Maximilian Buddenbohm's Blog, page 398
November 28, 2012
Der Rest von Hamburg (21) – das außerhamburgische Update
In den letzten vier Texten ist von Hamburg nicht viel zu sehen, aber das ist uns ja bekanntermaßen vollkommen schnurz.
Wir haben im Wortmischerblog etwas zu Barcelona, wir haben noch einen Text zu Dresden, einen weiteren zu Köln – und einen, ganz frisch, tatsächlich einmal zu Berlin. Ist es zu fassen.
Wir liegen gesamt bei sagenhaften 81 Blogtexten, die aus dieser Aktion entstanden sind. Und es könne immer noch gerne weitere dazukommen, es ja nicht so, dass Hamburg auch nur annähernd fertig beschrieben wäre, oder irgendeine andere Stadt. Texte sind also weiterhin sehr willkommen. Im eigenen Blog oder, wenn jemand keines hat, bei Anne für das Ruhrgebiet, bei Lilaluna für Düsseldorf, bei mir für Hamburg und Restdeutschland, bei Isa für den Rest der Welt – alle Sammelstellen sind auf der zentralen Seite “Der Rest von Hamburg” verlinkt.
Wenn ein Text, ein Pingback oder eine Mail übersehen wurde – bitte gerne noch einmal melden.
Auf dem Arbeitsweg
November 26, 2012
Woanders – diesmal mit Märchen, digitalem Spielzeug, Spaghetti und anderem
Im Standard ein Interview mit dem Autoren und Erzähler Michael Köhlmeier über Märchen. Und warum Harry Potter keines ist.
Bei der lieben Nessy ein Text über die traumatischen Folgen der ersten Bühnenrollen, die man gemeinhin im Kindergarten übernimmt. Vor diesem Hintergrund bin ich gespannt, was Sohn I aus seiner Rolle als „Erster Zwerg“ bei Schneewittchen macht. Leider werden wir wohl nicht erfahren, was er dann später seinem Therapeuten darüber erzählen wird.
Sue Reindke über das seltsame Leben der Erwachsenen.
Bei Antje Schrupp ein Text über Facebook und die Facebook-Gegner und Twitter und überhaupt. Unterschreibe ich so.
Wie Zalando und Amazon gegen Gentrification helfen. Ein interessanter Hinweis bei der Sopranisse.
Nico Lumma über Kinder und digitales Spielzeug – bei diesem Thema sehe ich meistens alles genau wie Nico. Und, wie ich leider immer wieder feststelle – man ist deutlich in der Minderheit, wenn man das so sieht wie Nico, oder wie ich. Furchtbar viele Eltern halten nach wie vor Vermeidung, Abschottung und Verbote tatsächlich für eine zeitgemäße und zielführende Medienerziehung. „Er spielt doch so schön mit den Holzklötzchen!“ Hilf Himmel. Nichts gegen Holzklötzchen, versteht sich, alles zu seiner Zeit. Wenn Ihr die dümmsten User aller Zeiten heranziehen wollt, dann macht nur weiter so.
In der Zeit schreibt der Wader unser etwas über das Träumen.
Die Abschiedskolumne von Horst von Buttlar von der FTD. Klingt wie ein ganz besonderer Adelstitel, was? Von von. Hat auch nicht jeder. Ich mag diese Passage:
MC Winkel erstattet Anzeige gegen einen Abmahnanwalt. Sehr, sehr gut.
Ich lese gerade ein Buch, das in Russland spielt (dazu in Kürze mehr), da komme mir solche Bildstrecken wie die hier über den Jenissei gerade recht. In der Sprache der sibirischen Stämme hieß Jenissei übrigens „Großwasser.“ Passt schon.
Und zum Schluss das beste Essen der Woche, das entgegen aller Gewohnheit und Wahrscheinlichkeit schon wieder von der Herzdame gekocht wurde: Spaghetti Carbonara. Die passende Musik dazu nicht vergessen, man muss es ja gerade auch Jüngeren richtig nahebringen, was beim Kochen gesungen werden muss. Wie schmeckt denn das sonst!
November 25, 2012
Kurz und klein
Um wieder einmal eine neue Rubrik einzuführen. Ich muss meinem Jäger- und Sammlerdasein ja irgendwie online gerecht werden, wenn ich nicht vor die Tür gehen möchte, und wer will das schon, im November. Viele Blogger posten einmal im Monat ihre Lieblingstweets, ich lese das immer gerne – und mache das jetzt auch. Allerdings monothematisch. Siehe Titel.
#bbpBox_264446038193098752 a { text-decoration:none; color:#8F8B8B; }#bbpBox_264446038193098752 a:hover { text-decoration:underline; }Die Kinder schlafen & ich nicht. Mehr kann ich von einem Freitag Abend in meinem Alter nicht erwarten.

