S.B. Sasori's Blog, page 6
August 31, 2014
Es wird nicht auf den Teller gekotzt, wenn es eigentlich geschmeckt hat
Das Schöne zuerst:
Einen herzlichen und aufrichtigen Dank an alle meine Leser, die, vertraut im Umgang mit Leseproben und Klappentexten, meine Geschichten kaufen, sie lesen, genießen oder erleiden – und behalten.
Für euch sitze ich gerne Tag für Tag am Rechner und lausche meinen Helden und Heldinnen. Für euch schreibe ich gerne schon morgens um sechs die erste Szene eines neuen Kapitels.
Romane sind Seelenfutter und ich liebe es, euch damit zu füttern. Wenn ihr mir danach sagt, ob es lecker, bitter, oder ungewöhnlich, zu süß (okay, wird nie vorkommen ;-) ) oder zu scharf war, freue ich mich noch mehr.
Ein intensiver Austausch mit meinen Lesern ist mir wichtig und ich pflege ihn gern.
Dann das Hässliche:
Aber all diejenigen, die meine Geschichten nicht nur kosten, sondern komplett verschlingen, rülpsen und sie mir, bzw. dem Verlag, danach – 14 Tage später! – zurück auf den Teller spucken, einfach, weil sie aus einem Recht einen Betrug werden lassen, bitte ich, von mir und meinen Romanen in Zukunft Abstand zu nehmen.
Für die meisten von uns Autoren, ist Schreiben so wichtig wie leben und lieben. Je länger wir dieses Handwerk üben, desto besser sind wir darin. Das erfordert Zeit, Mühe, sehr viel Liebe und Nerven.
Wir haben uns jeden Cent hart verdient und freuen uns über jedes verkaufte eBook, über jede verkaufte Printausgabe.
Dass es jetzt zum Sport wird, eBooks – ich unterstelle: nach dem Lesen – zurückzugeben, ist unfair. Ja, eigentlich schon unmoralisch. In einem Restaurant isst sich auch niemand satt, lobt den Koch und prellt danach die Zeche.
Wir füttern euch. Wir tun es gerne. Wir lieben es sogar. Aber bitte entlohnt uns auch dafür.
Es gibt Ausnahmen, dass ein eBook wirklich nicht hält, was es nach Leseprobe und Klappentext verspricht. Aber die sind selten. Da sind wir uns alle, glaube ich, einig.
In allen anderen Fällen überlegt, wen ihr mit diesem Verhalten trefft. Denn irgendwann verlässt den hartnäckigsten Geschichtenschreiber die Motivation und das ist das Traurigste, was einem Autor passieren kann.
Ohne Motivation keine Geschichten, ohne Romane kein Seelenfutter.
Das wollen wir alle nicht.
Können wir uns darauf einigen?
Danke,
Eure Swantje
August 29, 2014
Winterlavendel
Jeremias Gronwald, zweiunddreißig Jahre, vier Monate, eine Woche, drei Tage, sieben Stunden und circa fünfzig Minuten starb an einem Mittwoch im April. Vollkommen unspektakulär. Er rutschte vom Küchenstuhl, schlug seitlich mit dem Kopf auf die Fliesen und inhalierte die letzte Luft seines Lebens.
Ein Herzinfarkt? Mit Anfang dreißig?
Ungewöhnlich.
Ein Hirnschlag?
Keine Ahnung.
Tatsache ist, es hat nicht wehgetan. Nur ein taubes Gefühl in den Fingern, dann Schwindel, Schwärze vor den Augen und aus war es.
Ein echt netter Tod.
Ich verschränke die Arme vor der Brust. Wirklich, ich bin stolz auf mich. Immerhin kann ich auch anders.
Zur Auswahl stand Magenkrebs, ein Sturz, volltrunken von der obersten Treppenstufe, und ein infizierter Hundebiss.
Für das Überraschungspaket habe ich mich entschlossen, weil es hält, was es verspricht. Es überrascht. Nicht nur den Toten, sondern auch den Tod. Wie bei einem Überraschungsei.
Ist leicht, jemanden daran ersticken zu lassen. Man muss nur wissen, wie.
