Maximilian Buddenbohm's Blog, page 379
May 26, 2013
Das Bild des Tages gibt es nicht. Und es täuscht.
Hätte ich die gute Kamera dabei gehabt, ich hätte es natürlich aufnehmen können, das Bild des gestrigen Tages, und ich hätte es auch hier gezeigt. Hätte, hätte, Fahrradkette. Wie Sohn II da stand, das war nämlich wirklich ein tolles Bild. Aber ich hatte leider nur das Handy dabei und es ging schon auf den Abend zu und der Himmel war wolkenverhangen, regenschwer und schon etwas dämmerig, da war es mit dem Licht doch schwierig. Und so stand Sohn II also alleine vor der Bühne auf dem Straßenfest in der Langen Reihe, ganz alleine stand er da, und es gibt kein einziges Bild davon. Das müssen Sie sich jetzt eben vorstellen, das Bild des Tages. Ich beschreibe es Ihnen.
Eine große Bühne am Anfang der Straße, auf der ein Open-Air-Fest so gründlich ins Wasser fiel, wie es nur vorstellbar ist. Links und rechts von der Bühne hingen riesige Lautsprecher, oben ein paar Strahler, auf die Musiker gerichtet. Auf der Bühne standen drei junge Herren und machten Rockmusik, es klang ein wenig wie die Musik von “Wir sind Helden”, wenn sie gerade etwas lauter werden. Sie sangen deutsche Texte. Ich verstand nur, dass sie irgendwie traurig waren, das passte auch. Am Straßenrand unter den Sonnenschirmen der Bierbuden und Wurststände und manchmal auch vor der Bühne, wenn es gerade nicht so schüttete, standen einige junge Damen, die sehr angetan im Takt wippten und die Musiker verzückt anstrahlten, denen eine gewisse Hübschigkeit nicht abzusprechen war. Die Musiker, Schlagzeug, Gitarre, Keyboard, sie trugen alle schwarze Kleidung. Das passte zum Himmel über ihnen, das passte aber auch zur Straße vor ihnen, und das passte auch ganz ausgezeichnet zur Stimmung der meisten Aussteller auf dem Straßenfest, denn es regnete seit dem Morgen und es war novembrig und schweinekalt, um es angemessen deutlich auszudrücken. Sie spielten ihre Rockmusik und der Gitarrist sagte nach zwei Stücken, dass ihm gleich die Finger abfallen würden vor Kälte und dann hüpften sie ein wenig auf und ab, bevor sie das nächste Stück spielten. Der Regen wurde stärker, der Himmel wurde dunkler, die wenigen Besucher flüchteten in Hauseingänge oder Kneipen, nur Sohn II blieb noch vor der Bühne stehen. Er stand da und seine hellblaue Jacke leuchtete und er hob die Hand und die Leute, die am Rand standen, zeigten auf das Kind und lachten, denn der Sohn machte mit der Hand ein Zeichen, das man ganz gut kannte, er machte die Pommesgabel. Wenn Sie das noch nie gehört haben – er machte also eine Faust und hob nur den kleinen Finger und den Zeigefinger, das ist der Gruß der Metal-Fans, bekannt aus Wacken und aus dem Fernsehen. Er machte auch ein paar Tanzschritte, er findet Tanzen gerade großartig. Er reckte die Pommesgabel in den Abendhimmel und ließ den Kopf vor und zurückfallen, er sah aus wie ein sehr junger, aber auch sehr ambitionierter Rockfan und die Leute lachten und lachten, denn der Anblick von Sohn II war das einzige, was vor der Bühne überhaupt noch wärmte.
So war das Bild und ein paar der Gäste werden es wohl im Kopf mit nach Hause genommen haben. Vielleicht haben sie später sogar noch davon erzählt, von dem kleinen Jungen mit dem Metal-Gruß, der da ganz alleine vor der Bühne tanzte. Doch, es wäre wirklich ein großartiges Foto geworden.
Auch wenn ich genau weiß, dass Sohn II gar nicht die Pommesgabel gezeigt hat. Und er war auch gar nicht von der Musik begeistert. Er hoffte viel mehr, dass bald eine andere Band auftreten würde, eine mit noch mehr Schwung und Kawumm. Und solange diese hübschen, aber doch aus seiner Sicht etwas hüftlahmen Herren da spielten, so lange zeigte er ihnen eben finster entschlossen den Schweigefuchs.
