gefragt.
Es gibt eine umfassende Filmförderung in Deutschland, Sender erhalten gigantische Werbeeinnahmen und dazu noch die GEZ-Steuer - und genau wie in jeder anderen subventionsverseuchten Branche sind die Ergebnisse dürftig, und werden nicht besser, wenn die Zuschüsse erhöht werden, noch dazu ohne irgendeine Auflagen für die Sender die Qualität ihrer Produkte zu verbessern.
Ich wäre bereit, für eine App zu bezahlen oder für Sendungen und Filme on-demand, so wie überall auch: Gute Leistung fair entlohnen. Die neue Gebühr aber ist so, als müssten Nichtraucher eine Tabaksteuer-Flatrate bezahlen, weil es Raucher gibt. Deswegen freue ich mich schon auf das Urteil, das diese unsägliche Pauschal-Steuer kippt, und die verlogene Pressekonferenz, die drauf folgen wird.

Und mit jedem Jahr entferne ich mich mehr von der Welt des Rundfunks, auch des ÖR. Klar, im Gym oder in Hotels schaue ich mal rein: BBC, CNN und Aljazeera... alles andere interessiert mich nicht mehr wesentlich. Nein, auch nicht der Tatort. Man sagt, dass Fernsehkonsum die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtige - bei mir ist es auch so: kaum sitze ich davor, verliere ich die Lust, mich darauf zu konzentrieren. Lieber schreibe ich ein neues Buch.
Ich bin ganz sicher, dass die Zahl der Patente, Geschmacksmuster, Unternehmensgründungen oder die Zahl der künstlerischen Werke signifikant nach oben gehen würden, wenn aus welchen Gründen auch immer, für eine Woche im Jahr kein TV ausgestrahlt würde: Der öffentliche Rundfunk frisst in mehr als einer Hinsicht Ressourcen.

Zugegeben: Ich profitiere auch von der ARD, indem ich jedes Jahr Honorare für Skripte bekomme, die irgend wann einmal realisiert und erneut ausgestrahlt wurden. Viel mehr als ich jetzt bezahlen muss. Aber das Prinzip stimmt nicht.
Mit der neuen Regelung muss ich ein System unterstützen, das mit meinem Leben nichts zu tun hat, und das, wenn ich mich ihm aussetzen würde, meinen Beruf beeinträchtigen würde, genau wie ein Giftstoff oder eine Behinderung. Meine Arbeitsunfähigkeitsversicherung trägt die GEZ-Gebühren übrigens nicht. Ich habe gefragt.
Es gibt eine umfassende Filmförderung in Deutschland, Sender erhalten gigantische Werbeeinnahmen und dazu noch die GEZ-Steuer - und genau wie in jeder anderen subventionsverseuchten Branche sind die Ergebnisse dürftig, und werden nicht besser, wenn die Zuschüsse erhöht werden, noch dazu ohne irgendeine Auflagen für die Sender die Qualität ihrer Produkte zu verbessern.
Ich wäre bereit, für eine App zu bezahlen oder für Sendungen und Filme on-demand, so wie überall auch: Gute Leistung fair entlohnen. Die neue Gebühr aber ist so, als müssten Nichtraucher eine Tabaksteuer-Flatrate bezahlen, weil es Raucher gibt. Deswegen freue ich mich schon auf das Urteil, das diese unsägliche Pauschal-Steuer kippt, und die verlogene Pressekonferenz, die drauf folgen wird.
Published on February 17, 2013 18:00
February 13, 2013
Als Lucky Luke Nichtraucher wurde

