Albrecht Behmel's Blog: über Bücher, Filme und Publikationen, page 11

April 20, 2013

Schreiben - die transparenteste aller Künste

Schreiben sei ein Handwerk, heißt es oft... Im Vergleich mit anderen Künsten ist das Schreiben wahrscheinlich die transparenteste und ehrlichste aller Disziplinen. Ein Autor verwendet Buchstaben, Zahlen, Leerzeichen... Wörter, und damit genau das, was andere Leute auch verwenden. Das macht das Schreiben einzigartig. Weder das Material noch die Techniken sind exklusiv. Nur das Ergebnis zählt - und dabei gibt es kaum objektive Kriterien für Qualität.

Köche haben ihre speziellen Geheimrezepte; Maler mixen ihre Pigmente und Designer und Architekten bringen besondere Materialien zum Einsatz. Ein Autor hat die Tastatur und den Wortbestand seiner Sprache. Mehr ist nicht notwendig. Die Qualität der Handschrift spielt seit dem Mittelalter keine Rolle mehr, die Geschwindigkeit beim Tippen ist auch unerheblich geworden und in gewisser Weise sogar der Wortschatz und die Kenntnisse der Grammatik. Es genügt Durchschnittsbildung und rudimentärste Ausrüstung. Damit ist das Schreiben die demokratischste und die am wenigsten exklusive Kunst.

Ein Autor benötigt zum physischen Akt des Schreibens weder besondere Körperbeherrschung, noch Fitness wie die Musiker, Schauspieler oder die Tänzer; man benötigt keine speziellen Werkzeuge wie die Maler oder die Bildhauer. Dies ist auch der Grund, warum es beim Schreiben so schwierig ist, eine Grenze zwischen Profis und Amateuren zu ziehen. Wer schreiben kann ist Autor, das geht in der ersten Klasse der Grundschule los. Das UrhG sieht es ganz genauso. Die deutsche Sprache selbst macht keinen Unterschied zwischen der Fähigkeit, Worte aufs Papier zu bringen und der Fähigkeit, einen guten Text zu schreiben. Beides nennt sich schlicht "schreiben" - aber es ist natürlich nicht das gleiche, wie jeder weiß, der einmal schlechte Prosa gelesen hat. Schreiben ist eine Kunst - aber eine schwer definierbare und damit eine überaus persönliche.

Beim Schreiben zählt nicht allein der Inhalt, schön wär's! Es geht auch nicht darum, wer die längsten Sätze schreiben kann oder wer die meisten Wörter in einer Geschichte unterbringt. Autoren sind daher im Vergleich mit anderen Künstlern oft erstaunlich wenig kompetitiv. Man nimmt sich gegenseitig keine Leser weg, im Gegenteil: Jeder gute Autor erhöht die Chancen der anderen Autoren auf mehr Leser.

Das ist vielleicht der Grund, warum es kaum Autoren-Gilden oder Clubs gibt, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg Bestand haben, wie das etwa bei Artisten der Fall ist: Es gibt einfach kein Geheimwissen, das von Generation zu Generation weitergegeben werden kann. Im Gegenteil, die meisten Autoren teilen ihre Einsichten in das, was ihrer Ansicht nach gutes Schreiben ausmacht, überaus freigiebig mit. Der freigiebigste und zugänglichste war Blake Snyder, der leider 2009 starb. Sein Buch, Save the Cat, hat sich mittlerweile zu einer Art Bibel für Autoren entwickelt, nicht nur für Drehbuchautoren.

Es wird immer wieder behauptet, dass Schreiben ein Handwerk sei, das man lernen könne. Aber dieser Satz betrifft nur das Schreiben bestimmter Genres:
Man kann lernen wie man buchstabiert oder eine Geschichte konstruiert. Man kann lernen, wie ein Hollywood-Film konstruiert ist oder welche Regeln für einen Tatort gelten. Die Grundbedingungen für gutes Schreiben an sich sind indessen nichts anderes als nur Ehrlichkeit und eine eigene Stimme - was vielleicht sogar das gleiche ist. Alles, was darüber hinausgeht, ist Luxus...



