Maximilian Buddenbohm's Blog, page 360

November 12, 2013

Zeitansage

Sohn II: “Papa? Wie viele Tage sind es noch bis nachher?”


Ich: “Gar keine.”


Sohn II: “Ach? Dann ist nachher ja nie?”


Ich: “Doch, das ist schon gleich.”


Sohn II: “Also ist nachher doch fast jetzt?”


Ich: “Nein, das ist dann schon noch etwas später.”


Sohn II: “Aber später ist ja nicht gleich.”


Ich: “Es ist nicht gleich sofort. Aber auch nicht lange hin.”


Sohn II: “Wie viel später denn genau?”


Ich: “Nur ein ganz, ganz kleines bisschen später.”


Sohn II: “Gut. Dann ist nachher ja bald gleich und doch gar nicht so spät?”


Ich: “Exakt.”


 


[Pause. Der Sohn guckt etwa zehn Sekunden in die Luft.]


 


Sohn II: “Jetzt? Ist jetzt nachher?”


Ich: “Nein, noch nicht ganz. Aber demnächst.”


 


Ich nehme an, das Gespräch geht gleich noch ziemlich lange so weiter. Womöglich sogar bis nachher.


 


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Published on November 12, 2013 08:33

Herzlichen Dank…

… an die Leserin T.K. aus Bremen, die den Söhnen ein Paket geschickt hat, welches wir für Weihnachtszwecke erst einmal haben verschwinden lassen. Alte Regel: Bei Paketen mit einem Buch von Astrid Lindgren drin handelt es sich immer um super Pakete. Ich freue mich darauf, den Söhnen die Michel-Geschichten vorzulesen.

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Published on November 12, 2013 07:32

November 11, 2013

Hallamati 2013

Die Stammleserschaft wird diesen Beitrag am heutigen Tag fest erwartet haben, der Rest sieht bitte hier nach, worum es bei diesem seltsamen Begriff Hallamati eigentlich geht, es erschließt sich dann schon.


Im Vorwege des diesjährigen Hallamatis fragte Sohn I übrigens nach, wieso wir hier eigentlich alle Hallamati sagen, weil nämlich, das würde doch eigentlich ganz anders heißen? Und ich habe ihm erklärt, dass er selbst tatsächlich der Urheber des Begriffs war, vor nun schon einigen Jahren. Das fand er sehr gut von sich und auch witzig und übrigens völlig korrekt von mir, darüber lustige Geschichten zu schreiben. Noch sind wir also auf einer Linie, was dieses Verständnis angeht. in naher Zukunft werde ich mein Schreiben über ihn aber sicherlich ändern müssen, das Kind kann bald lesen und, fast noch wichtiger, seine Freunde auch. Da muss man also ganz anders werten und durchdenken, was online vorkommen darf und was nicht, versteht sich. Es ist kompliziert. Aber das nur nebenbei. Sohn II jedenfalls merkte zu dieser Erzählung an: “Dann hat mein Bruder ja meinen allerschönsten Lieblingsbegriff erfunden? Das ist aber nett von ihm.”


Nachdem die Söhne im letzten Jahr nur mit sehr mäßiger Begeisterung am Martins-Zug teilgenommen haben, gingen wir in diesem eigentlich davon aus, dass beide das Event komplett verweigern würde. Aber so berechenbar sind Kinder dann doch nicht, aus unerfindlichen Gründen haben sich beide seit Wochen auf den Tag gefreut. Auf den Reiter mit der Alufolie um die Reiterkappe also, auf den Gottesdienst mit der grottenschlechten Akustik, auf das Herumlaufen mit der selbstgebastelten Laterne und mit bemerkenswert schrägem Gesang. “Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind” wird hier seit etlichen Tagen in Endlosschleife gesungen, so häufig, dass sogar ich allmählich darin textfest geworden bin, obwohl ich doch als Norddeutscher ohne Bezug zum Katholischen komplett ohne den ganzen Zauber aufgewachsen bin.