May 24, 2013
Unser kleines Bahnhofsviertel
Doch, es ist schön hier. Vielleicht nicht in jeder Ecke. Aber doch in vielen. “Wir müssen die Touristen vor den Touristen schützen”, sagte mir eine Dame des Hotels, an dem dieses Schild hängt, als ich davor stand und das Foto machte.
Museum to go
Die Hamburger Museumsszene und die Hamburger Bloggermafiaszene sind bisher nicht gerade innig verbunden, aber man kann ja alles ändern. Es gibt sehr viele Museen in der Stadt, die ein reiches Veranstaltungsprogramm anbieten, ich glaube, da sollte man deutlich öfter ins Gespräch kommen.
Ich war vor ein paar Tagen mit Ina, Sven und Markus im Archäologischen Museum Hamburg, ich treibe mich ja zur Zeit überhaupt dauernd in Museen rum, sei es beruflich oder privat. Diesmal war ich da allerdings nicht für den Hamburg-Führer und mit Kindern an den Händen, sondern auf Einladung des Kurators, Michael Merkel, der uns etwas über das Museum erzählen wollte, über die Social-Media-Arbeit seines Hauses - und über eine Besonderheit, die ich mittlerweile ganz naheliegend und plausibel finde, und die andere Museen eher nicht haben. Oder zumindest in Hamburg noch nicht sehr viele. Nämlich eine App.
Da muss man aber mit der Frage anfangen, wie man eigentlich ins Museum geht. Wenn ich etwa mit den Söhnen ins Museum gehe, lasse ich mich immer von denen durch die Säle ziehen. Ich lasse sie also vorgeben, wo wir hingehen oder eher hinrennen und lese nur nebenbei durch, was ich an Schildern und Erklärtafeln etc. mitbekommen kann. Dadurch habe ich ebenso überraschende wie kinderfreundliche Museumsbesuche mit völlig wirrem Zickzackparcours. Wir haben nie auch nur annähernd alles gesehen und es macht nichts. Es ist ganz unmöglich vorher zu erahnen, was die Kinder wirklich interessieren wird. Wenn die Söhne etwas wissen wollen, lese ich vor oder erzähle, was ich weiß – wenn sie nichts wissen wollen, dann liefere ich auch nichts. So macht ein Museumsbesuch mit Kindern Spaß, auch wenn sie vielleicht die Form der Pissoirs im Herrenklo und deren Spülmechanismus viel spannender finden als das Steingut aus dem 16. Jahrhundert in den Gängen davor. Sie lernen in jedem Fall. Das sind dann allerdings Museumsbesuche, das ist auch klar, die nicht unbedingt meinem Interesse gerecht werden. Wenn ich ohne Kinder ins Museum gehe, will ich mehr wissen, als ich mit ihnen zusammen aufnehmen könnte und meist sprechen mich auch ganz andere Themen an, ich beachte z.B die Spülmechanismen der Pissoirs deutlich weniger als sie.
Man kann aber schlecht in Ruhe eine lange Texttafel lesen, wenn zehn Schritte weiter der Nachwuchs probiert, ob der Flatscreen an der Wand auch abgeht und was eigentlich passiert, wenn man an der Vitrine dort einmal richtig kräftig rüttelt. Das macht einen als Vater wahnsinnig und die anderen Besucher natürlich auch. Aber ohne Kinder, ohne Kinder kann man alles lesen, was man möchte. Wenn man die Schilder denn lesen kann. Also wenn gerade keine Besucherhorden davor stehen. Und wenn man die richtigen Brille dabei hat und auch aufgesetzt hat.