 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 20, 2013 15:49

April 16, 2013

Stadt- Land im Fluss: Ein Jahr auf dem Land

Zwölf Monate im Schwarzwald

Vor ziemlich genau einem Jahr bin ich mit meiner Familie von Berlin-Mitte aufs Land gezogen, genauer gesagt in den Nord-Schwarzwald... einmal quer durch Deutschland.


                          von hier...






                     nach hier:






... und so irrsinnig viel hat sich gar nicht verändert. Was mir aber besonders gefällt an dem neuen Leben ist,

der Nachthimmel: hier, oben auf den Bergen, sieht man nachts die Milchstraße und im Wortsinn tausende von Sternen. Wenn mein kleiner Sohn dann noch durchschläft, herrscht komplette Stille.

Vielleicht bin ich (ein nachtaktiver Autor) deswegen so produktiv wie nie zuvor, trotz Kleinkind und Dauerwinter... Dieses Jahr werde ich mindestens vier Titel publizieren. Ich arbeite zwar nach wie vor mit Berliner Partnern zusammen, aber insgesamt hat sich mein Blickwinkel auf meine Branche vergrößert, jetzt arbeite ich deutschlandweit, aber auch mit Partnern in UK, CH, China und USA.

In Berlin kann man sehr viel Zeit mit kulturellem Aktionismus vertrödeln, hier auf dem Land andererseits gibt es manchmal ein bisschen zu viel Zeit. Die Menschen sind deutlich langsamer als in Berlin und (daher wahrscheinlich) weniger genervt. Vor ein paar Jahren hätte ich das noch anders gesehen, aber inzwischen bedeutet es mir eine Menge, viel Platz um mich herum zu haben. Wald, Wiesen, Felder... und das alles oft gänzlich ohne Leute.

Vermisse ich Berlin? Nein, eigentlich nicht. Dazu war ich zu lange dort. Interessant finde ich, dass sich mein habitat, um es zoologisch auszudrücken ungefähr gleich groß geblieben ist, in Heidelberg, in Berlin und auch hier - der gleiche Radius zum Einkaufen und Spazieren (google maps machts möglich). Man sagt, eine Katze braucht ungefähr einen Kilometer radius an Streiffläche, ich brauche zweieinhalb. Aber ich bin ja auch langsamer als eine Katze, falls das logisch ist.

Was ich ebenfalls nie gedacht hätte, ist, dass ich einmal in einer Art Großfamilie leben würde, mit Ehefrau und Kind, Schwager und mit meiner arabischen Schwiegermutter unter einem Dach - und es klappt! Seit einem Jahr! Und wenn es mal doch nicht so gut klappt, dann gibt es immerhin Inspirationen für meine nächste Komödie...
Meine aktuelle Umfrage hat nämlich ergeben, dass 99% meiner verheirateten Freunde der Ansicht sind, mit ihrer Schwiegermutter könnten sie nur dann länger als zwei Tage unter einem Dach leben, wenn einer von beiden, oder am besten alle beide, taub, tod und stumm wären. 1% der Befragten wollte sich lieber nicht zu diesem Thema äußern.


 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 16, 2013 14:08

April 12, 2013

Bücher, die es nicht gibt... und die man trotzdem braucht


Es gibt zwei Arten von fiktiven Büchern, nämlich erstens solche, die dem Titel nach tatsächlich in Buchläden zu finden sind, wie zum Beispiel "Per Anhalter durch die Galaxis", also Bücher, die in gewisser Weise in sich selbst vorkommen und dann zweitens solche, die nur dem Titel nach in anderen Werken vorkommen. Die Weltliteratur ist voll mit solchen erfundenen Werken, und sie stellen ein eigenes, leider vollkommen unterrepräsentiertes Forschungsgebiet innerhalb der Literaturwissenschaft dar, das man "Fiktionalistik" nennen könnte. Die Wissenschaft vom Erfundenen innerhalb des Erfundenen.


Hier ist eine Liste von neun einflussreichen, fiktiven Büchern.