Meine Gedanken driften in die Vergangenheit. Lauter Tode. Große, kleine, junge, sehr junge und steinalte. Manche waren eklig und fühlten sich wie Slimy zwischen den Fingern an, andere rochen nach Räucherfleisch oder schrien laut genug, um mir mein Trommelfell aus dem Ohr zu schlackern. Damals habe ich noch experimentiert. Illegal, da ohne Zertifikat.
Übung macht den Meister und eben jener erwischte mich eines Tages kokelnd mit glühender Zigarette im Federbett eines Hamburger Reeders.
Gott, hat er mir eine gelangt. Ich flog aus dem Bett und klatschte gegen eine geschmacklos verschnörkelte Kommode.
Seitdem besitze ich eine ID-Karte und die Genehmigung zum Töten. Zuerst unter Anleitung, später frei Schnauze, aber nie stümpernd.
Auch beim Sterben gilt es, Regeln zu beachten. Immerhin wollen Polizisten und Ärzte wissen, weshalb es Müller, Schmidt oder Schenkendorf aus den Latschen haut.
Manchmal, vor allem im Herbst, ist mir nach Revolte. Da ziehe ich den Stecker schon mal unvermittelt aus der ein oder anderen Dose – scheinbar ohne Grund – und lasse die Leute sich ihre ach so klugen Köpfe zerbrechen.
Mehr als ein Verweis blüht mir nicht. Gefeuert werde ich erst bei drei Einträgen. Der Trick ist, nicht erwischt zu werden.
Vor mir reihen sich die Trauergäste in die Warteschlange zum offenen Grab. Mal ein Blümchen, mal eine Schaufel Erde fällt auf den Holzdeckel. Als ob Jeremias heute nicht genug Dreck abbekommt.
Es beginnt mit der ersten Grabrede. Nach einer halben Minute weinerlichem Gelobhudel stopfe ich mir die Kopfhörer in die Ohren und suche auf meinem iPhone listen to hell. Lieber lasse ich mich vollkreischen, als das Gewimmer zu ertragen.
Jeremias was ein kriecherischer Arsch mit Hang zur Cholerik und ständig feuchten Füßen und Händen. Ich habe ihn nur abbekommen, weil ich in der Nähe war. Aber was klage ich? Mein Job ist krisensicher. Im braven Deutschland zwar meist langweilig, aber meine Kollegen im trockenen Süden beneide ich auch nicht. Rund um die Uhr Einsatz ist nichts für mich. Da kommt der Spaß zu kurz.
Kinderleichen zu stapeln, macht mich über kurz oder lang lethargisch.
Eine Frau neben mir straft mich mit einem Mörderblick. Elisabeth Warmreiner, Tante des Verstorbenen, Witwe, einundsechzig, Katzen-Fan und Daily-Soap-süchtig.
Allein die Tatsache, dass sie mich sieht, besagt, dass sie auf einer der Abschusslisten steht.
Ihre Lippen formen: Junger Mann! Kennen Sie keinen Respekt vor dem Tod?
Doch, und wie. Ich ziehe die Stöpsel aus meinen Ohren, verneige mich höflich, nehme ihre Hand trotz des empörten Schnaufens, und lege sie auf mein Herz.
Elisabeth fühlt ihren eigenen Puls unter den Fingern und ahnt es nicht. Erschrocken schaut sie mich an, als sie spürt, dass er immer langsamer und langsamer wird.
Sie bekommt einen interessanten Tod.
Während der Beerdigung ihres Neffen.
Das ist doch mal was.
Um ihre Nase wird es weiß, ihre Lippen tendieren ins Blaue. Das Pochen unter ihrer Hand holpert nur noch.
Hätte sie mich nicht angesprochen, wäre sie mir entgangen. Verdammt, ich muss achtsamer sein. In einem Job wie meinem kann ich mir Schlampereien kaum leisten.
»Tante Elisabeth?«
Ein Hauch Lavendel weht mich an.
»Geht es dir nicht gut?«
Rotbraune Haare, ein grüner Kranz zwischen schwarzen Pupillen und braunem Hof. Ein voller Mund. Jede Wette, sein Lächeln ist hinreißend.
»Was machst du da?« Das Mädchen greift nach der alten Hand, die sich bereits schmerzhaft in meine Brust krallt.
Und zieht sie weg.
Mir stockt der Atem.
