Maximilian Buddenbohm's Blog, page 407
September 16, 2012
Bitte vormerken
Es gibt viele Anzeichen für den Herbst, Kürbissuppe, Holunderbirnen, Kastanien und Wurzelgemüse – aber richtig sicher kann man doch erst sein, wenn Isa und ich die Herbstlesung angekündigt haben.
Et voilà, die zehnte Lesung von Isa und mir. Mit einem bloggenden und einem nicht bloggenden Gast – und hochprofessioneller Moderation.
Wir sehen uns, nehme ich doch stark an.
September 15, 2012
Tanztherapie bei Kindern
Ein Mann kann seinen Söhnen nicht für alles Vorbild sein, jeder hat irgendwo seine Lücken. Ich als Hanseat bin z.B. eher nicht der wilde Partylöwe, ich stehe auch bei bester Musik nur dezent am Rand und wippe äußerst diskret mit dem Fuß. Wenn es gerade keiner sieht. Kann man seinen Kindern so Freude am Tanz vorleben? Wohl kaum. Und ist Tanz nicht aber ein prima Mittel, um Lebensfreude auszudrücken, gute Laune und reinen Überschwang? Doch, die Theorie geht so.
Also fahre ich mit den Söhnen bei jedem nur denkbaren Fest zu den Großeltern aufs Dorf, denn dort wird bei Feiern noch wild getanzt, das sollte ihnen gut tun. Dachte ich. Der Opa war früher jahrelang DJ, der kennt sich aus mit Partymusik, wenn der auflegt, dann bleibt auch heute noch so leicht keiner sitzen. Keiner, außer mir und den Söhnen jedenfalls. Die haben ihr väterliches Vorbild nämlich schon zu lange studiert, stehen eisern am Rand und sehen stoisch den Nachbarn beim wilden Rundtanz zu. Gelegentlich kommentieren sie spöttisch die Tanzkünste der Gäste – mehr läuft da nicht. Wir waren in diesem Sommer daher noch öfter als sonst bei den Großeltern, das musste doch irgendwann einschlagen, diese ausgelassene Lebensart auf dem Land? Nein, nichts zu machen. Die Söhne rühren weiter kein Bein, keinen Arm.
Allerdings singen sie neuerdings unaufgefordert, sobald sie eine Menschenmenge als mögliche Party deuten, also bei jedem geselligen Beisammensein, es kann sich dabei auch um die Warteschlange beim Bäcker handeln. Sie singen laut und lange, ganz so wie sie es bei Opa gelernt haben. Sohn I singt besonders gerne und verblüffend textfest „Es gibt kein Bier auf Hawaii“, Sohn II singt in Endlosschleife den Partykracher „Zieh dich aus, kleine Maus, mach dich nackig.“
Es ist wirklich nicht leicht, die richtigen Vorbilder auszuwählen.
Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und der Ostsee-Zeitung.
September 13, 2012
Die Holunderbirnenmission
Ich habe vor längerer Zeit das Dessert „Holunderbirnen“ einmal in einer Zeitungskolumne erwähnt. Damals beschwerte ich mich darüber, dass es so schwer sei, in Hamburg Holundersaft zu bekommen, obwohl der hier doch überall wächst, der Holunder. Und jetzt gerade ist er übrigens wieder reif. Zu der Kolumne erreichten mich damals ungewöhnlich viele Zuschriften, echte Leserbriefe, so etwas bekommt man als Blogger ja auch nicht jeden Tag, das war sehr erheiternd. Menschen wiesen mich auf Läden in anderen Städten hin, die diesen Saft führten. Nannten mir die Adresse ihres Großonkels Karl, der diesen Saft immer selbst herstellt und bei dem ich mich ja einmal melden könne. Schlugen mir Holundersaftsatzstoffe vor. Viele fragten aber auch einfach dem Rezept, denn Holunderbirnen, das kennt anscheinen kein Mensch.
Und das ist schlimm. Sehr schlimm.
Holunderbirnen sind nämlich so ungefähr der beste, einfachste und hübscheste Nachtisch, der mir je begegnet ist. Man kann fast nichts falsch machen, man kann die Zutaten in regional und/oder bio erwerben, man kann das Rezept variieren, misshandeln, ausdehnen, eindampfen und neu erfinden – solange man sich an die Grundstruktur hält, so lange wird das auch was. Und schmeckt. Und sieht toll aus.
