Maximilian Buddenbohm's Blog, page 399
November 19, 2012
Mein Medien-Menü
Ich habe drüben bei Christoph Koch ein wenig über meine Mediennutzung geschrieben. Hier entlang, bitte.
November 18, 2012
Der Rest von Hamburg (15) Update mit Hamm, Hoheluft und Seevetal.
Die Übersichtsseite blüht, wächst und gedeiht, ich habe hoffentlich alle Uodates und Pingbacks erwischt. Wenn nicht, gerne melden. Anke Gröner ist neu dabei mit einem Liebestext zu Hoheluft und in Nachbars Garten wuchs etwas zu Seevetal, dem Siedlungsbrei da irgendwo im Süden.
Und hier folgt noch ein Gastbeitrag vom Wirtschaftsjournalisten Oliver Driesen mit bemerkenswerten Statements zu Hamm:
“Ich will nicht angeben, aber ich lebe in Hamm. Hamburg-Hamm. Fragt mich nicht, wie ich es damals, vor zehn Jahren, geschafft habe, diese Genossenschaftswohnung zu bekommen, groß genug für Mann, Frau und – wie sich herausstellen sollte – zwei Kinder. Es gibt eben Menschen, die fallen mit dem Arsch voran ins pralle Glück.
Hamburg-Hamm. Ja, genau der sagenumwobene Glamour-Stadtteil für die Hardcore-Bohème, drei U-Bahn-Stationen östlich vom Hauptbahnhof. Standort der berühmten Ballettschule von John Neumeier. Standort des allerersten, legendären Ur-Café May, und das auch noch in meinem Rotklinkerblock, wo auch der Café-Gründer hauste. Statt in einem der anderen 500 Rotklinkerblocks. Bis er in anderen Ecken Hamburgs so viele weitere Café May geklont gegründet hatte, dass er vor Geld nicht mehr laufen konnte und wegziehen musste. Vielleicht in einen von diesen Langweiler-Stadtteilen links der Alster, Eppendorf oder Pöseldorf oder Blankenese, was weiß ich, der Ärmste.
Hamm, das man auch das Hollywood des Ostens nennt, seit hier im vergangenen Sommer die blutigsten Teile des wunderbaren Kinofilms „Banklady“ gedreht wurden, weshalb der alte Türken-Supermarkt Ünüvar gegenüber von meiner Wohnung zur 60er-Jahre-Bankfiliale umdekoriert wurde. (Unser dauerhaftes Stadtteil-Design verbilligte die Kulissenbauten.)
Hamm, wo Kristian Bader seine legendäre Baderanstalt unterhält und bizarre Konzerte, Lesungen (auch ein Herr Buddenbohm soll dort schon zu Gast gewesen sein) oder Trinkgelage veranstaltet. Und wo Buchhändlerin Elke Ehlert von „Seitenweise“ den Stadtteil mit Volksbildung überzieht, ob er will oder nicht. Arno Schmidt mag drüben in Borgfelde geboren sein, wie Isa schreibt. Sein größtenteils unverständliches, unles- und -verfilmbares Werk aber schuf er bei uns. Genauer gesagt, übrigens eine bemerkenswerte Parallele zum Nachbarstadtteil: in Unten-Hamm.
Ich dagegen wohne in Oben-Hamm. Was bei Isa in Borgfelde erst zaghaft anfängt, nämlich dass die eine Wohngegend etwas höher liegt als die andere, das erlebt man erst bei uns, zwei Kilometer weiter, in seiner ganzen sozial brisanten Konsequenz: Oben-Hamm liegt auf dem Geestrücken, an die zehn Meter höher als der Teil, auf den wir herabblicken. Weil wir nämlich die Gewinner der letzten Eiszeit sind: Damals schob sich die Endmoräne nur bis zur Hammer Dreifaltigkeitskirche. So was kommt von so was her, aufgestanden, Platz vergangen.