Zum Archäologischen Museum Hamburg gibt es eine App, das kann man sich vorstellen wie einen Katalog mit Bild und Ton und Text, den man auf sein Handy laden kann (okay, wieder nur wenn man ein iPhone hat, es ist ein Elend mit dieser Zersplitterung des Marktes – halt, Update: Android ist auch verfügbar, siehe unten in den Kommentaren). Da die App ziemlich riesig ist, wie es Kataloge so an sich haben, kann man sich aber auch kostenlos einen vorinstallierten iPod Touch im Museum leihen und dann damit durch die Ausstellung laufen. Die Bedienung versteht man ohne weitere Gebrauchsanweisung, es ist eben eine App, das kennt man ja. Man kann sich zu jedem Exponat Text aufrufen und lesen, Text vorlesen lassen, Bilder ansehen. Und man kann natürlich noch ein wenig mehr, man kann sich Favoriten abspeichern, für den späteren Druck vormerken, man kann sich Notizen machen, Links folgen und zu ähnlichen Themen wechseln. Man kann sich so seinen ganz eigenen Katalog zusammenstellen. Man ist an keine feste Reihenfolge gebunden und kann sich suchen, was immer man gerade möchte.
Und das macht dann wirklich Spaß. Ich habe vor dem Besuch noch nie über das Thema Museums-App nachgedacht, fand es aber unmittelbar einleuchtend. Das macht viel mehr Spaß als ein schlichter Audioguide, der einen immer nur in Grund und Boden reden kann. Ich höre eher nicht so gerne zu, ich lese aber gerne noch einmal nach, was ich vor zwanzig Minuten (oder vorgestern) im anderen Stockwerk gesehen habe, das ist mit der App kein Problem. Das macht mir auch mehr Spaß, als nur Schilder zu lesen. Ich kann im Vorbeigehen Favoriten speichern und mit die Texte dazu erst später bei einem Kaffee in der Lounge durchlesen, warum nicht. Man kann diesen App-Katalog mitnehmen, ohne etwas kaufen oder tragen zu müssen, man kann sich auch schon lange vor dem Besuch aufrufen, was einen womöglich interessiert. Das übrigens ist auch mit Kindern reizvoll, man kann ihnen zeigen, was sie erwartet. Und als Vater kann man sein Wissen über die Exponate klammheimlich mächtig aufblähen, das mag auch reizvoll sein, doch, doch. Bevor man wieder vor einem Stück aus dem Mittelalter steht und auf die Frage der Söhne, was das denn sei, wieder antworten muss, dass es ein Dings sei, und zwar ein ziemlich altes.
In der App sind auch noch ein Spiel für Kinder und eine animierte Zeichentrick-Führung enthalten, in der ein Roboter und ein Außerirdischer das Museum erklären, das ist alles ziemlich charming gemacht. Und, wenn wir schon bei Kindern sind, vor dem Haus gibt es auch einen großen Spielplatz.
So eine App hätte ich jetzt gerne für jedes Hamburger Museum. Zuhause auf dem iPad nachsehen, was mir in der Kunsthalle nur nebenbei aufgefallen ist, das fände ich großartig. Wenn man das weiterdenkt, hätte man das womöglich auch gerne für die ganze Stadt, man geht aus dem Museum, sieht ein altes Haus und sieht nach, was das ist oder was es war, immer die nächste Erklärung eine Fingerbewegung weit weg. Es gibt einen Wikipedia-Layer in Karten-Apps, das hat schon diese Richtung, aber wie viel unendlich mehr geht da noch. Kulturelle Stadtteil-Apps? Warum nicht? Es gibt natürlich auch einige Bestrebungen der Giganten wie Google etc. , die ganze museale Kulturwelt ins Internet zu heben, schon klar. Aber es hat auch Charme, wenn das lokal gemacht wird und pro Institution eine runde Sache ist, mit Veranstaltungshinweisen etc..
Es gibt übrigens ein ganzes Blog über Museums-Apps, das könnte den einen oder anderen kulturbeflissenen Menschen durchaus interessieren, es findet sich hier. Wenn man sich vom Sofa aus etwas weiterbilden will – hier wird man fündig.