1. Encyclopedia Galactica
Das Konkurrenzprodukt zum etwas beliebteren Nachschlagewerk "Per Anhalter durch die Galaxis (Mit dem Aufdruck "Keine Panik!"); es muss ein fantastisches Werk sein, da es sämtliche Extravaganzen des Universums nach Douglas Adams beinhaltet. Aber besonders fasziniert mich die Idee, dass es vermutlich die erste Erwähnung eines E-Books mit eigenem Reader gewesen ist, Adams schrieb über das Buch im Jahr 1978. Eine großartige Erfindung, lange vor dem Kindle.

2. The Life and Lies of Albus Dumbledore von Rita Skeeter
Jeder, der sich mit Harry Potters Biographie beschäftigt hat, wird den Verdacht gehabt haben, dass Albus Dumbledore so einiges auf dem Kerbholz hat. Mit Sicherheit ist das Werk von Rita Skeeter ein ziemlich spektakuläres und spekulatives Stück Enthüllungs-Journalismus, das den Gutmenschen Dumbledore zurecht stutzt.

3. Necronomicon
Der Titel dieses Buches bedeutet auf deutsch vermutlich so viel wie "Gesetze des Totenreiches" und allein schon deshalb ist dieses Werk für alle Lebenden von höchstem Interesse. Es wurde von Lovecraft zuerst erwähnt und dann von William Ash gegen die Horden der Untoten verteidigt, die seine mittelalterliche Burg belagerten. Um es zu aktivieren sollte man nicht die Worte "Klaatu verata necktie" aussprechen.

4. On the Study of Tobaccos and their Ashes by Sherlock Holmes
Jeder weiß, dass die Abenteuer von Sherlock Holmes von seinem Freund und Chronisten Doktor Watson festgehalten wurden. Doch auch er selbst war Schriftsteller, allerdings für eine ziemlich kleine, elitäre Leserschaft von Kriminalisten. Diese Monografie befasst sich mit den verschiedenen Formen, die Tabakasche als Beweismittel oder Indiz annehmen kann
 
5. Die Unendliche Geschichte 
Ähnlich wie das Necronomicon ist auch die Unendliche Geschichte ein Portalbuch, das Zugang zu einer anderen Realität verschafft. Jedes gute Werk der Unterhaltungsliteratur sollte diese Eigenschaft haben. Wer der Kindlichen Kaiserin einen neuen Namen zu geben vermag, kann das Reich der Phantasie betreten. Genau dies tut Bastian Balthazar Bux, indem er das Wort "Mondenkind" ausspricht.

6. The Murderer's Vade Mecum by Lord Peter Wimsey
Lord Peter ist einer der großen Detektive Englands, menschlicher als Sherlock Holmes, sympathischer und entspannter als Poirot und körperlich beweglicher als Miss Marple. Von ihm stammt eine ganze Reihe von Titeln, darunter das Vade mecum für Mörder, ein Handbuch des Verbrechens.
 
7. There and back again von Bilbo Baggins
Die Vorgeschichte des Ringkrieges aus der Perspektive eines Halblings zu lesen muss reizvoller sein als der Blick von außen. Vor allem aber ist das Buch ein Desiderat, weil Bilbo für seine überaus schöne Handschrift bekannt war. Inhaltlich sollte man sich von dieser Autobiografie jedoch keine großartigen und neuen Erkenntnisse versprechen.
 
8. Hamster Huey and the Gooey Kablooie von Mabel Syrup
Es gehört zu den großen Rätseln der Cartoonwelt, warum Calvin dieses Buch so sehr liebt, dass er seinen Vater zwingt, es ihm jeden Abend vorzulesen. Inzwischen hasst der Vater das Werk; umso mehr, da er es selbst war, der es Calvin einst empfohlen hatte. Ähnlich wie der "Nudel-Vorfall" ist auch die Geschichte des Hamster fast gänzlich unbekannt.
 
9. Handbook for the Recently Deceased
Der "Ratgeber für kürzlich Verstorbene" ist eine Art bürgerliche Version des Necronomicon, eine Gebrauchsanweisung für die ersten Momente in den Sphären des Jenseits, die der Dämon Beetlejuice bewohnt. In diesem Buch finden sich wichtige Hinweise für das erfolgreiche Abhalten von Seancen - freilich aus der Sicht der Toten - sowie das Beschwören von Lebenden.
  