Ach, die Dreifaltigkeitskirche. Das gibt es ja auch in ganz Hamburg nicht noch mal. Eine Architektur wie Alpha (Turm) und Omega (Kirchenschiff). Sensationell. Muss man gesehen haben. Auf dem Kirchhof ein überwucherter Grabstein mit Totenschädel-Relief, in den eingraviert steht: Lernet Sterben! Und innen – in der Kirche, nicht im Grab – wirkt Diemut Kraatz-Lütke, das Kirchenmusikgenie. Meine Frau singt da auch im Chor, und ich will schon wieder nicht angeben, aber Diemut holt aus allen das Letzte raus. Ihr Chor HAMMonie hat über die Grenzen Volksdorfs und Bahrenfelds hinaus einen Ruf wie Donnerhall, und das meine ich ernst. Gerade erst kürzlich wieder dieses dreistündige Mendelsohn-Oratorium – ich hatte ja leider Rücken und musste raus, schade.
Hamm verdanke ich die kathartische Erfahrung, dass man Kultur oder Schönheit oder Inspiration viel toller findet, wenn man sie mit der Lupe suchen muss. Für jüngere Leser: Stellt euch vor, jemand verurteilt euch zu drei Wochen Facebook-Entzug – und dann schmuggelt euch einer für fünf Minuten ein Smartphone in die Zelle.
Ich werde aber den Teufel tun und Hamm weiter preisen. Sonst wollt ihr alle hier hin. Und dann ist nix mehr mit bezahlbaren Mieten, das geht ja jetzt schon los. Also bleibt, wo ihr seid! Ihr mögt doch keinen Rotklinker, keine Sozialrentner, keine Rollatoren und Quartalstrinker. Keine muffeligen Änderungsschneidereien und keine Fahrschulen, die „Fahrszination“ heißen. Ihr mögt es auch nicht, auf manchen aufgewühlten Wegen immer noch verkohlte Knochenstückchen zu finden vom Feuersturm, anno 1943.
Ganz toll szenig, habe ich gehört, soll es ja in der Schanze und im Karoviertel sein. Bitte zieht da hin, lärmt und dreckt alles voll und macht einen weiten Bogen um mein Hamm. Danke!”
November 17, 2012
Der Rest von Hamburg (14) – Sankt Pauli
Ein Gastbeitrag vom Medienlotsen Jan Crode.
Resterampe St. Pauli
St. Pauli ist das Amerika des deutschen Provinzbürgers. Hier kann er (manchmal auch mit seiner Frau im Schlepptau) Dinge sehen, die es anderswo nicht gibt oder strengstens verboten sind. Noch vor einigen Jahren hatte die Vokuhila-Meute rund um die Ritze auf dem Kiez das Sagen, doch heute essen ehemalige Luden und Polizisten gemeinsam vor der Davidwache eine Currywurst und trauern den alten Zeiten nach, als der Schneekönig Hof hielt oder Bandenstreitigkeiten per Maschinenpistole geregelt wurden.
Zum Glück ist heute alles anders, aber nicht viel besser. Wo einst Goldketten und Rolex blinkten und blitzten, röhren nun die Harleys auf und ab, der Schlagermove schaut vorbei und auch der Hafengeburtstag geht nicht spurlos am Viertel vorüber, welches sich von den Landungsbrücken im Süden bis zur Schanze im Norden zieht. Die Stadt nennt das gerne „Wohnumfeldverbesserung“, doch wer das glaubt, wird vorher ganz bestimmt selig.
Eigentlich ist über St. Pauli auch schon alles gesagt, gefilmt, gedichtet und gesungen worden: Hafen, Fußball, Dom, Riots, Elbe, Wasser usw. Was aber kaum ein Schwein kennt, ist die Rückseite der Reeperbahn. Dabei gibt es dies- und jenseits der sündigen Meile Menschen, die dort wohnen, leben, arbeiten und lieben. Und die sind nicht nur manchmal angepisst von der Disneyisierung und Gentrifizierung in ihrem Stadtteil.
Am schönsten ist es jedoch von Sonntagabend bis Donnerstag, so von 8 bis 17 Uhr. Dann grüßen sich die Bewohner auf der Straße (und das in einer Großstadt!), schnacken beim Kaufmann oder verabreden sich für die Gegengerade beim FC St. Pauli. Davor röhrt entweder die Müllabfuhr täglich durch den Stadtteil oder versprengte Clubgänger suchen lallend den Weg nach Hause. Danach fallen die Touristen aus den anderen Stadtteilen ein, um die Restaurants rund um den Paulinenplatz zu fluten und jeden nur erdenklichen Quadratzentimeter mit ihren Blechkisten zuzustellen.