Man reiche mir einen Rotstift
May 23, 2013
Die schweifende Unbewegtheit der Bildnisse
Ich war für meine Kolumne “Kind und Kegel” im Hamburg-Führer im Museum Altona, der Text dazu wird in Kürze erscheinen. Die Kolumne ist sicher kein geeigneter Platz, um ganze Absätze von Joseph Conrad zu zitieren, aber hier im Blog kann ich natürlich machen, was ich will. Und wenn mich der Anblick von Galionsfiguren im Museum an Joseph Conrad erinnert, dann will das eben zitiert sein. So:
“[...] Und über eine gute Viertelmeile hin, vom Schleusentor bis in die entfernteste Ecke, wo früher die alte Hulk “President” sicher vertäut lag und ihre Fregattenseite an der Kaimauer rieb, über all diesen teils schon seeklaren, teils noch unbeladenen Schiffsrümpfen spannten an die hundertfünfzig Meter hohe Masten das Gewebe ihrer Takelage wie ein ungeheures Netz aus, in dessen engen Maschen die schweren Rahen sich schwarz vom Himmel abhoben und wie darin verfangen und verstrickt erschienen.
Es war ein großartiger Anblick. Selbst das bescheidenste Fahrzeug rührt durch sein zuverlässiges Dasein an des Seemanns Herz, und hier bot sich die Schiffsaristokratie den Blicken dar. Es war eine stattliche Versammlung der Schönsten und Schnellsten, von denen jedes das geschnitzte Sinnbild seines Namens am Bug führte. Wie in einer Galerie von Gipsfiguren sah man dort Frauengestalten mit zackigen Kronen; Frauen mit wallenden Gewändern, mit goldenen Stirnbändern im Haar oder blauen Schärpen um die Hüften, die wohlgerundeten Arme ausgestreckt, als wollten sie den Weg weisen; behelmte oder barhäuptige Männerköpfe; und in voller Größe, von Kopf bis Fuß ganz in Weiß, die Gestalten von Kriegern, Königen, Staatsmännern, von Lords und Prinzessinnen, hier und da eine dunkelfarbige, bunt herausgeputzte Figur eines turbantragenden Sultans oder Helden aus dem Orient; und sie alle neigten sich unter der Schräge mächtiger Bugspriete vor, als warteten sie in ihrer gebeugten Haltung ungeduldig darauf, eine weitere elftausend Seemeilen lange Reise zu beginnen.
So sahen die herrlichen Galionsfiguren der herrlichsten Schiffe aus, die es je auf See gab. Aber warum der Versuch, in Worten einen Eindruck wiederzugeben, dessen Echtheit keinen Kritiker und keinen Richter finden kann, da solch eine Ausstellung der Schiffsbaukunst und der Schnitzkunst von Galionsfiguren, wie sie damals das ganze Jahr über in der Freilichtgalerie der New South Docks zu sehen war, keines Menschen Auge jemals wieder erblicken wird – warum, wenn nicht aus Liebe zu dem Leben, das diese Bildnisse in ihrer schweifenden Unbewegtheit mit uns teilten? Alles, was es in dieser bleichen Schar von Königinnen und Prinzessinnen, von Königen und Kriegern, von allegorischen Frauengestalten, Heroinen und Staatsmännern und heidnischen Göttern an bekrönten, behelmten oder barhäuptigen Gestalten gab, ist für immer von der See verschwunden, nachdem sie bis zuletzt über den stürzenden Schaum der Bugwelle ihre schönen, kräftigen Arme ausgestreckt, bis zuletzt ihre Speere, Schwerter, Schilde und Dreizacke in derselben, unermüdlichen, vorwärtsstrebenden Haltung vor sich her getragen hatten. Und nichts ist von ihnen geblieben als der Klang ihrer Namen, der vielleicht noch in der Erinnerung einiger Männer haftet, Namen, die schon längst von der ersten Seite der bedeutenden Londoner Tageszeitungen verschwunden sind, verschwunden von den großen Anzeigetafeln in den Bahnhöfen und an den Türen der Schiffsagenturen, verschwunden auch aus dem Gedächtnis der Seeleute, Hafenmeister, Lotsen und Schlepperleute, verschwunden aus dem Anruf rauher Stimmen und aus den flatternden Flaggensignalen, wie sie zwischen den Schiffen gewechselt werden, die sich begegnen und allein weiterziehen in die Unendlichkeit der offenen See.”
