Maximilian Buddenbohm's Blog, page 358
December 1, 2013
Herzlichen Dank…
… an die Leserin S. aus B., die den Söhnen eine Spielesammlung geschickt hat. Dann wird es wohl Zeit, sich an die ganzen Regeln zu erinnern, ich kann das alles gar nicht mehr. Dame? Komplett gelöscht, als hätte ich es nie gespielt. Schlimm!
Woanders – diesmal mit Übersetzungen, Demut, Karpfen und anderem
Adam Thirlwell über literarische Übersetzungen.
Das Wort zum Sonntag heute von Felix Schwenzel: Demut. Ein feiner Text.
Ich habe für das schwedische Möbelhaus etwas über meine Küche geschrieben.
Malte Welding hat aus dem Vertrag zur übergroßen Koalition die Passagen zur Familienpolitik zusammengestellt. “Wir wollen auch die Rolle des aktiven Vaters in der Kindererziehung und Familie weiter stärken.” Blahfaselblubber. Herrje.
Bilder: Ein Vater vollendet die Zeichnungen seiner Kinder.
Bilder: Das ist ein Link ins Niveaulose und Anzügliche und das ist auch der Grund, warum ich irgendwann im Laufe der Woche längere Zeit haltlos kichernd vor dem Bildschirm saß, was im Großraumbüro immer nur bedingt ratsam ist. Aber den Kollegen erging es kurz darauf nicht anders. Der erotische Karpfenkalender 2014. Völlig unglaublich.
Außerdem ist es Dezember geworden, der 1. Advent, man darf ganz offiziell wieder Weihnachtslieder hören. Da muss ich natürlich wieder auf den großen Poeten Manfred Maurenbrecher hinweisen, der mit “Am Ende der Nacht” einen großartigen Beitrag zu diesem eher seltsamen Genre geleistet hat.
Auch schön, wenn auch aus ganz anderer Richtung: Lametta von Erdmöbel mit Maren Eggert.
Und dann noch – wie könnte es anders sein? Wir heben das Glas und klicken Play: Prost Kirsty, Prost Shane. Zeit für das Weihnachtsbier. Und kommen Sie mir nicht mit der Uhrzeit.
Oh, und fast hätte ich es vergessen. Es gehört aber dazu, dieses Stück, bei dem David Bowie, der damals übrigens in Berlin wohnte und mehr als schräg drauf war, mit Bing Crosby, der fünf Wochen nach der Aufnahme starb, etwas ganz Wunderbares singt – und auf dem Klavier die Töne auf der falschen Seite anschlägt. In einschlägigen Foren wird bis heute gerätselt, ob die beiden überhaupt wussten, wer der andere war. Aber das ist ja auch egal.
November 30, 2013
Dialog am Morgen
Sohn I: “Guck mal, der Postbote hat da auch Zeitungen in seinem Ding.”
Ich: “Ja.”
Sohn I: “Warum?”
Ich: “Na weil die jemand lesen will?”
Sohn I: “Ist das denn für Menschen ohne Internet? Weil die sonst gar nix wissen?”
November 29, 2013
Gelesen, vorgelesen, gesehen, gespielt und gehört im November
Gelesen
Alice Munro: Tricks. Acht Erzählungen. Deutsch von Heidi Zerning. Doch, man versteht dann schon, wieso sie den Nobelpreis bekommen hat. Das habe ich in den letzten Jahren nicht bei jeder Nobelpreisverleihung gedacht, aber die Munro geht in Ordnung. Ich kannte sie vorher überhaupt nicht, habe nur nach der Nachricht mit dem Preis kurz recherchiert, wer das ist und was sie so schreibt und fand es interessant. Wunderbar elegant gedrechselte Erzählungen, ruhig erzählt, in einem leisen, in der Wirkung oft gemeinen Tonfall. Tragisch und wie nebenbei, Geschichten aus der Nachbarschaft, ich mag so etwas. Im November aber vielleicht doch ein klein wenig zu deprimierend.