Mir ist jeder missionarische Eifer fremd, ich lehne Bekehrungsmaßnahmen kategorisch ab. Jeder soll gefälligst treiben, was immer er möchte, in einem gewissen rechtlichen Rahmen, versteht sich. Ich mische mich da nicht ein. Aber ich will, dass Sie alle Holunderbirnen machen. Haben wir uns verstanden? Mit Vanilleeis.
Und zwar in etwa so:
Sie nehmen einen großen Topf und lassen 100 Gramm Zucker goldbraun schmelzen. Dann kippen Sie da 400 ml Holundersaft und 400 ml eines anderen, holunderkompatiblen Saftes hinein, zum Beispiel Apfel oder Johannisbeere. Oder Rotwein, den wir hier großmütig als Saft betrachten wollen. Achtung, das spritzt wie Sau und macht tolle Flecken. Zwei oder drei Nelken hinein, eine Zimtstange. Vanille kann, muss aber nicht. Birnen, wie sie eben passen, geschält und geviertelt. 15 Minuten schwach köcheln lassen, dann ziehen lassen. Mindestens zwei Stunden. Ich habe die Birnen aber auch schon einmal zwei Tage im Topf auf dem Balkon vergessen, da wurden sie nicht schlechter, im Gegenteil.
Und dann zusehen, dass Sie die Hauptspeise hektisch weggefuttert bekommen, damit es endlich Nachtisch gibt.
Los. Sie wollen es doch auch.
Das fertige Produkt attraktiv zu fotografieren habe ich nicht in akzeptabler Zeit geschafft. Da ich die Versuchsanordnung (komplett mit Eis) jeweils nach den Fotos aufessen muss, wird das irgendwann zu gefährlich, denn die Herzdame zählt bestimmt nachher die Birnen nach. Stellen Sie sich einfach vor, dass es toll aussieht. Lila bis Purpur, im Licht und angeschnitten auch Pink dabei, granatrote Schatten, es ist der Wahnsinn.
Auf dem Arbeitsweg
September 12, 2012
Babylon
Während man beim ersten Kind noch in den ersten drei Jahren jedes neugelernte Wort feiern möchte und jeden kleinen Fortschritt in der Grammatik euphorisch im Bekanntenkreis diskutiert, fallen einem zweite Kinder irgendwann dadurch auf, dass sie einfach reden. Und man spricht mit ihnen, gibt Antworten, erklärt etwas, hört auf Fragen und steht dann plötzlich gedankenverloren neben dem Kind und fragt sich leise: „Mit wem rede ich hier eigentlich? Konnte der nicht neulich noch nur Dada sagen?“
Mit anderen Worten, auch mit Sohn II kann man natürlich schon längst diskutieren. Mit Sohn I schon richtig lange, aber erst seit ein paar Wochen bemerke ich immer stärker den verstörenden Umstand, dass beide Kinder tatsächlich unentwegt reden. Dass tun sie wahrscheinlich schon länger, aber manchmal braucht man eben eine Weile, bis es einem auffällt.
Sie reden also beide. Den ganzen Tag. Miteinander, mit mir, und mit allen möglichen Menschen. Mit Steinen, Vögeln, Hunden, Wolken und Vampiren. Mit Gespenstern, mit Monstern, mit Motorrädern, mit Karies und Baktus. Mit den Bananen auf dem Tisch und mit der Puppe, die jeden Tag einen anderen Namen hat, und wehe man nennt den falschen. Heute hieß sie Tristan, aber egal. Wer morgen früh Tristan sagt, wird mit Wutausbrüchen nicht unter 30 Minuten bestraft.
Sie reden also beide und sie reden gleichzeitig. Immer. Und nonstop. Vergleichsweise häufig verlangen sie eine Antwort oder irgendeine andere Reaktion. Wenn Sie keine Kinder haben, werden Sie das vielleicht nicht kennen, aber Sie werden sich in meine Lage leicht einfühlen können, wenn Sie kurz folgende Versuchsanordnung aufbauen möchten: Stellen Sie ein Radio links und eines rechts von sich auf. Verdrehen Sie dann bei beiden gleichzeitig langsam die Sender, so dass Sie im Prinzip nur mehr oder weniger sinnlose Brocken aus beiden Richtungen wahrnehmen können. Versuchen Sie, auf möglichst viele Brocken logisch korrekt zu reagieren. Singen Sie Lieder weiter, kommentieren Sie den Wetterbericht, beantworten Sie Quizfragen, lachen Sie über seltsame Namen, fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Sie haben für jede Reaktion eine Sekunde Zeit. Machen Sie das zehn Minuten und stellen Sie sich dann vor, Sie müssten es zum Beispiel ein ganzes Wochenende tun. Behandeln Sie Eltern fortan mit Respekt und Nachsicht.
