Maximilian Buddenbohm's Blog, page 390

February 9, 2013

Die unerreichbare Frau

Die Herzdame ist nicht erreichbar. Das ist schlecht, denn ab und zu habe ich im Laufe des Tages das Bedürfnis, etwas mit ihr zu besprechen, wie es unter Ehepartnern so ist. Manchmal geht es sogar um Dringendes, um Wichtiges, aber egal, es geht einfach nicht. Sie hat zwar ein Handy, jeder Mensch hat ja heute ein Handy – aber sie geht nicht ran. Ich kann einmal anrufen, dreimal oder zehnmal, ich habe auch schon dreißigmal nacheinander angerufen, es ist egal, sie geht nicht ran. Weil sie es nicht hört. Sie kann es nicht hören, weil das Handy irgendwo tief unten in ihrer voluminösen Handtasche liegt, neben sehr viel anderem Zeug, das dort als Schalldämpfer wirkt. Das Handy liegt immer in ihrer Handtasche, deswegen hört sie es auch nie. Der Umgebungslärm, die Autos, das Gerede der Kollegen, das Geschrei der Söhne, da hört man so ein dezentes Fiepen aus der Tiefe der Tasche natürlich nicht, das leuchtet ein.


Sie kann es leider auch nicht woanders tragen, etwa in einer Hosentasche, wo sie wegen der größeren Nähe zum Körper wenigstens das Vibrieren bemerken würde, nein, das geht definitiv nicht. Weil das nämlich nicht aussieht, sagt sie. Das Handy trägt auf, es macht seltsame Beulen in die Hose, das ist unschön. Unschön kommt selbstverständlich für sie nicht in Frage, unschön kann ich ja herumlaufen, sagt sie, das würde nicht weiter auffallen.


Also kommt das Handy in die Handtasche, da sieht es weder gut noch schlecht aus, da ist es schlicht unsichtbar. Und auch unhörbar. Die Herzdame ist gewissermaßen aus ästhetischen Gründen nicht erreichbar.  Ich hatte schon immer das Gefühl, dass schöne Frauen für mich unerreichbar sind. Aber erst durch die Herzdame weiß ich genau, dass es eine unabwendbare Tatsache ist. Und auch, wie sie sich genau erklärt.


(Dieser Text erschien als Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)





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Published on February 09, 2013 23:12

Terminhinweis: Tirili. Die Frühlingslesung

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So, wir machen das jetzt mal etwas anders, das mit der Frühlingslesung. Isa und ich lesen zur Abwechslung mal nicht, sondern moderieren die Lesung. Und wir haben nicht vier Autoren sondern drei, die dann etwas länger lesen können. Das wird sich lohnen, denn wir haben eingeladen:


Pia Ziefle, die Autorin des Romans “Suna”, den ich hier ausführlich gepriesen habe und den Sie hoffentlich alle gelesen haben. Wenn nicht, können Sie ihn  ja direkt nach der Lesung bei der Autorin kaufen, auch praktisch.


Bov Bjerg, ein Autor, den ich am liebsten jedes Mal einladen würde. Kann lesen wie kein Zweiter, schreibt so, dass man nicht genug bekommt und hat außerdem die für mich geradezu unvorstellbare Coolness, seine vorzutragenden Texte erst ganz kurz vor Lesungsbeginn auszuwählen. Unvorstellbar.


Stevan Paul, der so über Essen schreiben kann, dass man sofort in die Küche will, um irgendwas zu braten, und sei es nur, um dieses leise Brutzelgeräusch zu hören, das er so unvergleichlich beschreiben kann. Meine Besprechung seines letzten Buches “Schlaraffenland” findet man hier.


Die Lesung findet wie immer im Le Kaschemme statt.

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Published on February 09, 2013 09:06

February 6, 2013

Müde

Müde. Unfassbar müde. So müde, dass das Wort müde schon zu lang ist, um es im Wachzustand überhaupt noch aussprechen zu können, ohne dabei einzuschlafen. Dieses gemütliche M, dieses lange, wabernde Ü, da dämmert es doch schon im Hirn, bevor überhaupt das D kommt, gegen das man dann fällt, wie gegen eine dieser großen blauen Matten in Turnhallen, wissen Sie, diese großen Matten, die ganz weichen, auf denen man so bequem liegt. Das E dann natürlich völlig unerreichbar. So müde. Die Söhne schlafen schlecht, die Söhne träumen wild. Die Söhne geistern nachts herum, die Söhne wecken sich gegenseitig und dann die Herzdame und mich. Schon seit Wochen. Es ist alles nur eine Phase, es ist alles nur eine Phase. Das Eltern-Mantra, morgens um halb drei im Bad gemurmelt, während man mit nackten Füßen auf den kalten Fliesen steht und mit einem spektakulär schlecht gelaunten Dreijährigen diskutiert, wer spülen darf und wann.


