Maximilian Buddenbohm's Blog, page 400
November 15, 2012
Der Rest von Hamburg – Sonderausgabe -
Immer schön, wenn eine Idee um sich greift: Anne Schüßler hat hier angefangen, “Der Rest von…” für das Ruhrgebiet umzusetzen. Das könnte natürlich eine gewisse Größe entwickeln, wenn die Zahl der Einwohner mit der Zahl der Blogger korreliert.
Und Hamburg als Weltstadt kann man natürlich weiträumig definieren. Außerdem kennen wir alle uns, wenn wir ehrlich sind, südlich der Elbe mal so gar nicht aus, deswegen folgt hier ein Gastbeitrag über Karlsruhe. Das liegt meines Wissens allerdings schon nicht mehr zum HVV-Großbereich. Was bedauerlich zu sein scheint.
Der Rest von Hamburg – Karlsruhe
Ein Gastbeitrag von Señor Rolando.
Der gemeine Hamburger bewegt sich nicht südlich der Elbe. Ich verstehe das. Manche Dinge gehören sich einfach nicht. Man muss schließlich wissen, wo man hingehört. Es gibt Grenzen. Irgendwo muss auch mal Schluss sein. An der Elbe zum Beispiel. Ich verstehe das. Und rede heute trotzdem mal über diese Gegend auf der anderen Seite. Südlich der Elbe. Karlsruhe, um genau zu sein.
Karlsruhe? Wo liegt das überhaupt? Und warum will man da hin?
Ersteres habe ich mich früher auch gefragt. Ich meine, jetzt mal ehrlich: Wer kennt das schon? Vom Hörensagen, ja klar. Karlsruhe gibt’s. Sicher. Irgendwo da draußen. Falls es Ihnen auch so geht, helfe ich jetzt gern mal aus: Karlsruhe liegt in den Südstaaten. Und relativ zentral zwischen der Ostsee, dem Atlantik und dem Mittelmeer. Das macht es zwar nicht direkt zu einem Küstenort, aber es ist immer wieder beruhigend, die Wahl zu haben, wenn man doch mal Wasser sehen möchte.
Es bleibt die andere Frage: Warum will man da hin? Die habe ich mir auch gestellt. Damals, als ich hierher gezogen bin. Aus Uhlenhorst war das. Also von nördlich der Elbe. Und was soll ich sagen? Die erste Werbung war gleich eine der besten: Hier unten ist schlicht und ergreifend das Wetter viel besser. Klingt einfach, ist aber so. Denn auch wenn das mit dem sagenumwobenen Dauerregen in den meisten Hamburger Stadtteilen grober Unfug ist: Sonne gibt’s im Norden tatsächlich wenig und verdammt frisch ist es dort oben meistens ebenfalls. Das ist hier in den Südstaaten anders. Wir haben nicht nur (gefühlte) zehn Grad mehr auf dem Thermometer, sondern wir haben dabei auch noch strahlenden Sonnenschein. An (ebenfalls gefühlten) 400 Tagen im Jahr. Was will man mehr?
Die Gegend, natürlich. Denn wir wissen doch alle: Lage ist alles. Ich sage nur Strandauswahl. Und das zweite Argument, mit dem ich damals von diversen Leuten in den Süden gelockt wurde, war: Hier gibt es nicht nur prima Autobahnen, sondern man ist auch noch sehr schnell in Frankreich. Wie großartig ist das denn? Einer der glasklaren Vorzüge der Gegend hier ist, dass man ganz schnell wieder weg kommt.