#bbpBox_264737851080589312 a { text-decoration:none; color:#8F8B8B; }#bbpBox_264737851080589312 a:hover { text-decoration:underline; }Kind 2.0 eben am Mittagstisch mittelmäßig geschockt: "Stimmt es, dass Du eine Bloggerin bist?"

#bbpBox_263759034488856576 a { text-decoration:none; color:#038543; }#bbpBox_263759034488856576 a:hover { text-decoration:underline; }Neue, absolute Nr.1 auf meiner Alltime-Coolness-Liste:Neffe (4), nach Autounfall kopfüber im Kindersitz hängend: "Yeah, Ich bin Spiderman!"

#bbpBox_264996752988467200 a { text-decoration:none; color:#0000FF; }#bbpBox_264996752988467200 a:hover { text-decoration:underline; }Und dann sagt dein Kind, es beginne einen neuen Lebensabschnitt, und macht frisurlich den Lobo. Ja, spinnt der denn?

#bbpBox_265076346307358720 a { text-decoration:none; color:#66A1B3; }#bbpBox_265076346307358720 a:hover { text-decoration:underline; }Thomas A. Edison erfand die Glühlampe. Den Bad-Lichtschalter außerhalb des Bads erfand ein Unbekannter. Ein Unbekannter ohne kleine Brüder.

#bbpBox_265794129890537472 a { text-decoration:none; color:#CB69A9; }#bbpBox_265794129890537472 a:hover { text-decoration:underline; }Ich sag mal so: das Einzige, was in Deutschland für einen Kinderwunsch spricht, ist endlich einmal etwas völlig Irrationales tun zu wollen.

#bbpBox_266439817766785024 a { text-decoration:none; color:#6A4B52; }#bbpBox_266439817766785024 a:hover { text-decoration:underline; }Tochterkind so: "wenn wir Sexualkunde-Unterricht haben in der Schule, lernen wir dann auch die ganzen Schimpfwörter und so?"

#bbpBox_266797118541414400 a { text-decoration:none; color:#D9444D; }#bbpBox_266797118541414400 a:hover { text-decoration:underline; }Eltern, die ihre Kinder nicht zum Arzt schicken, erhalten ab heute 10€ Betreuungsgeld im Quartal.

#bbpBox_266827091947974656 a { text-decoration:none; color:#5C7A82; }#bbpBox_266827091947974656 a:hover { text-decoration:underline; }Mein Kind geht seit Montag in die Kita. Ich werde in den ersten 12 Monaten dafür mehr Gebühren bezahlt haben, als für mein ganzes Studium.

#bbpBox_267886588774723584 a { text-decoration:none; color:#088253; }#bbpBox_267886588774723584 a:hover { text-decoration:underline; }Beim nächsten Ton ist es "Kind in Kita, ziehdieJackeaus, dieSchuheandersrum, Tschüßhdl schnell zum Bus hetzen" und 10 Sekunden.

#bbpBox_268099578212007936 a { text-decoration:none; color:#B37100; }#bbpBox_268099578212007936 a:hover { text-decoration:underline; }Früher war ich Single und hatte keinen Sex.Heute bin ich verheiratet, habe Kinder und keinen Sex.DANKE GOTT! TOLLER HUMOR!!!

#bbpBox_268615276902371328 a { text-decoration:none; color:#088253; }#bbpBox_268615276902371328 a:hover { text-decoration:underline; }Konnte kein Internet lesen, eine Kita Muddi hat mit mir im Bus geredet. Und das in Hamburg. Sensationell.

#bbpBox_268796310851821568 a { text-decoration:none; color:#36BAFC; }#bbpBox_268796310851821568 a:hover { text-decoration:underline; }Vorhin im Spielwarenladen: "Haben Sie die Puppe Youporn-Baby?" - "WAS!?!" - "Das YOUPORN-BABY!" Verkäufer überlegt. "Ach! Das NEWBORN-Baby!"

#bbpBox_269783053440798720 a { text-decoration:none; color:#0099CC; }#bbpBox_269783053440798720 a:hover { text-decoration:underline; }Erwachsene Frau weint im Bus. Kind (5) geht hin und sagt "Komm mal klar." So schön.

