Maximilian Buddenbohm's Blog, page 387
March 12, 2013
Terminhinweise
Am 24. März, das ist ein Sonntag, lese ich solo aus “Marmelade im Zonenrandgebiet” um 15 Uhr bei den Stadtveränderern in Hamburg-Hamm, Hammer Steindamm 62. Moderation Oliver Driesen vom Zeilensturm. Eintritt 8 Euro.
Am 5. April, das ist ein Freitag, lese ich gemeinsam mit Isabel Bogdan in Rindchens Weinkontor aus meinen Büchern und aus dem Blog. Das ist in Hamburg-Eppendorf, Christoph-Probst-Weg 3, 20 Uhr, Eintritt 7,50.
Und am 18.4., das ist ein Donnerstag, moderiere ich mit Isa die Tirili-Frühlingslesung in der Kaschemme, es lesen Pia Ziefle, Bov Bjerg und Stevan Paul, alles weitere dazu findet man hier.
Sollte jemand bei der einen oder anderen Lesung vorbeikommen – ich würde mich nicht unerheblich freuen.
Jedem seine Mission
Ich: “Und, wie war es heute in der Kita? Was hast du so gemacht?”
Sohn II: “Nix.”
Ich: “Ach? Ich hab aber gehört, ihr wart im Planetarium? Was war denn da?”
Sohn II: “Nix.”
Ich: “Da war nix? Keine Sterne, kein Mond, kein Himmel?”
Sohn II: “Nee, nix.”
Ich: “Oder habt ihr da irgendwas gelernt?”
Sohn II: “Nee, nix.”
Ich: “Warum sagst du eigentlich immer nur nix?”
Sohn II: “Na, ich bin hier der Nixer.”
March 11, 2013
Herzlich willkommen in diesem Theater!
Ich darf dann meine Gleichaltrigen auf die Bühne bitten, alle zusammen, ja? Natürlich, die Älteren dürfen ruhig mitkommen, das ist hier gar kein Problem, im Gegenteil. The more the merrier, haha. Alles, was reinpasst! Die Jüngeren gucken einfach zu. Nein, hier ist nicht geheizt, meine Güte, wozu auch, wir wollen hier ja auch keinen Workshop inszenieren oder ein stundenlanges Meeting abhalten, was glauben Sie denn? Wir sind in wenigen Minuten fertig, stellen Sie sich nicht so an, das ging bis jetzt noch immer in einem Rutsch durch. Sie brauchen sich auch nicht die Schuhe abzutreten, der Schneematsch geht hier heute einfach als Deko durch, das muss sogar so. Wintergarderobe ruhig anlassen. Am besten alle einfach vorne aufstellen, die Kleinen in die erste Reihe, die Großen dahinter, meine Güte, Sie kennen das doch von Gruppenbildern oder von irgendwas, das ist ja nun nicht so schwer . Wer neben wem spielt ü-ber-haupt keine Rolle, nein, da müssen Sie gar nicht erst herumrangeln. Keine Angst, kein Lampenfieber, kein Verstecken, das geht ruckzuck, da muss sich wirklich keiner aufregen, das kriegen wir hin, das haben wir ja nun auch wirklich oft genug geprobt in den letzten Jahren, ich sage mal, das müsste sitzen. Oder? Na, das meine ich doch. So. Jetzt. Erst einmal ruhig werden, das Schwatzen einstellen, Ruhe da! Sie können hinterher alles in Ruhe besprechen, meinetwegen auch stundenlang, Erinnerungen tauschen und alles, was eben so sein muss, ich kenne das ja. Geselliges Beisammensein in zehn Minuten, draußen im Foyer.
Jetzt aber ran an den Feind: Tief durchatmen, zwei-, dreimal vorweg, Rücken gerade machen, Füße parallel, die Arme in die Hüften stemmen, Oberkörper ganz leicht nach hinten beugen, als wenn wir Schwung holen würden, damit es noch besser gebrüllt wird. Haben wir’s? Dann los, jetzt alle gemeinsam, richtig laut, das muss man meilenweit hören, eins, zwei, drei und los, jetzt:
“GEGEN DEN WINTER 78/79 IST DAS DA DRAUSSEN GAR NICHTS, IHR LUTSCHER!”