 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 12, 2013 15:35

April 5, 2013

Himmlischer Piatti - einer der großen Buchdesigner

Kein einzelner Künstler hat das Gesicht des deutschen Buchmarktes so geprägt wie der hochkreative Schweizer Celestino Piatti, dessen Werke jeder
schon einmal gesehen hat, der zwischen 1961 und 1993 ein Buch des dtv in der Hand hatte. Insgesamt hat er über 6.300 Cover und Plakate gestaltet. Künstler wie Piatti haben Design auf die Bücher gebracht und damit dazu beigetragen, den Geschmack von Generationen zu prägen.

Das Besondere an seinen Arbeiten ist, dass sie zugleich von hohem Wiedererkennungswert sind (was dem Verlag diente) und dennoch das Wesen des einzelnen literarischen Werks ausdrücken, dem sie ein Gesicht geben. Es ist klar, dass nicht alle seine Entwürfe Maßanfertigungen für die Romane des dtv waren. Er setzte häufig Tiermotive ein, um Stimmungen und Inhalte auszudrücken. Vor allem die Eule, Symbol der Weisheit und der Göttin Athene, taucht in seinen Werken immer wieder auf.

Sein Gesamtwerk hat für Jahrzehnte das Verständnis dessen geprägt, was ein schönes Cover für ein Taschenbuch ausmacht: klar, hell und stark reduziert - was auch so sein musste. Anders hätte er das enorme Aufkommen an Titeln kaum bewältigen können. Insofern ist er gewissermaßen der Karl Friedrich Schinkel der deutschen Buchcover...

Neben der serifenlosen Schrift auf den Covern (die Piatti auswählte und setzte) wirken seine Zeichnungen, die eher kolorierte Skizzen sind, unfertige scribbles, wild und rauh. Die Signatur ist selbstbewusst direkt daneben gesetzt und meist von ähnlicher Größe wie die Nennung von Autor und Verlag. Die Farben sind oft überaus kräftig im Stil der art brut und teilweise fast aggressiv
kontrastiert. 

Für den heutigen Markt sind die Cover trotzdem zu reduziert, vielleicht zu derb, zu wenig opulent und, wenn man so möchte, zu wenig kinohaft. Ist Piatti mittlerweile altmodisch geworden? Für Buchcover vermutlich schon. An welchem Punkt beginnt Innovation und künstlerische Frische umzuschlagen und altbacken zu werden? Wann enden historische Stilepochen?

An den Motiven liegt es nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass sich seine Illustrationen heute, rund sechs Jahre nach Piattis Tod, sehr gut als Straßenkunst machen würden, nicht auf Büchern, sondern unter Brücken und an U-Bahnen, gesprüht nicht gezeichnet...




 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 05, 2013 20:14

April 3, 2013

Cover Up!

Die Kunst ein schönes Buchcover zu machen...Jeder Autor kennt und fürchtet diese Passage in Verlagsverträgen, in der das Recht das Cover zu gestalten geregelt wird. Als Autor hat man ja meistens eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie das Titelbild einer Geschichte aussehen sollte - und sehr oft liegt man mit seinen Vorstellungen komplett daneben. Zumindest mir geht das so.
Ein guter Grafiker, der das Buch gelesen und (bzw. oder) verstanden hat, kann alles über den Haufen werfen. Genau so, wie das im Fall von Drehbüchern passiert, wenn auf einmal die Besetzung steht und man sich eingestehen muss: "Der sieht zwar anders aus als ich mir das beim Lesen vorgestellt hatte, aber der Typ ist es einfach!"
Bei meinen ersten Büchern habe ich mich nicht besonders mit der Frage der Titelbilder beschäftigt. Sachbücher und Wissenschaft sind in vielen Verlagen hochgradig standardisiert, wie zum Beispiel bei UTB, da hat man als Autor ohnehin keine große Wahl und ist eigentlich auch ganz froh darüber. Aber bei Belletristik? Da beginnen die Kopfschmerzen... und es macht Spass!
Also, was macht ein gutes Cover aus?
Zunächst einmal muss es sich natürlich von den anderen unterscheiden, denkt man sich. Gleich, ob das Buch auf einem Tisch im Buchladen liegt oder in einer langen Reihe von thumbnails bei Amazon erscheint. Es muss ein Hingucker sein, noch bevor man beginnt zu lesen, um welches Buch es sich eigentlich handelt. Das Ding ist nur: So was genügt natürlich überhaupt nicht.
Das zweite Gefühl sollte ein Lächeln hervorrufen, finde ich. 
Wiedererkennen und die Freude darüber, einen alten Bekannten zu sehen. Hier sind zwei alte Bekannte, die diesen Effekt bei mir haben. "Psycho" von 1959 ist ein perfektes Cover: Minimaler Eingriff und maximale Wirkung. Ohne Frage: Hier geht es um eine zerrissene Seele; eine brutale Geschichte; schwarz und weiß.