Sohn II ist dann in der Kirche während des Gottesdienstes vor dem Martinszug auf Knien durch den Mittelgang gerutscht, immer auf und ab. Dagegen lässt sich eigentlich nichts einwenden, in der Kirche auf Knien herumzurutschen ist nicht völlig unüblich, so weit ich weiß, man könnte es sogar fast als Zeichen guten Benehmens deuten, nicht wahr. Jedenfalls wenn das Herumrutschen nicht so eindeutig sportliche Aspekte gehabt hätte, es handelte sich anscheinend um eine Art sehr schnelles Wettbüßen mit einem seiner Kumpel. Auch das Hochreißen der Arme vor dem Altar mit dem Ausruf “Erster” liegt vermutlich nicht ganz in der Tradition. Eine sportliche Übung, die zudem von anderen Kindern leider auch mit lautstarker Anfeuerung unterstützt wurde, die Bande ist da soweit solidarisch.


Ich war alleine mit den Söhnen in der Kirche, die Herzdame musste arbeiten. Ich war daher froh, dass nur Sohn II im Mittelgang herumtobte, es wäre kompliziert gewesen, gleich zwei Kinder wieder einzufangen und in eine Kirchenbank zu zwingen. Aber Sohn I machte heute deutlich weniger Mühe. Er kokelte hinten bei den Opferkerzen herum und lebte endlich seine pyromanischen Neigungen völlig enthemmt aus, das ging ruhig und besinnlich vor sich. Gut, es waren hinterher nicht mehr viele Kerzen übrig, aber was soll’s. Etwas Schwund ist immer.


Die Schüler einer Grundschule führten ein Stück auf, in dem der Heilige Sankt Martin also erwartungsgemäß seinen Mantel mit dem Bettler teilte. Eine Geste, so einfach und schlicht, dass sie jedes Kind versteht, der Tag ist ja nicht umsonst ein Fest für die Kleinen. Einer ist arm, einer hat einen Mantel, da wird geteilt, alle sind glücklich. Jedes Kind versteht das. Jedes Kind, mit Ausnahme von Sohn II, der nach dem Stück zu mir kam und mich nachdenklich fragte: “Dann hatte der Bettler doch immer noch kein Geld und Sankt Martin hatte kaputte Klamotten – das war dann doch keine Lösung? So kann die Geschichte doch nicht ausgehen?”


Nicht jeder hat einen Sinn für erbauliche Inhalte. Ich sehe ziemlich schwarz, was seine Hinwendung zum Christentum angeht. Die Art der Fragestellung deutet eher auf eine Karriere bei McKinsey als im Dienst einer Religion.


Dann zogen wir wieder – rabimmel rabammel rabumm – um den Block. Girandola, girandola, ich gehe mit meiner Lateeeerne, Sankt Maaaaartin. Immer wieder, und dann von vorne und dann noch einmal. Umherwuselnde Kinder, suchende Erwachsene. Zertrampelte Laternen, weinende Kinder, Stadtmenschen, die zum ersten Mal in Pferdekacke treten. Ein Trupp mir unbekannter Jungs, der vor mir herlief, diskutierte die Machtverteilung im Universum, wer da eigentlich genau was zu sagen hat. Die Polizei etwa regelt den Verkehr, aber Gott bestimmt sonst alles, so ungefähr musste es wohl sein? Allgemeines Nicken, bis einem einfiel, dass Bauarbeiter womöglich noch mehr bestimmen können als Gott. Da war man sich nicht sicher, zweifelnde Blicke. Gott ist immerhin weiter oben, andererseits hat ihn aber niemand je einen Bagger steuern sehen, es ist immer wieder überraschend, wie ernst kleine Experten diskutieren können. Wer einen Bagger steuert, der regelt wirklich was, oder nicht? Wie völlig absurd diese Gespräche verlaufen, wie seriös aber dabei geguckt wird. Ähnlichkeiten mit den Gesprächen der Großen in den Konferenzräumen der Welt sind keineswegs rein zufällig. Wie bereitwillig abwegige Gedanken aufgenommen, abgesegnet und verfeinert werden, wie stark die Meinung der Gruppe auf den Einzelnen wirkt. Wie genau alle beobachten, wer was sagt und in welches Lager man wohl gerade gehört. Erst halten alle die Idee mit dem allmächtigen Bauarbeiter für ausgemachten Schwachsinn, hundert Meter weiter ist die Lage schon kippelig, die Mehrheiten unklar. Noch dreimal um den Block und die Baggerfahrer dieser Welt wären von den Nachwuchsdenkern heilig gesprochen worden. Na, wer weiß denn schon genau, wie die Freimaurer entstanden sind?