Ich danke ihnen. Das konnte sich hören lassen, glaube ich. Dann bis nächstes Jahr! Den Termin geben wir dann wieder kurzfristig bekannt.

March 10, 2013
Woanders – diesmal mit dem Winterende, Militärruinen, der deutschen Sprache und anderem
Andreas Wolf über das Winterende und eine nicht existierende Autorin und eine Freundschaft im Passionsorchester.
Sehr exotische Bilder von verlassenen Militäreinrichtungen aus aller Welt. Mein Favorit ist Bannerman’s Island. Was für eine großartige Kulisse.
Ein Blog mit historischen Bildern aus New York. Via wirres.
Im Freitag ein Artikel über den 5. März 1933. Ich schätze ja etwas Geschichtsunterricht in Blogs und anderen Onlinemedien sehr. Könnte gerne öfter vorkommen.
Der Autor Philip Meinhold fängt an zu bloggen und begründet das sehr schön.
In der NZZ geht es um den Gesundheitszustand der deutschen Sprache. Mit prächtigem Befund. Quasi als geheilt entlassen, die englische Krankheit ist doch gar nicht tödlich.
Videos einer sechsjährigen Breakdancerin, die ziemlich erstaunlich gut tanzen kann. Im ersten Video kommt sie nach kurzer Zeit auf die Tanzfläche. Wie Sohn I nach dem Betrachten etwas entgeistert sagte: “Wieso kann die das denn können, was die da kann?”
Dieter Pfaff ist verstorben. Ich mag seine Interpretation von “Ring of fire” sehr. Ruhig mehrmals gucken, wird immer besser.
Hier gibt es einen zehnminütigen Film über die Herstellung der “Berlinfolgen”-Reihe der taz, ich hatte bereits einmal auf die Reihe hingewiesen. In dem Film kann man sehen, wie die Macher vorgegangen sind. Man möchte sofort selbst so etwas anfangen. Was für Möglichkeiten! Hach.
Das Nuf hält Vorträge in der Kita. Die traut sich wirklich was. Das schwierigste Publikum, das man sich denken kann!
Und die liebe Nessy fährt im Krankenhaus Fahrstuhl und Elisabeth Rank vermisst jemanden und überhaupt sind Blogs super. Umso schlimmer, dass die Nachtschwester erst einmal aufhört. Aber verständlich ist auch das.
Das beste Essen der letzten sieben Tage war das Frühstück im Hotel in Kühlungsborn. Ich bin ja generell kein Freund des Reisens, aber zu den Argumenten, die mich aus dem Haus locken, gehört auf jeden Fall ein gutes Hotelfrühstück. Ich neige dann plötzlich zu morgendlichen Ausschweifungen, und das ist ab und zu ganz nett. Allerdings wieder festgestellt, quasi alte Regel: Mecklenburger können keinen Kaffee. Schlimm.

March 9, 2013
Kühlungsborn
Durch irgendeinen aberwitzigen Fehler in der Matrix ist hier übrigens dauernd blauer Himmel. Ich bin irritiert.

March 6, 2013
Woanders – Der Wirtschaftsteil
Die EU begrenzt nun tatsächlich Banker-Boni. Und zwar auf die Höhe der Fixgehälter. Da werden jetzt also einige Angestelle der Branche quasi schlagartig verarmen. Schlimm, schlimm, es greift einem förmlich ans Herz. Da braucht man am besten gleich hinterher eine eher tröstliche Nachricht, wie die hier im Tagesschau-Blog: “Ungeachtet der schwächelnden Weltwirtschaft, war 2012 für die Superreichen dieser Welt ein Superjahr.” Ist das nicht schön und aufbauend? Nein? Oh. Pardon.
Und nun aber auch das noch: Die Schweizer begrenzen die Managergehälter. O tempora, o mores! Es wird ein Heulen und Zähneklappern in den Vorstandsetagen sein. Wobei allerdings im Blog “Wunderbare Welt der Wirtschaft” zu diesen populären Schlagzeilen doch so einiges korrigiert wird, und dann klingt es schon sehr, sehr anders. Währenddesen macht sich Marc Beise von der SZ ein paar grundsätzlichere Gedanken um Boni in Deutschland, und auch er rät am Ende dazu, lieber die Fixgehälter zu erhöhen und das Theater mit den Wahnsinns-Prämien einzustellen.