(Joseph Conrad: Die Weihe, keine Angabe zur Übersetzung zu finden)
Haben Sie die Stelle bemerkt? Die schweifende Unbewegtheit der Bildnisse, so steht es im Text. Joseph Conrad ist groß.
May 22, 2013
Woanders – Der Wirtschaftsteil
Zur Einstimmung einfach mal ein paar Bilder von arbeitenden Menschen. Ein Blick auf die Basics sozusagen.
Die Jugend von heute denkt über die Weltrettung nach, steht bei der Wiwo-Green, oder zumindest denkt die dort beschriebene Expertengruppe darüber nach. Die Jugend von heute fordert also, wie man dort liest, ein Pfandsystem und mehr Ampel-Kennzeichnungen. Die Jugend von heute, sie verfasst “Impulspapiere”. Nun ja. Warum nicht. Es kann nicht jede Generation um brennende Mülltonnen oder auf Barrikaden tanzen, nehme ich an.
Nach der Jugend von heute noch ein Blick auf die Kinder von heute. Was machen die? Sie sammeln, und zwar leidenschaftlich. Das Handelsblatt über die diversen Sammelaktionen an Supermarktkassen.
Die Spekulation mit Lebensmitteln war vor einiger Zeit großes Thema in der deutschen Presse, hier gibt es dazu ein kleines und unfeines Update.
In der Zeit gibt es gleich zwei Artikel über Produktqualität und Ramsch und Unbrauchbarkeit, da hat doch sicher ein verzweifelter Redakteur irgendein Akkufach nicht aufbekommen?
Journelle macht sich Gedanken über die Drossel als Stellvertretervogel, und das fällt dann wohl ziemlich sicher in die Rubrik “Überschrift der Woche”. Der Text greift außerdem einen Aspekt auf, der in etlichen Berichten zur Telekom viel zu kurz kam, es wird in der Überschrift des Textes bereits angedeutet.
Im ohnehin stets lesenswerten Supermarktblog geht es um die Marke Alnatura, mit deren Produkten ein erheblicher Teil der Leserschaft hier halbwegs vertraut sein dürfte. Zu dem Artikel gibt es auch bereits einen zweiten Teil.
Blogger schreiben über Gentrifizierung, daraus kann man fast schon eine eigene Serie machen, wenn das so weitergeht. Diesmal ist es Frau Indica, die sich fragt, was der Biosupermarkt in ihrer Gegend eigentlich auslöst.
Wir kümmern uns hier oft um Wirtschaftsthemen mit starkem ethischen Bezug, wir greifen moralische Themen auf, wir scheuen aber auch vor Entwicklungen der Technik nicht zurück – da kommt ein Artikel über den iPray wie gerufen. Ein wichtiges Stück Technologiegeschichte mit ausgeprägtem wirtschaftsethischem Bezug. So schön.
Der Designlink der Woche wieder einmal für ein architektonisches Projekt, nämlich eine bewohnbare Hobbithöhle. Sehr passend bei einem Wetter, das dazu einlädt, sich irgendwo einzugraben.
May 21, 2013
Goldene Worte
In meinem nächsten Buch wird es, so ein Zufall, um Eltern gehen. Um Paare, die scheitern, und das nicht nur am Schlafmangel. Um Menschen, die sich nach ein paar Jahren mit Kleinkindern allmählich wieder auf sich besinnen und dabei erstaunliche Entwicklungen feststellen, Mangelerscheinungen und Sehnsüchte. Menschen, die plötzlich wieder über das Glück nachdenken, nachdem sie ein paar Jahre gedankenlos in einer Art Familienrausch verbracht haben. So in etwa. Das wird also nicht autobiographisch, denn die Herzdame und ich sind als Paar bisher nicht gescheitert. Nein, das wird einfach ein Spielplatzroman, der – noch so ein Zufall – in einem kleinen Hamburger Bahnhofsviertel spielt.