Dabei muss man das gar nicht unbedingt. Denn für die adäquate Versorgung mit allem, was man zum alltäglichen Leben braucht, ist in Karlsruhe hervorragend gesorgt. Als ich das letzte Mal durchgezählt habe, gab es hier beispielsweise sieben Brauereien. Eine wurde kürzlich abgerissen, eine andere habe ich möglicherweise schlicht übersehen. Die Größenordnung kommt somit auf jeden Fall hin. Dann gibt es mehrere Röstereien für den frischen Kaffee am Morgen. In einer davon decke ich mich selbst regelmäßig ein. Und was soll ich sagen? Das Zeug ist so gut, man kann’s nicht nur am Morgen sondern auch den Rest des Tages noch wunderbar trinken. Außerdem gibt es einen alten, zum Kreativpark umfunktionierten Schlachthof. Das gibt Flair, man macht sich keine Vorstellungen. Gleich nebenan liegt nämlich auch eine Hochschule für Musik. Das hat doch auch nicht jeder. Und als ob das Maß damit nicht voll wäre: Eine Hochschule für Gestaltung gibt es auch noch. Das macht quasi zwei Kunsthochschulen. Darum beneidet uns sogar einer der Vororte, Mannheim heißt der. Zumindest hat deren Bürgermeister es auf einer Mannheimer Ausstellungseröffnung kürzlich angeprangert: Keine Kunsthochschule in Mannheim, gleich zwei in Karlsruhe. Das ist schon ganz schön toll hier. Wirklich wahr. Da könnt Ihr ruhig mal vorbei kommen, Euch das angucken. Es lohnt sich. Neben einer der beiden gibt es als Bonus oben drauf übrigens noch das ZKM. Es ist ein Museum. Und zwar ein ganz tolles. Voll mit Kunst und Medientechnologie, darum heißt es wohl auch so. Das Beste daran ist: Es macht Spaß, dorthin zu gehen. Man kann nämlich nicht nur gucken, sondern vielfach auch interagieren. In einem Museum! Hier bei uns in Deutschland. Gleich südlich der Elbe. Das ist so großartig, man glaubt es kaum.
Unmögliche Mietpreise können wir übrigens auch. Wer also wirklich mal aus St. Georg heraus möchte, dabei aber nicht zu beliebig vielen Veränderungen bereit ist: Kommen Sie hierher, nach Karlsruhe. Unsagbar hohe Mieten für respektabel schlecht sanierten Wohnraum können wir bieten. Was sich natürlich trotzdem lohnt. Denn egal, welche Anschrift man sich hier aussucht: man wohnt immer quasi direkt im Zentrum. Ganz leicht hat man dabei sogar das Schloss mit im Blick und sowohl Schloss- als auch Botanischen Garten direkt vor dem eigenen Haus. Das sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch noch sehr pflegeleicht. Denn das (städtische) Personal kümmert sich hervorragend um beide Gärten. Hier ist die Welt noch in Ordnung.
Tja, was soll ich sagen? Das Wetter ist große Klasse. Man kann strandtechnisch zwischen drei Meeren wählen und ist ruck zuck in Frankreich, um Feinkost einzukaufen. Die lokale Versorgungslage ist prächtig und zu sehen gibt es auch etwas. Welche Gegend kann das schon alles auf einmal bieten? Also, liebe Hamburger: Wir sind hier nicht einfach nur südlich der Elbe, wir haben Südstaatenflair. Ganz klar.
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Der Rest von Hamburg (9) – Altona
Herr Bertling über Altona. Altona Nord. Oder wie auch immer. Jedenfalls mit allem.
Der Rest von Hamburg in der Übersicht
Ich habe hier mal eine Seite angelegt, auf der alle Artikel zu dem Thema gelistet sind, das wird dann laufend weitergeführt.
Das fängt ja grandios an! Von wegen Blogs bringen nichts mehr, ich freue mich, wie das alles lebt und blüht. Wunderbar. Wenn noch jemand möchte – die Runde ist offen für alle. Im eigenen Blog oder hier, die Übersicht führt in jedem Fall alles zusammen. Und noch einmal, es spricht überhaupt nichts dagegen, einen Stadtteil mehrfach vorkommen zu lassen, ich fände das sogar besonders reizvoll. Es werden ja keine zwei Menschen dieselbe Meinung von einem Stadtteil haben.
Der Rest von Hamburg (8) – Eißendorf
Ein Gastbeitrag von Midsommarflicka über Eißendorf, das ist so eine der Gegenden, von denen ich wirklich nicht die allerleiseste Ahnung habe.