#bbpBox_270763427646038016 a { text-decoration:none; color:#990000; }#bbpBox_270763427646038016 a:hover { text-decoration:underline; }"Du brauchst gar nicht so fröhlich zu tun, Mama. Ich weiss, wie scheissfrüh es ist."

#bbpBox_270781790539640832 a { text-decoration:none; color:#088253; }#bbpBox_270781790539640832 a:hover { text-decoration:underline; }Kinderhandschuheanziehen überlebt. Der Tag kann nur besser werden.

#bbpBox_270804447108665344 a { text-decoration:none; color:#B40B43; }#bbpBox_270804447108665344 a:hover { text-decoration:underline; }Spielen mündlich "Stein, Schere, Papier". Erst sagt das Kind, dann ich. Das bringt dem Kind verbale Kompetenz und dem Papa kleine Erfolge.

#bbpBox_272327114424999936 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_272327114424999936 a:hover { text-decoration:underline; }Es heißt jetzt nicht mehr Spielplatz, sondern Wipp-Lounge.

#bbpBox_272621992652455936 a { text-decoration:none; color:#393B5C; }#bbpBox_272621992652455936 a:hover { text-decoration:underline; }Wenn meine Tochter so bescheuert wird, wie ich war, schnapp ich sie und zieh auf eine Hallig.