Dabei gibt es nun jedenfalls einen amüsanten Effekt. Da die Lebenssituation der Hauptfiguren sich mit den Lebenssituationen der echten Bewohner dieses Viertels in etwa deckt, kann ich schreiben, was ich will, es wird sich immer jemand vermeintlich wiedererkennen. Ich muss nur eine Frau auf einem Spielplatz eine rote Jacke tragen lassen, schon wird jede Frau in meinem Freundeskreis, die des öfteren eine rote Jacke trägt, denken aha, jetzt komme ich. Ein Mann hat einen Bart – das ist doch der Vater von B.! Ein Vater ist Ingenieur, na, wer soll das schon sein, den kennen doch auch alle hier. Und wenn ich die Frau in der roten Jacke dann eine Affäre haben lasse, werden sich ihre Freunde fragen, ob ich etwas weiß, das sie nicht wissen. Und wenn der Vater abends fünf Bier trinkt, wird man sich fragen, ob der das womöglich jeden Abend so macht. Ich glaube, es ist tatsächlich fast unmöglich, die Personen und die Szenen so zu gestalten, dass dieser Effekt nicht eintritt.
Darüber sprach ich neulich mit der Herzdame, die mir schließlich vorschlagen wollte, den geradezu klassischen Satz ”Sämtliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig” vor das Buch zu setzen. Allerdings fiel ihr nicht ein, wie der Satz genau ging, die Bestandteile kamen dann nicht ganz korrekt und in der richtigen Reihenfolge aus ihr heraus, sie sagte:
“Sämtliche Zufälligkeiten der Personen sind rein äußerlich.”
Und das ist selbstverständlich ein großer und wirklich schöner Satz von tiefer Wahrheit, den man sehr wohl vor einen Roman stellen kann. Vor fast jeden Roman.
May 19, 2013
Woanders – diesmal mit Sven, Scott, Falk, Elise, Cléo und anderen
Sven wettert über die exorbitant hohen Eintrittspreise der Internationalen Gartenschau in Hamburg. Und er hat Recht.
Falk war, Preise hin oder her, tatsächlich auf der Gartenschau.
Frau Elise erinnert sich an ein Haus am See.
Ein Bericht über das Grab von F. Scott Fitzgerald.
Wenn man sich endgültig von Social Media in den Wahnsinn treiben lassen will, kann man diese Glühbirne installieren. Toll, dann geht mir immer ein Licht auf, wenn mir die Herzdame schreibt.
Apropos Wahnsin, hier Jesper Juul über ADHS und durchgedrehte Erwachsene.
Bilder einer Tänzerin: Cléo de Mérode. Verschiedene Kunstwerke, die alle dieselbe Frau darstellen. Das Layout der Seite da ist grauenvoll, die Dame umso faszinierender. Nicht irgendeine Frau,sie hat einen bemerkenswerten Lebenslauf, den man hier in der Wikipedia nachlesen kann. Und wenn man die Gemälde von ihr interessant findet, dann sicher auch die Fotos von ihr, die hier in einem Film zusammengefasst werden. Ein Fest, wenn man sich auch nur ein klein wenig für die Geschichte der Mode interessiert. Meines Wissens gibt es übrigens gar keinen französischen Film über ihre Fehde mit Simone de Beauvoir, was für ein überaus merkwürdiger Mangel.
Das Video von Chris Hadfield mit seiner Version von Space Oddity haben vermutlich längst alle gesehen – hier beim Treehugger gibt es noch eine ganze Menge Zusatzinformationen dazu. Und bevor sie ganz in Vergessenheit gerät, könnte man sich ja auch noch einmal die Version von David Bowie ansehen.Oder die von den Smashing Pumpkins? Warum nicht. Nun ja. Vielleicht doch nicht. Oder man wirft noch einen Blick auf den deutschen Major Tom und überlegt, welcher deutsche Raumfahrer das wohl eines Tages da oben in eine Kamera singen wird. Konnte Ulf Merbold eigentlich singen? Man weiß es nicht. Oder Moment, hätte er dann nicht von Codo singen müssen? War überhaupt eine Frau an Bord, für den Refrain? Fragen über Fragen.
Das beste Essen der letzten sieben Tage war eine pappeinfache Nudelsauce mit grünem Spargel und Ziegenkäse. Dazu gibt es keinen Link, das war nur so schnell schnell dahergerührt. Grüner Spargel und Ziegenkäse passen so gut zusammen, die muss man quasi nur nebeneinander legen und hat schon eine ansprechende Mahlzeit. Wobei es natürlich hilft, den Spargel vorher zu kochen.