Und weil die Söhne heute beide bis zum Ende durchgehalten haben, wird es vermutlich auch im nächsten Jahr noch einen Hallamati-Eintrag geben. Der dann auch deswegen weiterhin so heißen darf, weil Sohn I sich jetzt wirklich große Mühe gibt, den Begriff im Freundeskreis zu missionieren. Und er ist nicht erfolglos. Vor ein paar Tagen sprach einer seiner Freunde tatsächlich ebenfalls vom Hallamati und wusste auf meine Nachfrage nicht mehr genau, wo das Wort herkam. Wir lassen es einfach weiter im Stadtteil einwirken. Das wird schon.




 

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Published on November 11, 2013 12:44

November 10, 2013

Woanders – diesmal mit Mängelexemplaren, Bibliotheken, Plots und anderem

Es geht schon wieder um Bücher. Letzte Woche war es ein Link zum Selbermachen von Lesebändchen, diese Woche geht es um das Entmangeln von Büchern. Doch, das heißt so.


Kathrin Passig über Bibliotheken. Ich bin nicht ihrer Meinung, aber ich bin ja auch Dipl.-Bibl., um meinen etwas albern klingenden und nur halbwegs akademischen Titel doch noch einmal im Leben zu erwähnen. Ich glaube, man müsste der Fairness halber etwas vom Vorteil des geschlossenen Raumes erwähnen, von der Pflege der Sammlung, vom sinnigen Bestandsaufbau, vom Veranstaltungsmanagement, von Lesungen – und dann bleibt schon noch etwas. Nicht so viel wie früher sicherlich, aber doch mehr als nichts. Viel mehr.  Also wenn man an wissenschaftliche Bibliotheken denkt jedenfalls. Bei Kindern wiederum kann man sehr einfach miterleben, wie sie in einer öffentlichen Kinderbibliothek die unfassbare Vielfalt des Wissens und der Geschichten tatsächlich und im wörtlichen Sinne nicht fassen können und eben dadurch erst erahnen. Das klappt online überhaupt nicht, denn – das ist ein vermutlich wenig beachteter Aspekt – die Onlinevielfalt beeindruckt Kinder nicht. Und zwar kein Stück.  Na klar, man kann sich die ganze Welt zusammenklicken, endlos viele Filme, Produkte, Bilder, Texte, aber so what? Schulterzucken. Es ist doch alles nur immer noch eine weitere bunte Seite auf dem Tablet. Aber zeigen sie denen mal einen Saal mit zehntausend Bücher auf einmal. Das haut rein, da bleibt der Mund offen. Und ich schreibe dies als ausdrücklicher Verfechter einer sehr modernen Medienerziehung. Man sollte schon versuchen, alles zu sehen.


Hier eine lange, lange Antwort auf Kathrin Passig.


Und noch eine Antwort bei Herrn Schneider. Bei ihm geht es auch um Kinder.


Isa hat Alina Bronsky interviewt, es geht auch um das Plotten, immer interessant für alle Autoren.


Ein Kind vom Nuf im Rausch. Zustände!


Sohn II sorgt jetzt auch anderweitig für Content.


Felix Schwenzel über Amazon-Partnerlinks in Blogs. In den Kommentaren geht es hoch her, Contenance geht anders.


Bilder: Man bekommt sofort Lust, auch so etwas zu machen.


Bilder: Ein verlassenes Kaff neben Antwerpen: Doel.


Bilder: Über die wirklich große Liebe, die wir alle einmal hatten.


Bilder: Fortgeschrittenes Hipstertum. Die Nummer 20 finde ich gar nicht so uninteressant.


Film: Den Auftritt mit der Feder haben schon alle verlinkt, aber falls jemand die Woche nicht bei vollem Bewusstsein erlebt hat: hier ist er noch einmal.


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Published on November 10, 2013 10:30

November 9, 2013

Vertane Gelegenheiten

Der große Sohn ist jetzt im Schwimmverein, der kleine Sohn denkt über Fußball nach. Das ist wieder eine neue Phase, dass man als Vater zum Sport mitgeht und zusieht, am Rand sitzt, anfeuert und sich über die Kinder wundert. Das gab es bei uns noch nicht, damit muss man erst einmal umgehen  können.  Das ist nicht ganz so einfach, wie es vielleicht klingt. Man kommt nämlich dauernd auf Gedanken.