Elisabeth blinzelt, fasst sich ans Herz. »Danke Kind, es geht schon wieder.« Verwirrt sieht sie sich um. »Wo ist der Mann mit dem Zylinder und den viel zu langen Haaren hin?«
Automatisch hebe ich den Finger. Umsonst.
»Die waren schwarz wie die Nacht. Wusstest du, dass Jeremias so seltsame Bekannte hatte?«
Das Mädchen – Himmel, ist sie schön – schüttelt den Kopf. Ich trete näher an sie heran, schnuppere an ihren Haaren.
Gleich wird sie frösteln und erschrocken zusammenzucken. Der Spruch, das Gefühl, als ob jemand über mein Grab läuft, kommt nicht von ungefähr.
Ergeben senke ich mein Haupt und akzeptiere, in der Beliebtheitsskala junger Mädchen ganz unten zu rangieren.
»Riechst du das?« Das Mädchen schnuppert dicht vor meinem Gesicht. Ich halte den Atem an vor Schreck. »Wie frischer Schnee in einer Winternacht.« Ihr Blick gleitet verträumt durch mich hindurch. Mein kaltes Herz schlägt nur für sie. Ich will ihre Hand nehmen, es sie spüren lassen, aber ihre Tante lenkt sie mit schleppenden Schritten zum Grab.
Ich wurde bestohlen.
Fassungslos starre ich auf die Diebin, die bezaubernder nicht sein könnte.
Gut, dann schubse ich die Alte eben ins falsche, da bereits besetzte Loch. Grab ist Grab. Ich dränge mich durch die Umherstehenden. Mehr als einen eisigen Lufthauch dürften sie kaum spüren.
Erst dicht hinter dem Mädchen bleibe ich stehen. Sie schaudert, zieht die schmalen Schultern hoch. Also doch. Wäre ja auch zu schön gewesen.
Sie dreht sich zu mir herum.
Ihre Augen weiten sich. Zaghaft zupft sie Elisabeth am Ärmel.
»Tante, ist das der Mann?«
August 17, 2014
Stadt der Türme
Türme aus Stein
Umfangen von sanften Flügeln
Der Blick in Weite
Das Herz im Wolkenhimmel
Leise Töne locken in geheime Gärten
Nur wenige finden den Pfad der Wünsche
Er lässt die Seele wachsen
Bis sie ihrem Weg folgt.
August 16, 2014
Nachtmahr
Deine Träume verschlingen die Realität.
Reißen Abgründe auf, ziehen dich hinein.
Nacht für Nacht.
Du kennst das.
Fürchtest dich und kannst es dennoch nicht verhindern.
Sie rufen deinen Namen aus der Tiefe und bereiten dir ein Bett aus Dornen und Angst.
Durchwandere die Wohnung, wenn du willst.
Lass das Licht an, wenn es dich tröstet.
Die Helligkeit heuchelt Geborgenheit. Du münzt die Lüge zur Wahrheit um und zwingst dich, sie zu glauben.
Doch du wirst einschlafen.
Irgendwann.
Und nichts steht zwischen dir und dem Albtraum.
Nach dem Aufwachen schüttelst du ihn ab wie Regentropfen und redest dir ein, dass er nur eine Ausgeburt deiner übersteigerten Fantasie ist.
Was aber, wenn er dein Leben verschlingt?
Dich verfolgt, bei dir Schutz sucht.
Dich liebt.
Was tust du dann?
August 4, 2014
Träume, ein Fluch, Finsternis
Am 8.8.2014 beginnt die Geschichte des Nachtmahres Ari, der sich in einem Albtraum unsterblich in ein Mädchen mit magischen Händen verliebt. Unter ihren Fingern wird Farbe zu Kunst und Schlamm zu einem sinnlichen Genuss ohne Gleichen.
Patrice schreckt vor nichts zurück. Auch nicht vor einem Dämon mit den faszinierendsten Augen, die sie jemals gesehen hat. Mit ihm überschreitet sie die Grenzen von Traum und Realität und geht schließlich in beidem verloren.
June 27, 2014
Frisch gezogen, bzw. gedreht ;-) Die Gewinner der “Sodomit-Verlosung”
Für den Fall, dass es schlecht zu lesen ist: Die Gewinner sind
Coala, Fianna, Manu, Pia H., Riogor, Sarah W.