Es gibt vermutlich kein Werk der Weltliteratur, das nicht von wohlmeinenden Lektoren, Erben, Herausgebern und Literaturwissenschaftlern mit der Zeit etwas "verbessert" worden ist.
Das ist ein normaler Vorgang, vor allem, wenn der Urheber des Werkes nicht mehr lebt, wie im Fall der Bibel: Moses und Gott sind bekanntlich ebenso tot wie Friedrich Nietzsche, dessen Werk von seiner besorgten Schwester Elisabeth posthum maßgeblich manipuliert und durch Fälschungen ergänzt wurde, und schon Plato machte umfangreiche Vorschläge, wie die Literatur seiner Zeit von "schädlichen" Passagen und Begriffen zu säubern sei. Die Wurzel der Zensur ist stets Fürsorge, gut gemeint aber schlecht gemacht.
Lindgren und Preußler sind also weiß Gott nicht die Ersten, die es trifft: Lucky Luke musste aus politisch korrekten Gründen das Rauchen aufgeben, Billy Wilders "Some Like it Hot" durfte in Deutschland 1959 zunächst nicht gezeigt werden; gegen die Publikation der Blechtrommel von Günter Grass wurde gleich mehrfach geklagt und Klaus Manns Roman "Mephisto" wurde 1966 mit Verweis auf die Grundrechte(!) verboten. Wo beginnt Zensur und, sehr aktuell, wo beginnt die deutsche Spezialität der Selbstzensur ?
Die Eingriffe beginnen, wenn man es genau nimmt, schon bei Rechtschreibreformen, verlaufen über Streichungen oder, wie es immer so schön heißt "behutsame Anpassungen an heutige Lesegewohnheiten" und gipfeln bei Komplettverboten ganzer Werke.
Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach:
Da Bücher in gewisser Hinsicht Lebensmittel sind, könnte man ein Label entwickeln, das zertifziert, ob ein Buch genetisch modifiziert worden ist oder nicht.

Ich finde es nicht schlimm, wenn veraltete Begriffe aus betagten Kinderbüchern ausgetauscht werden. Als professioneller Autor ist man ständig mit Fragen der Wortwahl konfrontiert, und fast jede Neuauflage bringt Veränderungen mit sich. Außerdem ist es für Verleger und Autoren vollkommen klar: Lieber eine Idee neu formulieren als weniger Exemplare verkaufen.
Published on February 13, 2013 15:12
February 10, 2013
Unsere dröge "Streitkultur"
Warum deutsche Debatten öde sind

Diese Frage ist der Kern der geistigen Selbstzensur, weil die wohlfeile Antwort logischerweise lauten muss "vorsichtshalber nicht". Daher steht am Ende einer typischen deutschen Debatte meist lediglich ein weiterer Punkt auf der Tabu-Liste für politisch korrekte Bürger. Die ideale Lösung für geistig Faule. Verboten! Sache geklärt.
Klar, wir Deutschen sind ein sicherheitsversessenes Volk. Wir "wissen" aus historischen Gründen, wie schnell Dinge aus dem Ruder laufen können, wenn, so wiederholen wir uns ständig, die Spielregeln nicht eingehalten werden:
1914, 1918, 1923, 1933, 1939, 1945, 1948, 1955, 1961, 1968 ... - Die deutsche Sehnsucht nach festen Spielregeln ist verständlich und daher spielen wir in unserer fett gewordenen Berliner Republik immer das gleiche Spiel, aber das ist - eben - langweilig, weil selbstgerecht und inhaltlich redundant.

Ich finde: Jedes Wort, jeder Witz und jede Formulierung soll frei sein. Ob als Autor oder Analphabet, man muss nur bereit sein, die Konsequenzen (also etwa Empörung oder, was manchmal auch unangenehm sein kann, Lob) zu tragen.
Unsere Debatten sind fade, weil sie meist Gegner suchen, die sich nicht wehren; im Fall der "Sexismus-Debatte" die eigentlich keine Debatte ist, sondern eher eine Auflistung von offenen Rechnungen wird das besonders deutlich.
Und warum wehrt sich keiner? Weil die betroffenen Gruppen der vermeintlichen Konfliktstellung zu groß sind. Die geistigen Unterschiede innerhalb der "Gruppe der Männer" respektive "Frauen" beispielsweise sind größer als die geistigen Unterschiede zwischen den Gruppen der Frauen und der Männer. Man könnte auch sagen: Es steht eigentlich nichts auf dem Spiel.
Folglich geht die Debatte größtenteils ins Leere. Brüderle schweigt, Astrid Lindgren und Karl May sind tot - mit Gegenwehr ist kaum zu rechnen, was für Hobbyjäger den Reiz der Hatz erhöht, die vehement das Offensichtliche einfordern, genau wie die Spielregeln es verlangen.
Die Debattierenden, das ist jedenfalls mein Eindruck, versuchen mehrheitlich, "das Richtige" zu sagen, anstatt, wie man es von einer Debatte (das Wort bedeutet eigentlich "Schlägerei") erwarten könnte, zu provozieren, Neuland zu erobern, Autoritäten anzugreifen und sich ordentlich Feinde zu machen - dies gelingt nicht, wenn man sich an Regeln hält. Debatten werden dröge, wenn die Teilnehmer sich wie Schiedsrichter benehmen anstatt wie aufrichtige Raufbolde.
Es wäre schön, wenn sich die Deutschen intellektuell häufiger daneben benehmen würden.
Published on February 10, 2013 11:42
February 4, 2013
Mit Faust und Mephisto