Müde ins Bett gehen, müde aufwachen, müde aufstehen, um spätestens 12 Uhr mittags so unfassbar müde sein, dass man meint, vom Bürostuhl zu rutschen. Ernsthaft darüber nachdenken, wie schön es wäre, da hinunterzurutschen, auf diesen ungeheuer einladenden Teppich, der so flauschig aussieht wie nie. Es muss wahnsinnig entspannt sein, unter dem Schreibtisch zu liegen. Man könnte die herabhängenden Kabel zählen, zum endgültigen Einschlafen, als Schäfchenersatz. Man könnte den Mehrfachstecker dort als Kopfkissen nehmen, man ist ja nicht anspruchsvoll. Diese Art von Müdigkeit. Das Denken wird immer langsamer, der Egalfaktor von allem steigt bis weit in den roten Bereich, alle Gedanken verspäten sich heute bis auf weiteres, wegen einer Störung im Betriebsablauf. Wir bitten um Verständnis.


Zwischendurch einmal auf das Handy sehen, um festzustellen, wie spät es ist. Das Handy zeigt mir die Uhrzeit, aber das Handy zeigt mir auch, dass ich in Hannover bin. Hannover. Steht da. Ich kann nicht in Hannover sein, ich bin ja in Hamburg, wo ich hingehöre. Ich sehe aus dem Fenster, da stehen charakterlose Bürohäuser, die könnten tatsächlich überall stehen, warum nicht auch in Hannover. Ich sehe meine Kollegen an, die kommen mir alle bekannt vor. Die Karte auf dem Handy meint hartnäckig, ich sei in Hannover, seit Stunden meint sie das schon. Was mache ich in Hannover? An einer Straßenecke gegenüber vom Historischen Museum, wie das Handy ganz genau angibt? Ich sitze in meinem Hamburger Büro und überlege, was mir zu Hannover einfällt. Ich komme auf nichts und denke mir schließlich, dass das wohl auch reicht, ich meine, es ist eben Hannover.


Ich arbeite nicht weit vom Hamburger Hauptbahnhof. Ich könnte mal eben in einen Zug steigen und nach Hannover fahren, das ist gar nicht weit, glaube ich. Ich war noch nie in Hannover, wenn ich mich recht erinnere. Ich könnte mich zum Historischen Museum durchfragen und nachsehen, ob ich nicht doch an dieser Straßenecke stehe. Mein Handy lügt doch sonst nicht mit Orten, warum soll es jetzt lügen. Aber was mache ich, wenn ich da wirklich stehe, in Hannover? Aber nein, wahrscheinlich stehe ich da nicht. Denn selbst wenn ich da heute gestanden habe, dann hat mein Handy dort doch wahrscheinlich angezeigt, dass ich in Hamburg bin, und da ich ja überall gleich bin, also innerlich, meine ich, wäre ich wahrscheinlich in Hannover zum Bahnhof gegangen und wäre nach Hamburg gefahren, um nachzusehen, was ich denn dort mache. Ich hätte mich dann aus dem Zugfenster heraus in dem Fenster des Zuges in der anderen Richtung sehen können und die Dinge wären sicher furchtbar kompliziert geworden, glaube ich. Es ist aber auch egal. Es ist überhaupt alles egal. Ich bin einfach nur müde. Ich bin sehr, sehr müde und im Grunde bin ich mir nicht sicher, ob ich schlafe oder nicht. Wenn Sie mich sehen, sprechen Sie langsam, ich habe Kinder.


Wenn Sie mich in Hannover sehen, sagen Sie lieber nichts.


Welche Tageszeit ist es? Schlafen die Kinder? Ach, egal.





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Published on February 06, 2013 09:58