Eißendorf – das klingt in den Ohren des Herrn Buddenbohm also richtig exotisch. Und wenn man dann erklärt, wo das liegt, dann finden das noch viel mehr Hamburger exotisch. Es liegt nämlich auf der anderen Seite der Elbe, also auf der falschen. Da wo für viele gar kein Hamburg mehr ist. Aber hier ist noch Hamburg. Sagt auch der Aufkleber auf meinem Personalausweis. Und wikipedia.
Wikipedia erklärt uns dann weiter, dass der Stadtteil zum Bezirk Harburg gehört – es gibt aber auch noch einen Stadtteil Harburg. Die Übergänge zwischen den beiden Stadtteilen sind da fließend und das ist in diesem Fall auch nicht so wichtig. Wichtiger hingegen ist die Abgrenzung zu Heimfeld, das auf der anderen Seite angrenzt, das ist nämlich der falsche Stadtteil. Da will man nicht wohnen. Und mitten auf diesen Grenzen zwischen den drei Stadtteilen liegt die Technische Universität, so ein bisschen im Niemandsland. Dort tummeln sich über 5000 Studenten, 100 Professoren und werweißwieviele weitere Angestellte und Mitarbeiter. Einer dieser über 5000, man ahnt es, bin auch ich – jedenfalls zur Hälfte. Und deswegen wohnt es sich hier so praktisch: zwei Bushaltestellen weiter oder eben 10 – 20 Minuten Fußweg, je nachdem auf welche Seite des Campus man muss.
Aber es ist nicht nur praktisch hier in unserem Stadtteil…
Zu meinem Einzug vor zwei Jahren gab’s von der Wohnungsgenossenschaft ein Infoblättchen mit Stadtteilinfos dazu. Dort wird das erwähnt, was hier wirklich als erstes auffällt, wenn man von Harburg zu uns hochfährt. Ja, richtig gelesen: Hoch fährt. Wir haben hier ja schließlich die Hamburger Berge (der Süddeutsche darf jetzt gern kurz lachen) und damit auch viel Wald zum wandern, Rad fahren, Rodeln und Ski fahren (so verspricht es das Infoblättchen!). Dort, wo die Hamburger Berge dann wirklich anfangen, dort ist dann auch schon Niedersachen, aber immer noch Harburg. Das mit Harburg, das ist wirklich etwas kompliziert, ich gebe es zu. Aber nach zwei Jahren hab ich es eigentlich verstanden.
Zwischen uns und Niedersachsen liegt dann noch das Göhlbachtal – der alte eigentliche Kern des Dorfes und jetzigen Stadtteiles, noch mit alten Fachwerkhäusern, überhaupt mit (großen) Einfamilienhäusern und noch mehr Bäumen und überhaupt sehr hübsch.
Eißendorf ist wirklich hübsch und nett.
So nett, dass sich hier auch die Bruchpiloten des 11. Septembers wohlfühlten.
Nunja… Wechseln wir lieber das Thema und schauen, was das Infoblättchen weiter verspricht:
Kioskkultur!
Oh ja. Auf alltäglichen Wegen laufe ich allein an drei allgemeinen Kiosken vorbei und an mehreren polnischen, indischen, türkischen, russischen Kiosken und Lärchen vorbei. Die fremdländischen Lärchen wechseln gefühlt allerdings auch alle drei Monate und ich bin nicht sicher, ob die wirklich schließen und dann neue eröffnen oder ob die alle so gern Bäumchen-wechsel-dich spielen.
Oberhalb und neben der Kioske sind dann die vielen Mehrfamilienhäuser (wir befinden uns jetzt im südlichen Eißendorf…). Der Großteil dieser Häuser wurde im Krieg zerstört und später wieder aufgebaut, spätestens an jedem zweiten, dritten Haus befindet sich eine der großen Sandsteinplaktten, die das bezeugen.
Aber ein Großteil dieser Häuser ist dafür aus architektonischer Sicht etwas Tolles: Sie entstammen der Zeit des Neuen Bauens und damit einer verwandten Stilrichtung des Bauhauses.
Ich nenn mein Wohnhaus sonst auch einfach liebevoll “verklinkerter Betonklotz, aber immerhin verklinkert und mit viel Garten und Bäumen im Innenhof!”.