Und dann, ganz andere Liga, für weichere Gemüter, der Hobbit - das Cover drückt die Welt, in der die Geschichte spielt, perfekt aus. In beiden Fällen ist der Autorenname relativ unbedeutend - Kein Wunder, denn es sind Erstausgaben. 

Bei den späteren Editionen, wenn die Marke steht, rückt auch der Autorenname immer weiter in den Vordergrund, vor allem in der anglophonen Welt ist das so, ein riesiger Markt im Vergleich zu Deutschland. Der Evolutionsdruck geht wellenartig von dort aus und erreicht den deutschen Markt, wie in so vielerlei anderer Hinsicht auch, erst mit einigen Jahren Verspätung. Filmplakat und Buchcover bewegen sich, so scheint es, aufeinander zu, um eine eigene Kunstform zu bilden.

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 03, 2013 12:07

March 31, 2013

Was macht das in Hinkelsteinen?

Kapitel 2.    Weg der Frost und ab die PostGeologen sprechen von Eiszeit oder Kaltzeit, während die Prähysteriker lieber
von Steinzeit reden, da die Berliner, wie alle anderen vernünftigen vernünftigen Menschen damals auch, alles aus Stein gemacht haben, was heute Plastik ist. Jetzt gibt es zwar in Berlin nicht so viele Steine, aber das macht nüscht, weil es ja nur ganz wenige Leute waren, paar Dutzend Familien bloß, so dass es immer genug Parkplätze gab.
 
Anno minus 5.000 ging’s los mit Berlin; da sind die Ersten hier angekommen, (genauer gesagt, irgendwo bei Tegel, wo sonst?), haben ihren Schotter gezählt und sind einfach dageblieben. Und so beginnt die Berliner Geschichte ohne Eis umgehend mit der Neolithischen Revolution, die Zeit der bekloppten Steine, als man beschlossen hatte, dass die ewige Nomadisiererei den Rentiern hinterher sich nicht mehr rentiert hat und dass es doch besser sein würde, gesäßhaft zu werden und vernünftige vernünftige Landwirtschaft zu betreiben.
Aber jetzt erst mal der Spur der Steine nach! Berlin lag und litt nämlich schon immer irgendwie an einem Grenzverlauf. Damals war’s nur nicht wie später der Ost- und der Westblock, sondern die Glockenbecherkultur und die Trichterbecherkultur, die sich vermutlich gegenseitig auch nicht leiden konnten.
Direkt an der Front von Glockenbechern und Trichterbechern, dem sogenannten Steinernen Vorhang, lag unser Berlin und hat drauf gewartet entdeckt und gegründet zu werden; das hat wenigstens Konrad Jadzewski behauptet, ein epochemachender Prähistoriker. Er hat uns auch eingetrichtert, warum die Trichterbecherleute so ungemein erfolgreich waren: Das Klima war ein Optimum für's Volk, was heißt, dass es hier früher wärmer war als heute, immerhin durchschnittlich zwei Grad – und das alles ganz ohne CO2. Ob die Trichtabechaleute och schon Berlinert ham? Na, ick kann ma ja nüscht anderet vorstelln. Aber wir wollen uns mal nicht zu lange in der Steinzeit aufhalten! 