Der Rest von Hamburg (20) Update mit Winterhude, Ottensen, Bern und Dresden
Noch ein Text von Kiki, jetzt über Winterhude (vormerken: Fleißkärtchen für Kiki basteln). Bei Larenzow ein Text über nur ein Haus – in Ottensen.
Und außerhamburgisch ein Text über Bern – unbedingt laut lesen, das ist eine interessante Erfahrung. Es sei denn, man kommt aus der Schweiz. Und bei Jo-Schu geht es weiter östlich weiter: Dresden.
November 24, 2012
Wie es wird
In Kürze beginnen die Weihnachtsmärkte. Genau genommen schon morgen. Man kann also bald wieder Tannenbäume, Mistelzweige und Deko-Engelchen kaufen, Glühwein trinken und sich an jeder Ecke mit „Last Christmas“ beschallen lassen, eine typisch deutsche Vorweihnachtszeit bricht an. Die Kinder werden mit kleinen Tütchen nach Hause kommen, in denen selbstgebackene Kekse sein werden, in der Kita oder der Schule gebacken. In deutschen Bildungseinrichtungen ist gemeinschaftliches Backen zu dieser Jahreszeit Pflicht, daran kommt man nicht vorbei. Sie werden uns die Tütchen freudig präsentieren, die lieben Kleinen, wir werden einen Keks essen und er wird wie Kistenholz mit Zucker schmecken, aber wir werden strahlend hm! sagen und den Rest für später aufheben. Wir werden nach der Arbeit in brechend vollen Innenstädten fluchend Geschenke kaufen gehen. Wir werden dieses verdammte Last Christmas so hassen, wie man ein Lied nur hassen kann, dann werden wir uns doch wieder dabei erwischen, es selbst zu pfeifen. Wir werden im Weihnachtsmärchen einschlafen, wir werden uns auf Weihnachtsfeiern gehen lassen, wir werden billige Schokoladenweihnachtsmänner auf dem Schreibtisch haben. Wir werden mehr essen als uns gut tun kann und es werden keine gesunden Sachen sein. Wir werden uns mit der Verwandtschaft anlegen, weil wieder nicht klar ist, wer nun eigentlich zu wem kommt. Wir werden uns um das Festessen streiten, ich muss doch bitten, Kartoffelsalat? Geht’s noch? Wir werden uns schließlich, wenn fast alles geschafft ist, noch panisch an Silvester erinnern, das gibt es ja auch, Du lieber Himmel. Wohin? Was? Mit wem?
Und wir werden zwischen den Jahren irgendwann eine Stunde tatsächlich frei haben, richtig frei, ganz frei. Und es wird nicht mehr Last Christmas gespielt werden, denn Weihnachten wird vorbei sein, und es werden auch noch keine Böller zu hören sein. Die Kinder werden mit neuem Spielzeug spielen und uns gar nicht brauchen. Wir werden da einfach nur sitzen. Pappsatt und matt werden wir sein, während wir da so sitzen, nicht mal einer dieser furchtbaren Kinderkekse würde noch hineinpassen. Vielleicht wird draußen ein wenig Schnee liegen. Und wir werden uns ein wenig strecken, eine Hand auf dem vollen Bauch, und leise sagen: „Ach ja. Irgendwie doch schön.“
Genau so wird es sein.
Dieser Text erschien in etwas kürzerer Form als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung.
Der Rest von Hamburg (19) – Update mit Hamm und reichlich München
Raventhird schreibt einen längeren und sehr lohnenden Text zu Hamm. Auf der Übersichtsseite finden sich jetzt schon sechs Texte zu München – alle hier in der Übersicht zu finden.
Die Ruhrgebietssammlung bei Anne gedeiht auch, dort kann man sogar eine Karte anklicken. Düsseldorf kommt noch nicht in Schwung, aber das kann ja noch werden.
Aus gut unterrichteten Quellen wird mir die in Kürze zu erwartende Lieferung von Texten u.a. zu der Uhlenhorst und zu Istanbul gemeldet. Ja, Istanbul. Ich freue mich.
November 23, 2012
Dunkeltuten – der Novembereintrag
Während ich die Texte las, die im Zuge der Aktion „Der Rest von Hamburg“ entstanden sind – über sechzig Beiträge immerhin! – dachte ich natürlich ein wenig über Heimat nach. Heimat im Stadtteil, Heimat in einer Straße, das wurde in mehreren Artikeln thematisiert, teilweise sehr schön. Heimat in Norddeutschland, Heimat in Küstennähe, ich dachte so vor mich hin und klickte parallel zu meinen losen Gedanken etwas auf Youtube herum, wie ich es oft tue. Und kam von Lale Andersen über Udo Lindenberg ganz zwanglos zu Torfrock, das ist ja das Schöne an Youtube, diese seltsamen assoziativen Wege. Torfrock muss man nun sicher nicht kennen, wenn man eher aus Bayern oder Hessen und ähnlichen Gegenden kommt. Man erinnert aber, ausreichendes Alter vorausgesetzt, eventuell doch noch ein paar frühe Kracher der Band, etwa den Preßlufthammer-Bernhard. Die Texte waren eher flach witzig, wurden stark norddeutsch verzerrt gesungen und haben hier oben klar Kultcharakter. Auf den Partys meiner Jugend wurde das immer gespielt, auf Stadtfesten und Grillabenden. Auf Hafengeburtstagen. Wenn ich irgendwo den Liedanfang „Bei die Wikingers in Haithabu…“ höre, ist das für mich heute noch ein Heimatklang, so albern das vielleicht klingen mag, so etwas legt man nicht ab. Und dann war da in einem der Texte von Torfrock irgendwo das Wort Dunkeltuten, das hatte ich seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gehört. Ich bin sogar ziemlich sicher, es nahezu exakt 25 Jahre nicht gehört zu haben.
