Bastian Sick's Blog, page 4
March 24, 2020
Ein jeder in seine eigenen vier Wände!

Ob in seiner Stadtwohnung oder seinem Landhaus, das bleibt jedem Obdachlosen selbst überlassen. Hauptsache, er bleibt daheim.
»Donaukurier« vom 21.3.2020, eingeschickt von Bernd Söder (Ingolstadt)
Zum nächsten Fundstück: Verzier-Verbot
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March 20, 2020
Verzier-Verbot

Opa Röge war enttäuscht: Da hatte er Pinsel und Farben ganz umsonst mitgebracht.
Imbiss in Groß Grönau (Schleswig-Holstein), fotografiert von Karin Groeger
Zum nächsten Fundstück: Lenkerin zersprungen, Seitenscheibe ins Spital gebracht
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March 19, 2020
Lenkerin zersprungen, Seitenscheibe ins Spital gebracht
»Melker Zeitung« vom 3.3.2020, eingeschickt von Werner Stritar aus Melk (Niederösterreich)Zum nächsten Fundstück: Sammelplatz für die Entsorgung des Dativs
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Für mich als Kunde – oder als Kunden?
Heute fand ich diese Werbung von Vodafone in meinem Briefkasten. Das verwunderte mich gleich aus zweierlei Gründen: Zum einen hatte ich bereits vor geraumer Zeit bei Vodafone darum gebeten, mir keine Werbung mehr zu schicken, was mir auch per E-Mail bestätigt worden war, sodass ich nun allen Grund habe, an der Datensicherheit Vodafones zu zweifeln.
Zum anderen muss ich auch die Sprachkompetenz des Vodafone-Teams bezweifeln – da es mich »als Festnetz-Kunde« anspricht und nicht »als Festnetz-Kunden«:

»Exklusives Angebot für Dich als Festnetz-Kunde« heißt es in der Überschrift. Für mich als grammatikfesten Kunden war das wie eine Ohrfeige. Da hilft auch kein »Hammerpreis«. Die Präposition »für« regiert den Akkusativ und sorgt dafür, dass »du« zu »dich« wird. Doch auch das Wort »Kunde« hätte im Akkusativ stehen müssen, da »als« wie ein Gleichheitszeichen wirkt: Was der Konjunktion »als« folgt, muss im gleichen Kasus, Genus und Numerus stehen wie das, was ihr vorausgeht.
Und der Akkusativ von »Kunde« lautet nicht »Kunde«, sondern »Kunden«. Deutlicher wird dies, wenn man einen Artikel davorsetzt: der Kunde (Nominativ), des Kunden (Genitiv), dem Kunden (Dativ), den Kunden (Akkusativ).
Ich habe dies zum Anlass genommen, eine kleine Tabelle zu basteln, aus der hervorgeht, wie man »Du als Kunde« und »Du als Kundin« in allen Fällen beugt – jeweils »nackt«, also ohne Artikel, sowie jeweils hinter bestimmtem Artikel, Pronomen oder Adjektivattribut. Vielleicht sieht das aus der Werbeabteilung von Vodafone jemand und zieht daraus eine Lehre für künftige Schreiben. Aber bitte nicht an mich, denn wie gesagt habe ich mir die Zusendung von Werbung verbeten.
Diese Sprachauskunft ist für Vodafone übrigens kostenlos – im Unterschied zu allem, was Vodafone mir als Kunden zu bieten hat. Vielleicht zeigt man sich ja erkenntlich und erlässt mir für einen Monat die Festnetzgebühren. Dann fühlte ich als daten- und sprachmissbrauchter Kunde mich gleich etwas besser.