Gestern ging ich mit den Söhnen zur Bücherei, ich hatte Sohn II auf der Schulter, er sprach mir von da aus bequem direkt ins Ohr, das er mit einer Hand nach oben bog. Ich hatte Sohn I an der Hand, an der er fortwährend mit seinem ganzen Gewicht zog, um meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu gewinnen. Man kann zwei Kindern nicht zugleich zuhören, es ist beim besten Willen nicht menschenmöglich, dem endlosen überkreuzten und heillos verflochtenen Singsang genug Sinn abzugewinnen, um beiden gerecht zu werden. Ich habe aber während dieses Weges das Essen für die nächsten Tage geplant, mit der Herzdame telefoniert, diesen Blogeintrag konzipiert und über eine noch zu schreibende Kolumne nachgedacht. Ich habe mich per SMS verabredet, zwei Touristen den Weg erklärt und auch noch permanent links und rechts irgendwelche Antworten in Richtung eines Kindes gegeben. Das Büro rief zwischendurch wegen einer Softwarepanne an und eine ältere Dame erklärte mir ungefragt, wo meine Kinder bei der Ampel hingucken müssten.
Ich habe mich verändert, dachte ich zwischendurch, mein Hirn hat sich irgendwann angepasst. Ich bin schon längst ein geistiges Zweistromland geworden. Links und rechts strömt es endlos ergiebig an mir vorbei, und in der Mitte ist es fruchtbar, aus mir wird doch noch eine Hochkultur. Im Grunde kann ich überhaupt nur noch schreiben, weil ich langsam verrückt werde, das wird es sein. Ich versuchte, den Gedanken festzuhalten, ich sagte „Nächste Woche“ und „Zwölf“ zu den Kindern, damit sie endlich einmal Ruhe gaben. Beide Antworten waren vollkommen wahllos, manchmal kommt man damit durch, manchmal nicht. Die Kinder sahen mich ratlos an, holten Luft und öffneten die Münder. Ich legte nach und sagte zu dem einen „Der Herbst“ und zu dem anderen „Mit Wurst“, da nickten beide zufrieden und schwiegen lange, also bestimmt zwei Minuten. Manchmal muss man einfach ein wenig Glück haben. „Man redet irgendwas und schon wird alles gut“, um einmal Herman van Veen zu zitieren, ich lasse hier ja bekanntlich keine Peinlichkeit aus.
Ich blieb stehen und tippte „Zweistromland“ als Notiz ins Handy, während mich Sohn II fragte, ob er auf meinem Handy etwas ausmalen könne und Sohn I einfiel, dass er einmal die Herzdame anrufen könne. Dann haben sie sich um das Handy geprügelt, aber die Notiz war gespeichert.
Heute Mittag hatte ich ein berufliches Treffen, es ging um das Schreiben und ich wurde gefragt, wie ich denn bei Mehrfachbelastung mit mehreren Berufen und Kindern überhaupt noch schreiben könne. Ich hoffe, ich habe es ein wenig erklärt.
September 11, 2012
Gespräch an der Bettkante
Sohn I schleppt ein Buch an, ich soll noch schnell eine Geschichte vorlesen. Er blättert darin herum, es ist ein Vorlesebuch mit vielen Geschichten. Dann findet er ein Bild, das ihm gefällt, es zeigt einen großen Stapel Bücher gleich unter der Überschrift der Geschichte.
Sohn I: „Wie heißt diese Geschichte hier?“
Ich: „Die heißt „Der geplagte Schriftsteller.“
Sohn I: „Aha. Und da geht es dann um einen Maximilian, was?“
Apulic
Mich treibt schon seit Monaten eine Vokabelfrage um, die ich bisher weder durch diverse Muttersprachler noch durch wissenschaftliche Kenner von Sprachen lösen konnte. Vielleicht fällt einem Blogleser etwas ein?
Es geht um die Sprache der Kinder. Die Söhne werden beide zu einem nicht unerheblichen Teil der Kindergartenzeit von Erzieherinnen betreut, die nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen sind. Polnisch, Portugiesisch, Ungarisch und auch Werweißwoher sind am manchmal deutlichen Akzent zu erkennen. Das wirkt sich natürlich auch auf den Spracherwerb der Kinder aus, und zwar in einer Weise, die von den meisten sicherlich nicht erwartet wird. Sie sprechen nämlich ein deutlich gepflegteres Deutsch, als es für die Altersklasse typisch ist. Sie sagen zum Beispiel nicht „Guck mal da“ – sie sagen „Sieh einmal dort“. Sie sagen nicht „Hammer, issas geil“, sie sagen „Schau, wie schön.“
Diese seltsam spießig anmutende Wortwahl hat mich eine Weile erheblich gewundert, bis ich darauf kam, dass die Edelsprache einfach daran liegt, dass die Erzieherinnen, durchweg sehr um gutes Deutsch bemüht, mit den Kindern schönstes Schulbuchdeutsch sprechen. In gewissen Formulierungen also korrekter, als es eine deutsche Kollegin auf Dauer wäre, und auch etwa beim Vorlesen dem Text Buchstabe für Buchstabe treuer, als es mir jemals einfallen würde.