Ota Pavel: Der Tod der schönen Rehböcke. Deutsch von Elisabeth Borchardt. Bilder von Kitty Kahane.
Das sind Erinnerungen an einen Vater (nicht der Mann auf dem Bild), Liebeserklärungen an einen Vater. An einen Vater, der Staubsaugervertreter war, ein Freund des Angelns und der Fischzucht, der schönen Frauen und des Jobwechsels. Lauter Lieben, die sich nicht unbedingt positiv gegenseitig beeinflussen, man kann eben schlecht Staubsauger verkaufen, wenn man dringender zum Angeln muss. Ein Jude im besetzten Böhmen, einer, der überlebt. Lidice als Nachbardorf, man hört eines Tages die Schreie, dann fehlen Kinder in der Schule. Die Familie teilweise im Lager, der Vater ein fast furchtlos durchhaltender Lebenskünstler, der Kühlschränke verkauft und Fliegenfänger, der die Besatzer im Alltag austrickst. Der Karpfen züchtet, Schweine, Kaninchen, der jede neue Aufgabe mit Hingabe und Begeisterung angeht. Einer, der mehrfach sehr schnell reich wird, noch schneller immer wieder arm. Ein besonderer Vater, kein Zweifel. Das ist kurz, das hat man schnell durch, das liest man gerne in einem Rutsch, denkt aber doch noch länger daran.
Jean-Yves Ferri/Didier Conrad: Asterix bei den Pikten. Deutsch von Klaus Jöken. Der neue Asterix ist in den Medien kontrovers besprochen worden, ich finde ihn ganz entschieden so mittel. Kann man lesen, muss man aber nicht. Zeichnerisch sicher gut wie früher, für den Sprachwitz lässt sich anscheinend keine sinnige Fortsetzung finden, man begreift es nicht recht, was daran so unlösbar sein soll. Also das ist schon alles gut auszuhalten und hat auch ein paar gute Stellen, doch, doch. Aber auch etliche eher blöde. Dieses sinnlose Popsonggestammel? Die unverbunden durch die Story eiernde Figur des Volkszählers? Das Spiel mit den Vorurteilen gegenüber anderen Nationen war früher viel witziger und auch gewagter. Wenn man da an Korsika denkt, “hast du meine Schwester beleidigt?”, das ist doch ein anderes Niveau. Na, egal. Schon ganz nett, doch, doch.
Martin Suter: Die Zeit, die Zeit. Das habe ich mir gekauft, als ich für einen Tag nach Basel reiste, weil ich es nett fand, dabei einen Schweizer zu lesen. Allerdings war mir nicht klar, wie sehr der Herr Krimis schreibt, ich dachte, das seien eher andere Romane. Es ist aber ein Krimi, ich mag keine Krimis. Das soll keine Abwertung sein, Krimis sind völlig in Ordnung, sie liegen mir nur einfach nicht. Dennoch durchgelesen. Ich mochte weder die seltsam blutleere Sprache, noch die Idee, die dann doch vielversprechender anfängt, als sie durchgezogen wird, noch die Auflösung. Ich kann mit sehr konstruierten Geschichten einfach nichts anfangen.
Ulla Hahn: Das verborgene Wort. Die Überraschung des Monats, ein großartiges Buch. Nachkriegskatholizismus in der Nähe von Köln, ein Mädchen fällt in einer Arbeiterfamilie aus dem Rahmen, weil sie es mit der Sprache und den Büchern hat und auf eine weiterführende Schule will. “Athmosphärisch dicht” nennt man die Sprache der Autorin wohl unweigerlich im Feuilleton und was soll man machen, das ist sie auch. “Lommer jon”, lass uns gehen, das sagt der Großvater am Anfang des Buches zum kleinen Mädchen am Rhein und dann gehen sie erstens am Fluss entlang und zweitens in die Geschichte hinein und man geht wirklich gerne mit. Meine Mutter, eine Düsseldorferin, hat mir das Buch empfohlen, die erzkatholische Familienstimmung war ihr nicht fremd, die kenne ich auch aus ihren Erzählungen, bis hin zum Tonfall der Hauptpersonen. Eine Stimmung über der Familie, die man sich in ihrer Radikalität und auch in ihrer absurden Logik, Strenge und Kälte kaum noch vorstellen kann. Als Norddeutscher schon gar nicht. Wirklich ein wunderbares Buch. Bin zwar erst beim zweiten Drittel, aber schlechter wird es wohl nicht mehr. Lange nichts mehr so gerne gelesen.