Der Schwimmvereinssohn etwa lernt gerade Kraulen. Er schwimmt also wie ein richtiger Sportler, wer hätte gedacht, dass das mit sechs Jahren schon so gut aussehen kann? Ich habe nie Kraulen gelernt, ich kann nur langweiliges Brustschwimmen. Warum eigentlich? Es fällt mir gar nicht mehr ein. Aber schon kann ein ziemlich kleines Kind mehr als ich, das fühlt sich seltsam an. Da fällt einem unangenehm auf, was man alles im Leben nicht gemacht hat. Was man nicht gelernt hat, was man gar nicht erst versucht hat. Keine Zeit gehabt, kurz einmal keine Lust, keine Ausdauer und zack, schon war die Chance vertan, war das Zeitfenster zu. Wirklich schade. Man besteht als Erwachsener aus lauter nicht genutzten Möglichkeiten und vertanen Gelegenheiten. Es ist doch ein wenig betrüblich, denke ich, während der Sohn seine Bahnen zieht. Man ist natürlich etwas geworden, das schon, aber eben auch so vieles nicht. Wer weiß, wie man noch hätte sein können? Wenn man nur öfter zum Schwimmen gegangen wäre vielleicht?


Der Sohn macht da ganz einfache Übungen, das sieht so schwer nicht aus. Er ist mit Feuereifer dabei und sieht gar nicht, wie ich auch ins Wasser gehe, im Becken nebenan. Und ein wenig abgucke und übe. Ich werde doch lernen können, was ein kleines Kind in zwei Stunden lernen kann? Ich gleite durchs Wasser und lasse die Arme kreisen. So schwer ist es wirklich nicht.


Wer weiß, wie ich noch werde.


(Dieser Text erschien als Sonntags-Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)



 

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Published on November 09, 2013 23:00

November 8, 2013

Strafarbeit abgeschlossen

So, nachdem ich stundenlang an den alten Artikeln herumgebastelt habe, sind die Tweetsammlungen “Kurz und Klein” jetzt tatsächlich wieder alle lesbar. Sollten sie zumindest sein. Sollten sie es nicht sein, bringen Sie es mir bitte sehr, sehr schonend bei, ich traue mich nicht mehr, irgendwas zu testen. Zu finden sind sie sämtlich über den Kategorien-Link rechts in der Spalte, oder gleich hier.


Merke: man sollte keinem Plug-In die Gestaltung von Artikel-Elementen überlassen. Das kann sich fürchterlich rächen. Drei Abende habe ich mit dem Gefrickel zugebracht! Hunderttausend heulende Höllenhunde! Wer hat denn Zeit für so etwas!


Mannmannmann.


Morgen sehe ich zur Entspannung nach, ob es dieses Berlin wirklich gibt, von dem jetzt alle immer reden. Man gönnt sich ja sonst nichts. Reisebericht folgt.


 

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Published on November 08, 2013 11:35

November 7, 2013

Schöner die Streifen nie flirren…

Ein Beitrag von Rochus Wolff


Fragt man eine Filmkritikerin, was eigentlich gerade Gutes im Kino läuft, oder welche DVD man sich aktuell ansehen sollte, erhält man als Antwort meist einen irritierten Blick und ebensolches Schweigen. Kritiker wissen solche Dinge meist nämlich nicht, weil ihre Filmwelt sich nach einer eigenen Zeitmessung beläuft: Sie sehen Filme auf Festivals, in Pressevorführungen Wochen bis Monate vor dem Kinostart – und wer nicht gerade redaktionell damit befasst ist, den Kinokalender aktuell zu halten, hat meist keine Ahnung, ob ein bestimmter Film vor drei Wochen angelaufen ist oder erst in zwei Monaten kommt. Oder gar nicht.


Maximilian war mutig genug, mich dennoch zu fragen, ob ich hier in Zukunft regelmäßig ein paar Empfehlungen und Warnungen einigermaßen aktueller Natur aufschreiben möchte – stets beschränkt auf eines meiner Lieblingsfelder, den Kinder- und Jugendfilm. Das will ich nur zu gerne tun, beginnend, es ist ja diese Jahreszeit, mit Empfehlungen, die man interessierten Kindern (und auch ihren Eltern) bedenkenlos zu Weihnachten schenken kann. Aber natürlich auch zu jeder anderen Gelegenheit. Dass die Filme allesamt mehr bieten als nur kurzweilige Unterhaltung, versteht sich, hoffe ich, von selbst.