Aber trotz dieses ganzen Drucks und der großen Aufmerksamkeit von außen hat St. Pauli viele Inseln, die den Stadtteil so liebenswert machen. Wer „Menschen gucken“ will, fläzt sich am besten auf die Karo-Terrasse oder legt sich unter die Metall-Palmen bei Park Fiction. Mittwochs und sonntags bietet die St. Pauli Kirche ebenfalls Gelegenheit, das äußere Rauschen mal für ein paar Minuten auszublenden.
Ja, das hört sich alles ziemlich knieselig und garstig an. Ich will auch gar nicht, dass noch mehr Leute an meine Haustür pissen oder kotzen als bisher. Bleibt ruhig weg! Feiert woanders! Gebt euer Geld nicht in St. Pauli aus! Dann, ja dann hätte der Stadtteil einmal Gelegenheit, durchzuatmen und zu sich selbst zu kommen. Ich bin mir sicher, wenn morgen alles Papiergeld wertlos ist, dann wird der Party-Hafen-Hipster-Stadtteil ganz weit vorne sein, wenn die neue Welt erfunden und gelebt wird.
Wasserstandsmeldung
Bis zum Hals, um es gleich vorweg zu sagen. Also das Wasser. Ich habe nämlich exakt bis zum 1. Januar so dermaßen viel zu tun, an jedem verdammten Tag wohlgemerkt, dass es wahrscheinlich jeden Rekord in meinem bisherigen Leben bricht. Und November/Dezember sind, wenn man ein wenig darüber nachdenkt, nicht die allerbesten Monate, um sich derart zu amüsieren, da wartet ja noch die eine oder andere familiäre Verpflichtung auf einen. Und ein paar saisonale Besonderheiten. Egal, es ist nicht zu ändern, ich verwachse mit dem Schreibtisch und mache am 2. Januar nachmittags mal ein paar Stunden frei, das ist doch eine reelle Aussicht.
Da passt es natürlich gut, nebenbei noch ein Projekt wie „Der Rest von Hamburg“ zu starten, wenn man eh schon zu nichts mehr kommt, dann kommt es irgendwann auch nicht mehr darauf an, das ist schon irgendwie folgerichtig. Und etwas Ablenkung ist natürlich auch nett, so ist es ja nicht. Ich arbeite meist von zu Hause aus, da kann man auch zwischendurch mit den Kinder spielen oder die Familie bekochen, ich will mich gar nicht weiter beschweren, die Umstände könnten wesentlich schlimmer sein.
Es gibt nun aber einen interessanten Nebeneffekt des beruflichen Stresses, mit dem ich gar nicht gerechnet habe. Denn allein die Vorstellung, keine Zeit zu haben, bringt mich auf immer mehr Ideen, zu denen ich selbstverständlich gar keine Zeit habe. Werft mir ein Stichwort hin, mir fällt eine Geschichte ein, ein Blogeintrag, ein Bild, das man machen könnte, eine Projektahnung, eine Möglichkeit – wenn ich zu normalen Zeiten auch nur halb so kreativ wäre wie jetzt, ich hätte schon zehn Bücher geschrieben und nicht nur vier.
Natürlich wird aus all dem nichts, das verpufft gleich wieder oder verelendet auf kurzer Strecke, es ist nichts als eine stressbedingte Illusion, dass ich ohne Ende sprudeln könnte, wenn ich denn könnte. Zwei, drei Ideen bleiben allerdings dennoch übrig, zwei, drei Geschichten, die ich tatsächlich mal schreiben könnte oder müsste. Eine war nur ganz kurz angedacht, im Grunde nur eine winzige Szene, aber um die richtig zur Geltung zu bringen, muss ich etwas vorweg erklären, und davor dann auch noch etwas und dann muss die Figur da natürlich eingeführt werden und die Zeit, in der es spielte und das scheint jetzt also ein längerer Bonustrack zu meinem letzten Buch zu werden. Demnächst auf diesem Sender.