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March 18, 2020
Der oder das Virus?
Im Treppenhaus kommt mir meine Nachbarin Frau Jackmann entgegen. »Es gibt wieder Klopapier!«, ruft sie triumphierend, noch völlig außer Atem. Ich blicke auf ihre Einkaufstasche und muss lachen: »Aber jetzt wohl nicht mehr. Sieht so aus, als hätten Sie alle Rollen gekauft!« – »Na ja, einen solchen Engpass will ich kein zweites Mal erleben!« – »Kennen Sie den Witz, wieso es kein Klopapier mehr gibt?«, frage ich. »Einer niest, und 500 machen sich in die Hose!« Frau Jackmann findet das nur bedingt komisch: »Mit dem Virus ist nicht zu spaßen!«

Damit hat sie natürlich recht. Die aktuelle Pandemie hält unser Land im Würgegriff und sorgt für große Verunsicherung. Das fängt schon beim Wort »Virus« selbst an; denn es herrscht Verunsicherung darüber, ob es sich dabei um ein männliches oder ein sächliches Wort handelt. In der Fachsprache ist »Virus« sächlich, da es aus dem Latein kommt, wo es »Schleim« und »Gift« bedeutet und ein sächliches Wort ist. Das ist zugegebenermaßen sehr ungewöhnlich, denn Wörter, die auf »-us« enden, sind in der Regel männlich. Aber schon im Latein gab es Ausnahmen, und das Virus ist eine davon. In der Alltagssprache hat sich beim Virus jedoch ein männlicher Artikel eingebürgert, weil für die Mehrheit nicht einzusehen war, warum Latein derart unlogisch sein sollte. Dem tragen auch unsere Wörterbücher Rechnung. Laut Duden ist es zulässig, »Virus« mit männlichem Artikel zu gebrauchen. Für die Mediziner wird es weiterhin »das Virus« heißen, weil sie schließlich viel Mühe und Fleiß in den Erwerb des großen Latinums investiert haben.
Wörter mit schwankendem Genus gibt es übrigens eine Menge, was kein Wunder ist, zumal das Wort »Genus« selbst zwischen männlichem und sächlichem Geschlecht schwankt. Es ist – wie »Virus« – im Latein sächlich, also ebenfalls ein Ausnahmefall. Auch das Wort »Corpus« ist im Latein sächlich, weshalb es in Strafprozessen meistens um »das Corpus Delicti« und nicht um »den Corpus Delicti« geht. Eingedeutscht zu »Korpus« ist es aber männlich, besonders wenn man damit den Klangkörper von Instrumenten meint.
Regelmäßig verunsichert sind wir auch bei Wörtern wie »Zölibat« (für Theologen männlich, standardsprachlich aber sächlich), »Radar« (fachsprachlich »das«, standardsprachlich »der«) und »Python« (tatsächlich männlich, also »der Python«; da das Wort »Schlange« aber weiblich und der Python nun mal eine Schlange ist, sagen viele »die Python«). Nicht zu vergessen der Krake, der aus dem Norwegischen kommt, wo er »kraken« heißt und männlich ist. Wäre er weiblich, hieße er »kraka«. Dass der Krake im Deutschen trotzdem immer wieder als ein weibliches Wort empfunden wird, liegt an der Endung: Viele deutsche Wörter, die auf einem unbetonten »-e« enden, sind weiblich, wie die Flöte, die Kröte, die Ente, die Möwe. Nicht aber der Löwe, der ist männlich – was beweist, dass es auch im Deutschen mit den Endungen nicht immer ganz logisch zugeht.
Vom Virus weiß man, dass es nicht nur sein Geschlecht verändern kann, sondern auch sich selbst, indem es mutiert. Manchmal mutiert aber auch nur die Rechtschreibung. So war in der »Ostsee-Zeitung« kürzlich von einem »Corina-Virus« zu lesen. Dadurch erscheint die Frage des Geschlechts in einem neuen Licht: Mag »Virus« männlich oder sächlich sein, die Corina ist auf jeden Fall weiblich.
Zum Thema: Wie spricht man »Quarantäne« aus?
Zum Thema: Der Butter, die Huhn, das Teller
Fundstück: Noro-Gastspiel
Fundstück: Neues Virus entdeckt
Fundstück: Schon wieder neues Virus entdeckt
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March 9, 2020
Gräbervorsorge?