Fangen wir an mit einem, ach was, dem Klassiker aus dem Hause Disney schlechthin: Das Dschungelbuch ist seit diesem Herbst endlich auch fürs Heimkino zu haben. Das Studio betreibt seit längerer Zeit eine Strategie der gezielten Verknappung – die großen Klassiker werden immer mal wieder im Kino gezeigt und sind auch auf Video oder DVD zu haben – aber stets nur für einen begrenzten Zeitraum. Das soll das Angebot immer ein wenig schmaler halten als die Nachfrage und gleichzeitig für entsprechenden „Buzz“ sorgen, wenn eine Neuveröffentlichung ansteht. Was soll man sagen: Es funktioniert.


Vorstellen und preisen muss man diesen Film wahrscheinlich nicht – wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte das dringend nachholen, aber selbst diese wenigen Menschen haben vermutlich schon irgendwann einmal „Versuch’s mal mit Gemütlichkeit“ vor sich hin gebrummt. Mit seinen Kindern sollte man Das Dschungelbuch allerdings (aber das empfehle ich für jeden Film) gemeinsam ansehen – der Abschied Mowglis von Balu und Baghira am Schluss sorgte bei uns daheim für sehr viele Tränen und Empörung. Was für ein Verrat dieses Menschenkindes an seinen Freunden! (Ab 5 Jahren.)


Eine ganz andere Filmerfahrung bringt Der König und der Vogel, ein eher nicht so weitgehend bekannter Animationsfilmklassiker aus Frankreich. Auch wenn es in Paul Grimaults Film einen (sogar mehrsprachig) sprechenden Vogel gibt – das ist himmelweit entfernt von den sprechenden Tieren des Disney-Universums. Die Geschichte, lose an Hans Christian Andersens Erzählung „Die Hirtin und der Schornsteinfeger“ orientiert, berichtet von dem durch eine Liebesgeschichte losgetretenen Umsturz eines protofaschistischen Herrschaftssystems – ein König (Charles V + III = VIII + VIII = XVI von Takicardie) will sich mit Gewalt eine Schäferin zur Frau nehmen, die einem seiner Gemälde entsprungen ist; ihr Bräutigam (Schornsteinfeger aus dem Bild nebenan) und der erwähnte Vogel lehnen sich dagegen auf. Das ist politisch, aber nie theoretisierend, hochgradig aufgeladen mit Bedeutung, aber nie belehrend.


Faszinierend an diesem Film ist neben der gemächlichen, etwas mäandernden Erzählweise vor allem auch die Ästhetik des Films; nicht nur die Gebäude (das ist vor allem das riesige Schloss des Herrschers) orientieren sich ästhetisch an Gemälden und Skulpturen der klassischen Moderne (Giorgio de Chirico fällt da sofort ein). Studiocanal hat den Film jetzt in seiner Fassung von 1980 auf DVD herausgebracht. (Ab ca. 8 Jahren.)


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Foto: Studiocanal


Ebenfalls aus Frankreich kommt Ernest & Célestine, der Anfang des Jahres mit dem César als bester Animationsfilm ausgezeichnet wurde, und das, was soll man sagen, völlig zurecht. Der Film erzählt, lose an den Kinderbüchern von Gabrielle Vincent orientiert, wie sich der Bär Ernest und die kleine Maus Célestine kennenlernen. Eigentlich leben sie in getrennten Welten – die Mäuse im Untergrund, die Bären oben in ihren Häusern. Beide fürchten einander, und als die beiden sich anfreunden, bringt das die Gesellschaftsstrukturen ganz schön durcheinander. Auch dies ist eine politische Geschichte, weniger radikal als Der König und der Vogel, aber nicht weniger kraftvoll und sehr spannend; und eine Lektion in Zahnhygiene versteckt sich auch darin. Ein bezauberndes kleines Meisterwerk. (Ab 6 Jahren.)


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Foto: Ascot Elite


Nach so vielen Trickfilmen steht mir der Sinn nach etwas ganz Realem, und welche Neuerscheinung wäre dafür besser geeignet als Tom und Hacke? Ein Kinderkrimi aus der Nachkriegszeit, irgendwo in einem bayerischen Provinzstädtchen. Überall sind Kriegswaisen und alleinerziehende Mütter, das Leben ist harsch, der Schwarzmarkt blüht. Thomas Sojer und sein Freund Bartel Hacker werden zufällig Zeuge eines Mordes – was sollen sie nun tun? Norbert Lechners Film, die Namen deuten es an, ist eine Adaption der Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, der vermutlich auch deshalb nur wenige Zuschauer ins Kino locken konnte, weil die Figuren alle in der Mundart ihrer Heimat sprechen – aber das sollte niemand abhalten, im Gegenteil. Tom und Hacke wurde Anfang des Jahres vom Verband der deutschen Filmkritik als bester deutscher Kinderfilm 2012 ausgezeichnet. (Ab 10 Jahren.)