Überhaupt Buch – da liegt auch noch so ein Projekt herum, daran könnte ich auch weiterschreiben, wenn ich denn könnte, und wenn ich auch wollte, was ich gar nicht weiß. Bloggen ist auch schön, warum muss es denn ein Buch sein, kein Mensch braucht noch einen Roman oder einen Erzählband, kein Mensch braucht überhaupt noch irgendein Buch. Dann denke ich wieder, dass es aber doch nett ist, so zwischen Buchdeckeln vorzuliegen, es schmeichelt selbstverständlich ganz ungemein. Und ich könnte ja, wenn ich denn könnte, einmal etwas schreiben, was von den bisherigen Büchern abweicht, etwas ernster vielleicht, etwas gerundeter, etwas langsamer. Ein Buch schreiben, das dann im Hardcover bei der Schönen Literatur steht, man braucht immer auch sportliche Ziele im Leben.
Denke ich so vor mich hin, während ich durch den Hamburger Hautbahnhof gehe. Und dann sehe ich hoch und genau über mir hängt zufällig gerade ein Plakat für ein Buch, es gibt ja auch Bücher, für die aufwändig geworben wird. Das Kulturgut Buch, es kann auch eine umsatzträchtige Ware sein, so ist es ja nicht! Man muss eben nur das richtige Buch schreiben. Und auf dem Plakat, ich weiß nicht mehr, wie das Buch hieß, steht eine fettgedruckte Werbetexterschlagzeile, ein Aufreißer, der das Buch beschreibt, und die Zeile heißt: „Steinzeit. Spannung. Starke Frauen.“
Und ich denke wieder, ach, wer braucht schon noch ein Buch.
Egal. Weiterarbeiten.
Der Rest von Hamburg (13) – Update mit Winterhude, Barmbek-Süd, Nienstedten und außerhamburgischen Lebensformen
Sibylle mit Funktionsjackenmuttis in Winterhude, Kiki über das feine Nienstedten. Eben noch reingekommen: Wilhelmsburg. Bei Anne gibt es übrigens schon reichlich zum Ruhrgebiet, Anette Göttlicher war in München tätig und da gab es auch noch einen zweiten Text, den ich gerade nicht mehr finde, bitte melden. Das greift also wild um sich, bei Isa etwa landete Dewsbury.
Und hier noch: Ein Gastbeitrag von Jule über Barmbel-Süd mit einer faszinierenden Erklärung, warum das Komponistenviertel ein Komponistenviertel ist. Wusste ich nicht.
“Ich habe überhaupt nicht die Befugnis über diesen Stadtteil zu
schreiben. Denn ich wohne hier ja nur – und das noch nicht einmal so lange.
Ich spreche von Barmbek-Süd. Ich habe mir von hier auf der Ecke
wohnenden Menschen sagen lassen: “Wenn Du möchtest, dass es wichtiger
klingt, kannst Du auch sagen, Du wohnst in Uhlenhorst.” Geografisch
betrachtet ist das falsch. Es ist Barmbek-Süd, wenn auch dicht an der
Grenze.
Wie ich bereits erwähnte, wohne ich hier noch gar nicht lang. Deshalb
kann ich mich in meinen Erzählungen auch nur auf meinen kleinen Horizont
in diesem Stadtteil beschränken, welcher sich wiederum irgendwie grob an
der südwestlichen Grenze (ja genau, die zu Uhlenhorst) befindet.
Ich zog aus Altona hierher. Genauer genommen aus
zentraler-kann-man-in-Altona-nicht-wohnen und hatte tatsächlich ein
bisschen Angst, dass ich mir hier wie ausgesetzt vorkomme. Ich hatte
Angst davor, wie es sein wird, nicht mehr aus der Tür zu fallen und das
bunte Leben vor der Tür haben. Wie das so ist, wenn man plötzlich nicht
mehr alle Geschäfte direkt um die Ecke hat. Ich zog trotzdem her, aus
unterschiedlichsten Gründen. Und was soll ich sagen: Es ist gar nicht
schlimm. Ganz im Gegenteil.
Wenn ich an einem Samstag Vormittag das Haus verlasse, weil ich schnell
zu Fuß in den nächstgelegenen Supermarkt huschen möchte, grüßen mich
meine Nachbarn auf der Straße. In der Mozartstraße, in welcher sich auch
der genannte Supermarkt befindet, gibt es einen kleinen feinen
Blumenladen, inhaberbetriebene Modegeschäfte, ein wunderschönes Schmuck-
/ Perlengeschäft und was weiß ich nicht noch alles. An sonnigen Tagen
sitzen die Inhaber vor ihren Geschäften, immer Zeit für ein kurzes
Gespräch. Familien mit ihren Kindern spazieren umher und irgendwo
dazwischen laufen einzelne Menschen, die ihren Samstagseinkauf erledigen.