Auch wenn sich viele lustig machen und mich veralbern, weil ich südlich der Elbe wohne: Ich hab’s hier wirklich ganz nett und hübsch. Und zum Hauptbahnhof braucht man übrigens auch nur 16 Minuten. Das ist immerhin 10 Minuten schneller als von Blankenese aus – und das ist schließlich für alle auch noch Hamburg.
(Und ich muss nur zu einer meiner beiden Universitäten pendeln, was auch ganz nett ist. So gern ich auch S-Bahn fahre…)
Der Rest von Hamburg (7) – Osdorf
Ein Gastbeitrag von der Wiesenraute.
Es war ein nur halb freiwilliger Umzug und ein Kulturschock obendrein – von Berlin-Friedrichshain nach Hamburg-Osdorf, in eine Straße namens Wiesenrautenstieg. Mein Blog handelte ungefähr anderthalb Jahre lang davon, wie es war, die Welt vom Wiesenrautenstieg in Hamburg-Osdorf aus zu betrachten, aka The Village of Os.
Das Village ist literarisch nicht ganz unbeleckt, denn es spielt eine bedeutende Rolle in Brigitte Kronauers Roman Teufelsbrück, wo es nicht zuletzt wegen seiner überaus einfallsreichen Straßenbenennung Erwähnung findet:
“Oft sind Leute aus Gegenden, die Straßen ausschließlich mit Dichter-, Musiker-, Malernamen aufweisen, besonders stolz auf ihre Adresse. Was wird man sich aber vorstellen unter einem Gebiet, wo auf engstem Raum das Straßennetz allein Flora in bürokratischer Beschwörung huldigt: Stiefmütterchenweg, Geranienweg, Akeleiweg, Wiesenrautenstieg, Löwenzahnweg, Kamillen-, Kornraden-, Kornblumen-, Schaumnelken-, Lupinen-, Rittersporn-, Johanniskraut-, Taubnessel-, Pelargonien-, Eisenkrautweg und Mohnstieg? Ein Stellvertreter des himmlischen Mille-fleurs-Gartens, allerdings mit penetrantem Kleingartenaroma?”
Hamburger Hafen, Speicherstadt, Schanzenviertel, Övelgönne – alles schön und gut. Man möchte sich nicht beklagen, wenn die Hamburg-Touristen an diese Orte zuerst eilen und in den Wiesenrautenstieg zuletzt. Aber auch Hamburg-Osdorf hat seinem Touristen einige Perlen der Hochkultur zu bieten. Der gequälte Tourist steht sogar vor der Wahl: Möchte er lieber bedeutende Bauwerke besichtigen oder bedeutende Grünflächen? Für den Architektur-Interessierten bietet das Village erstens den Heidbarghof in der Langelohstraße und zweitens die Osdorfer Mühle in der Osdorfer Landstraße 142. Diejenigen, die sich eher für die Natur interessieren, besuchen den Botanischen Garten oder die Wiesen der Osdorfer Feldmark, die sich zwischen Schenefeld, Osdorf und Iserbrook erstrecken. „Beide Grünflächen“, so verkündete der entsprechende Wikipedia-Artikel vor fünf oder sechs Jahren in einer Mischung aus Sachlichkeit und Stolz, „sind für die Verhältnisse eines Stadtteils in einer Millionen-Metropole als groß zu bezeichnen.“
Damit das Village of Os besser von den umliegenden Stadtteilen zu unterscheiden ist, leistet es sich ein paar topografische Besonderheiten, die das Straßenbild unverwechselbar machen. Zum Beispiel sind dort viele Bürgersteige nicht gepflastert. Das ist an sich nicht tragisch, nur bei Regen verwandeln sie sich leider in schlammige Saumpfade, weshalb man die Dörfler bei nassem Wetter auf den Straßen spazieren sieht.
Des Weiteren gibt es keine Radwege, sondern nur kombinierte Rad-Fußwege. Auf denen kommt man mit dem Fahrrad viel weniger schnell voran als auf der Straße. Fährt man auf der Straße, wird man empört angehupt. Fährt man auf dem Gehweg und versucht, die Fußgänger aus dem Weg zu klingeln, lassen die sich das erstaunlicherweise gefallen. Sie treten anstandslos zur Seite anstatt wie die Berliner eine Schimpfkanonade zum Thema „Radfahrer haben auf Bürgersteigen nichts zu suchen“ loszulassen, und dem Radfahrer bleibt nichts anderes übrig, als sich dafür auf das Höflichste zu bedanken.