February 5, 2013

Kurz und klein

#bbpBox_290846835126456320 a { text-decoration:none; color:#3A364F; }#bbpBox_290846835126456320 a:hover { text-decoration:underline; }Oh, unsere Familienmisterin hat ein Buch übers Alleinerziehendendasein geschrieben. Überlege, eines übers Ministerleben zu schreiben.14. January 2013 16:44 via web Reply Retweet Favorite Thisis
#bbpBox_294199321778352129 a { text-decoration:none; color:#210321; }#bbpBox_294199321778352129 a:hover { text-decoration:underline; }Ich hatte mal fünf fast normale Menschen im Freundeskreis - aber die Jahre im Kindergarten waren einfach schnell vorbei.23. January 2013 22:45 via web Reply Retweet Favorite Karsten
#bbpBox_294337821320306689 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_294337821320306689 a:hover { text-decoration:underline; }Faszinierend: Die Kinder schalten den Autopiloten an, wenn sie das Haus verlassen. Und vorher sind sie selbstständig wie ein Flusskiesel.24. January 2013 07:56 via Twitter for iPhone Reply Retweet Favorite Schlachtzeile
#bbpBox_294516092829851648 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_294516092829851648 a:hover { text-decoration:underline; }Und die große Tochter kommt im Sommer in die Schule und dann hat sie den ersten Freund und ich werde Opa und dann bin ich auch schon tot.24. January 2013 19:44 via Echofon Reply Retweet Favorite Thomas
#bbpBox_295232532394438656 a { text-decoration:none; color:#088253; }#bbpBox_295232532394438656 a:hover { text-decoration:underline; }Glitzernd und leise rieselt der Schnee während Kind zum 3. Mal spuckt. Ich mag diese sarkastische Realromantik am Abend.26. January 2013 19:11 via TweetCaster for Android Reply Retweet Favorite Sven Dietrich
#bbpBox_295238488029290496 a { text-decoration:none; color:#0B6615; }#bbpBox_295238488029290496 a:hover { text-decoration:underline; }Trickfilme kucken mit K2. Schade, dass man die Menschen mit dem passenden Filmfeschmack immer selber machen muss.26. January 2013 19:35 via Tweetbot for iOS Reply Retweet Favorite rudelbildung
#bbpBox_295280643045203968 a { text-decoration:none; color:#990000; }#bbpBox_295280643045203968 a:hover { text-decoration:underline; }"Du brauchst jetzt nicht zu sagen, das könnt Ihr doch nicht machen, weil wir es ja sowieso schon gemacht haben und es ging." #logischeskind26. January 2013 22:22 via Falcon Pro Reply Retweet Favorite Binnewies_
#bbpBox_295426327119556608 a { text-decoration:none; color:#8F8B8B; }#bbpBox_295426327119556608 a:hover { text-decoration:underline; }Wir sind so freundlich, unsere Kinder können nicht mal korrekt den Imperativ bilden.27. January 2013 08:01 via Echofon Reply Retweet Favorite Patricia Cammarata
#bbpBox_295543246636077056 a { text-decoration:none; color:#088253; }#bbpBox_295543246636077056 a:hover { text-decoration:underline; }Meine Fresse. Wie doof sind denn bitte einige Eltern?27. January 2013 15:46 via TweetCaster for Android Reply Retweet Favorite Sven Dietrich
#bbpBox_295851367526961152 a { text-decoration:none; color:#000000; }#bbpBox_295851367526961152 a:hover { text-decoration:underline; }Bei 2000 Followern breche ich die Schule ab, werde Social-Media-Experte und ziehe nach Berlin.Also macht schnell, ich habe gerade Physik.28. January 2013 12:10 via Twitter for iPhone Reply Retweet Favorite Janis.
#bbpBox_295875614404132864 a { text-decoration:none; color:#0000FF; }#bbpBox_295875614404132864 a:hover { text-decoration:underline; }Heute am Frühstückstisch gerülpst. Ein nie gekanntes Leuchten in den Augen meiner Kinder gesehen.28. January 2013 13:46 via Twitter for iPhone Reply Retweet Favorite Journelle
#bbpBox_296142729262530561 a { text-decoration:none; color:#9ACB9D; }#bbpBox_296142729262530561 a:hover { text-decoration:underline; }Das Kind, jeden Morgen: "Mama, Anziehwettbewerb" Ich heute so: "Ich glaube, ich habe gewonnen!" Kind: "Mama, das Leben ist kein Wettbewerb!"29. January 2013 07:28 via TweetDeck Reply Retweet Favorite Y. Mich
#bbpBox_296151506791575552 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_296151506791575552 a:hover { text-decoration:underline; }Das Skype-Geräusch beim endgültigen Schließen des Programms imitiert Tochter, 11, perfekt, wenn man ihr abends am Ende das Buch wegnimmt.29. January 2013 08:03 via Twitter for iPad Reply Retweet Favorite Schlachtzeile
#bbpBox_296342129083551744 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_296342129083551744 a:hover { text-decoration:underline; }Kind so: "Du Papa, ich kann ja für dich den twitter lesen, während du kochst." Ich so: gratuliere, du hast "Social Media Manager" verstanden29. January 2013 20:40 via TweetDeck Reply Retweet Favorite andreasdotorg
#bbpBox_296336019144466432 a { text-decoration:none; color:#038543; }#bbpBox_296336019144466432 a:hover { text-decoration:underline; }Erst wenn das letzte Kind im Bett ist, werdet Ihr merken, dass der Tag noch lange nicht vorbei ist, weil das Haus aussieht wie Sau.29. January 2013 20:16 via Tweetbot for iOS Reply Retweet Favorite Gebbi Gibson
#bbpBox_296333520312360960 a { text-decoration:none; color:#0000FF; }#bbpBox_296333520312360960 a:hover { text-decoration:underline; }all die traumata, die man noch einmal durchlebt, wenn man dem kind bei den grammatikaufgaben hilft.29. January 2013 20:06 via Twitter for iPhone Reply Retweet Favorite Sebastian Reichel
#bbpBox_296511206255112193 a { text-decoration:none; color:#0099CC; }#bbpBox_296511206255112193 a:hover { text-decoration:underline; }10 Minuten der Himmel auf Erden, danach Nahkampf (Kickboxen). Kinder unter 5 im Elternbett.30. January 2013 07:52 via Twitter for Android Reply Retweet Favorite Madame de Larenzow
#bbpBox_296625604806189056 a { text-decoration:none; color:#919196; }#bbpBox_296625604806189056 a:hover { text-decoration:underline; }Und dann danke ich noch Bibi Blocksberg dafür, dass sie mein Kind eine halbe Stunde am Stück paralysieren kann.30. January 2013 15:27 via TweetDeck Reply Retweet Favorite der_handwerk
#bbpBox_293836322504843265 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_293836322504843265 a:hover { text-decoration:underline; }My son just built a Death Star out of LEGOs, which is scary since the LEGOkit was for a barn.22. January 2013 22:43 via web Reply Retweet Favorite Conan O'Brien
#bbpBox_297055253617061888 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_297055253617061888 a:hover { text-decoration:underline; }"Gut ist, dass diese Krankheit erst im höheren Alter ausbricht, so mit 42." Klausurtext. Kind, ich bring dich um.31. January 2013 19:54 via Twitter for iPad Reply Retweet Favorite crocodylus niloticus
#bbpBox_297527617429594112 a { text-decoration:none; color:#0099CC; }#bbpBox_297527617429594112 a:hover { text-decoration:underline; }3:09 Uhr. Meine Eltern sind endlich nach Hause gekommen. Jetzt kann ich ja beruhigt schlafen.2. February 2013 03:11 via Tweetbot for iOS Reply Retweet Favorite becca
#bbpBox_297755668629299201 a { text-decoration:none; color:#8F8B8B; }#bbpBox_297755668629299201 a:hover { text-decoration:underline; }Kind 2.0 zur Freundin beim Mutter-Kind-Spielen: "Da hast du ein Handy. Du bist doch die Mama. Jetzt musst du die ganze Zeit reinschauen" Ups2. February 2013 18:17 via Echofon Reply Retweet Favorite Patricia Cammarata
#bbpBox_298051115189141504 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_298051115189141504 a:hover { text-decoration:underline; }"Welche Ruhe damals von meinem Vater ausging, wenn er sonntags am Kamin saß, twitterte und uns Kindern die lustigsten Nachrichten vorlas."3. February 2013 13:51 via Twitter for iPhone Reply Retweet Favorite stephan porombka
#bbpBox_298402668546768896 a { text-decoration:none; color:#0084B4; }#bbpBox_298402668546768896 a:hover { text-decoration:underline; }"Das Kind war geplant." "Aber doch nicht so!"4. February 2013 13:08 via web Reply Retweet Favorite Schisslaweng