Ich kann von hier aus zu Fuß zur Alster laufen. In die andere Richtung
zum Osterbekkanal. Und sogar zum Stadtpark ist es nicht weit.
Die Wohnstraßen mit ihren zum Großteil wunderschönen Altbauten sind oft
durch kleine Parks und Grünflächen verbunden. Es gibt Cafés (wie z.B.
das Café MAY in der Von-Axen-Straße), kleine Bäckereien, Blumenläden,
Kioske und so weiter.
Laut Wikipedia hat das Komponistenviertel, von dem ich spreche, seinen
Ursprung im Jahre 1877 – damals wurde die Wagnerstraße nach dem
Grundeigentümer Hans Heinrich David Wagner benannt. Dadurch, dass es in
unmittelbarer Nähe bereits eine Richardstraße gab, wurde der Eindruck
vermittelt, die Wagnerstraße habe ihren Namen vom Komponisten Richard
Wagner und so wurden weitere Straßen nach Komponisten benannt.
Nebenbei gibt es hier auch die Bartholomäustherme. Ein großes
Schwimmbad, welches wunderschön sein soll – ich war selbst noch nicht da
- kommt hoffentlich noch. Das Gebäude ist von außen schon einmal
beeindruckend.
Für Menschen, die ihre Freizeit gerne mit Einkaufen verbringen, gibt es
in fußläufiger Entfernung die Hamburger Meile und anschließend das
Mundsburg Center – kann man machen, kann man aber auch lassen. Es sind
halt große Einkaufszentren. Praktisch ist es.
Viel schöner ist es, morgens aus dem Küchenfenster zu sehen und eine
Horde Kaninchen durch den eigenen Garten hoppeln zu sehen.
Und auch wenn Herr Buddenbohm dazu neigt Barmbek als wohl
schrecklichsten Stadtteil Hamburgs zu bezeichnen, handelt es sich
zumindest beim Komponistenviertel um ein niedliches, kuscheliges,
familiäres und lebhaftes Viertel im Viertel.”
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November 16, 2012
Weihnachten vereinfachen!
Google-Suche nach “… ist das schönste Geschenk.” Die Ergebnisse von den ersten zehn Seiten. Das meiste ist recht günstig, wenn nicht sogar kostenlos, da geht was. Ich kenne zum Beispiel gleich drei Emils, da kann einer weg. Den letzten Punkt kann ich zwar nicht nachvollziehen, aber man muss ja nicht alles verstehen.
Liebe ist das schönste Geschenk
Zeit ist das schönste Geschenk
Ein Lächeln ist das schönste Geschenk
Ein Kinderlächeln ist das schönste Geschenk
Heimat ist das schönste Geschenk
Freundschaft ist das schönste Geschenk
Adrian ist das schönste Geschenk
Emil ist das schönste Geschenk
Peter ist das schönste Geschenk
Oma ist das schönste Geschenk
Eine Urenkelin ist das schönste Geschenk
Überleben ist das schönste Geschenk
Gesundheit ist das schönste Geschenk
Eine Spende ist das schönste Geschenk
Kirche ist das schönste Geschenk
Weisheit ist das schönste Geschenk
Spielen ist das schönste Geschenk
Dabeisein ist das schönste Geschenk
Ein gutes Gespräch ist das schönste Geschenk
Meine Freundin ist das schönste Geschenk
Helfen ist das schönste Geschenk
Neben Dir einzuschlafen ist das schönste Geschenk
Zukunft ist das schönste Geschenk
Besuch ist das schönste Geschenk
Der Aufstieg in die Landesliga ist das schönste Geschenk
Ein Tor ist das schönste Geschenk
Die Verbreitung nützlicher Kenntnisse ist das schönste Geschenk
Eine Organspende ist das schönste Geschenk
Quatsch machen ist das schönste Geschenk
Theater ist das schönste Geschenk
Die Liebe einer Katze ist das schönste Geschenk
Der Rest von Hamburg (12) – Barmbek Nord
Ein Gastbeitrag von Torsten W. Schneider vom Zentrifugalhafen.