Und noch so eine Sache. In Berlin ist das unter aller Würde, im Village of Os alltägliche Praxis: Hundebesitzer, die mit Schäufelchen und Tütchen der Verkotung des Dorfes entgegenwirken, indem sie die Häufchen ihres lieben Viehs sorgfältig einsammeln und im öffentlichen Mülleimer entsorgen. Große Tütchen für große Hunde, kleine Tütchen für kleine Hunde. In Berlin gilt: Wer nicht nach unten guckt, wird stinken. In Hamburg-Osdorf nicht.
Dennoch blickt man im Village gelegentlich eifersüchtig hinüber nach Ottensen. Nicht weil dort das Leben tobt, nicht wegen der Kneipen, der Restaurants, der Zeise-Kinos, der Fabrik, der vielen interessanten Menschen auf den Straßen, nein. Auch nicht wegen des Poloniums, das dort im Dezember 2006 gefunden wurde, und das die Ottenser zu Mitwirkenden in einem mysteriösen weltumspannenden Kriminalfall machte. Der Grund sind die Sonntagsbäcker, die es dort an jeder Ecke gibt und im Village nicht. In Osdorf marschiert man sonntags um neun eine Viertelstunde lang den Blomkamp hinunter, nur um festzustellen, dass die Trinkhalle, die dort blasse Teiglinge in einem verdächtigen Elektro-Ofen erhitzt, restlos ausverkauft ist. Vielleicht muss das so sein in einer Gegend, wo ausschlafen bedeutet, bis sieben im Bett zu liegen.
Das klingt alles kleinbürgerlich-spießig, aber dann gibt es auch noch den Osdorfer Born („Osdorfer Born steht für Hass und Zorn“), eine Plattenbausiedlung, in der im Jahr 2007 eine Mutter ihr neugeborenes Baby aus dem zehnten Stock schmiss. Das Elbe-Einkaufszentrum muss man auch nicht um jeden Preis gesehen haben, auch wenn ich dort öfter war, weil sich neben einem Geldautomaten der Hamburger Sparkasse BookCrossing-Bücher finden ließen.
Inzwischen wohne ich ganz woanders, wirklich dörflich, wo es normal ist, dass Bürgersteige nicht gepflastert sind und sich Radfahrer und Fußgänger Wege teilen. An Hamburg-Osdorf denke ich mit Unbehagen zurück und bin froh, dort nicht mehr wohnen zu müssen. Penetrantes Kleingartenaroma eben. Leider hat das meine Wahrnehmung von Hamburg insgesamt ein bisschen getrübt. Wenn ich noch mal nach Hamburg ziehen müsste, dann in die Zentralbibliothek am Hühnerposten. Da war ich immer gerne.
Der Rest von Hamburg (6) Meiendorf/Duvenstedt/Volksdorf
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach über den Nordosten. Mit Zipfel.
Der Rest von Hamburg (5) – Meiendorf und Volksdorf
Sven Dietrich über Meiendorf und Volksdorf , aber nicht über Rahlstedt.
Der Rest von Hamburg (4) – Alsterdorf
Ein Text von Mellina hier.
November 14, 2012
Der Rest von Hamburg (3) – Blankenese
Ein Gastbeitrag von Kiki.
Von zwei Stadtteilen Hamburgs hat wohl auch jeder Nicht-Hamburger schon einmal etwas gehört: St. Pauli und Blankenese. Beides sind Elbvororte, und das ist noch nicht ihre einzige Gemeinsamkeit. Aber über St. Pauli darf sich gern jemand anderes auslassen. Hier geht’s um Blankenese, wo ich Ende der 70er/Anfang der 80er das Pech hatte, auf das Gymnasium in der Kirschtenstrasse gehen zu müssen.