Françoise Sagan: Ich glaube, ich liebe niemanden mehr. Zeichnungen von Bernard Buffet. Deutsch von Waltraut Schwarze, was der Verlag (Aufbau) auf seiner Webseite übrigens nicht angibt, wofür er sich schämen sollte. Tagebuchaufzeichnungen aus dem Krankenhaus, wo sie nach einem sepktakulären Autounfall lag und mit Schmerzmitteln so vollgepumpt wurde, dass sie lebenslang drogensüchtig blieb. Keine unentbehrlichen Texte, wenn man nicht gerade verbissener Hardcore-Fan der Sagan oder Experte für Suchtprobleme ist, aber die Zeichungen! Die Zeichnungen! So ein großartig illustriertes Buch. Wirklich beeindruckend.
Vorgelesen
Otfried Preußler: Das kleine Gespenst. Mit Zeichnungen von F.J. Tripp. Das fand ich viel unterhaltsamer als den kleinen Wassermann. Der hier aber übrigens noch deutlich nachwirkt, denn Sohn I bat neulich, ich möge mit ihm nicht immer reden, wie die Mutter des kleinen Wassermanns. Betrachten wir das einmal als den Beginn einer literarischen Bildung.
Axel Scheffler/Julia Donaldson: Stockmann. Deutsch von Wiglaf Droste und Stefan Maelck. Ich finde die Übersetzung grauenvoll, das ist ein ganz schlimmer Fall von “Reim dich oder ich quäl dich”, ich lese das Buch nur in Notwehr vor, wenn Sohn II wirklich sehr, sehr dringend darauf besteht. Also etwa täglich. Aber nette Bilder, keine Frage.
Thomas M. Müller: Apfelsaft holen.
Der Monatsfavorit von Sohn II. Über einen Familienjüngsten, der ganz alleine in den Keller geschickt wird, um Apfelsaft zu holen. Der sich also ganz alleine den Monstern, Spinnen und Gruselgeräuschen dort unten stellen muss, um endlich erfolgreich mit dem Saft an den Küchentisch zurückzukehren. Quasi ein Heldenmythos, das ist ganz klar etwas für furchtlose Kinder. Also für Sohn II.
Gespielt
Gar nichts. Schlimm.
Gesehen
Gar nichts. Nicht schlimm.
Gehört
Ein kleines Novemberlied, zufällig gefunden und so nett und hintergrundgeeignet gefunden, dass es hier quasi pausenlos lief.
Außerdem wieder viel Wader singt Schubert und nein, das muss man nicht verstehen. Ich bin da eigensinnig, ich liebe diese Aufnahmen.
Mit Sohn I außerdem einiges von den Beatles. Das begann mit einer seltsamen Gesprächssituation im Auto, als im Radio “All you need is love” kam und ich darauf hinwies, dass dieses Lied von den Beatles sei, wichtige Gruppe und so weiter, Musikgeschichte, Liverpool, Beat und Pop, manchmal geht es ja mit einem durch und man doziert so ungebremst vor sich hin, Eltern kennen das. Und Sohn I beugte sich von seinem Kindersitz vor, hörte konzentriert zu und fragte dann: “Die Beatles? Haben die nicht mal in Hamburg gespielt? Unten am Hafen irgendwo? Dann kenne ich die.” Aber noch bevor ich mich über den schönen Beweis für die Reinkarnationstheorie freuen konnte, wies mich die Herzdame darauf hin, dass die Beatles in irgendeinem Kinderhörspiel vorkommen, daher also die musikgeschichtliche Grundausbildung des Sohnes, nicht aus eigener Anschauung. Er wollte dann noch ein paar Aufnahmen von den Beatles sehen, wollte wissen, wieso der eine erschossen wurde, was die lebenden beiden heute machen etc., da dankt man dem Himmel für Youtube und das man so vieles zeigen kann. Zu und zu toll. Man sieht es ja auch selbst gerne noch einmal. Hier etwa mit Paul im Hipsterlook. Oder hier, da sieht man mal, was aus den beiden Überlebenden geworden ist.