May 18, 2013
Jemand
Die Herzdame sitzt auf dem Sofa und sagt: “Jemand müsste den Müll runterbringen.” Das ist ein Satz, der nicht das heißt, was man denken könnte. “Jemand” könnte in diesem Haushalt zunächst 4 Personen meinen, man könnte es fast für einen ergebnisoffenen Satz halten. So ist es aber gar nicht. Denn Sohn II ist zu klein, er kann den Müll noch gar nicht runterbringen. Er kriegt die Haustür nicht auf, um ihn kann es also nicht gehen. Sohn I könnte das aber neuerdings. Mit etwas Klettern am Spalier des Mülltonnenhäuschens und etwas Hangeln gelingt es ihm jetzt endlich, den Müll richtig einzuwerfen. Aber wäre er gemeint gewesen, die Ansprache wäre viel fröhlicher gewesen, motivierend und euphorisch. Etwa so: “Hast du nicht große Lust mir zu zeigen, wie du ganz alleine so toll mit dem Müll fertig wirst, mein Großer?” So etwa hätte sie ihn angesprochen. Nein, Sohn I kann auch nicht gemeint sein. Bleiben nur noch 2 Personen übrig, nämlich die Herzdame und ich. Sie wird sich aber sicher nicht selbst gemeint haben. Hätte sie sich gemeint, sie hätte sofort die Mülltüte genommen und wäre einfach damit zum Fahrstuhl gegangen. Sie hätte Tatsachen geschaffen. Sie ist so.
Da bleibt dann nur noch eine Person übrig, und das bin wohl ich. “Jemand müsste mal den Müll runterbringen” ist nur eine andere Ausdrucksweise für “Los, bring den Müll runter”. Das könnte mich ärgern, darüber könnte ich mich aufregen. Ist es denn nicht unverschämt, “jemand” zu sagen und sich dabei implizit auszuschließen? Ist es nicht anmaßend? Aber nein, ich ärgere mich gar nicht. In diesem Haushalt geht es nämlich immer um mich, wenn das Wort jemand fällt – und ich freue mich sogar darüber.
Denn egal, was mir in diesem Leben noch alles passieren wird – ich weiß doch ganz sicher, dass aus mir jemand geworden ist.
Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)
Tadaa
Der Trend geht ja zu regionalen Produkten, das kommt in meinen Linklisten andauernd vor, das habe ich erst kürzlich selbst hier thematisiert. Die Himbeere aus der Heimat, die Gurke aus der Gegend, das ist ja schon fast gängig. Ich treibe das jetzt aber noch ein wenig weiter und nehme auch noch die Kamera-App aus meinem Kiez: Tadaa.
Ich habe gerade von einem Android-Handy auf das iPhone gewechselt und mir daher zahlreiche Apps neu angesehen. Dabei habe ich auch lange über die passende Photo-App nachgedacht. Dann fiel mir ein, dass Anne Koch einmal über Tadaa geschrieben hatte, das ist dieselbe Anne Koch, die jetzt gerade beim Fotoblog Kwerfeldein über Tadaa schreibt - nämlich hier. Ich habe mir aber etliche Photo-Apps runtergeladen und verglichen. Auf diese Art kostet der Wechsel des Handys zwar locker zwei Arbeitstage, aber ich habe natürlich auch Spaß an so etwas. Ich habe sehr über etliche komplett unverständliche und teils grottenschlechte User-Interfaces gestaunt, Tadaa fand ich tatsächlich am besten. Zum einen habe ich die Menüführung auf Anhieb kapiert, zum anderen mag ich ein paar technische Aspekte. Die kostenlose App kann z.B. zwei Sachen, die verblüffend viele andere nicht bieten. Man kann die Anwendung der Filter jeweils von 0 bis 100% regeln und Bilder also nur ganz schwach oder extrem bearbeiten – und man kann Filter auf Filter legen. Das klingt nur nach Bearbeitungsorgie, ist aber tatsäclich eine Funktion, mit der man zu erstaunlich guten Ergebnissen kommen kann, wenn man denn überhaupt Interesse hat, an den Bildern so geduldig herumzuspielen, das ist natürlich alles Geschmacksache. Und wenn man wirklich Sinn für das eher filigrane Bearbeiten von Bildern auf dem Handy hat – was ich nicht habe, mir ist das zu fummelig – dann kann man zu so verblüffenden Effekten mit dem Masking kommen, wie es Anne drüben etwa bei dem Bild mit dem Kind auf der Schaukel zeigt (ganz unten in dem Artikel).