Ich gratuliere euch und bitte um eure Anschriften ;-) Einfach wieder meine Web.-Adresse benutzen.
Für alle, die weniger Glück hatten, noch ein Trost. Es haben sich wirklich viele beteiligt, was mich natürlich gefreut hat. Aber dadurch “streckt” sich das Glück etwas und dünnt aus.
Pünktlich zum Erscheinen des nächsten Romans wird es aber wieder ein Gewinnspiel geben.
June 23, 2014
Rezensionsexemplare für “Der Sodomit” zu verlosen
Diese fünf Bücher, wenn auf dem Bild auch leicht verspiegelt ;-) , warten auf beurteilungsfreudige Leser. Sollten sich mehr als fünf Interessenten finden, werde ich das Los entscheiden lassen. Wer von euch Bloggern oder kritischen Lesern Lust auf diese Geschichte und auf das Schreiben einer Rezension hat, meldet sich bitte bei mir per E-Mail. (Adresse versteckt sich im Impressum).
Am 27. Juni gebe ich euch dann bescheid.
Achtung! Was ich vergessen habe: Mitmachen kann nur, wer bereits 18 Jahre alt ist ;-)
June 5, 2014
Amsterdam, ein Mann in Seilen, Farbenrausch … ich möchte euch die Heldin aus “Schattenfürst” vorstellen
„Die Einladungen zu deiner Ausstellung sind da.“
Martin hielt ihr eine der Klappkarten hin, sodass Pat sie mit ihren verschmierten Händen nicht anfassen musste.
„Leider bekommen wir kein Sommersonnenwendfeuer im großen Innenhof genehmigt.“
„Schade.“ Das Feuer wäre klasse für die Atmosphäre gewesen.
Kunst, Körper, Kultur und Natur in der alten Druckerei am Sarphatipark. Die Gäste werden gebeten, sich auf Zuruf als Körperkunst-Modell zur Verfügung zu stellen. Wer herausgepickt wird, entscheidet das Los. Pro Abzug ist eine Spende von mindestens 50 Euro zu entrichten, gerne mehr. Das Geld kommt der Restaurierung der Druckerei zugute, in deren Räumen Nachwuchstalente gefördert werden sollen.
Wann: logischerweise am 21. Juni 2013
Einlass: 20 Uhr
Auslass: nicht vorgesehen und wenn, nur mit leeren Brieftaschen.
Fragen ausschließlich per E-Mail stellen: patricevanbasten-körperkunstlebt@mail4u.nl
Schick. Auf dem Deckblatt war ihr Lieblingsmodell Caspar zwischen die Baugerüststangen einer Fassade geflochten. In den richtigen Abständen zogen sich graue Streifen über seinen Körper und an Brust und Oberschenkel flatterten Baufolienfetzten im Wind. Die Idee, die alte Druckerei als Location zu wählen, stammte von Svana. Martins Freundin hatte dort bereits früher Aufnahmen für eine Architekturzeitschrift gemacht und kannte jede noch so verborgene Ecke des Gebäudes.
Ihr verdankte er seinen Job in der Redaktion und die Tatsache, dass er die Scheidung von Pats Mutter überstanden hatte.
Svana war cool. Wann immer sie es sich einrichten konnte, war sie bei den Aktionen dabei und knallte Pat ihre ungeschminkte Meinung vor den Latz. Svana sah sofort, wenn etwas nicht stimmte. Ob es das Licht war oder Caspars Laune, ob die Farbkombination zu sanft oder zu gewagt war. Sie gab nie konkrete Anweisungen, das hätte sich Pat auch verbeten, sondern wies nur darauf hin, dass etwas nicht korrekt war.
Sie bemutterte nie. Sie schimpfte nie. Sie lachte zwar auch selten, dafür konnte Pat mit ihr über Gott und die Welt philosophieren. Auf seine Weise war Martin bis über beide Ohren in sie verliebt, was allerdings nur diejenigen mitbekamen, die ihn mindestens so lange kannten wie Pat. Es war schön, ihn glücklich zu sehen. Mit Ineken war er das nie gewesen, dazu war Pats Mutter zu angespannt.