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Foto: Zorro Medien/good!movies


Wenn ich das noch ergänzen darf durch zwei filmbezogene Buchempfehlungen? Da ist zum einen die graphic novel Meine Mutter ist in Amerika und hat Buffalo Bill getroffen von Jean Regnaud und Emile Bravo: Kein leichter Stoff, sondern im Kern die Geschichte eines kleinen Jungen, der langsam begreift, dass seine Mutter nicht verreist, sondern gestorben ist. Herzzerreißend, in bezaubernden Panels erzählt und mit schönen Nebenfiguren – aber nichts für kleine Kinder, vermutlich frühestens ab 10 Jahren verträglich. Marc Boréal und Thibaut Chatel haben daraus gerade einen schönen Animationsfilm gemacht, der das Ganze auch für jüngere Kinder verdaulicher gestaltet; bis der aber seinen Weg in deutsche Kinos findet, wird wohl noch eine Weile vergehen.


Und dann das unfassbar brüllend komische Werk Doktor Proktors Pupspulver von Jo Nesbø, von Hinrich Schmidt-Henkel ins Deutsche übersetzt. Der Name sagt eigentlich schon alles, verrät aber nicht die aberwitzigen Volten, die diese Geschichte so schlägt. Die Dreharbeiten zu einer Verfilmung wurden im Sommer abgeschlossen; aber ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn der Film dem Buch auch nur annähernd gerecht werden kann. (Wegen einiger beängstigender Szenen am besten erst für Kinder ab 8 Jahren.)


Bei so viel Behaglichkeit möchte ich den Text noch auf einer aggressiven Note gen Adventszeit ausklingen lassen: Unbedingt und ohne jede Einschränkung sollte man davon absehen, womöglich den Animationsfilm Jets – Helden der Lüfte zu verschenken. Dieser Film vereint alle negativen Eigenschaften, die man computeranimierten Streifen gerne nachsagt: Er ist billig gemacht, kalt und leblos, ohne Gespür für interessante Geschichten oder Figuren und mit dem ästhetischen Niveau einer Sondermüllhalde. Der Verleih Splendid hatte den Film in Deutschland zwei Monate vor Disneys Planes (mit dem er mehr als nur eine Namensähnlichkeit teilt) ins Kino gebracht, um von dessen Medienpräsenz zu profitieren. Mit anderen Worten: ein in jeder Hinsicht schamloses, grässliches Artefakt, dem man keine Aufmerksamkeit schenken sollte. (Gar nicht. Auf keinen Fall. Never.)


Rochus Wolff ist Filmkritiker, Feminist und Vater, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Seit Januar 2013 beschäftigt er sich im Kinderfilmblog am liebsten mit dem schönen, guten, wahren Kinderfilm. Er lebt mit seiner Familie in Berlin und arbeitet hauptberuflich als PR-Mensch und Konzepter für eine Online-Agentur in Süddeutschland.


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Published on November 07, 2013 12:48

November 6, 2013

Woanders – der Wirtschaftsteil

Wir fangen mit Bildern an, mit Science-Fiction-Bildern aus einer Zeit, in der es nur noch Online-Handel gibt. Das kann man schon heute schön nachstellen, sehen Sie mal hier. So sieht es eben im Hintergrund aus, wenn immer mehr verschickt wird. Irgendwann werden es sicher auch noch große Mengen an Lebensmitteln sein, die Bilder werden dann nicht schöner.


Nach so einem Einsteig kann man natürlich nett Kontraste setzen, von der gigantomanischen Konzernwelt zum kleinen, feinen Ehrenamt irgendwo in einem Dorf etwa. Wobei es sich natürlich etwas anders liest, wenn man nicht in einem Land in Nordeuropa ein Ehrenamt übernimmt sondern etwa in Jordanien. Und wenn man dann dort etwas für Flüchtlinge tut. Oder ist das gar kein Ehrenamt? Mit Flüchtlingen kann man auch in Deutschland arbeiten, schon klar, etwa auf dem Frankfurter Flughafen. Ein seltsamer Vergleich, wenn man vorher gerade von Jordanien gelesen hat, nicht wahr.