Natürlich gibt es aber auch Kinder aus aller Herren Länder im Kindergarten, und natürlich streuen die hier und da Vokabeln und Formulierungen in den gemeinsamen Wortschatz ein. Sohn I singt manchmal verblüffend kenntnisreich portugiesische Schlager, Sohn II kann auf Englisch ordinärer sein, als es seine deutsche Vokabeln überhaupt zuließen. Das kann man wohl auch alles so erwarten und ich finde es toll. Die Welt ist bunt und unser kleines Bahnhofsviertel ist sogar ganz besonders bunt, das soll auch ruhig im Kindergarten so stattfinden.
Das Rätsel, das mich nun umtreibt, liegt aber in einer Formulierung, die allen Kindergartenkindern gemein zu sein scheint, und die mir bisher niemand erklären konnte. Wenn etwas verboten ist, und jemand das dennoch macht, dann sagen die Kinder: „Apulic!“ Gesprochen wie Apulidsch, betont auf der zweiten Silbe, der Zischlaut am Ende etwas unklar, mal schärfer, mal weicher, mal hört man ein d, mal ein t vor dem s oder sch, es bleibt unerfindlich. Stehen sie an der Ampel und ein Erwachsener geht bei Rot, ertönt ein scharfes, missbilligendes „Apulic!“ aus mehreren Kindermündern. Klettert ein Kind über den Zaun des Spielplatzes, wird ihm von hinten warnend „Apulic!“ nachgerufen. Über die Bedeutung des Begriffs gibt es kollektive Einigkeit im Kindergarten.
Keine Erzieherin hat eine Idee dazu, keine Polin kennt das Wort, keine Portugiesen scheinen es jemals gehört zu haben. Sämtliche Eltern sind ratlos. Aber für ein ganzes Kinderrudel, das gar nicht einmal so klein ist, scheint es eine ganz gewöhnliche Vokabel zu sein. Zur Herkunft macht allerdings niemand eine sinnige Angabe, und wenn man die Kinder nach der Sprache fragt, dann gibt es dazu sehr viele Meinungen, fast so viele, wie es Nationalitäten im Kindergarten gibt.
Es lässt mir keine Ruhe. Hat jemand eine Idee? Türkisch und Indonesisch wären noch naheliegende Optionen, ebenfalls Rumänisch, Russisch, Spanisch und Persisch. Und bestimmt auch noch Sprachen, auf die ich gar nicht komme.
September 10, 2012
Auf dem Arbeitsweg
September 9, 2012
September
Die große Kindergeburtstagsindianerparty liegt hinter uns und hat fast keine Spuren hinterlassen. Sohn II möchte nicht mehr ohne Cowboykostüm aus dem Haus gehen und Sohn I möchte jetzt gerne ein Pony zu seinem Indianer-Outfit, aber sonst – alles wieder ruhig. Ich gehe davon aus, dass die Herzdame und ich schon in wenigen Wochen fast vollständig erholt sein werden. In etwa rechtzeitig zu Weihnachten also.
In diesem Zusammenhang noch ein Dank für die anonymen Geschenksendungen, das wurde hier alles mit großer Freude aufgenommen. Tatsächlich hat das Publikum dieses Blogs gar nicht unerheblich zu den Geburtstagen beigetragen, ich finde das ganz wunderbar. Und die Jungs finden das natürlich noch viel wunderbarer und sagen jedesmal, ich soll danke sagen, da mit dem Computer, mit dem ich auch sonst mit den Leuten rede. So: Danke.
Und nun, wo der Sommer in wenigen Tagen abdanken und kopflos aus dem Land flüchten wird, wo alle Ausflüge gemacht und alle Urlaubstage verbraten sind, nun wollen wir einmal sehen, ob einem indoor, wie wir trendigen Menschen in den Zentren der Großstädte zu unseren Wohnzimmern sagen, auch noch irgendwelche Themen einfallen.
September 6, 2012
Auf dem Arbeitsweg
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