Entdeckt auf vaticannews.va, eingeschickt von Uschi Weber aus Münster
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Um die Ecke gedacht
Das freute mich heute ganz besonders: Ein Leser aus Düsseldorf schickte mir den Scan eines Rätsels aus dem »Zeit«-Magazin, in welchem er einen Bezug zu meinen Büchern ausgemacht hatte. Die Frage 9 senkrecht lautet: »Sicknifikant: Der dritte ist dem zweiten sein Verdränger«. Das Lösungswort lautete »Fall«. Schon als Schüler in den 80er-Jahren habe ich mit großem Eifer und Vergnügen die Rätsel aus dem »Zeit«-Magazin gelöst. Selbst einmal in einer »Um die Ecke gedacht«-Frage aufzutauchen, empfinde ich daher als große Ehre.
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February 29, 2020
Wenn die Polizei mit Messern schießt
»Hilfe, Herr Sick!«, wandte sich kürzlich ein Leser an mich. »Was ist denn hier passiert? Die Polizei erschießt einen Mann – mit einem Messer? Seit wann schießt die Polizei mit Messern? Ist das effizienter als mit Kugeln?« Dazu hatte er einen Zeitungsausriss mitgeschickt, auf dem die Überschrift zu lesen war: »Polizei erschießt Mann mit Messer«.

Da musste ich natürlich schmunzeln. Die Überschrift war grammatisch zwar korrekt, aber missverständlich, da der Zusatz »mit Messer« sowohl auf den Erschossenen als auch auf die Art des Erschießens bezogen werden konnte. Tatsächlich ist die Messerschießerei der Polizei ein altbekanntes Phänomen im deutschen Journalismus. Weil die Formulierung so schön kurz und knackig ist, tappt die Presse regelmäßig in dieselbe Falle und lässt die Polizei ungewollt mit Messern schießen. Und nicht allein mit Messern. Erst im November letzten Jahres hieß es im Internet: »Polizei erschießt Mann mit Axt«. Im Dezember dann die Schlagzeile aus Wuppertal: »Polizei erschießt Mann mit Hammer«. Und kurz vor Jahresende las man über einen Einsatz in Stuttgart: »Polizei erschießt Mann mit Schwert«. Vermutlich war es ein Laser-Schwert, denn viele Polizisten sind »Star Wars«-Fans. Auch »Polizei erschießt Mann mit Machete« war als Überschrift bereits zu lesen. Und nicht zu vergessen: »Polizei erschießt Angreifer mit Spritze«. Wenn man der Presse Glauben schenken darf, bietet das Arsenal der Polizei eine Vielzahl der erstaunlichsten Geschosse.

In der Kürze liegt die Würze, heißt es, aber leider liegt darin auch bisweilen die Einladung zum Missverständnis. Vielen Lesern springt die Doppeldeutigkeit natürlich ins Auge, und einige wenden sich mit spöttischen Mails an die jeweilige Redaktion. In der Regel mit Erfolg: Spätestens am nächsten Tag ist die Überschrift in der Online-Ausgabe geändert. »Mann mit Hammer von Polizei erschossen« liest man dann, oder »Polizei erschießt Mann, der mit Hammer randaliert«. Das ist natürlich nicht mehr so kurz und knackig wie »Polizei erschießt Mann mit Hammer«, aber wenigstens nicht mehr doppeldeutig.
Auf »bild.de« war im Hammer-Fall keine Änderung nötig; denn dort hatte man sich gleich für den bewährten Nominalstil entschieden: »Polizei erschießt Hammer-Angreifer«. Das können ein paar Leser dennoch missverstanden haben, schließlich dient das Wort »Hammer« heutzutage in vielen Zusammenhängen als hammermäßige Verstärkung.
Die Überschrift »Polizei erschießt Mann mit Axt« änderte man auf »saarbruecker-zeitung.de« nachträglich in »Polizei erschießt einen mit Axt bewaffneten Mann«. Und der in Stuttgart mit einem Schwert Erschossene wurde auf »spiegel.de« zu »Mit Schwert bewaffneter Mann von Polizisten erschossen«. Auf »merkur.de« entschloss man sich zu einer Änderung im Stil der »Bild-Zeitung«: »Polizei erschießt Schwert-Mann«.

Ob das nun besser ist, sei dahingestellt. Es ist immerhin erfreulich, wenn sich die Online-Presse einsichtig zeigt und bereit ist, eine missverständliche Zeile umzuformulieren, auch wenn sie dadurch länger wird. Dass der gute Vorsatz halten wird, ist allerdings zu bezweifeln. Ich bin mir ziemlich sicher: Die nächste Erschießung mit einem Messer kommt bestimmt!
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February 26, 2020
Sammelplatz für die Entsorgung des Dativs
Osterhöhe in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt), entdeckt von Brigitte u. Wolfram KullikZum nächsten Fundstück: Sportlicher Ritt durch die Rechtschreibung
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February 25, 2020
Kein oder keinen Millimeter?