Die Geschichte des Doktor Faustus ist ein Stoff, an dem sich viele alte Meister versucht haben: Marlowe, Heine, Goethe, und Rembrandt zum Beispiel sahen in Faust einen tragischen Helden, der sein Seelenheil gegen Wissen und Macht eintauschte - aber ich bin sicher: Die alten Meister lagen damit alle total daneben.
Es geht los in Heidelberg, im Jahr 1509, wo der historische Doktor Faust tatsächlich gelebt haben soll, bevor man ihn der Stadt verwies. Allein schon aus diesem Grund hat er meine Sympathie. Doktor Faust ist einer der wichtigsten "Schurken" der Weltliteratur: unkonventionell, mutig und voller Entdeckergeist.
Er ist Gelehrter und Alchemist an der Universität, aber er ist nicht glücklich damit: Sein Fürst verlangt von ihm, aus Dreck Gold zu machen; seine nörgelnde Mutter weigert sich, das Bett zu verlassen; Studenten, Fakultätsrat und Assistenten nerven, aber vor allem ist Faust noch eines: Junggeselle.
Da tritt, direkt vom Lieben Gott gesandt, der Teufel in Gestalt des eleganten Mephisto auf und bietet Faust einen verlockenden Deal an, aber es geschieht ein Missgeschick bei der Unterzeichnung des Vertrags, so dass Mephistos schwarze Magie auf einmal Schlagseite bekommt. Faust und Mephisto begeben sich auf eine schräge Reise durch das Deutsche Reich des Spätmittelalters, um den Sinn des Lebens und das Glück zu finden.
Sie begegnen der wunderschönen Margarete und ihrer ausgekochten Freundin Marte und gehen auf eine Walpurgisnacht, die ihnen allen die Augen öffnet: Man kann erst zur Hölle zu gehen, wenn das End happy ist.
Ich liebe die Cover-Illustration von Christoph Tänzer. Sie drückt genau den Geist des Mephisto aus: ein eleganter, selbstverliebter Teufel, ein Charmeur und Lebemann, der sich gerne im Rampenlicht bewegt und damit eigentlich viel weniger Teufel als echter Mensch ist... Und ohne meine Lektorin Mo, die Frau mit dem Röntgenblick, wäre das Buch nicht so schnell fertig geworden. Danke!
Published on February 04, 2013 18:24
February 1, 2013
Berlin und die Schwaben: Archäologie versus Thierse

Was mich an der Debatte, die er mit seinem Statement losgetreten hat, besonders erfreut, ist nicht die Tatsache, dass er, wie er wohl sagte, "Pflaumendatschi" für ein schwäbisches Gericht hält. Jeder weiß, dass Zwetschgendatschi eine eher bajuwarische oder fränkische Spezialität ist, genau wie der in Berlin allgegenwärtige Döner - ebenfalls keine schwäbische Erdinger... äh, Erfindung ist. Verständlich, dass Thierse überall Schwaben wittert, wenn er alles, was er nicht kennt, für schwäbische Machenschaften hält. Woher kommt diese Manie?
Es stimmt zwar, dass die Nation der Schwaben überaus erfinderisch ist, aber selbst da gibt es Grenzen.
Und das ist mein Stichwort: "historische Grenzen!"
Daher die Karte aus dem Atlas hier: Man suche das Gebiet der "Suebi", wie die Schwaben lateinisch korrekt heißen, und wie jeder im Prinzip weiß, der Caesar und Tacitus gelesen hat - man findet sie direkt südlich des Mare Suebicum, denn so nannte sich die Ostsee damals. Moment! Woher stammt nochmal Thierses Schwaben-Manie?