Es gibt eine brauchbare Worterklärung hier, ganz naheliegend, ganz plausibel, ein Begriff aus der Schiffahrt. Was man der Erklärung allerdings nicht entnehmen kann: Das Wort kann man im positiven und im negativen Sinne gebrauchen. Man kann es sagen, wenn man Feierabend macht und eben ganz friedlich nichts mehr macht, weil man nichts mehr machen muss: „Jetzt ist aber Dunkeltuten.“ Man kann es sagen, wenn man nur noch ins Bett geht, dann ist es ganz entspannt und nett. Ein molliges Wort, küstengemäß etwas herb aber gemütlich. Dunkeltuten. Da wird man besinnlich, da zieht man sich zurück, da ist der Stress vorbei.
Man kann es aber auch negativ gebrauchen und so erinnere ich die letzte Nennung, die ich gehört habe. Das war in einem sehr markanten Moment meines Lebens, ein paar Minuten vor der mündlichen Abiturprüfung, als ich zitternd mit einem Freund auf dem Schulflur stand, der auf ähnlich desolate Schulleistungen wie ich zurücksah. Und er fasste das Grauen, diese alles entscheidende Prüfung eventuell nicht zu bestehen und die unfassbare Aussicht auf die Zeit nach der möglichen Generalpanne zusammen mit „Dann is‘ aber sowas von Dunkeltuten.“ Da geht nichts mehr, das hört man schon, da fällt man ins Loch, da ist alles vorbei, und zwar rettungslos.
Diese beiden Seiten hat das Wort, diese beiden Seiten hat auch der Monat November, um mal zwanglos weiter zu assoziieren. Gemütlichkeit bei früher Dunkelheit, Kuschelfaktor ganz weit oben, erste Glühweindüfte in der Küche und erste Lebkuchenkrümel auf dem Tisch. Das Lesen dicker Bücher, während der Regen draußen verlässlich ans Fenster pladdert. Das kann schon schön sein, keine Frage, der morbide Charme des späten Herbstes. Aber eben auch Novemberelend, Dauerfrust und Lichtmangel. Erkältungszeit, allgemeines Durchhängen, kollektive Übellaune, man muss sich in der S-Bahn ja nur umsehen, die Menschheit ein Bild des Jammers.
Wenn man sich abends alleine mit einem Buch aufs Sofa setzt, dann liegt gerade im November zwischen Gemütlichkeit und Einsamkeit, zwischen Muße und Depression vielleicht nur ein einziger Gedanke, vielleicht nur eine sekundenschnelle Assoziation und die Waage kippt.
Ich habe vor längerer Zeit mal einen Text über „Die vergessenen Toten“ geschrieben, da ging es um die Menschen, die in Hamburg sterben, ohne dass sie noch irgendjemand kennt. Menschen, die aus allen sozialen Netzen gefallen sind. Ich habe damals an einer der Beerdigungen für diese Menschen teilgenommen, um diesen Text schreiben zu können. Ich werde jedes Jahr an diesen Text erinnert, weil ich immer um diese Jahreszeit eine Mail bekomme, mit dem Hinweis auf einen besonderen Gedenkgottesdient, der in der Hamburger Petrikriche am Totensonntag stattfindet. Ein Gedenkgottesdienst für diese Vergessenen Toten, also für die, deren eben gar keiner mehr gedenkt. In diesem Gottesdient – ich war noch nie in einem, ich lese immer nur davon – in diesem Gottesdienst werden die Namen von ein paar hundert (!) Menschen vorgelesen, die in Hamburg in diesem Jahr ohne jeden Anhang verstorben sind. Die Gesamtzahl dieser Toten bemisst sich in einer Millionenstadt in Tausenden. Das muss man sich also so vorstellen, dass jemand diese Namen noch einmal feierlich vom Blatt abliest und ausspricht – und dann nennt sie nie wieder jemand.
Da sind viele Obdachlose dabei, da sind aber auch Menschen dabei, die schlichtweg vereinsamt sind, aus welchen Gründen auch immer. Die hatten einfach keinen mehr. Die Gründe wären wohl Geschichten, aber da bleiben ja keine Geschichten übrig, da niemand mehr etwas erzählen kann. Da enden also alle Fäden, da kommt nichts mehr. Das sind alles Namen, die vermutlich einmal liebend genannt wurden, in tausend Zusammenhängen. Wir werden natürlich alle einmal vergessen sein, aber bei diesen Menschen fängt es viel, viel früher an, als man es sich gemeinhin vorstellt. Der Rest ist Dunkeltuten.
Das wollte ich nur mal erklärt haben. Passen Sie auf Ihr Netzwerk auf. Und machen Sie es sich gemütlich. Es ist November.
November 22, 2012
Mumien, Monster, Mutationen
Sohn I hat eine vergleichsweise entspannte Beziehung zu Ungeheuern. Und auch zu Monstern, zu Gespenstern, Geistern und Vampiren. Sie beeindrucken ihn deutlich weniger, als man es bei einem Fünfjährigen vermuten könnte, er liest ausgesprochen gerne Gruselgeschichten, freut sich über eine möglichst drastische Bebilderung und kann lange darüber diskutieren, wer in der Schattenwelt des Unheimlichen wohl für was genau zuständig ist und wer dort welchen Rang hat.