Blankenese liegt im Westen Hamburgs und wird im Süden von der Elbe, im Südosten von Nienstedten, im Westen von Rissen und im Nordosten grob gesprochen von Sülldorf und Iserbrook begrenzt. Wer mit dem Auto von der Innenstadt aus über die Elbchaussee kommt, durch die große S-Kurve mit der ehemaligen Hasselmann’schen Villa und heutigen Elblounge auf der rechten und dem Hirschpark auf der linken Seite, befindet sich ab der großen Kreuzung an der Esso-Tankstelle offiziell in Blankenese.
Wirklich „im Dorf“ ist er jedoch erst etwa zwei Kilometer weiter, nämlich am Ende der Elbchaussee. Dort sucht er dann einen Parkplatz und stellt fest: draußen, in den Vororten, scheint das genauso ein Problem zu sein wie im tiefsten Eppendorf. Gar nicht mal wegen der vielen SUV, denn Blankeneses Kern ist das Treppenviertel. Da kommt man nur zu Fuß durch und drum herum gibt’s ein Gewirr von Einbahnstraßen und Anliegerparkplätzen und es gibt nicht einmal illegale Parkplätze. (Protipp: das Auto auf dem Parkplatz der besagten Essotankstelle abstellen und zu Fuß den Mühlenberg runter und den Elbwanderweg nehmen.)
Das Klischee vom feinen, reichen Blankeneser enthält, wie jedes Vorurteil, ein Körnchen Wahrheit. Inzwischen muss man vielleicht nicht reich, aber doch recht wohlhabend sein um in Blankenese zu wohnen. Vorausgesetzt, man findet überhaupt eine Wohnung. Mitunter scheint es, Blankenese verfüge über mehr Maklerbüros als Wohnungen. Das Zentralorgan der Blankeneser, der einmal monatlich erscheinende „Klönschnack“ ist voll von entsprechend empörten Leserbriefen und erhellenden Kleinanzeigen, die den Einwohnern wahlweise ein silberhelles Lachen oder ratloses Kopfschütteln entlocken („Akademikerpaar mit 2 Kindern, Hund und gutgehender Zahnarztpraxis sucht zur Miete Haus mit Garten oder 4-Zi-Wohnung mit Sonnenterasse in Blankenese, bis 5.000€ warm“).
In der Haupteinkaufsstrasse, der Blankeneser Bahnhofsstrasse, wechseln sich heute Bäcker und Makler ab; offenbar sind das die einzigen, die sich die Wahnsinnsladenmieten noch leisten können. Vom gesunden Einzelhandelsmix hat man sich ab etwa 1990 verabschiedet. Früher gab es hier wirklich alles, und zwar in kleinen, feinen, meist inhabergeführten Geschäften. Heute finden sich hier neben dem Kino mit seinen zwei Sälen mit je ca. 100 Plätzen und Filmen der Gattung Arthouse noch ein paar wenige schickere Klamottenläden für Leute, die 350 € für ein Paar Mokassins nicht weiter erwähnenswert finden.
Ausserdem gibt es noch ein wirklich fabelhaftes italienisches Restaurant namens Dal Fabbro. Hier war der Blankeneser Zeichner Horst Janssen schon gern zu Gast und hat gelegentlich die Zeche mit einem spontanen Meisterwerk bezahlt; dafür hat er durchaus auch mal eine der gestärkten weißen Stoffservietten als Leinwand benutzt. Die meisten dieser Bilder, die gerahmt an den Wänden hingen, wurden jedoch schon vor Jahren bei einem Einbruch geklaut.
Es folgen die Franchise-Ketten: Douglas, Arko, Butter Lindner, Edeka, Ryf, weiter ein paar Apotheken, Brillenläden, besagte Bäcker und Immobilienmakler. Das Finanzamt ist weggezogen aus dem großen Haus im Park, das Einwohnermeldeamt und die Stadtteilbücherei sind auch weg aus der schönen Villa im anderen Park. Immerhin gibt es noch das schauerlich-schmutzige Freibad im Hessepark, in dem wir Schulkinder schwimmen lernen sollten und dessen düstere Umkleidekabinen mir wahrscheinlich noch in vierzig Jahren fiese Flashbacks bescheren werden.