Als gewissenhafter Historiker habe ich diese heiße Hypothese natürlich sofort anhand von archäologischen Quellen überprüft und bin im British Museum fündig geworden: Eine alte Steinskulptur gibt Aufschluss.
Die Ähnlichkeit zwischen dem antiken Schwabengesicht aus dem zweiten Jahrhundert A.D. (links) und dem nur unwesentlich jüngeren Thierse ist mehr als verblüffend - sie ist eindeutig. Für mich ist die Verwandtschaft damit bewiesen, und so hat Thierse als einer der unsrigen in meinen Augen das Recht erworben, so schlecht über uns Schwaben zu sprechen, wie immer er mag.
Published on February 01, 2013 19:21
Polyphem oder die Naivität

Ein Auge auf die Gäste...
Die Zyklopen sind uralte, mächtige und einäugige Riesen, die sich angeblich nichts aus Göttern oder Menschen und deren Gesetzen machen. Einer von ihnen, der naive Polyphem, lebt selbstbestimmt auf einer Insel, ähnlich wie Peter Pan, ein anderes tödliches Kind, doch er züchtet Schafe und stellt Käse her. Im Grunde ist er ein Bauer.
Eines Tages trifft Polyphem bei sich zuhause eine Truppe von fremden Kriegsheimkehrern an, zynische Veteranen des Trojanischen Krieges, die sich nicht nur an seinen Käse-Vorräten gütlich tun sondern sein Heim auch noch nach verborgenen Schätzen durchsuchen und sein Vieh stehlen wollen. Er sperrt die Eindringlinge in seiner Höhle ein und verspeist sie der Reihe nach. Jeden Tag fällt ein Gefährte dem Hunger des Riesen zum Opfer. Da er sich nicht an die Gesetze der Götter gebunden fühlt, ist der Verzehr von Menschenfleisch für ihn kein Frevel.

Polyphem, ein Sohn des Meergottes Poseidon, ist ein legendäres Monster, dessen herausragende Eigenschaft weder seine Einäugigkeit noch seine Körperkraft sind, sondern seine Naivität, mit der er daher gesagte Namen für bare Münze nimmt und mit der er Geschenke akzeptiert - genau wie ein Kind stopft er sich voll, nimmt dabei keine Rücksicht auf Menschen, ist dabei aber vollendet tierlieb.
Ebenfalls wie ein Kind, ruft er nach seiner Verletzung den Vater um Rache zur Hilfe. Poseidon, einer jener Götter, die Polyphem verachtet (wie sehr muss Sigmund Freud diese Geschichte geliebt haben!) verfolgt Odysseus und verwehrt ihm für viele Jahre die Heimkehr nach Ithaka. Auch die (keineswegs naiven) Trojaner nahmen übrigens ein todbringendes Geschenk des Odysseus an und verloren damit den Krieg.
Es ist dieser gemischte und gegensätzliche Hintergrund, der Polyphem für mich zu einem der wichtigsten Monster der Weltliteratur macht, ein Hinterwäldler mit direktem Draht in die Götterwelt, ein Menschenfresser und Tierfreund, ein Riese mit kindlichem Verstand. Seine Niederlage gegen Odysseus verbindet ihn mit der Zauberin Kirke, den Kikonen, König Priamus und sogar dem Gott der Unterwelt Hades, denn Odysseus ist angeblich ein Nachkomme des Gottes Hermes, Schutzherr der Kaufleute und der Diebe...
Published on February 01, 2013 10:07
über Bücher, Filme und Publikationen
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt seit 2012 mit seiner Frau Afraa und seinem Sohn Wieland im Schwarzwald. In diesem Blog geht es um Bücher, Publikationen und kreative Prozesse.
In einigen wissenschaftlichen Arbeiten befasst Albrecht sich mit Themen der Geistesgeschichte, aber auch mit der griechischen Antike, sozialen Mythen aus der jüngeren deutsch-europäischen Vergangenheit und mit den Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens. Albrecht ist überzeugt davon, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen wissenschaftlicher Literatur und Unterhaltungsliteratur gibt - vorausgesetzt sie sind gut geschrieben und recherchiert. ...more
In einigen wissenschaftlichen Arbeiten befasst Albrecht sich mit Themen der Geistesgeschichte, aber auch mit der griechischen Antike, sozialen Mythen aus der jüngeren deutsch-europäischen Vergangenheit und mit den Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens. Albrecht ist überzeugt davon, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen wissenschaftlicher Literatur und Unterhaltungsliteratur gibt - vorausgesetzt sie sind gut geschrieben und recherchiert. ...more
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