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Published on February 05, 2013 21:42

February 4, 2013

Eine einfache Erklärung

Ich: “Warum streiten wir eigentlich seit einer Stunde wie irre? Weißt du das noch? Ich nämlich nicht mehr. Schon lange nicht mehr.”

Sohn II: “Ja, natürlich, das weiß ich.”

Ich: “So, und warum?”

Sohn II: “Einfach weil ich Streit super finde, Papa.”





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Published on February 04, 2013 12:38

February 3, 2013

Woanders – diesmal mit Landkarten, Reisen, Amrum und einem Taxi. Und Iron Maiden

Stories & Places – ein schönes, neues Projekt für Blogger. Eine Landkarte, auf der Geschichten zu Orten verlinkt werden. Angenehm schlicht und funktional, eine Fundgrube. Vollkommen naheliegend, die Idee, wieso gibt es das eigentlich nicht seit Jahren? Da sitzt man dann vor dem Bildschirm und wundert sich.Und wenn man sich gerade einmal langweilt, kann man sein ganzes Blogarchiv da drin verlinken, eine ruhige und besinnliche Arbeit, wie Stricken vor dem Kamin. Im Heimatdorf ist zum Beispiel noch gar nichts, das geht ja nicht, das wird demnächst gteändert.Man kann aber natürlich auch all die Gegenden abgrasen, an denen man gewohnt oder gearbeitet hat, oder die man auf Reisen besucht hat, und überall nachlesen, was andere da oder darüber geschrieben haben.


Hier ein Zwischenbericht von einem der Macher zur Entstehungsgeschichte und den ersten Tagen.


Auf Stories & Places findet man Texte wie diesen hier, ganz kurz über Amrum, nur ein paar Zeilen, aber da möchte man sofort ins Auto und losfahren. Zumindest bis man sich informiert hat, was die Fähre kostet.


Plattformen wie Stories & Places sind übrigens ein geeignetes Mittel, um dem Aktualitätsdruck der Blogwelt zu entkommen, da das zeitliche Kriterium der Veröffentlichung hier endlich gar nicht mehr interessiert. Ein Text hängt an einem Ort, und das reicht, selbst wenn er zehn Jahre alt ist. Da findet man auch Sachen wieder, die man schon einmal gerne gelesen hat, vielleicht vor Jahren, etwa die Geschichte mit dem wunderschönen und romantauglichen Titel “Onkel Arnold kam über die Felder”, drüben bei der Wiesenraute.


Schließlich noch, man kann da gar nicht aufhören herumzusuchen, eine Reise mit Glamourdick nach Polen, in die familiären Abgründe.


Und, wo wir schon im Nordosten  herumfahren: durch einen Hinweis von Giardino habe ich noch einen Text aus dem Jahr 2005 gefunden, einen wundervollen Abgesang auf Schwerin. Hier beim Kutter. Ich habe, als ich damals auf dem Land wohnte und noch die gute Butter und die dicken Kartoffeln aß, wohl  tausendmal in einem Zug gesessen, der nach Schwerin fuhr, und bin nie bis dahin gefahren. Immer gedacht, man könnte ja mal sitzenbleiben und  nachsehen, was Schwerin eigentlich ist, und bin dann aber immer doch noch rechtzeitig ausgestiegen, lange vor der Endstation. Komisch eigentlich. Heute sitze ich jeden Morgen in einer S-Bahn nach Buxtehude, da war ich auch noch nie. Klingt aber heimelig, Buxtehude. Es muss doch schön sein, in Buxtehude? Dörfer mit solchen Namen können unmöglich häßlich sein. Bux-te-hu-de. Toll.