In der NZZ kann man nachlesen, dass bösen Bankern auf Island sogar einmal mit Hohnstangen begegnet wurde. Hohnstangen kennen Sie nicht, was? Kannten wir bisher auch nicht. Und hoffentlich lernen wir so etwas nicht auch noch live und in Farbe kennen.
Wind von vorne für die Topverdiener also, niemand gönnt ihnen mehr das eine oder andere Milliönchen. Da wollen wir doch gleich einmal nachsehen, wie es eigentlich wirtschaftlich am anderen Ende der Nahrungskette aussieht, etwa bei einem der zahllosen Rosenverkäufer in Berlin. Und Gott sei Dank: Wenigstens . Dann geht’s ja! Sehr, sehr lesenswerte Reportage im Tagesspiegel.
Nachdem das Leistungsschutzrecht nun erwartungsgemäß geschmeidig durch den Bundestag ging, macht sich Jeff Jarvis, ein amerikanischer Professor, der immer binnen Sekunden etwas Zitierfähiges sagt, wenn es in den Schlagzeilen irgendwo um Internet und Printmedien geht, Sorgen um Deutschland. Kann man hier in der Zeit nachlesen.
Überhaupt ist dies wohl eine sehr sorgenvolle Ausgabe des Wirtschaftsteils, ich kann es nicht ändern – nichts als besorgte Meldungen, wohin man auch sieht. Im Blog von Antje Schrupp geht es auch noch um das schlechte Gewissen der Medienkonsumenten, die online für gar nichts mehr bezahlen, aber doch vielleicht hier und da bezahlen wollen. Ein wenig. Wenn es denn nur machbar wäre. Auch das sind Sorgen! Pardon, der Artikel ist natürlich vollkommen ernstgemeint. Und das ist wahrscheinlich keine Einzelmeinung, das wird es gar nicht selten geben, dieses Gefühl am Ende eines Textes, dass eine gewisse Summe jetzt wirklich völlig in Ordnung wäre – wenn man sie denn nur auf eine akzeptable Art loswerden könnte. Eine flächendeckende Lösung scheint allerdings nicht in Sicht zu sein.
Sorgen machen muss man sich auch um Athen, gar keine Frage. In der NZZ beschreibt der Schriftsteller Petros Markaris eindrucksvoll den Niedergang der Stadt. Und im Standard geht es um die obdachlosen Frauen in Athen. Wirklich beklemmende Texte.
Von der Wirtschaftspolitik ist es nie weit bis zur Sozialpolitik, die direkten Zusammenhänge liegen auf der Hand. Deswegen hier noch ein Link zu einem Text im Blog von Christian Fischer, der sich mit denen befasst, die an unserer Wirtschaft gar keinen Anteil haben, weil sie ihn nicht haben dürfen – aber haben könnten und ganz sicher auch haben wollen. Menschen, deren verordnete wirtschaftliche Nichtteilhabe in Deutschland ein kaum beachteter Sonderfall in der EU ist: Die Flüchtlinge. Der Text wir mit jedem Absatz interessanter.
Katja Kraus, ehemaliger Marketingvorstand beim HSV, hat ein Buch über ganz besondere Sorgenkinder geschrieben – Manager, Sportler und Politiker, die ihre Top-Positionen verloren haben: “Macht – Geschichten vom Erfolg und Scheitern”. Bei Saal Zwei kann man etwas über die Autorin und das Buch lesen. Es sind vielversprechende Zitate dabei, alleine die Stelle über Ron Sommer scheint schon das ganze Buch zu lohnen.
Und die Innenstädte, das sind natürlich auch alles Sorgenkinder, denn was machen sie, wenn sie in der Presse vorkommen? Na? Genau, sie veröden. Durch den bösen Onlinehandel, besonders in kleineren Städten sieht man die Effekte jetzt schon. Ein langer Artikel mit neuen, in der Tat teils dramatischen Zahlen und Fakten bei “Der Handel”. Die Städte werden sich wirklich stark ändern, und anscheinend sogar ziemlich schnell.
Wenden wir uns jetzt lieber noch schnell dem Privatleben zu, wir brauchen hier dringend noch einen kleinen sorgenfreien Bereich. Wie viel Platz haben Sie denn so in der Küche? Ist da noch ein Eckchen frei? Hier gibt es ein neues Gerät, das zwar, zugegeben, etwas Platz kostet, aber sehr schick aussieht, gewaltig etwas hermacht, total sinnvoll und auch noch pädagogisch wertvoll ist und, das ist fast das beste Feature, in einigen Fällen auch noch den Weg zum Bioladen spart.