Jeden Morgen um kurz vor neun Uhr verlässt die Buchhändlerin mit einem Stapel Briefe ihr Geschäft. Sie wartet kurz an der Ampel, hastet beim ersten Grün über die Straße und wirft den Packen eilig in den gegenüberliegenden Briefkasten. Dann wird es spannend, denn mit etwas Glück schafft sie es noch in derselben Grünphase wieder zurück. Jeden Morgen feuere ich sie in Gedanken an, und meistens klappt es. Dann kommt mein Bus.
Es ist ein kleiner Buchladen, und er leistet sich ein Sortiment, das weniger von Bestsellerlisten geprägt ist als von den persönlichen Vorlieben der Besitzerin. Judaika etwa oder Stadtteilgeschichte. Gegenüber, direkt hinter dem Briefkasten, wächst mit dem Quartier 21 derweil ein neues Stück Barmbek heran: Teure Eigentumswohnungen in denkmalgeschützten Villen, ebenso teure Reihenhäuser (oh Verzeihung: Townhouses) mit handtuchgroßen Gärten. Einen Biomarkt gibt es bereits, ein exklusiver Fitnessclub soll entstehen. Die Imagebroschüre spricht von Visionen und einem erwachenden Stadtteil und meint doch eigentlich nur: Geld. Verändern wird dieses Bauvorhaben den Stadtteil ganz sicher. Neben St. Pauli und St. Georg scheint Barmbek-Nord am meisten von den Gentrifizierungstendenzen betroffen. Und man ahnt, dass auch der kleine Buchladen bald hippe vegetarische Kochbücher und „50 Shades of Grey“ ins Schaufenster legen muss, um zu überleben.
Ein paar Fakten: Barmbek, im Hamburger Nordosten gelegen, wird gerne als klassischer Arbeiterstadtteil bezeichnet. Die Bebauung ist eng und überwiegend aus Backstein. Auf jedem Quadratkilometer leben hier mehr als zehntausend Menschen. Der Stadtteil ist verkehrstechnisch gut erschlossen, S- und U-Bahnen fahren in alle Richtungen, sogar per Schiff kommen Sie vom Jungfernstieg hierher, das sollten Sie unbedingt ausprobieren, Museumslinie heißt das Stichwort. In den Stadtpark schaffen Sie es zu Fuß, im Krankenhaus lassen sich prima Babies zur Welt bringen, glauben Sie mir, ich war dabei.
Fritz Schumacher, von 1923 bis 1933 Hamburger Oberbaudirektor, prägte mit seinem Konzept des „Neuen Bauens“ das Bild des Stadtteils maßgeblich: Funktionale, sachliche Architektur, zurückhaltend in der Ornamentik und auf ein harmonisches Gesamtbild ausgerichtet. In seinem 1932 erschienenen Buch „Das Werden einer Wohnstadt“ schildert er, wie aus dem ursprünglichen Bebauungsplan (ein „steinernes Meer“ nennt er ihn, einen „furchtbaren Plan“) das noch heute wahrnehmbare Konzept entwickelt wurde, mit durchgängigen Grünzügen, abgestuften Gebäudehöhen und genügend Platz für soziale Einrichtungen. Innerhalb dieser strengen Vorgaben blieben den Architekten genügend Freiheiten, um den Gebäuden einen individuellen Charakter zu verleihen, was sich etwa in Laubengängen, umlaufenden Balkonen, Zierverklinkerungen, Erkern oder Steinplastiken äußert. Geht man mit wachem Blick durch das Viertel, gerne abseits der Durchgangsstraßen, gerät man ins Staunen ob der vielfältigen Formensprache.
Und was schreibt der Hamburger Anzeiger im Jahr 1929? Folgendes: „Nord-Barmbeck ist in der Tat zu einer großen, baukünstlerischen und städtebaulichen Sehenswürdigkeit geworden, nicht nur wegen der Massen- und Fassadengestaltung der Wohnblöcke und Großwohnbauten, sondern auch wegen der großzügigen, einheitlichen Gestaltung der Straßen und Freiflächen.“ Das stimmt noch immer, trotz erheblicher kriegsbedingter Baulücken, die zum Teil nur unzulänglich geschlossen wurden. Nirgendwo sonst ist die Stadt so bei sich wie in den Backsteinvierteln von Barmbek und Dulsberg, nirgendwo sonst lässt sich der Reiz des Vorkriegs-Hamburg besser erahnen, der sich eben nicht nur in pfeffersäckrigem, stuckbesetztem Protz und Kitsch manifestierte, sondern auch in modernen und ästhetisch ansprechenden Konzepten für die einfacheren Bezirke.