Der Herr Dueck, sowieso immer lesenswert, doziert glänzend über die Frage, warum alles so billig und schlecht ist.


Dieser junge Mann spielt Iron Maiden auf einer Harfe. Warum auch nicht.


Noch ein neues Projekt für Schreibende: Krautreporter. Crowdsourcing für journalistische Projekte in Deutschland. Etwa für Viktors Kopf, das kann man sich hier einmal ansehen. Man kann Beträge zusagen, und wenn genug Zusagen beisammen sind, geht es los. Es dürfte interessant sein, was da alles vorgestellt werden wird und was dann auch tatsächlich von den Lesern getragen wird.


Im European noch eine Kolumne zum Crowdsourcing. allerdings geht es hier um öffentliche Projekte. Schwierig, schwierig. Ich käme da auch auf Gegenargumente, aber interessant ist es allemal.


Nessy fährt Taxi.


Der Hausdrachen kümmert sich um Rituale. Pädagogisch äußerst wertvoll, versteht sich.


MC Winkel hat Straßenkunst gefunden, die ich bitte auch in Hamburg haben möchte. Am besten an jeder Ecke.


Arbeiterkind. Ein bewegender Text in der Zeit über unser Schulsystem, das Kinder aus bildungsfernen Schichten nach wie vor krass benachteiligt, ich möchte am liebsten jede Woche auf den Umstand hinweisen, so sehr ärgert mich das.


Ich war mit Isa im Literaturhaus bei Nora Gomringer und Isa hat zuerst darüber gebloggt. Wenn Sie irgendwo die Anküdigung eines Auftritts von Nora sehen – unbedingt hingehen, das reißt einen mit.


In Frankreich gab es einen Deal zwischen Google und den Verlegern, die Diskussion um das Leistungsschutzrecht wurde dort wohl ähnlich wie hier geführt. Warum dieser Deal für Blogger nicht ganz so harmlos ist, steht hier.


Und zum Schluß wie immer das beste  Essen der letzten sieben Tage, das war ein Shiitake-Risotto mit Mangold, gefunden bei den Rezepten vom Gut Wulksfelde, das einen guten Teil der Hamburger Blogmafia mit Biogemüse versorgt.





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Published on February 03, 2013 21:02

February 2, 2013

Wie ich einmal im Museum für Völkerkunde war, wo der Affe Kleingeld brauchte, aber nur einen leeren Topf hatte

Das Museum für Völkerkunde nennt Sohn I hartnäckig Museum der Völkerstunde. Das macht auch nichts, das klingt ja auch gut und wenn man erst fünf Jahre alt ist, dann sagen einem sowieso beide Begriffe überhaupt nichts. Irgendwas mit Völkern eben, was auch immer das sein mag. Völker, das sind die anderen, reimt er sich zusammen, die sind nicht von hier. Wir sind auch ein Volk, sage ich, aber wir leben ja noch, sagt der Sohn, deswegen kommen wir nicht ins Museum. Oder nur als Gast. Es ist kompliziert. Ich konnte im Vorwege damit punkten, dass da ein mongolisches Zelt aufgebaut sei, denn daran konnte ich mich noch ganz dunkel vom letzten Besuch erinnern und deswegen kam Sohn I dann überhaupt mit. Ein mongolisches Zelt, vielleicht sogar das von Dschinghis Khan, das sieht man immerhin nicht jeden Tag. Das Zelt haben wir allerdings gar nicht gefunden, vielleicht gibt es das auch gar nicht mehr, aber das Kind war dann eh zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um noch dauernd an Steppenfürsten zu denken.


Wenn man das Museum betritt, könnte man theoretisch nach oben, nach rechts oder links gehen. Wenn man ein Kind dabei hat, muss man allerdings zwingend nach rechts gehen, denn schon während man noch die Jacken abgibt, entschwindet der Nachwuchs in dieser Richtung, als wäre dort ein riesiger Kinder-Absorber installiert. “Indianerland” steht an dem Raum und da man schon von weitem einen Tipi sieht, gibt es natürlich kein Halten. Echte Indiandersachen, echte Indianerwaffen, echte Indianerkleidung und bei jedem einzelnen Stück fragte der Sohn wieder, ob das denn auch echt sei, wirklich ganz, ganz echt? Um den dargestellten Gegenstand dann sofort mit Verachtung zu strafen, wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob das Ding nun nachgemacht war oder nicht. Man kann einem Fünfjährigen Pfeil und Bogen aus einem gefundenen Stöckchen, einem Bindfaden und zwei Zweigen basteln, er wird den ganzen Tag mit heiligem Ernst damit spielen, und die Waffe wird in seinem Spiel so echt sein, wie sie nur sein kann – aber wenn man bei dem riesigen Adlerfederschmuck im Museum nicht auswendig hersagen kann, welcher Häuptling das einmal getragen hat – pfft. Weitergehen, egal, ist wohl nicht echt. Braucht kein Mensch. Kinder bleiben seltsam, auch wenn man schon ein paar Jahre mit ihnen verbracht hat.