Am Sonntag nach der Wahl schlendern meine Freundin Sibylle und ich durch die Innenstadt. Als wir an einer Ampel stehenbleiben, fällt unser Blick auf einen Aufkleber am Pfosten. »#KEIN MILLIMETER NACH RECHTS« steht darauf zu lesen. »Die sieht man jetzt überall«, stellt Sibylle fest. Dann wird sie stutzig und fragt: »Aber muss es nicht eigentlich keinen Millimeter heißen? Man sagt zwar kein Thema und kein Problem, aber beim Millimeter kommt mir das komisch vor!« – »Thema und Problem sind sächlich, darum heißt es in Nominativ und im Akkusativ gleichermaßen ›kein‹. Aber der Millimeter ist männlich, und da wird ›kein‹ im Akkusativ zu ›keinen‹«, erkläre ich. »Und wir haben es hier mit dem Akkusativ zu tun, denn es ist die Verkürzung von ›Wir gehen keinen Millimeter nach rechts‹ oder ›Ich bewege mich keinen Millimeter nach rechts‹.« – »Dann hatte ich also recht!«, ruft Sibylle, über sich selbst erstaunt, denn Grammatik ist normalerweise nicht ihre Stärke. »Der Spruch ist falsch!« – »Nun ja, sagen wir mal, die Formulierung ist umgangssprachlich.« – »Kein gutes Vorbild für all diejenigen, die sich ohnehin schon mit unserer Sprache schwer tun«, findet Sibylle.

Wir setzen uns in ein Café, wo ich rasch mein Telefon zücke, um eine kleine Internet-Recherche zu starten. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei »Kein Millimeter nach rechts« um ein Zitat aus einem Lied von Herbert Grönemeyer, das kurioserweise »Fall der Fälle« heißt. »Damit wird er wohl kaum den Akkusativ gemeint haben!«, raune ich. Sibylle lacht. »Das erklärt wenigstens, wo die fehlende Silbe geblieben ist. Der Grönemeyer hat sie verschluckt.« – »Als Sänger darf er das selbstverständlich«, erwidere ich. »Und auch als Dichter – das fällt unter künstlerische Freiheit. In der Kunst darf man die Grammatik schon mal verbiegen. Wenn das Zitat allerdings aus dem Lied herausgelöst wird und ein Eigenleben entwickelt, ist das etwas anderes. Die Leute, die ›Kein Millimeter nach rechts‹ auf T-Shirts, Becher und Sticker drucken, können sich nicht hinter Grönemeyers künstlerischer Freiheit verschanzen.« Viele Politiker, die Grönemeyer zitiert haben, taten dies übrigens mit korrektem Akkusativ: »›Keinen Millimeter nach rechts!‹ Danke, Herbert #Groenemeyer und allen Menschen, die sich gegen Rassismus, Hass und Diskriminierung einsetzen.«, twitterte zum Beispiel ein Abgeordneter der SPD.

Und als ich noch ein wenig weiter suche, stoße ich auch auf einen Anbieter, der T-Shirts mit »Keinen Millimeter nach rechts« vertreibt. Amüsiert stellen wir uns vor, wie es wäre, wenn sich zwei junge Männer auf der Straße begegneten, der eine mit einem »kein Millimeter«-Shirt, der andere mit einem »keinen Millimeter«-Shirt bekleidet: gleiche Weltanschauung, aber unterschiedliche Grammatikauffassung.
Anderntags schickt mir Sibylle eine Textnachricht: »Vielleicht magst du über das Thema ja eine Kolumne schreiben. Aber muss nicht sofort sein. Kein Stress.«. Ich schreibe ihr zurück: »Bin schon dabei! Und keine Angst, ich mach mir KEINEN Stress.« Daraufhin erhalte ich eine Reihe lachender Emojis. Es ist aber auch eines dabei, das mir die Zunge rausstreckt.
Beugung von »keiner«, »keine« und »kein«

Zum Thema: Einer von 80 Millionen?
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