Ein Ehrenamt bringt natürlich kein Geld, sondern macht nur Arbeit, der Vergleich ist also unfair, von irgendwas muss der Mensch nun einmal leben, solange es kein bedingungsloses Grundeinkommen gibt jedenfalls. Aber welche Arbeit macht eigentlich glücklich?  Und bevor die Sozialromantiker unter uns darauf kommen, dass es am Geld nicht liegt: Moment. Es bleibt eine komplizierte Frage, was richtig ist im Berufsleben. O, und apropos Sozialromantik: Die Schweizer wieder! Immer für ein Überraschung gut. Faszinierend. In diesem Zusammenhang ist auch die Zahl 170 interessant, die sie jetzt bitte in diesem Artikel erst suchen und dann bestaunen wollen. Ich meine: 170!


Und bei all dem wollen wir nicht vergessen, dass wir, die wir hier warm und trocken in unseren Büros oder Home-Offices sitzen, auf der Arbeit wenig zu befürchten haben, während andere schon draufgehen, weil sie für unseren morgendlichen O-Saft arbeiten. Und auch die Menschen, die Ihnen den Kaffee über den Tresen reichen, haben es nicht so leicht, wie man vielleicht meint. Vor allem aber haben sie Anweisungen.


Aber vielleicht lesen Sie das hier auch gerade im Zug, im Bus, auf der Pendelstrecke? Dagegen haben mittlerweile sogar die Zeitschriften etwas, die der verstockten Bevölkerung vor gar nicht so langer Zeit, die Älteren erinnern sich noch, in einem bizarren Dauerfeuer von Kommentaren und Kolumnen immer wieder mangelnde Mobilität vorgeworfen haben.


Den Smalltalk wollen wir natürlich auch noch eben bereichern, und zwar um den interessanten Begriff “Jeans-Leasing”, das gehört in den Kontext der Shareconomy, aber das kennen Sie natürlich längst, wenn Sie hier öfter mitlesen.


Und der Design-Link der Woche ist einmal wieder für faszinierende Ingenieurskunst im Brückenbau, da können wir zum Schluss doch endlich einmal ganz unkompliziert sagen: das klappt.


GLS Bank mit Sinn

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Published on November 06, 2013 21:26

Herzlichen Dank…

… an die Leserin EH, die den Söhnen Geschenke geschickt hat. Die mitgeschickte Botschaft wird dann selbstverständlich auch Weihnachten verlesen.

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Published on November 06, 2013 08:08

November 5, 2013

Hamburger National

Hamburger National


Hamburger National, das klingt natürlich so, als müsse es hier jeder kennen, als gäbe es das hier in jedem Imbiss. Dem ist durchaus nicht so. Ich möchte eher sagen: das kennt hier kein Mensch. Also abgesehen von den üblichen Verdächtigen wie Foodbloggern, Kochbuchautoren und Chefkochkommentatoren, versteht sich. Das macht aber nichts, das kenne ich schon, ich habe auch als Erwachsener erst gelernt, dass es ein Lübecker National gibt, der Begriff ist mir in meiner ganzen Lübecker Kindheit und Jugend niemals begegnet. Das Lübecker National ist dem Hamburger National übrigens artverwandt, wird aber karottiger gekocht und ist ohne Schweinefleisch für mich schwer vorstellbar. Das Hamburger National hat keinen eigenen Wikipedia-Eintrag, kommt aber im Kochbuch vor, um das es hier geht. Auch was wert!