Fortsetzung folgt...
 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 31, 2013 07:41

March 23, 2013

Leseprobe "Express Historie"

Kapitel 1.    Eine Auszeit namens Eiszeit
Am Anfang war es hier schon fast genau so, wie es mit den Berlinern heute immer noch ist, nämlich, erst bisschen frostig und kühl, aber kaum ist das Eis gebrochen, gehts richtig los! Ganz am Anfang, in der Eiszeit, vor 80.000 Jahren wars hier nämlich auch ganz schön eisig, besser gesagt, urst kalt, und als die ollen Urstmenschen im französischen Lascaux schon den Sonnenbrand erfunden hatten, da mussten wir hier in Berlin noch lange Eis zapfen und Schnee pflügen und 70.000 Jahre auf Tauwetter warten bis es endlich soweit war, dass sich die Sonne für die Region Berlin-Brandenburg erwärmen konnte. …
 
Um es gleich zu sagen: die richtigen Berliner sind erst später auf der Bildfläche erschienen, homo sapiens sapiens, auf gut Deutsch gesagt, vernünftige vernünftige Menschen. Die andern Rüpel, die bei uns hier zur Eiszeit rumgetrampelt sind, haben sich Neandertaler genannt und waren zwar auch schon einigermaßen vernünftig, aber eben noch nicht genug und deswegen sindse auch ausgestorben. 

Ob die Neandertaler nun an unseren Seuchen ausgestorben sind oder obse sich mit uns vermischt haben (kieckn se ma' in Spiegel!) oder ob wirse schlecht und ergreifend aufgefressen haben, weiß heute keiner mehr genau. Auf alle Felle sind sie plötzlich eiskalt verschwunden, samt Pelzbikini, Zahnkette und Keule. Hinsichtlich der Gletscher fällt Berlin in Europa nicht aus dem Gerölle: Der ganze Norden war vollvergletschert und rundumvereist, da war nüscht mit Höhlenmensch, höchstens Käptn-Iglu … Wer also vernünftig vernünftig war, der ist ab in den Süden oder nach Westdeutschland, hat dort 'nem Mammut auf den Rüssel gehauen und die Permafrostschinken heimgebracht mit dem Gletscherexpress nach Mitte-Friergarten oder Waidmannsfrost.

So ein typischer Gletscher kam von Norden her rein, aus Skandinavien, und wenn man heute mit dem Zug von Berlin nach Rostock fährt, in die ehemalig schwedisch besetzte Zone, kommt man durch so kleine Hügel durch, das sind eisfreie Endmoränen, bis zu 170 Meter hoch; als übrig gebliebener Zahnbelag der Gletscherzungen. Wie es mit den Leuten gekommen ist, als das Eis endlich geschmolzen war, das hören wir gleich: Dann kommen sie, die Ur-Berliner! Und gleich vom ersten Augenblick an hatten se Kultur und Fortschritt zu verzeichnen gehabt, ungelogen!
 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 23, 2013 07:52

March 18, 2013

Die Berlin-Express Historie



Demnächst erscheint ein Buch bei Chichili, an dem ich viele, viele Jahre gearbeitet habe, weswegen es sehr, sehr kurz ist.

Die Berlin-Express Historie

In 42 kriminell verkürzten Kapiteln zur Geschichte Berlin-Brandenburgs (von der Eiszeit bis heute) stelle ich Hintergründe, Entwicklung und Herkunft der deutschen Bundeshauptstadt dar:  

"Aufgemotzt, schnell, kenntnisreich, politisch unkorrekt und voller Wortwitz, aus dem eine tiefe Verbundenheit mit der Berliner Schnauze spricht."

Dazu gibt es respektlos-schnoddrige Tipps für Bücher, Filme und Ausflüge in die Region. Die Inspiration zu diesem Buch kam in Gestalt eines Taxifahrers, der mich von Tegel nach Mitte fuhr und der mich wohl für einen Touristen hielt. Sein Monolog über Sehenswürdigkeiten und Hintergründe war so schräg und halbgebildet, dass ich noch im Taxi angefangen habe, an der Expresshistorie zu arbeiten.