Wo endet eigentlich Barmbek-Nord? Das kommt darauf an, wen Sie fragen. Der Makler wird behaupten, das Haus in Nähe des Osterbekkanals, in dem er Ihnen gerade eine Wohnung zeigt, gehöre selbstverständlich zu Winterhude. Der Anwohner des Wiesendamms erzählt Ihnen vielleicht etwas von „zwar Winterhude, aber gefühltes Barmbek“. Aus beidem spricht eine gewisse Abschätzigkeit. Wie kommt das?
Die Bewohner sind genau im richtigen Maß bodenständig. Kneipen heißen hier „Zur Ampel“, „Die Drossel“ und „Bei Janni“ und das meinen die nicht ironisch. Echtes soziales Elend gibt es kaum und auch die andere Form des Elends, das Hipstertum, trifft man erfreulich selten: In den Straßencafes sind die vereinzelten Macbooks noch echte Hinkucker. Das Museum der Arbeit steht natürlich hier und eine kleine Kabarettbühne und generell ist eine gewisse Kulturbeflissenheit spürbar: Der hiesige Flohmarkt heißt Kulturflohmarkt und das Barmbeker Bürgerhaus gibt sich redlich Mühe, die Menschen mit allerlei Kleinkunst und Stadtteilkultur-Projekten zu begeistern. Wie man hört, mit durchaus überschaubarem Erfolg.
Und überhaupt die Menschen. Mein Friseur ist Türke und schneidet mir die Haare in dreißig Sekunden. Ich übertreibe nicht. Seine Arme fliegen, die Scheren und Messer sirren, Haare fallen zu Boden, das Ergebnis ist tadellos. Auch schön: Er schneidet schweigend. Ercan mit den Scherenhänden nenne ich ihn. Der Antiquar ein paar hundert Meter weiter scheint mit seinem winzigen Laden verwachsen. Wie er abends aus seiner Bücherhöhle herausfindet, ohne die halbe Einrichtung umzuwerfen, ist mir ein Rätsel. Das kleine türkische Grillrestaurant in der gleichen Straße wird am Samstagmorgen zum Treffpunkt aller Barmbeker Müllmänner. Ein Meer aus leuchtend orangefarbener Funktionskleidung wogt durch den Raum, es wird hemmungslos und ohne Zeitdruck gefrühstückt, danach zerstreut man sich gemächlich über den Stadtteil. Ich gönne es ihnen von Herzen. Die kleine blonde Buchhändlerin, eine andere als die anfangs erwähnte, kennt und teilt meine Begeisterung für eine Handvoll Autoren. Kaufe ich ein neues Buch, fragt sie mich, wie ich das vorherige fand. So Sachen halt.
Und dann die Exzentriker. Julius S. verteilt Flugschriften, in denen er in winziger Schrift seine „Allgemeine Weltgrundauffassung“ schildert und dabei ausführlich auf die „90-Grad-Ballon-Oberflächen-Ausdehnungs-Zunahme-Richtungs-Veränderung“ eingeht. Der dicke junge Mann, den ich nie ohne Kopfhörer sehe, bellt pausenlos und bemerkenswert laut Deutschrap-Fetzen heraus, auf der Straße ebenso wie im vollbesetzten Bus. Unvergessen auch der nachlässig geschminkte Wohngebiets-Transvestit und sein trauriger Nachmittagsauftritt beim Straßenfest, während der Großteil der Anwohnerschaft bereits mit glasigen Augen ins Leere starrte.
Was ich sagen will: Es wohnt sich sehr angenehm hier. Ein Stadtteil wie ein alter Freund – er lässt einen weitgehend in Ruhe, ist aber da, wenn man ihn mal braucht. Das Leben hier ist von einer grundsoliden, unangestrengten Geschäftigkeit. Spießig? Vielleicht. Schön? Na ja. Langweilig? Sicher nicht. Teuer? Zunehmend. Deshalb, und nur deshalb, wohnen wir seit kurzem anderswo.