Gone to the beach
Die Herzdame und ich sind überzeugte Familienmenschen, wir mögen diesen Irrsinn mit mehreren Kindern wirklich ganz gern. Sonst würden wir es auch nicht aushalten, dass die Söhne dauernd Besuch haben, und manchmal sogar ziemlich viel davon. Das ist alles in Ordnung so, das gehört so, hier geht es eben turbulent zu. Fast immer. Nur drei Tage im Jahr nehmen wir uns frei. Frei von der Familie, frei von Kindern, frei von allem. Dann fahren wir ans Meer, als Traditionsmenschen natürlich immer ins gleiche Hotel, weil es sich sehr bewährt hat und kostenloses WLAN hat, wie es sich gehört . Die Großeltern kümmern sich an diesen Tagen um die Söhne, niemand kümmert sich um die Arbeit. Tolle Sache. Theoretisch.
Die Herzdame und ich sind allerdings beide auf vielfältige Arten beruflich und privat beschäftigt und engagiert, deswegen ist es für uns nicht ganz einfach, tatsächlich freie Tage zu haben. Es reicht bei unserem Lebenswandel eben nicht mehr aus, einfach im Festanstellungsjob Bescheid zu geben, wir seien mal kurz weg. Da hängt noch ein wenig mehr dran. Da müssen noch Texte auf Vorrat geschrieben werden, Treffen umgelegt werden, Meetings und Telefonate neu arrangiert und Kunden wegen verschobener Projektdaten angerufen werden und so weiter und so weiter. Das ist im Laufe der Jahre in einem mich immer wieder verblüffenden Ausmaß heillos kompliziert geworden und treibt uns, je näher diese drei besonderen Tage kommen, komplett in den Wahnsinn. Im Grunde ist es so anstrengend, diese drei Tage richtig freizukämpfen, dass wir eigentlich für die Urlaubsvorbereitungen extra Urlaub nehmen müssten, allerdings ahne ich, dass diese Gleichung am Ende auch irgendwie nicht aufgehen würde. Stunden vor der Abfahrt sind wir beide mit den Nerven völlig am Ende, stehen kurz vor der Trennung und überlegen, der Einfachheit halber alles abzusagen. Aber gebucht ist gebucht ist bezahlt, sagt der Controller in mir, und dem widerspreche ich nicht
Dann treten zwei Effekte ein. Immer. Erstens: Das Wetter verschlechtert sich. Sie werden das in wenigen Stunden live am Himmel beobachten können. Es verschlechtert sich nicht nur ein wenig, sondern geradezu dramatisch, so dass man definitiv keine Lust mehr hat, vor die Tür zu gehen. Gleichzeitig haben wir zweitens plötzlich vor lauter Erschöpfung keine Lust mehr, uns zu streiten und zu stressen. Und das zusammen führt dazu, dass wir die Zeit am Meer nahezu durchgehend im Bett verbringen. Nicht aus Liebesfuror, wie es unser schalkhafter Bundespräsident nennen würde, nein, einfach weil es geht. Lesen, Schlafen, Lesen, Schlafen, zwischendurch ein Nickerchen oder eine verträumte Pause, man macht sich überhaupt keinen Begriff, wie toll das sein kann, wenn man es nicht ein paar hundert Tage im Jahr definitiv niemals in Ruhe kann. Vor dem Hotelfenster findet die Ostsee statt, ab und zu fragen wir uns, ob wir nicht doch einmal rausgehen sollten. Dann ziehen wir nur schweigend die Decken höher. Die letzten Male haben wir noch einen Pflichtspaziergang am Strand gemacht, irgendwann werden wir sicher auch auf den verzichten können.