Die App kann natürlich auch Bilder via Facebook und Twitter teilen, sie bietet die Möglichkeit, lokal zu speichern ohne hochzuladen und hat eine Community, die Herzchen und Kommentare und scheußliche Emoticons vergeben kann – also alles was man teilweise auch von anderen Apps in der Art so kennt. Ich bin kein Fotograf und kann das nur als Laie ansehen, aber mir kommen die Filterergebnisse doch besser als bei anderen vor – und zwar um Längen.
Tadaa wird von einer kleinen Hamburger Truppe in der Speicherstadt gemacht, was den Vorteil für mich hatte, dass ich mit dem Chef ein Bier trinken konnte. Das war sehr lehrreich und unterhaltsam, außerdem war es amüsant, wenigstens einmal im Leben wie ein Tourist in der Speicherstadt vor einem Café in der Sonne zu sitzen, ich glaube, das habe ich noch nie gemacht. Ich treffe gerade eine ganze Reihe von Leuten, die ich bisher nicht kannte, um mich mit ihnen über ihren Beruf oder das Internet oder über Gottweißwas zu unterhalten. Das kommt daher, dass ich mir gerade so viele Gedanken darüber mache, worüber ich mir eigentlich Gedanken machen soll. Ab und zu kommen einem die eigenen Themen ja ausgelutscht und fade vor, alles viel zu oft und zu ähnlich und zu lahm, das sind so die Anzeichen von Inputmangel. Man kann noch so lange im Internet herumlesen, das hilft da nicht. Was aber hilft: Einfach mal mit interessanten Menschen über alles mögliche zu reden. So wie gestern z.B. gerade auch mit dem Kurator des Archäologischen Museums in Hamburg, darüber wird dann auch noch zu schreiben sein, da ging es übrigens ebenfalls u.a. um eine App.
Mit dem tadaa-Chef habe ich mich jedenfalls über App-Entwicklung und Erlösmodelle und Blogs und Social Zeugs und Fotografie und Traffic im Internet unterhalten. Die ganze Tadaa-Truppe kommt aus der Fotografie-Ecke, nicht aus der Social-Zeugs-Ecke. Das macht die Vermarktung und die PR nicht gerade effizienter, aber die Bildbearbeitung tatsächlich besser. Man liest anderweitig von drei Millionen Tadaa-Downloads, so ganz klein ist das also auch nicht mehr. Eine offizielle Angabe zur Größe gibt es von der Firma nicht, aber who cares. Die Bildrechte bleiben bei Tadaa immer ausdrücklich beim User, das ist klar geregelt. Man kann die App auch rein zur lokalen Bearbeitung nutzen, es möchten immerhin gar nicht alle jedes Bild irgendwo hochladen. Versteckte Kosten gibt es nicht, das ist alles soweit appetitlich, finde ich.
Und obwohl es eigentlich ein Scherz ist, Apps aus der Regionen zu laden, so ganz abwegig ist es doch nicht. Ich mag das, wenn man sich kennt. Deswegen nutze ich jetzt die Photo-App, mit deren Entwicklern ich einen trinken gehen kann, das ist eine vollkommen schlüssige Entscheidungsgrundlage, finde ich.
Tadaa gibt es nur für iPhone und bevor das hundert Kommentatoren anmerken: ja, das ist doof und bedauerlich. Aber die Firma ist klein und mal eben so im Handumdrehen erweitert man so etwas nicht auf Android. Aber sonst macht das wirklich Spaß. Falls es jemand ausprobieren möchte – man findet mich dort ganz originell unter meinem Namen.
Hier noch ein Bild vom Tadaa-Hauptquartier. Na gut, es ist in Wahrheit ein paar Meter weiter. Und ein klein wenig kleiner. Aber in der gleichen Stadt!
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