Es treten auf:

Urmenschen, weich gerittene Hunnen, wütende Calvinisten, ein falscher Waldemar, Berliner, die lieber bayerisch bleiben wollten, Friedrich Eisenzahn der Zweite und seine Schlossbaustelle, die Pest, ein hartherziger Fürstbischof, Napoleon Bonaparte, Preußen, Marlene Dietrich, die U-Bahn, Bomben, der Eiserne Vorhang und natürlich jede Menge Berliner Kindl.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

1. Eine Auszeit namens Eiszeit 
2. Weg der Frost - und ab die Post!
3. Brongs und Kupfer lieb ich sehr 
4. Der Eiserne Vorgang
5. »Ick bin keen Berliner« (Kaiser Augustus)
6. Das Wandaliern ist der Völker Lust
7. Hastema ne Mark? 

Leseproben demnächst hier.

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 18, 2013 14:56

March 12, 2013

Geburt der Filmförderung


Es war einmal vor langer langer Zeit in Deutschland, genauer gesagt:

Im Frühjahr 1917 - der Erste Weltkrieg ging gerade schief - da richtete
Generalquartiermeister Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff, der Chef der Obersten Heeresleitung, eine Behörde ein: das Bild- und Filmamt, kurz Bufa, eine Organisation aus der dann im Dezember des gleichen Jahres die UFA, die Universum Film AG hervorgehen sollte. 

Diese Behörde hatte die Aufgabe, das neue Medium Film für Propaganda-Zwecke fit zu machen; doch Ludendorff plante, aus dieser Institution letztlich einen staatseigenen Medien-Giganten zu formen. Das war ziemlich visionär, sowohl was den weiteren Verlauf der deutschen Geschichte als auch was das Potenzial des Kinos und der Fotografie betraf.
Das Kapital zu dieser Gründung kam zur Hälfte vom Staat, zur Hälfte von privaten Unternehmen - ganz ähnlich den Budgets moderner deutscher Filme, die ebenfalls in der Regel zur Hälfte staatlich gefördert sind.

Was mich an dieser historischen Randnotiz zum Thema "Filmförderung" besonders fasziniert, ist der Umstand, dass in unserem Land also die Filmförderung älter ist als die Filmbranche selber.
 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 12, 2013 13:22

March 7, 2013

Vortrag "Debatte zur Filmförderung"

Was bringen Fördermittel?
Deutschland - unser Land der Ingenieure, Dichter, Denker und Komponisten... "Made in Germany" ist ein Qualitätsmerkmal für viele Bereiche, doch nicht für die Filmbranche. Woran liegt es, dass der "Exportweltmeister" kaum Filme exportiert?

Zum Auftakt einer Ringvorlesung an der Hochschule der Medien Stuttgart möchte ich die Debatte um die Filmförderung in Deutschland nachzeichnen und einige, darunter auch extreme, Standpunkte evaluieren. 
Geprägt wird diese Debatte von vier Dogmen, also quasi Lehrsätzen, die nicht oder nur selten hinterfragt werden. 

Diese Dogmen lauten:
1.) "Ohne Filmförderung gibt es keinen deutschen Film."
2.) "Kunst benötigt die Hilfe des Staates."
3.) "Kulturschaffende haben Anspruch auf Förderung."
und
4.) "Hoch-Kultur und Populärkultur sind zwei verschiedene Dinge."

Die Positionen der Gegner und Befürworter lassen sich folgendermaßen skizzieren:

Pro Filmförderung:
- der Markt für Filme in Deutschland ist klein und müsse geschützt werden
- Berufung auf die Tradition der Filmförderung seit 1917; 1950; 1968, 1979.
- Erfolgsgeschichten: "Das Leben der Anderen", "Lola rennt", etc.
- Ohne Filmförderung entstünden nur marktkonforme Werke
- Filmförderung schafft und sichert Arbeitsplätze

Contra Filmförderung:
- Filmförderung zerstöre Innovationsdruck und unternehmerische Initiative
- Undurchsichtige Vergabe-Kriterien der Gremien, "Fördermafia".
- Fördermittel werden nach dem "Gießkannenprinzip" verteilt
- Förderdschungel auf Länder-, Bundes- und Europa-Ebene
- Mangelndes Mitspracherecht der Steuerzahler

Auf beiden Seiten bestehen teils radikale Ansätze, wie einerseits die Forderung nach vollständiger Abschaffung jeglicher Subventionen oder andererseits die konsequente Aufstockung der Budgets und Fördertöpfe auf US-Niveau. Welche Argumente führen die Betreffenden ins Feld? Welche Ideologien stehen dahinter?