In der nächsten logischen Steigerungsstufe müssen wir dann Hamburg an den freien Tagen gar nicht mehr verlassen, hier gibt es ja auch Hotels, und nicht wenige. Wenn man eh nicht vor die Tür geht, kann man auch gleich das Hotel an der nächsten Straßenecke nehmen, warum denn nicht, Hauptsache Bett. Das spart die Reisezeit und das Benzin, das sind sehr erfreuliche Effekte. Und wenn man erst so weit ist, dann muss es auch bald gar kein Hotel mehr sein, man nimmt auf diese Art eigentlich kaum Service in Anspruch, das braucht man in Wahrheit alles gar nicht. Wir könnten uns einfach bei irgendwelchen kinderlosen Freunden hier im Stadtteil ins Gästezimmer zurückziehen: “Wir möchten hier einfach nur liegen.” Einfach nichts machen. Das geht doch wirklich überall.
Aber dann fällt mir wieder ein: Das Nichts an der Ostsee wirkt einfach gründlicher. Ich habe sogar, erinnere ich mich dunkel, einmal ein Buch darüber geschrieben. Aber es fällt mir tatsächlich jetzt zum ersten Mal auf, mit welch großem Genuss ich heute an die Ostsee fahren kann, um sie zu ignorieren.
Wir sind ab morgen mal kurz am Meer, und es wird sehr schön und furchtbar langweilig werden. Nur kein Neid.
(Der Wirtschaftsteil und die Sonntagskolumne für die Lübecker Nachrichten erscheinen dennoch wie gewohnt.)

March 5, 2013
Danke!
Zwischendurch ganz herzlichen Dank an die Leserin aus Meppen und den Leser aus Hilpoltsheim, die sehr großzügige Geschenke für die Söhne geschickt und immens große Begeisterung im Kinderzimmer ausgelöst haben. Wirklich tolle Geschenke!
March 4, 2013
Gelesen im Februar
Ich gucke schon seit einiger Zeit mit Neid und Missgunst auf die Grönersche Leseliste, siehe etwa hier das letzte Beispiel. Wie schafft die das denn bloß? Und wieso schaffe ich eigentlich gar nichts mehr? Bei mir wird der Stapel auf dem Nachttisch immer nur größer, eines Tages wird er mich vermutlich erschlagen, aber irgendwie gibt es nur eine sehr, sehr geringe Abwanderung. Das liegt, wie mir nach einigem Nachdenken auffällt, daran, dass ich zwar immer noch viel lese, aber deutlich seltener als früher etwas tatsächlich durchlese. Weil ich so selten stundenlang Zeit am Stück habe und ein Buch für mich auch unbedingt zur Gelegenheit und Stimmung passen muss. Ich wechsel also dauernd, wie es gerade passt, wie es zu den paar Viertelstündchen passt, die mir zum Lesen bleiben. Ich lese im Bad ein anderes Buch als im Schlafzimmer oder im Wohnzimmer, ich habe ein Buch im Rucksack und eines im Jackett, ich lese auf dem iPad etwas anderes als auf dem E-Reader oder auf dem Handy. Deswegen schreibe ich jetzt monatlich auf, worin ich gelesen habe, weil ich auch so eine tolle Liste haben will wie die Gröner - aber ohne jeden Anspruch, mit den Büchern tatsächlich fertig zu sein.
Erich Mühsam: “ Schüttelreime”. Erich Mühsam war auf derselben Schule wie ich, schon deswegen bin ich ihm ein wenig verbunden. Aber auch wegen solcher Verse: “Das ist ein großer Schweinehund, dem je der Sinn für Heine schwund.” Wer könnte dem widersprechen.
Robert Louis Stevenson: “ Der Schatz von Franchard”. Der Stevenson wird hier immer ein wenig unterschätzt, dabei ist sein ganzes Werk wunderbar, äußerst fein geschrieben und auf die denkbar beste aller möglichen Arten langatmig und brilliant erzählt. Wenn Sie etwa “Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde” nicht kennen – das ist eine erzählerische Offenbarung, die vielen dämlichen Verfilmungen haben mit dem Original wirklich wenig gemein. Stevenson gehört immer wieder entdeckt.
Stéphane Hessel: “Empört Euch!”, übersetzt von Michael Kogon. Darüber haben schon alle geschrieben, dazu muss man wohl nichts mehr sagen.
Julian Barnes: “ Vom Ende einer Geschichte”, übersetzt von Gertraude Krueger. Fanden alle toll, hat auch etliche Preise gewonnen, ich habe es verärgert weggelegt. Da hat ja jeder so seine eigenen Kriterien, was er einem Autor übelnimmt – und ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn ein Ich-Erzähler seitenlang minutiös hochgestochene Gespräche aus seiner Jugend wortgetreu in direkter Rede wiedergibt. Das ist eine Erzählform, die für mich nicht zulässig ist. So kann sich niemand erinnern, das funktioniert nicht. Das funktioniert vielleicht mit ein paar erzählerischen Tricks und verschiedenen Handlungsebenen, aber ganz platt und geradeaus - nein.