Ein ausgestopfter Bison, das ist natürlch etwas. Ja, der war mal echt, davor bleibt er lange, lange stehen und guckt. Der ist sogar immer noch echt, nur tot, erklärt er mir. Ausgestopft. Und fragt schließlich, ob die Puppe in der großen Vitrine, der man indianische Kleidung angezogen hat, denn auch ein ausgestopfter Mensch sei? Ach, echt nicht?


Nach mehreren Museumsbesuchen habe ich mich daran gewöhnt, wie das Kind von Schaukasten zu Schaukasten rennt und habe es aufgegeben, irgendeinem logischen Weg durch das Gebäude zu folgen. Ich verzichte auf alle Pädagogik, lasse entdecken und trotte hinterher. Ich antworte, wenn er etwas fragt und halte es aus, dass er an den besten Dingen vorbeirennt, denn die besten Dinge sind es ja nur für mich, nicht für ihn. Der Sohn galoppiert durch den Raum, ich erzähle ihm nebenbei, dass heute Märchentag im Museum sein, da tragen Märchenerzähler dauernd etwas vor. Er guckt mich an, als hätte ich ihn “mein kleines Babylein” genannt. Er stand gerade vor einer Friedenspfeife und sprach womöglich in Gedanken zu seinem Volk, es war sicher ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt.



Wir gingen weiter, das Museum hat viele Räume, das Museum ist wirklich ziemlich groß. Auf einer Säule grinste ein Teufelskopf, daneben stand eine ältere Dame, vor der etliche Menschen auf dem Boden saßen. Als wir vorbei gingen sagte sie gerade “…die Stiefmutter war aber mit dem Teufel im Bunde und hatte ganz andere Absichten…” und ich dachte mit Bedauern, dass es doch ganz nett sei, so einem Märchen zuzuhören. Schade, wenn Kinder so früh schon zu cool dafür sind. Ich wollte das gerade mit dem Sohn noch einmal besprechen, als mir auffiel, dass da gar kein Kind mehr neben mir ging. Das saß nämlich, wie ich sah, als ich ein paar Meter zurückging, zu Füßen der Märchenerzählerin, den Blick immer noch auf den Teufelskopf gerichtet und hörte ihr mit offenem Mund zu. Ich flüsterte ihm zu, dass wir weitergehen könnten und er flüsterte zurück, dass es hier um den Teufel ginge und daher doch ziemlich wichtig sei. Dann hörten wir beide zu, bis der Teufel besiegt war.


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Seltsame Figuren aus der Südsee, riesige Holzskulpturen, davor bleibt man in jedem Alter angemessen beeindruckt stehen, ebenso vor fragilen Schiffskonstruktionen mit Ausleger. Ich wollte gerade erklären, warum man die Schiffe damals so seltsam stabilisiert hat: “… da nahm der Einäugige das himmelblaue Zauberamulett und legte es in seine Augenhöhle und am nächsten Morgen…”. Und da mussten wir dann auch erst einmal bei einem anderen Erzähler zuhören, was es damit genau auf sich hatte und ließen die Schiffe Schiffe sein.


Die Märchenerzähler sprachen frei, Geschichten aus der Erinnerung, eine fast ausgestorbene Kunst. Es ist verdammt schwer, frei Geschichten zu erzählen, wer das einmal versucht hat, der weiß, wie leicht man ins Stammeln gerät, wie leicht auf falsche Gleise. Wie leicht man Aspekte vergisst oder doppelt benennt, wie oft man sich in den selbstgesponnenen Fäden verheddert. Man ist bei der Urform der Literatur, vor ein paar Tausend Jahren am Lagerfeuer entstanden, und sie ist ungeheuer anspruchsvoll. Man sieht als Erzähler den Zuhörern in die Augen, man merkt sofort, wenn man nicht wirkt, wenn die Geschichte nicht ankommt, wenn die Scherze nicht funktionieren. Man sieht, wer sich langweilt, man muss reagieren, man muss Zwischenfragen von altklugen Dreijährigen aushalten. Man muss hier mehr für die Kinder tun, da einen Witz für die Erwachsenen einstreuen, jetzt langsamer werden, dann wieder schneller. Wir haben bei etlichen Erzählern zugehört, mein Respekt vor der Aufgabe stieg mit jeder Geschichte, Märchen zu erzählen ist kein Kinderkram. Sohn I war die Vollständigkeit der Geschichten vollkommen egal, er blieb stehen, wenn ihn ein Satz erwischte, er ging sofort weiter, wenn er eine Stelle langweilig fand, immer im Vertrauen darauf, dass es noch mehr Geschichten gäbe, bessere, andere. So wie wir ein Buch weglegen, dass uns nach zehn Seiten nicht fesselt, so liess man früher eben den Erzähler stehen. So wie wir am Klappentext eines Buches hängenbleiben, an den ersten Zeilen eines Blogeintrages, so blieb man früher an einem gehörten Satz hängen.