In ihrer Nähe welkten die Zimmerpflanzen und Pat hielt es keine Stunde mit der Frau aus. Sie war heilfroh, dass der Richter damals über die massiven Proteste ihrer Mutter hinweg erlaubt hatte, dass Pat bei ihrem Vater bleiben durfte. Bis jetzt hatten weder sie noch Martin diese Entscheidung bereut.
„Bin ich das?“ Caspar reckte den Kopf so weit nach vorne, wie es seine Fesseln zuließen. „Wow! Sieht gut aus.“
„Siehst du immer. Lehn dich wieder an.“ Pat griff in den Eimer. Der Schlamm glitschte durch ihre Finger, lief träge an ihren Handkanten hinab und tropfte aufs plattgetretene Gras. Eine fantastische Konsistenz. „Bereit?“
Caspars braune Rehaugen wurden weit vor Erwartung. „Mit dem Bauch sei vorsichtig. Das Zeug sieht kalt aus.“ Er streckte sich in den Sisalfesseln. Pat bildete sich ein, sein vor Anspannung hart schlagendes Herz zu hören.
So musste es sein.
Der Moment vor dem Beginn.
Der absolute Anfang, wenn aus einem Menschen Kunst wurde. Er war heilig. Das schienen die Zuschauer ebenso zu empfinden. Mucksmäuschenstill umstanden sie den Baum, an den ihr Modell gebunden war, und warteten, was als nächstes geschah.
Pat atmete tief ein. An Caspars Halsschlagader pulsierte sichtbar das Leben. „Hältst du drauf, Martin? Ich will seinen Gesichtsausdruck, wenn ich ihn zum ersten Mal berühre.“ Dieser winzige Augenblick strotzte vor Intimität.
Martin nickte und fokussierte mit der Kamera Caspars Miene. Er war ein guter Journalist, soweit das Pat beurteilen konnte, ein hervorragender Fotograf und ein mehr als tauglicher Vater.
Kühl und sämig. Der Matsch klatschte auf die sommerwarme Brust. Caspars erschrockenes Keuchen echote von einigen der Umstehenden wider. Sie fühlten mit. Das war gut für die Gesamtstimmung.
„Gott!“ Caspar schnappte nach Luft, streckte sich noch weiter nach hinten. „So kalt!“
„So gut!“ Quer über seinen Oberkörper mit auslaufenden Fingern, sodass fünf ungleichmäßige Streifen aus dem braunen Fleck gezogen wurden. Die Farbe entsprach nicht exakt der Rinde des Baumes, aber das konnte sie später mit Mulchkrümeln und Sand korrigieren.
Wieder in den Eimer, wieder zwei Ladungen voll Schlamm. Unter ihren Händen schlug Caspars Herz schneller.
Kreise, Achten, ein paar Wellen. Sie hatte Zeit. Seine warme Haut wurde kühler, im selben Maß, wie sich der Schlamm erwärmte.
„Ab jetzt wird`s schön. Kannst weitermachen, bis es dunkel wird.“ Er schnurrte wie ein Kater auf der Ofenbank. Seine Miene entspannte sich und der Ausdruck genießender Hingabe verklärte sein hübsches Gesicht.
Fantastisch, wie sensibel er reagierte. Er war mit Abstand das beste Modell für Körperkunst in ganz Amsterdam.
„Schmeiß mal dein Kopfkino an. Ich filme.“ Martin ging näher heran. „Entweder denkst du an etwas extrem Leidvolles oder an etwas noch extremer Lustvolles, aber was es auch ist, ich will es in deinem Gesicht sehen. Je emomäßiger du rüberkommst, desto mehr Klicks hagelt es auf YouTube. Aber hüte dich und verpasse meiner Tochter eine Rolle in deinem Film.“
„Steck dein Vater-Ding weg.“ Pat strich Caspar besonders tief und besonders zärtlich über den Unterbauch, schon um Martin abzuhärten. „Wir sind bei der Arbeit. Was zählt, ist das Ergebnis, nicht, wie wir dort hinkommen.“ Meistens arbeitete Martin zu hundert Prozent professionell. Sein väterlicher Schutzinstinkt überkam ihn nur an sensiblen Tagen.
„Brauche kein Kopfkino“, japste Caspar. „Pats Berührungen genügen mir völlig. Für beide Enden deiner Messlatte.“ Sein winziges Zwinkern galt ihr.
Martin knurrte.