Gerhard Henschel: “Kindheitsroman” . Das ist der erste Band einer vierteiligen Romanreihe und ich bin begeistert. Nach ein wenig Misstrauen auf den ersten Seiten, funktioniert denn das wirklich, wenn jemand nur kleine und kleinste Mosaiksteinchen einer Erzählwelt auswirft, noch eines und noch eines, immer weiter, zahllose Steinchen in auch noch verdächtig kempowskinaher Diktion – und dann nimmt das Buch aber angsam Fahrt auf, Kempowski ist bald vergessen, das Bild wird klar und klarer, die Figuren leben auf, die Zeit der 60er und 70er lebt auf und das ist ganz großartig, wie Henschel das macht, dieses sehr langsame Erwecken einer Familienwelt, wie aus den Steinchen ganz allmählich ein unglaublich detailreiches Panoramabild wird. Das Buch gefiel mir gleich doppelt, zum einen literarisch, zum anderen aber auch als Angehöriger von Henschels Generation, der beim Lesen einen Flashback nach dem anderen hatte, weil natürlich etliche Details in meinem Leben genau so waren wie in dem der Hauptfigur Martin Schlosser, mit ungefähr dem gleichenGeburtsjahr wie ich. Das ist dann schon faszinierend, wenn z.B. irgendwann ein Biobuch in der Schule mit Titel erwähnt wird und plötzlich die aufgeklappten Seiten befremdlich exakt vor meinen Augen stehen, komplett mit Abbildungen und Überschriften, als hätte mir jemand ein Dia vor den Projektor gehalten. Dreißig Jahre nicht an das Buch gedacht und zack, da ist es wieder. Ich freue mich sehr auf den zweiten Band (“Jugendroman”). Und auf den dritten (“Liebesroman”) und auf den vierten (“Abenteuerroman”).
Doug Saunders: “Mythos Überfremdung – eine Abrechnung”, übersetzt von Werner Roller. In dem Buch geht es um die Argumente der vielen, vielen Bewegungen und Parteien, die gegen Zuwanderung sind, gegen Flüchtlinge und Fremde. Unfassbar gründlich recherchiert, sehr ruhig beschrieben, klar und eindeutig werden Typen wie Sarrazin (er kommt seitenlang darin vor) und ihre Argumentation fachgerecht zerlegt. Das Buch bildet ungemein, ich kann es sehr empfehlen.
Doug Saunders: “Arrival City”, übersetzt von Werner Roller. Noch einmal Doug Saunders, diesmal zum Thema Verstädterung, weltweit gesehen. Das Buch habe ich angefangen, weil ich notgedrungen viel über Gentrification nachdenke und darüber etwas mehr wissen wollte, über wachsende Städte, Wanderungsbewegungen und Trends. Ähnlich wie bei “Mythos Überfemdung” fasziniert die Gründlichkeit, mit der Saunders zu Antworten kommt, die nicht gerade den gängigen Klischees entsprechen. Und gut erzählen kann er auch noch.
Nora Gomringer: “Nachrichten aus der Luft”. Gedichte, man sollte überhaupt mehr Gedichte lesen. Ich war mit Isa auf einer Lesung von Nora Gorminger, die ich vorher gar nicht kannte. Wenn Nora Gomringer einmal in Ihrer Stadt auftritt, gehen Sie bloß hin, das ist wirklich sensationell.
Egon Friedell: “Kulturgeschichte der Neuzeit”. Lese ich auf meinem Handy. Und zwar immer dann, wenn ich in einem Arztwartezimmer herumsitze, wenn die S-Bahn hängenbleibt, wenn ich auf eine Verabredung warte, wenn irgendwo im Alltag etwas stockt oder klemmt. Bevor ich mich lange ärgere, lese ich zehn Minuten Friedell. Den werde ich auf diese Art zwar niemals durchlesen, aber die zehn Minuten sind nie umsonst.