Und weil es nun einmal der passende Monat war und die Söhne dauernd nach Musik mit E-Gitarren fragen, lief auch das hier etwas öfter. “Das ist gut, wie der spielt? Ja, Papa?” “Aber ja, mein Sohn.” Sohn I möchte das auch können, was der da bei 07:39 macht. Aber mit anderer Frisur, weil das muss ja stören, so im Gesicht.
Herzlichen Dank…
… an die Leserin B.W., die den Söhnen Lindgren-Lektüre geschickt hat. Passt perfekt und kommt natürlich unter den Weihnachtsbaum.
November 27, 2013
Woanders – Der Wirtschaftsteil
Wir gehen hier immer so vielen Details nach, präzisen Prozessproblemen, einzelnen Marktsegmenten, Zielgruppensonderfällen, Randgruppen – vielleicht ist das falsch. Vielleicht müsste man etwas zurücktreten und noch mehr in Frage stellen, um weiterzukommen, noch viel mehr. Das Ganze! Das ganze System? Warum nicht? Wenn man Axel Hacke so liest, liegt er denn nicht richtig?
Einfach alles in Frage stellen, was uns umgibt. Also die Normalität. Vielleicht hilft es, darüber nachzudenken – bevor wir uns unweigerlich wieder Details zuwenden, die wir dann doch viel besser verstehen können. Und auf die wir auch sofort reagieren können. Wie gehen wir z.B. mit Vegetariern um? Da kann man eine Lösung ableiten, na Gott sei Dank. Das ist viel erfreulicher so, da hat man gleich wieder Grund unter den Füßen. Also gehen wir doch wieder näher ran an die Themen, genauer hinsehen! Einkommensunterschiede unter der Lupe! Lebensmittelspekulationen im Fokus! Massentierhaltung genauer betrachtet! Nein, am besten noch genauer – lesen Sie das übrigens lieber nicht, wenn Sie gerade ein Mettbrötchen in der Hand haben, ich habe Sie gewarnt.
Oder gleich noch näher ran, direkt bis zum einzelnen Produkt runtergezoomt, bis zum Duschgel im Regal. Oder bis zur genauen, schrittweisen Gebrauchsanweisung für die alternative Heizung.Geht das wirklich? Ist das sinnvoll? (Schöne Hausaufgabe, recherchieren Sie das doch einmal. Es ist kompliziert, so viel sei gleich vorweg verraten.)
Ach, wir wissen es ja auch nicht, was richtig ist, wir kommen nicht mehr hinterher. Wir werfen aber an dieser Stelle mal ganz zufällig den Smalltalkbegriff der Woche in die Runde: Humblebragging.
So ein schöner englischer Begriff, der könnte von Monty Python sein, nicht wahr? Couldn’t it? Aber was haben die schon mit Wirtschaft zu tun, die Truppe kriegen wir hier wohl nicht unter, so gut sie auch waren oder jetzt sogar wieder sind. Keine Business-Themen bei den Komikern, schade, schade. Haha, von wegen. There you go.
So, und nun, da plötzlich jeglicher Ernst aus dieser kleinen Kolumne verschwunden ist, stellen Sie das Lesen lieber einfach ein und trollen sich, etwa in die Fußgängerzone. Auch dort findet man Themen, über die man nachdenken kann, gar keine Frage.
Wir bleiben noch eben im Kontext, der Designlink der Woche führt zu einer besonders purzeligen Form der Ausnutzung öffentlichen Raumes: Tiny houses. Und wo gibt es das in Deutschland? Und warum eigentlich nicht?