Es werden kaum noch Geschichten erzählt. Es wird ungeheuer viel geschrieben, aber wenn wir uns von etwas erzählen, mündlich, dann skizzieren wir nur noch. Drei, vier Sätze, fertig. Selbst wenn wir einen sehr netten Abend mit mehreren Freunde verbringen, erzählen wir uns kaum etwas, auch wenn wir viel miteinander reden. Geschichten mit Spannungsbogen sind aus der Sprachkultur verschwunden und man staunt, wenn man einem guten Märchenerzähler länger zuhört, wie sehr das doch wirkt.


Zaubermasken, Gewänder von Schamanen, seltsame Dinge, deren Zweck man im Vorbeigehen nicht einmal ahnen kann. Was man an den Wänden und in den Kästen sieht, das vermischt sich mit dem, was man hört. Aus dem nächsten Raum hört man einen Satz mit Geistern, noch während man vor einem grinsenden Krokodilskopf steht, denn früher jemand aufhatte, um Geschichten mit Geistern zu inszenieren. Wie sinnig das zusammenfällt, die Märchen aus aller Welt mit den zaubrischen Mitteln aus aller Welt. Wie das Unerhörte mit dem Gehörten sich mischt, warum werden nicht dauernd in Museen Märchen erzählt? Das ist eine ganz wunderbare Aktion, ich bin sehr begeistert und Sohn I ist es auch, aber er ist müde und will nach Hause. Man ist eben auch schnell voll mit Geschichten und Gesehenem, da braucht man wieder etwas Abstand und ein paar Meter durch den grauen Hamburger Nieselregen, um sich zu beruhigen und wieder klar denken zu können. Wir gehen zum Ausgang, wir schieben uns an einem Menschenpulk vor noch einem Erzähler vorbei. “Da war einmal ein Affe, der brauchte dringend Kleingeld. Er hatte aber nur einen leeren Topf, na, was sollte er da machen?”


Natürlich kann man nicht gehen, wenn eine Geschichte gerade anfängt, das ist ja fast unmöglich. Also haben wir uns noch angehört, wie der Affe zu seinem Kleingeld kam, eine vollkommen absurde Geschichte, in der es zur Freude der Kinder viel um Kacke ging. Der Märchenerzähler erzählte, wie der Affe in den Topf kackte und was er dann damit machte, und die Erwachsenen wunderten sich, warum die Kinder dabei so lachten, wirklich sehr albern, und dann erwähnte der Märchenerzähler einen Südseekönig und Sexismus und die Kinder wunderten sich, warum die Erwachsenen so lachten, wirklich sehr seltsam. Und danach kam dann gleich noch das Märchen von dem Frosch, der eine schöne Elefantendame heiraten wollte, das konnten wir auch nicht auslassen und jetzt wissen wir auch, was Sie nicht wissen, nämlich welche Tiere die Nachfahren der beiden sind.


Der Märchenerzähler hatte eine Harfe dabei und da mussten wir also auch noch solange bleiben, bis er ein paar Töne darauf spielte.


Dann gingen wir wirklich und vor dem Museum schlug uns der Regen ins Gesicht, der Wind pfiff unangenehm kalt und wir drehten uns um, während wie die Jacken zumachten und die Mütze aufsetzten, damit wir den Wind von hinten hatten. Der Sohn sah am Gebäude hoch, aus dem wir gerade gekommen waren, und sagte “Da war jetzt aber viel drin”. Und das kann man für ein Museum mal so als Spitzenbewertung eines Fünfjährigen stehen lassen, glaube ich.


(Dieser Text erscheint als Kolumne in der Online-Ausgabe des Hamburg-Führers)





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Published on February 02, 2013 06:11

January 31, 2013

Licht

Untitled


 


Kaum geht man ein paar Wochen nicht in die Stadt, schon hängen da seltsame Dinge herum.

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Published on January 31, 2013 20:50

January 30, 2013

Ein Anruf im Jahr 1937

Es war nur Zufall, aber gerade heute hatte ich Zeit, mir die aktuelle Ausstellung in der Hamburger Staatsbibliothek anzusehen. Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, das passte schon sehr, aber das fiel mir erst ein, als ich schon vor den ersten Schautafeln stand. “Treffpunkt Tante Clara” also, so heißt die Ausstellung, es geht, ich fasse das hier ganz kurz, das ist unter dem Link ausführlich genug erklärt, um die Wirtin einer Hamburger Künstlerkneipe, die 1944 unter Bomben unterging.