Berühmte Barmbeker gibt es natürlich auch. Helmut Schmidt, Ralph Giordano und Angela Merkel etwa. Aber wen interessiert das, bei soviel spannender Gegenwart?
Runter vom Weihrauchtrip
Es gab vor einiger Zeit irgendwo einen Artikel über den grassierenden Unsinn der aktuellen Klappentexte, ich weiß leider nicht mehr, wo das war. Da ging es, wenn ich es recht erinnere, um den Wahnsinn der Superlative, die dort so gerne verwendet werden. Jeder Krimi ist der blutigste, spannendste, mitreißendste Thriller, den es jemals gab, jede Liebesgeschichte ist immer die süßeste, bitterste, romantischste Erzählung von einer Beziehung überhaupt, jeder Unterhaltungsroman ist das lustigste Buch aller Zeiten. Alles ist immer mit Lametta behängt, weihrauchumnebelt und in Gold geprägt, immer gibt es zu jedem Werk Konfetti, Tusch, Jubelchöre und puschelschwingende Cheerleader. Als ob es angemessen sein könnte.
Und das betrifft keineswegs nur Klappentexte, das betrifft auch Rezensionen in den Zeitungen und natürlich auch in den Blogs, ich selbst bin keineswegs frei davon. Auch ich schwelge gerne, wenn ich etwas toll finde, auch ich schweige aber andererseits gerne, wenn ich etwas nur so mittel finde. Gut ist das vielleicht nicht, immerhin ist sehr vieles nur so mittel. Nach einem Superlativ, wenn man ihn denn ernst nimmt, kann eigentlich nichts mehr kommen, und wer kann das von einem Buch schon ernsthaft erwarten. Das ist, recht besehen, alles Unsinn. Kaum ein Buch wird tatsächlich jemals irgendeinen Superlativ verdienen.
Wo aber müssen wir sprachlich hin, um wieder korrekt zu bewerten? Ich glaube, wir sollten uns an der oft seltsam nüchternen Art der kleinen Kinder orientieren. Also meiner Kinder, vielleicht ticken andere anders, das will ich nicht ausschließen. Wenn Sohn I zum Beispiel in den Zirkus geht, dort zwei Stunden lang mit offenem Mund und selig grinsend eine Vorführung verfolgt, dabei aussieht wie das glücklichste Kind der Welt und dann hinterher gefragt wird, wie es denn war, dann sagt er: „Ganz gut.“ Das lässt Raum nach oben, das lässt Luft, da kann morgen schon der nächste Zirkus kommen und wer weiß, wie der dann ist. Vielleicht „Ziemlich gut“ oder sogar „Okay“, da ist man vorsichtig und zurückhaltend, Understatement in Reinkultur. Das wäre die eine Möglichkeit. „Wie war das Buch?“ „Okay.“
Ich glaube aber, ich werde mich doch eher an Sohn II halten, der, wie in fast jedem Aspekt, etwas drastischer als Sohn I ist, also auch in der Zurückhaltung. Er hat eine Form des höchsten Lobes gefunden, die kaum noch zu unterbieten ist, wenn man so weit unten anfängt, dann kann das Leben noch sehr, sehr viel bieten. Die höchste, die wirklich allerhöchste Wertschätzung drückt er präzise wie folgt aus:
Ich: „Ihr wart heute im Theater, was? Wie war es denn?“
Sohn II: „Gut. Ich habe nicht gekotzt.“
Das ist ein ehrliches Kompliment von ihm, das ist bodenständig und nachvollziehbar, ohne Geschwurbel und Schleimerei. Wenn ich also hier demnächst wieder über Bücher schreibe und das Lob dabei etwas spärlicher ausfällt– wundern Sie sich nicht. Ich lasse nur mehr Raum nach oben.
Der Rest von Hamburg (11) – Eilbek und Bahrenfeld
Biene über Eilbek und Eimerchen über Bahrenfeld.
Der Rest von Hamburg (10) – Rahlstedt
Die Frische Brise über Rahlstedt. Endlich eine Gegend mit Palmen hier im Programm.
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