Es ist allmählich doch etwas ernüchternd, wie wenig Links man zu wirklich spannenden, mutigen, schrägen deutschen Projekten findet. Links dazu können Sie uns gerne schicken, sagten wir das schon einmal? Links dazu können Sie uns gerne schicken. Jetzt haben wir es gesagt.
November 26, 2013
Kürbisstampf mit ohne Sternanis, Haseln und Petersilie aber sonst komplett
Weiter in dieser Reihe.
Natürlich ist dies kein Foodblog, natürlich habe ich überhaupt keine Ahnung vom Kochen. Daher muss sich das Kochbuch “Deutschland Vegetarisch” hier auch im beinharten Alltag beweisen, nicht in gestellten, sorgsam vorbereiteten Szenen. Zum Aussuchen des Rezeptes für heute blieben mir beispielsweise nur etwa zwei Minuten hektischen Geblätters und statt einen Einkaufszettel zu schreiben, habe ich einfach mein fotografisches Gedächtnis genutzt und mir die notwendigen Zutaten mit einem einzigen Blick auf das Rezept eingeprägt. Nun weiß ich auch, dass ich gar kein fotografisches Gedächtnis habe.
Man zerlege einen Hokkaido-Kürbis und zwei Zwiebeln, das ist übrigens fast schon die ganze Arbeit, so ein Kürbis kostet ja immer ein wenig Kraft, den Rest macht man dann so nebenher.
Das dünste man in schaumiger Butter glasig. Zwei Esslöffel Honig dazu, ein Lorbeerblatt, einen Sternanis (hatte ich nicht, egal), mit 50 ml Weißwein ablöschen, wenn keine Kinder mitessen. Hätte ich die Kinder im Auge gehabt, hätte ich löschen können, aber egal. 400 ml Gemüsebrühe dazu, dann zwanzig Minuten lang köcheln lassen, zunächst kein weiterer Handlungsbedarf beim Kürbis.
Währenddessen zwei Esslöffel Haselnusskerne grob hacken und in einer Pfanne in Öl rösten. Danach salzen und in Ruhe lassen. Ich hatte auch keine Haselnüsse, egal.
Etwa hundert Gramm Lauch, sagen wir also lieber eine habe Stange, und einen Apfel ungeschält kleinschnippeln. In einer Pfanne und in Öl etwa fünf Minuten braten, das kommt aber auf die Minute nicht an.
Einen Bund Petersilie waschen und ungewöhnlich gut abtrocknen, das Zeug wird nämlich gleich frittiert und darf dabei nicht nass sein. Öl in einem Topf auf 160 Grad erhitzen. Steht jedenfalls im Rezept, ich habe nicht die leiseste Ahnung, woran man bei Öl in einem Topf 160 Grad erkennen soll. Aber egal – Petersilie hatte ich auch nicht. So löst ein Problem das andere auf, auch schön.
Den Sternanis und den Lorbeer aus dem Kürbis nehmen, mit einem Stampfer alles fluffig zerlegen. Mit Pfeffer und Salz würzen. Lauch-Apfel darüber, wenn man hat auch gerne die Nüsse und die bei exakt 160 Grad frittierte Petersilie.
Etwa an dieser Stelle hätte ich bemerken können, dass die Kinder seit geraumer Zeit nur deswegen so still waren, weil sie schon seit längerer Zeit enormen Hunger hatten und deswegen klammheimlich Toastbrot und Erdnüsse in rauen Mengen in sich hineinschaufelten. Dann hätte ich nämlich gar nicht erst Kindergeschirr befüllt, sondern nur die Erwachsenen von manierlichem Geschirr speisen lassen. Macht aber nichts, der Stampf (Das klingt komisch, nicht wahr? Der Stampf. Ganz seltsam. Was essen wir? Einen Stampf.) der Stampf jedenfalls sah in dem Kindergeschirr eh besser aus als auf dem feineren Porzellan und es bringt ja auch ein wenig Abwechslung in die Bebilderung dieser Reihe.