Es handelt sich um ein Gericht mit der Hauptzutat Steckrübe und ja, ich weiß, das ist in Bayern Viehfutter, geschenkt, Sie müssen das nicht kommentieren. Mit der Steckrübe muss man anscheinend groß geworden sein, um sie richtig zu schätzen, womit die Herzdame hier auch für heute ausfällt. Aber egal, ich als geborener küstennaher Norddeutscher finde Steckrüben super, ich bin nachdrücklich für den Erhalt von Steckrübeneintopfrezepten und deswegen sehr angetan von dem Rezept hier. Wobei wir allerdings feststellen müssen, dass die Steckrübe als solche nur mäßig fotogen ist, wenn man es freundlich ausdrücken möchte. Sie ist, da gibt es nichts zu leugnen, nicht das hübscheste Gemüse. Aber da stehen wir drüber, kultivierte Menschen haben es ohnehin eher mit den inneren Werten, also denken wir nicht länger über die spröde Erscheinung der Knolle nach und schälen und würfeln das Ding einfach, dann wird es schon goldiger und viel netter.  600 Gramm Steckrübe sollen es nach Rezept sein, ich habe einfach eine große Rübe genommen. 400 Gramm mehlig kochende Kartoffeln, also ein paar weniger, als die Steckrübe wiegt, mehr Genauigkeit braucht kein Mensch. Auch die Kartoffeln schälen und würfeln. Zwei Zwiebeln, auch schälen und würfeln, das ist dann schon Routine. Gemüse in Butter glasig dünsten.


Hamburger National


Währenddessen sechs Pimentkörner, zwei Gewürznelken, sechs schwarze Pfefferkörner und einen halben Teelöffel Kümmelsaat im Mörser zermahlen. Wenn man keinen Mörser hat, wie ich also, kann man die Gewürze mit einer seit Jahren herumstehenden Weinflasche auf einem Brett plattwalzen, dann hat die Pulle endlich einmal Sinn, das ist auch schön. Die zerstoßenen Gewürze zum Gemüse geben, zwei Lorbeerblätter noch dazu. Mit Brühe auffüllen bis es passt und schwimmt, mindestens 15 Minuten kochen. Wer sich mit Piment nicht auskennt, möchte vielleicht mit weniger als sechs Körnern anfangen, das würzt eher stark und ist nicht jedermanns Sache.


Während die Suppe kocht: einen Bund Petersilie, einen halben Bund Dill, die Blätter von vier Zweigen Majoran und zwei Zweigen Bohnenkraut zerlegen und zerhacken. Das dauert überrraschend lange, vielleicht denken Sie sich diesen Absatz besser etwas weiter oben.


Die Gewürze sämtlich zur Suppe geben, mit ordentlich (wirklich!) Zucker, einem Schuß Kräuteressig und Salz abschmecken.


Hamburger National


Das sind viele Gewürze, das ergibt eine tolle Brühe, da weiß man gar nicht, in welche Richtung man zuerst schmecken soll, weil mit jedem Löffel etwas anderes durchkommt. Auf die Mischung wäre ich so nie gekommen, aber das ist klar besser als meine bisher gekochte schlichte Variante mit Piment, Pfeffer, Salz und Zucker, das ist wirklich viel, viel besser.


Der Herzdame war die Steckrübe trotzdem noch zu durchdringend, aber sie hat, wie bereits festgestellt, keine Ahnung und scheidet hier als Maßstab für heute aus. Nordostwestfalen können vieles, Steckrübensuppe können sie nicht und von einem Nordostwestfalen National hat noch niemand etwas gehört.


Die Söhne hätten die Suppe vermutlich gemocht, mussten aber heute auf besonderen Wunsch von Sohn I Spaghetti essen. Mit ohne was dabei. Er hat nämlich seinen ersten Wackelzahn und brauchte die Nudeln dringend, um sie um seinen Zahn zu wickeln, damit herumzuspielen und etwas daran zu ziehen, das muss man natürlich verstehen, das ist wichtig. Die Nudeln waren schon seit drei Tagen zugesagt, die mussten heute endlich sein, Suppe hin oder her.  Und wenn Sohn I Nudeln bekommt, dann muss Sohn II natürlich auch welche bekommen.


Hamburger National


Dass die Nudeln für den Wackelzahn dem Begriff “al dente” einen ganz neuen Sinn geben, das fand hier wiederum nur ich witzig, manchmal fühle ich mich im familiären Kreis ein klein wenig unverstanden. Schlimm.


Zur Suppe trank ich ein Urstrom-Bier, ein wirklich herausragend gutes Biobier, das ziemlich malzig schmeckt. Das passt allerdings nur zur Suppe, wenn man mit dem Zucker nicht geizig ist, dann aber richtig.  Das Kochbuch empfiehlt ein herbes Bier und/oder Aquavit, das ist selbstverständlich auch nachvollziehbar.


Und morgen schmeckt es aufgewärmt noch besser, etwas Vorfreude schadet gerade im November nicht.


Hamburger National danach



 

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Published on November 05, 2013 10:57

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