Hoffentlich reichte der Eimer. Nur Caspars schöne Augen durften noch herausschauen. Braun in Braun. Angeschmiegt an den rauen Baumstamm, die Arme an die Zweige der Astgabel gebunden, würde er ein wundervolles Bild abgeben.
Langsam verteilte sie zentimeterdicke Schichten. Ihre Hände glitten durch krümelige Nässe, schoben sich höher bis zum Hals. Caspar hatte die Augen geschlossen, den Mund leicht geöffnet.
Noch eine Handvoll Schlamm. Pat verteilte sie zwischen ihren Handflächen, berührte dann seine Wangen.
Dicke Streifen, kleine Klümpchen.
Nach und nach verwandelte sich Caspar in einen Teil des Baumes. Diese Momente waren magisch und nicht nur für ihn ein absoluter Genuss. Pat fuhr mit dem schlammigen Finger über seine Lippen. Nur kurz zuckte er zusammen, dann seufzte er, als empfinge er eine Liebkosung. Bei den Lidern war Pat vorsichtig. Auch bei der Nase.
Martin war ins Stadium permanenten leisen Fluches hinübergeglitten. Ein gutes Zeichen. Er war im Fluss. Ebenso wie sie, ebenso wie Caspar. Jede ihrer Berührungen erwiderte er mit einem leisen Seufzen.
„Der ist komplett weg“, wisperte Martin. „Sieh ihn dir an. Wetten, er hält sich selbst für einen Baumgeist?“
„Einen, der vom Frühlingswind gestreichelt wird.“ Pat beneidete ihn darum, sich bedingungslos hingeben zu können. Sie arrangierte das Setting, sorgte für die richtige Grundstimmung und er ließ sich vertrauensvoll, im wahrsten Sinne des Wortes, in ihre Hände fallen.
„Soll ich mit dem Sand loslegen?“ Svana tippte sie an. „Der Schlamm trocknet zu schnell.“
Der erste warme Tag im Mai. Heute Abend würde sie auf dem Dach der Trulla die Bilder auswählen, nebenbei heißen Tee schlürfen und sich unterm Sternenhimmel einreden, es sei eine laue Frühlingsnacht.
Das Hausboot gehörte Martin, aber er wohnte lieber bei Svana. Angeblich, um Pat mit ihren siebzehn Jahren mehr Privatsphäre zu gönnen.
„Patrice? Der Sand.“
„Mach.“ Pat griff wieder in den Eimer und dann mit vollen Händen in Caspars Locken. Ein seliges Lächeln umspielte seine Lippen, das allerdings die angetrocknete Matschschicht einriss. Händeweise der braunen Masse strich sie in seinen Haaren aus.
Perfekt. Nur noch wenig Haut schimmerte durch das Braun. Svana fächerte Sand auf die feuchte Erde und verteilte zum Schluss noch ein paar Mulchbrocken.
„Schmieg dich dicht an den Stamm, vor allem mit der Wange.“ Pat wartete, bis Caspar träge reagierte. Die Ritzen zwischen seinem Gesicht und dem Holz spachtelte sie aus und krümelte etwas getrockneten Oregano darüber. Beinahe wie Moos. Caspar wirkte, wie aus dem Baum gewachsen.
Sirrende Träume, bunter Schlamm und ein Haus mit dunkler Vergangenheit
Handtuchschmal, schwarz und umwabert vom Brackwassergestank der ständig schwappenden Kanäle. Das Haus mit dem verschnörkelten Giebel, das sich in den Schatten der Nachbarhäuser duckte, musste Svanas Hort sein.
Das einzig Helle war ein Schild über der Tür. Ein ausgezackter Kreis in Gold. Sonst versank das Gebäude in dunkler Trostlosigkeit.
Für einen Nachtmahr war es kein schlechter Platz. Ungehinderter Zugang zu den vor Angst und Irrsinn strotzenden Träumen der Menschen.