Das leider also einigermaßen unvollständige Gericht, das ein wenig wie ein Remix von Himmel und Erde und Kürbissupe anmutet, schmeckt überraschend toll. Wieder so eine Kombination, die ich so nicht gemacht hätte, Lauch-Kürbis-Apfel, die ich aber begeistert abspeichere und sicherlich wieder machen werde. Das fand auch den Beifall der Herzdame, obwohl sie diese Kombination gar nicht aus Nordostwestfalen kennt, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Sehr einfach, sehr schnell, das Essen. Womöglich ist es mit Haselnüssen, Sternanis und bei exakt 160 Grad frittierter Petersilie noch besser, das mag sein. Aber egal, ich sagte es bereits, das Rezept verträgt leichte Verluste.
Lauch-Kürbis-Apfel ist toll zusammen. Man muss nur darauf kommen.
Ich bin übrigens mit den vergleichsweise leichten und jahreszeitlich noch passenden Rezepten nahezu durch. In Kürze werde ich mich also unweigerlich komplizierteren Gängen zuwenden müssen. Wirsingrouladen vielleicht? Kochen und Basteln in einem? Das wird spannend.
November 25, 2013
Mau?
Wir haben keine Haustiere, ich will auch keine Haustiere. Mit Hunden muss man zu unmenschlichen Zeiten und auch bei widrigstem Wetter vor die Tür; zumindest in Hamburg muss man auch noch hinter ihnen Kacke aufsammeln und einbeuteln, das halte ich nicht für zumutbar. Völlig unbegreiflich, in einer Stadt Hunde zu halten. Katzen kacken und kotzen in die Wohnung, gar kein Gedanke, nicht mit mir. Meerschweinchen, Hamster, Fische und sonstige Tierchen sind sterbenslangweilig, ein Pferd dagegen passt nicht in den Fahrstuhl, nein danke, bitte keine Haustiere, wirklich nicht.
Allerdings stolpere ich dennoch seit Tagen, seit immerhin zwölf Tagen genau genommen, andauernd über eine Katze, wenn ich morgens durch die Wohnung gehe. Über eine Katze, die darauf mit einem klagenden “Mau?” reagiert, mit jenem leicht arrogant klingenden “Mau”, das alle Katzenbesitzer kennen, und das man, in die Menschensprache übersetzt, am besten mit einem indignierten “Sie wünschen bitte?” wiedergeben kann. Dazu ein skeptischer Blick über die Schulter, welcher ausgemachte Volltrottel des Haushalts es denn wieder einmal nicht schafft, über eine so kleine Katze hinweg zu steigen.
Es handelt sich bei dem Tier um Sohn II, der vor zwölf Tagen beschlossen hat, lieber eine Katze zu sein und der die Nummer jetzt durchzieht, denn Sohn II macht bekanntlich keine halben Sachen. “Als Sohn II eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem niedlichen Kätzchen verwandelt”, wie Kafka gesagt hätte. Er schläft nur noch in einem Körbchen, also Sohn II jetzt, nicht Kafka, er isst nur noch Fleisch, er geht auf allen Vieren. Er war gestern erst bereit zum Friseur zu gehen, als man ihm dort feierlich erklärt hat, auch und sogar besonders gerne Katzen zu frisieren. Die Friseuse, die wir natürlich vorher einweihen mussten, wird uns noch auf Jahre hinaus für bekloppt halten. Er verbringt die Vormittage damit, bei einer Kindergärtnerin stundenlang regungslos im Schoß zu liegen, weil Katzen mehr nicht machen müssen, das hat er ganz richtig erkannt. Er streicht uns hier um die Beine, sagt “Mau”und wir haben zu raten, was es zu bedeuten hat. Kein Mau gleicht dem anderen, es ist wie bei den echten Biestern. Will das Tier Futter? Will es raus? Wasser? Streicheln? Spielen? Schoß? Die Situation ist praktisch von dem Besitz einer echten Katze nicht zu unterscheiden, der Grad meiner Genervtheit erinnert auch sehr an meine letzte Zeit mit Katzen im Haus, es ist erfreulich viele Jahre her.