Vermutlich war es daher eine der Tiefpunkte seines Lebens, als er zu Halloween in einem kunstvoll gestalten „Fürst der Finsternis“-Aufzug in die Kita ging, und ihn die Kindergärtnerin morgens mit „Oh, wie süß, ein kleiner Mönch“, begrüßte. Der Fürst der Finsternis sah nach dieser unwürdigen Begrüßung aus, als würde er die Heerscharen der Hölle an die Front kommandieren wollen, allerdings hatte er dafür nur den hinter ihm gehenden Sohn II zur Verfügung, der in seinem Fledermauskostüm leider nicht sehr beängstigend, sondern vielmehr unwiderstehlich niedlich aussah. Besonders, wenn er gefährlich guckte, und das tat er ausgiebig und oft. Halloween war irgendwie kein richtiger Erfolg.
Zur Weiterbildung wollte Sohn I jetzt mit einer Geisterbahn auf dem Hamburger Dom fahren. Darüber haben wir lange gesprochen, denn man muss annehmen, dass eine Geisterbahn für ein Kind in dem Alter doch noch nicht ganz das Richtige ist. Selbstüberschätzung ist für Fünfjährige selbstverständlich, Heldenmut auch, daher war es nicht einfach, sich mit ihm vernünftig zu einigen. Schließlich schlug ich vor, erst einmal vor den Geisterbahnen etwas herumzulungern, um zu beobachten, wer da so herauskam und mit welchem Gesichtsausdruck. Das fand er einleuchtend.
Also standen wir lange, wirklich verblüffend lange, vor den Geisterbahnen auf dem Hamburger Dom. Und er studierte die Figuren sehr genau, aus allen Richtungen. Er verrenkte sich den Hals, um einen Blick ins Innere zu erhaschen, ging auch mal ganz nah an die Gruseldekoration heran und betaste Schlangengewimmel aus Plastik und morsche Knochen aus Holz. Nach dieser Studienphase erklärte er mir schließlich mit der ganzen Abgeklärtheit des aufgeklärten Menschen, der seinen Verstand ohne Anleitung eines anderen benutzt, dass das alles gar nicht echt sein. Das sei vielmehr nur Plastik, Spielzeug und Deko, und das, was sich da bewegte, das Maul des Krokodils und der frauengreifende Menschenaffe, das seien übrigens nur Maschinen. Davor müsse man keine Angst haben, warum denn auch, das war ja alles nur Spielzeug in groß. Er wollte dennoch nicht mehr mitfahren, weil er wohl sah, dass so kleine Kinder nicht unter den Passagieren waren, das stimmte ihn doch misstrauisch. Er schlug das nächste Jahr für einen Erstbesuch vor, nach ein wenig weiterem Wachstum. Dann ginge das wohl, sagte er.
Das fand ich gut und einleuchtend, ein konstruktiver Vorschlag, damit kann man als Vater leben. Und ich dachte über die Erkenntnislage nach, denn was heißt es, wenn er jetzt schon weiß, dass der ganze Grusel nur Plastikklimbim und Trickgetöse ist? Gibt es dann noch einen Weihnachtsmann, der doch auf der gleichen List der Erwachsenen beruht, mit seinem falschen Bart und dem Hohoho vom Band? Es war mir fast ein wenig zu souverän, wie Sohn I da stand und das ganze Reich der Phantasie da auf Tricks herunterreduzierte, so etwas ist immer auch schade. Am Ende werden seine geliebten Bücher durch diese Erfahrung auch irgendwie entwertet, schwante mir, und ich dachte es nicht gerne. Ein wenig Zauber braucht man doch, als Kind.
Ich überlegte schon, was ich tun konnte, um das Märchenland wieder etwas zu rehabilitieren, als mir Sohn I schließlich nach konzentriertem Nachdenken erklärte, warum die Geisterbahn denn mit billigen Spielzeuggespenstern auskommen muss, mit Menschen in Kostümen und schlechten Toneffekten aus der Konserve: „Weil nämlich, wenn die Geister alle echt wären, dann hätten ja auch die Erwachsenen viel zu viel Angst. Da würde gar keiner mehr mitfahren.“
Und das war eine Erklärung, der ich unmöglich wiedersprechen konnte.
November 21, 2012
Der Rest von Hamburg (18)
Wir haben mittlerweile auch Bergedorf, jene Gegend weit im Osten da, wir haben den Stadtteil mit dem Namen, den man gerne für einen Witz hält, Mümmelmannsberg. Außerdem das kastanienreiche Bramfeld, das mir gänzlich unbekannte Langenfelde und, ein schönes Highlight, Pöseldorf.
Im Süden hat die Kaltmamsell noch etwas über München geschrieben. Mittlerweile melden sich auch Blogger und erklären ältere Texte als zugehörig, etwa hier für Basel. Und in Kürze folgt ein noch viel tieferer Süden, wenn ich recht informiert bin.
Und es gab die ersten Kommentare von Menschen, die nach Hamburg ziehen wollen und die Liste aller Stadtteilbeschreibungen dabei sehr nützlich fanden. In einem dieser Kommentare kam die Frage nach Niendorf auf, kennt sich da vielleicht jemand aus? Zu Niendorf fällt mir nur ein, welcher Bus dahin fährt. Und dass da irgendwo ein Wald sein muss.
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