Am unteren Ende, am Marktplatz, gibt es dann noch Blume 2000 neben einem italienischen Eiscafé. Der Markt ist zwar okay, aber überteuert, recht langweilig in der Zusammenstellung und wahrlich kein Grund für einen Ausflug; dazu begebt Euch lieber auf den Goldbekmarkt in Winterhude, den Isemarkt in Eppendorf oder den Turmwegmarkt in Rotherbaum. Da ist das Publikum zwar jeweils genauso snobby, aber gemischter (besonders auf dem Goldbekmarkt) und internationaler und das Angebot ist tausendmal vielfältiger. In Blankenese ist man nicht so wirklich weltoffen und experimentierfreudig. Man ist Fremden gegenüber auch nicht ganz so aufgeschlossen. Das Motto des Methusalix könnte auch das Blankeneser Motto sein: „Ich habe nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden da, die sind nicht von hier!“
Am Bahnhof gesellen sich noch Starbucks, ein Vodafoneladen und Bücher Heymann hinzu. Es gibt also keinen Grund nach Blankenese zu fahren, zumindest nicht zu Einkaufszwecken. Die Blankeneser selbst fahren zum Einkaufen gerne in die Stadt oder ins EEZ (Elbe-Einkaufs-Zentrum), das wirklich niemand dort „Elbe“ nennt, denn das „Elbe“ ist das Programmkino auf der Osdorfer Landstrasse und nicht das Einkaufszentrum, egal was die Werbung sagt. Sie fahren auch nach Alt-Osdorf, wo es den nächstgelegenen Aldi hat, denn den Blankeneser Aldi am Ende der Elbchaussee gibt es schon lange nicht mehr. Da wohnt jetzt ein Netto oder Plus oder sowas, wo man jedenfalls nicht hingeht.
Nein, der Charme Blankeneses liegt tatsächlich im Treppenviertel begründet und am besten nähert man sich dem Dorf auch von der Wasserseite aus. In der Saison fahren die Hadag-Dampfer von den Landungsbrücken aus die Elbe runter bis nach Stade und legen u.a. auch in Blankenese an. Dort, vor den Toren des Blankeneser Segelclubs, dem man zwecks Flugzeugbaus gegenüber das Revier im Mühlenberger Loch dichtgemacht bzw. arg minimiert hat, steigt man aus, staunt über den sauberen Elbstrand und begutachtet den dicht bebauten Hang, der an sonnigen Sommertagen mit seinen Geranien und dem Bougainvillea an Italien erinnert und über dem das Süllbergestaurant mit seiner Sterneküche thront.
Die Häuser im Hang sind oft ehemalige Kapitänshäuser, kleine Schmuckkästchen, gelegentlich mit Reetdach versehen, einem winzigen Garten hinterm und einer kleinen Bank vorm Haus, auf der nicht selten eine Katze liegt. ‚Wer hier lebt, wohnt in der Kitschpostkarte‘ denkt man sich, während man die Treppen hinaufschnauft und unbeabsichtigt anderen Touristen durch das Kitschpostkartenfotomotiv latscht.
Man fragt sich unwillkürlich, wie die wohl einkaufen hier, Getränkekisten zum Beispiel (die meisten lassen liefern, per Sackkarre, mit Aufschlag und Trinkgeld). Oder wie die hier ihre Post kriegen (per recht fitten Briefträger) und ob es nicht entsetzlich lästig ist, dass man keinerlei Privatsphäre hat. Wahrscheinlich können die Blankeneser nur müde lachen über die Datenschutzdebatte: Jedes Stöhnen, ob aufgrund sexueller Aktivitäten oder tödlichen Männerschnupfens lässt in der Nachbarschaft keine Fragen offen. Es gibt auch wirklich erstaunlich viele Familien mit Kindern, gerne auch drei oder mehr. Das vermutet man ja sonst eher auf der anderen Elb- bzw. Einkommenseite, in Wilhelmsburg oder so; die Blankeneser sind wirklich redlich bemüht, nicht auszusterben. Aber hübsch haben sie’s hier, keine Frage.
Ich wohne dennoch lieber in Nienstedten. Darüber erzähle ich dann das nächste Mal.
Der Rest von Hamburg (2) Dulsberg
Ein Beitrag von Littlejamie – hier.
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