Kleine Katzen möchten selbstverständlich auch nicht angezogen werden, nicht am Tisch sitzen, nicht zum Einkaufen gehen, nicht ins Bett gehen, nicht Zähne putzen und so weiter, es ist wirklich kompliziert. Es kann einen in den Wahnsinn treiben und hätte es nicht auch Vorteile, man würde das Tier vor die Tür setzen und es erst zur Nacht wieder reinlassen, wie man es in Nordostwestfalen ganz selbstverständlich mit den Landkatzen macht. Allerdings gibt es tatsächlich Vorteile, denn Katzen, besonders sehr jungen Katzen, spüren eine gewisse Verpflichtung zur Freundlichkeit. Bei aller Arroganz und Rechthaberei, die ihnen geradezu zwingend zu eigen ist, müssen sie doch über weite Strecken des Tages lieb und possierlich sein. Und auch diesen Part spielt Sohn II als Anhänger des method acting mit Ernst und Hingabe.
Man muss ihn in typisch eskalierenden Streitsituationen, also etwa zwei Sekunden nach immer wieder unglaublichen Zumutung des Weckens, nur daran erinnern, dass er zur Zeit ein Kätzchen ist, schon schmiegt sich einem etwas an die Beine, schon gibt der Mund, der sich gerade zu wildesten Flüchen geöffnet hatte, nur noch ein liebliches “Mau” von sich. Der Rücken krümmt sich rund zum Buckel, man streichelt ein wenig und kommt ganz ohne Gebrüll und Gereiztheit durch den Morgen, es grenzt an ein Wunder.
Wir fangen alle an, uns daran zu gewöhnen. Gestern habe ich beobachtet, wie die Jungs im Kinderzimmer spielten, wie immer gerieten sie sich nach zehn Minuten in die Haare, weil irgendwer zur falschen Zeit die falsche Playmobilfigur angefasst hat. Als ich ins Zimmer kam, holte Sohn II gerade mit einem großen Plastikschwert aus, um seinem renitenten großen Bruder nachdrücklich Benimm beizubringen. Der murmelte allerdings nur wie ein routinierter Zauberer “Kätzchen, Kätzchen” und zack, das Schwert sank zu Boden und Sohn II gab dieses seltsame und schwer zu beschreibende Geräusch von sich, das entsteht, wenn Menschen vergeblich versuchen zu schnurren. Sohn I hat jetzt einen Bruder, der seltsam brummt, aber immerhin neuerdings ganz nett ist.
Doch, im Grunde gewöhnen wir uns langsam an die Vorteile der neuen Rolle von Sohn II. Aber wir gehen demnächst doch einmal mit ihm zum Tierarzt. Katzen müssen dauernd entwurmt und geimpft werden, wenn ich mich recht erinnere.
Wobei, breaking news, die Geschichte gerade noch während ich am Artikel schreibe eine unerwartete Wendung nimmt, denn Sohn II erklärte vorhin: “Ich bin ein Eichhörnchen.” Woraufhin er versuchte, am Regal hochzuklettern. “Ein Eichhörnchen”, sagte Sohn I, “das fängt mit A an.” Er ist gerade von Anfangsbuchstaben fasziniert und stellt bei jedem Wort fest. womit es beginnt. “Genau”, sagte Sohn II von der Höhe des dritten Regalbretts, “mit A wie Ei. Weil nämlich, Eichhörnchen kommen ja aus Eiern.”
“Nein”, sagte ich, denn der Bildungsauftrag der Eltern gilt auch in den wahnwitzigsten Situationen immer fort, “Eichhörnchen kommen nicht aus Eiern, die werden lebend geboren.” Woraufhin mich die Söhne unisono fragten, ob ich das denn schon einmal gesehen hätte, was ich leider verneinen musste, weswegen mir hier wieder kein Schwein etwas glaubt.Ja, ja, lebend geboren, kann ja jeder sagen. Eichhörnchen bauen Nester in Bäumen! Wie Vögel! Und Vögel legen Eier, das weiß man. Immer streng logisch ableiten und nicht jedem alles glauben, Kant hätte seine helle Freude an diesen Kindern gehabt.