Eine Kneipe war das, in der damals viel Prominenz verkehrte, Schriftsteller, Musiker, Schauspieler, Künstler, darunter etliche, die den braunen Machthabern damals nicht passten. Eine kleine Kellerkaschemme mit einem sehr reichen Innenleben, schon den wenigen noch erhaltenen Fotos und Zeichnungen sieht man sofort an, was da abends los war. Die Künstler trugen zur Raumausstattung bei, verewigten sich im Gästebuch, im Mobiliar und an den Wänden, Schauspieler trugen etwas vor, die Wirtin sang Lieder. Moritaten zu Tafeln, die von Gästen gemalt wurden. Eine Insel des anderen Lebens mitten im Dritten Reich, eine immer gefährdete Zuflucht. Ein Türsteher pfiff eine Erkennungsmelodie, wenn sich die SA oder später die Polizei näherte. Im Hinterzimmer wurden Juden diskret geholfen, Ausreisen wurden organisiert, illegale Kunst verkauft. 1944 brannte das Haus schließlich bei Bombenangriffen aus, und aus den Trümmern rettete die Wirtin, Tante Clara, nur einige wenige Stücke, die dann noch viele Umzüge überlebten, bis sie hier ausgestellt werden konnten. Die Kneipe wurde nach dem Krieg nicht wiedereröffnet.



Da sieht man also Fotos, Briefe, Postkarten in Vitrinen, ein paar Gegenstände, man liest Lebensläufe und sieht Zeichnungen an – was man eben so erwartet, in einer Ausstellung wie dieser. Man liest fremde Briefe und denkt vielleicht auch mit Rührung an diese fast schon ausgestorbene Kunst, über zwei Seiten hinweg glänzend formulierte Nichtigkeiten an nur einen Empfänger zu senden. Wie weit weg das schon ist. Man kennt viele Namen der Gäste, die bei Tante Clara verkehrten. Man registriert die eher Unbekannten am Rande, man fragt sich vielleicht, ob es in Hamburg je wieder so einen Kunstmittelpunkt gab – keine Ahnung.


Und dann ist da, das ist sehr geschickt gemacht, ein Telefon an einer Säule. Ein altes Telefon und daneben steht, man möge bitte irgendeine Nummer drehen. Man hebt also ab, hält den Hörer ans Ohr, dreht – und das Jahr 1937 geht ran. Man hat die Kneipe angerufen, man hört das Publikum johlen, man hört die Wirtin, wie sie ein Lied beginnt. Gelächter im Publikum, der Refrain wird mitgesungen, Gläser klirren, Stühle werden geschoben. Und das ist alles echt. Man hat ein paar alte Schallplattenaufnahmen gefunden, die hier abgespielt werden, das sind echte Liveaufnahmen aus der Kneipe die man da hört. Zwei Lieder und auf der einen Aufnahme einfach nur die Geräuschstimmung im Hintergrund, als hätte man da angerufen und die Wirtin verlangt, jemand hätte “Moment!” gebrüllt und den Hörer dann einfach hängenlassen. Man hört in die Kneipe hinein, man hört in das Jahr 1937, von den johlenden Gästen im Hintergrund werden vielleicht nur einige wenige die nächsten Jahre überleben. Man hört ein Stück Abendunterhaltung aus einer Zeit, kurz bevor der Untergang immer schneller immer näher rückte, man hört dieses Lachen, dieses Gröhlen und Johlen, den Ruf nach Alkohol.


Und man steht dabei neben einer Vitrine, in der es um die Rettung der Juden geht, man sieht Briefe von Überlebenden, man sieht Gegenstände, die die Wirtin noch eigenhändig aus den Trümmern geschaufelt hat. Und da, wo man steht, war früher das jüdische Viertel Hamburgs, von dem nichts mehr übrig ist. Das Jahr 1937 lacht und singt, es schunkelt, es sind Tänze am Abgrund, die man im Hintergrund hört, die meisten in der Kneipe werden es damals auch schon geahnt haben. Und wenn man dann wieder auflegt, dann macht das alte Telefon ein schweres Klick, gar nicht vergleichbar mit den Telefonen, die wir so kennen. Ein Klick, das man aus Filmen kennt, ein langsames, sehr gründliches Klick. “Kaaaaa-lick”, macht das Telefon, wie es Telefone eben damals gemacht haben, in einer Zeit, in der Ferngespräche noch viel endgültiger beendet wurden als heute. Und das Jahr 1937, mit dem man gerade noch verbunden war, geht wieder zum Teufel, wo es hingehört.


Wenn man aus der Austellung geht und ein paar Meter geradeaus, aus dem Gebäude heraus – da stand damals die Synagoge.


Die Ausstellung läuft noch bis 03.03. Sehr empfehlenswert.





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Published on January 30, 2013 09:57

January 29, 2013

Eine sinnvolle Verbindung

Sohn II hat heute beim Kinderturnen mit einer kleinen Freundin sein Rosinenbrötchen geteilt. Er hat ihr die Rosinen herausgepult und gegeben und den ganzen Rest selbst gegessen, beide Kinder hielten das für einen sehr guten Deal. Das Mädchen stand kauend vor mir, zeigte mit dem Daumen auf Sohn II und sagte: “Weißt Du, ich will ihn heiraten. Den da. Später.” Sie nickte und kaute weiter, hielt dann die Hand auf und ließ sich vom Sohn eine weitere Rosine reichen. “Weil nämlich, man muss ja essen.”


Die Versorgungsehe hat vielleicht doch noch eine Zukunft, wer hätte das gedacht.





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Published on January 29, 2013 20:19

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Maximilian Buddenbohm
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