Ari schleuderte seine Haare zurück. Sie klatschten regennass auf den steifen Mantelkragen. Es goss in Strömen und nur wenige Augenblicke außerhalb der Kutsche genügten, damit kaltes Wasser seinen Rücken hinabrann. Mit misstrauischem Blick stieg Hákon aus der Kutsche. Die Elsternfedern in seinem Haar standen in alle Richtungen ab. Sein Onkel hatte sich sofort bereit erklärt, ihn zu Svana zu begleiten. Sie war die Vertraute seines Bruders gewesen und es hieß, sie hätte ihm einige Siege mit der alten Magie erkauft. Letztendlich war es umsonst gewesen. Die Hünen mit den gelben Bärten zerschlugen Svanas Zauber mit schweren Äxten und breiten Schwertern.
Eine Alte humpelte dicht an ihm vorbei. Sie erstarrte, als sie die Rabenfedern in Aris Haaren bemerkte. Schnell zog er seine Kapuze über den Kopf. Je weniger sie auffielen, umso besser. Ari wäre es lieber gewesen, die Sonne würde unter- und nicht aufgehen, dann hätte er seinen Körper in der Kutsche ablegen können und wäre unsichtbar für die Breitgesichter. Mit Beginn der Dunkelheit löste sich die Seele eines Nachtmahres und war nur noch für ihresgleichen sichtbar. In Fleisch und Blut ließ sich nicht durch Träume wandern.
„Wenn mir nicht passt, was Svana von uns will, köpfe ich sie, wie es einer Verräterin gebührt.“ Hákon griff unter seinen Mantel, wo er ein Schwert verbarg. „Die Luft vibriert vor Träumen. Wir sollten uns beeilen, damit wir sie endlich genießen können.“
Hoch, schrill, manchmal dumpf und schwer. Die Traummelodien der Breitgesichter. Aris Hunger wuchs, doch vorher mussten sie zu Svana.
Von schräg oben, aus einem der bunten Häuser, drang ein leidenschaftlich voller Rhythmus. Die Sehnsucht, diesen Traum zu kosten, kribbelte unter Aris Haut.
Hákon seufzte und neigte genießend den Kopf. „Hör weg, Junge. Diese Träume sind noch nichts für dich.“
Ach nein? Ari konnte die Sinnlichkeit auf der Zunge schmecken. Wenn sie mehr Zeit hätten, würde er dem Schläfer einen Besuch abstatten. Wenn er sich beherrschte, dauerte es lang, bis der Träumer seine Anwesenheit bemerkte. Doch ab diesem Moment änderte sich die Melodie des Traumes, bis sie zu einem angstvollen Kreischen anschwoll. Die Stippvisite eines Nachtmahres war kein Geschenk.
Die Metallpoller an dem Kanal waren schmierig vor Rost und Feuchtigkeit. Amsterdam.
Ari sehnte sich nach Hause.
Bane lenkte die Rappen näher an das träge schwappende Wasser.
Sie brauchten das Gefährt nur zu einem Zweck: Um den Leichnam seines Bruders abzuholen und ihn in Brocéliande den heiligen Flammen zu übergeben.
Eine bittere Aufgabe. Zumal Ari es gewesen war, der seinen Bruder getötet hatte. Es war keine Absicht gewesen, damals, in Jarles Gemach. Es war einfach geschehen.
Hákon sah einem Kind nach, wie es mit der Mutter Schritt zu halten versuchte. Mit einem schiefen Grinsen leckte er sich über die schmalen Lippen. „Zu gern würde ich ihm das Glück aus den Träumen fressen.“ Der Glanz in seinen Augen glich kaltem Stahl. „Ein, zwei Nächte und es wäre blass wie die Frau, die es auf die Welt geworfen hat.“
„Deshalb sind wir nicht hier.“ Ari trieb sich nie in Kinderträumen herum. Die Schonzeit hörte auf, wenn die Breitgesichter erwachsen wurden.
Hákons Vorliebe für Grausamkeit überstieg auch für einen Nachtmahr das übliche Maß. Er nahm sich niemals zurück, sondern durchpflügte jeden Traum, der ihm in die Krallen kam – mit Gewalt und Entsetzen.
May 13, 2014
Shemhazai
Ein Fürst der Grigori. Gefallen, gebannt, befreit und dennoch in Fesseln. Bei meiner Recherche zu ihm fand ich im Netz dieses Bild der Künstlerin Shiira.
Es inspiriert mich auf eine mehr als magische Weise. Folglich trete ich höflich beiseite und präsentiere euch den Helden des zweiten Teiles der Bündnis-Trilogie.