Aber immerhin kann ich das alles jetzt endlich in Ruhe aufschreiben, denn Sohn II spielt seit Stunden draußen. Er sucht Nüsse und Eicheln. Sohn I hilft ihm, denn gerade im Winter brauchen die Wildtiere in der Stadt unsere Hilfe, das hat er in der Kita gelernt.
Wer würde da widersprechen.
November 24, 2013
Woanders – diesmal mit einem Textgenerator, Bredstedt, Mathematik und anderem
Ein total praktischer Textgenerator für Chefredakteure etc., die Food-Content ankündigen müssen.
Oliver Driesen lernt etwas in Bredstedt. Und lustig ist das nun wirklich nicht. Aber hey, es ist November.
Ein Text aus dem Oktober, klingt aber nach November. Rosi.
Was die Simpsons mit Mathematik zu tun haben. Viel mehr als Sie denken, darf man wohl annehmen.
Die Wissenschaft kümmert sich um den Stammbaum von Rotkäppchen.
Hier geht es um Flow und eine Figur.
Ein Schäfer schreibt, warum er twittert. Via Tillmann auf Twitter.
Im Lawblog geht es um befremdliches Verhalten einiger Polizisten. Lesen und staunen.
Amerikanische Meldung: “Jugendliche schreiben so viel wie noch nie.” Deutsche Reaktion darauf vermutlich: Dann machen sie ja noch mehr Rechtscheibfehler! Weltuntergang!
Bilder: Das ist definitiv nichts für mich.
Bilder: Menschen in Sibirien.
Bilder: Schönheitspflege in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.
Bilder: Und nun noch etwas Architekturgeschichte.
November 23, 2013
Die Wurzel allen Übels
Viele Menschen beklagen sich, dass wir in diesem Land immer griesgrämiger werden. Die Höflichkeit nimmt ab, schlechte Laune wird immer hemmungsloser ausgelebt. Jeder muffelt vor sich hin und Rücksicht, Charme und Freundlichkeit sind akut vom Aussterben bedroht. Stimmt doch, nicht wahr? Aber ja. Und wie das stimmt.
Es gibt viele Theorien, warum das so ist, es gibt Annahmen von Soziologen, Politikern und Geistlichen, die sich berufen fühlen, die Welt zu erklären. Ich halte nichts von all diesen Theorien. Ich glaube, man muss, um das Phänomen zu verstehen, dahin gehen, wo die Unfreundlichkeit entsteht. Man muss also, Sie werden es sich als mitdenkender Mensch bereits gedacht haben, zum Pfandautomaten.
Denn dort entsteht schlechte Laune, dort wird Aggression erzeugt, dort vergeht einem die Nettigkeit. Es sind diese desaströs schlecht funktionierenden Geräte, die noch den duldsamsten Kunden in die Verzweiflung und die Bitternis treiben. Es sind diese Elendsmaschinen, die aus friedfertigen Menschen böse Nachbarn, missmutige Kollegen und giftige Eltern machen. Mit jeder unverarbeitet wieder ausgespuckten Flasche geht es weiter bergab mit diesem Land, mit jedem verweigerten Einlesevorgang wird uns Höflichkeit entzogen, nähern wir uns unaufhaltsam der Barbarei.
Früher, die Älteren erinnern sich, gab es noch echte Menschen, die Leergut angenommen haben. Das war ein normaler Job. Diese Menschen waren manchmal schlecht gelaunt, aber die haben immer funktioniert. Tadellos haben die funktioniert! Und es war ihnen egal, wie herum man ihnen die Flaschen gereicht hat und man musste ihnen auch nicht alle Flaschen neunmal in die Hand drücken, bis sie sie endlich angenommen haben. Sie haben alles einfach genommen, sie haben ihren Job gemacht und man ging dann fröhlich hüpfend und bestens gelaunt seines Weges. So war das. Damals.
Und jetzt alle: War! Das! Schön!
(Dieser Text erschien als Sonntags-Kolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)
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