Besonders interessante Themen der Diskussion sind aus der Sicht von Entwicklern und Autoren folgende Aspekte:

Brennpunkte der Debatte
- Trennung von Film- und TV-Förderung in zwei separate Sphären?
- Konzentration auf wenige aussichtsreiche "Großprojekte"?
- Fokus auf bekannte deutsche "Schwächen" (z.B. Stoff-Entwicklung)?
- Entwicklung bundes-einheitliche Kriterien ("DIN für Filme")?
- Entkoppelung der Filmförderung vom "Regionaleffekt"?

Insbesondere der letzte Punkt hat mich persönlich schon mehrfach berührt, sowohl was meinen Wohnsitz betrifft, den ich - als Autor - pro forma ins Fördergebiet verlegen musste, oder was die explosionsartige Vermehrung von Versionen meiner Exposes betraf, die in jeweils länderspezifisch leicht angepasster Form verschiedenen Sendern vorgelegt werden mussten - natürlich gleichzeitig!
Ganz im Ernst gefragt: Sollte es mir als Autor tatsächlich egal sein, ob eine von mir entwickelte Geschichte in Dresden, auf Rügen oder in Bochum spielt? Oder soll ich mich auf den Standpunkt stellen, dass jede - bezahlte - Version eines Auftrags-Exposes mir zumindest nicht schadet? Ist es professionell, wenn es mir egal ist? Vermutlich ja!

Die Debatte um Filmförderung in Deutschland weist aber auch über die Landesgrenzen hinaus, etwa nach Irland oder in die Schweiz, wo man sich für andere, sehr interessante Alternativen entschieden hat. Es ist ferner zu fragen: 
Welche Rolle wird das Fernsehen in der Zukunft spielen und welche das Kino im Vergleich zu den ungeahnten Möglichkeiten, die das Internet bietet (Youtube + Google = Massaker)? Blüht den Kinos das gleiche Schicksal wie den traditionellen Buchläden?

weiterführende Fragen der Debatte:
- Wie kann die Förderlandschaft transparenter werden?
- Was lehren Alternativen: "Irisches Modell" oder "Schweizer Modell"?
- Wie kann der innereuropäische Subventionswettlauf um amerikanische Produktionen beendet werden?
- Wie kann Deutschland sich aus der Vergleichs-Matrix mit Hollywood befreien?

oder, und das ist der Kern der Debatte: 
 
- Welche Rahmen-Bedingungen sind für eine Renaissance des deutschen Films notwendig?

Denn dies ist ja das Ziel aller, die sich in der Debatte engagieren.

In meinen Augen ist vor allem der ständige Vergleich mit Hollywood für die deutsche Filmbranche fatal, denn es ist ein Vergleich, der immer zu Ungunsten der hiesigen Branche ausfallen muss. Bollywood etwa hat sich diesen Zwängen sehr erfolgreich entzogen und ein sehr eigenes, unverwechselbares Profil geschaffen. In Deutschland, lange ist es her, zu Zeiten von Murnau und Lang, sah es auch hier ähnlich selbstbestimmt und daher vorbildhaft aus - doch das ist eine andere Debatte...


Ein paar Hintergründe und Zahlen zur weiteren Lektüre:
Filmförderungsgesetz
Beispielfilme in der Wirtschaftswoche
zusammenfassender Debattenbeitrag in NEGATIV
Rechtsprobleme
Kulturfinanzbericht, Statistisches Bundesamt 2012



 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 07, 2013 14:32

über Bücher, Filme und Publikationen

Albrecht Behmel
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt ...more
Follow Albrecht Behmel's blog with rss.