Ringelnatz: “Ein jeder lebt’s: Novellen”. Ganz nett, ganz interessant, aber die Novellen erreichen bei weitem nicht die gleiche Flughöhe wie seine Gedichte.

March 3, 2013
Woanders – diesmal mit Kaffeehäusern, Camus, Fußball und anderem
Felix Schwenzel vergleicht das Internet mit einem Kaffeehaus. In diesem Vergleich ist der Flattr-Button unter den Texten dann vermutlich die kleine Untertasse, auf der man ein paar Münzen liegen lassen kann, bevor man geht. Auch recht.
Im Freitag ein längerer Artikel über das Darknet, also den Keller des Internets. Wenn das normale Internet ein Kaffeehaus ist, dann ist das Darknet irgendeine Absteige im Rotlichtbezirk. Vielleicht eher noch das dubiose Hinterzimmer darin. Auch die Kommentare dazu lesen, da sind sinnvolle Ergänzungen dabei..
Wer sich für meinen St. Pauli-Artikel neulich interessiert hat, wird vielleicht auch das hier interessant finden. Noch ein Vater, der mit seinem Sohn zum Fußball will - die Mission ist durch das Asperger-Syndrom allerdings etwas komplizierter.
Hier eine Meldung zu Twitterlyrik (englischer Text), da geht es um Tweets im shakespearschen Sprachrhythmus, die gesammelt und nach Reimen zusammengefügt werden – faszinierend. Hat das schon jemand mit deutschen Tweets gemacht?
Über den Zusammenhang zwischen Briefkastenschlüsseln und Albert Camus wird ja auch eher selten gebloggt. Manchmal aber doch.
Man kann auf die gute, alte Art zu einem Kind kommen, man kann aber auch einfach ein Baby in der U-Bahn finden. Sehr schöne Geschichte (englischer Text).
Apropos Baby, hier tatsächlich einmal eine sensationell gute Nachricht: In den USA wurde erstmalig ein Baby von AIDS geheilt (englischer Text). Das ist der bisher erst der zweite Fall von Heilung überhaupt bei dieser Krankheit.
Im Kinderfilmblog kann man sich einen Kurzfilm ansehen – “Mein seltsamer Großvater”. Sohn I hat ihn sich gleich dreimal nacheinander angesehen und übt jetzt Musik auf Flaschen. Das Kinderfilmblog ist natürlich sowieso sehr nützlich, ich erwähnte es bereits einmal.
Bilder aus einer anderen Welt: Die USA in den 70ern.
Im Standard ein erhellender Text zum Glutamat. Ich fand es schon lange erheiternd, dass nur etwa 1% aller Menschen tatsächlich auf Glutamat negativ reagieren, also statistisch gesehen, unter den Damen in meinem Bekanntenkreis das aber etwa 10% von sich behaupten. Zufall, alles Zufall. Was hab ich vor fünfzehn Jahren etwa mit gewissen mir damals äußerst nahestehenden Damen herumdiskutiert, die schon vom Vorbeigehen an einem Chinarestaurant Migräne bekamen. Und dass die so heftig reagierenden Damen dass mit dem Glutamat-Anteil im Parmesan einfach nicht wussten, und den also auch einfach unbeirrt essen konnten – HAHAHA! Großartig. Ich freu mich schon seit Tagen über den Text.
Bei Mela geht es um die Art, wie die Gesellschaft Behinderungen wahrnimmt und damit umgeht.
Das beste Essen der letzten sieben Tage war eine Hühnersuppe, die ich nicht verlinken kann, weil sie nach dem Familienrezept der Herzdame gekocht wurde. Eine Traditionssuppe sozusagen. Da ich aber von den einzelnen Schritten der Zubereitung eine doch ziemlich andere Auffassung als die Herzdame hatte, war das hier eher eine Streitsuppe. Gemeinsam zu kochen ist anscheinend mehr etwas für andere Paare, nicht für uns – ich bin ja schon mißtrauisch, wenn die Herzdame auch nur meine Küche betritt. Ich meine, ich geh ja auch nicht mit einem Schraubenschlüssel zum Auto, wir haben da eigentlich sehr klar getrennte Reviere in dieser Ehe. Geschmeckt hat es aber dennoch. sogar sehr gut. Wobei es allerdings ein seltsames Gefühl ist, Hühnersuppe zu machen, ohne einen Kranken in der Familie zu haben.

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