David Jonathan's Blog, page 11
June 20, 2015
Auf dem Fest

Deshalb hockte das Mädchen nun mit pochendem Herzen unter all den Würsten, Pasteten, Salaten, Broten, Kuchen und was es sonst noch gab. Etwas wunderbares musste passieren, wenn ihre Mutter so aufgeregt war. Mara erwartete zumindest ein paar Feen und Elfen zu sehen.
Doch zunächst schritt nur ihr dicker Onkel Ludwig durch den Raum. Mara erkannte ihn schon an seinem schwerfälligen Gang. Als sie zwischen den Tüchern hindurch schielte, die den Tisch abdeckten, sah sie, wie er sich in alle Richtungen umschaute. Dann kam er ganz dicht heran und trat ihr beinahe auf die Hand. Er hat mich entdeckt, erschrak Mara und kroch weit in die Ecke. Da hörte sie ihren Onkel kauen und schmatzen. Erleichtert dachte sie: Wie lieb von ihm, dass er Mama hilft und das Essen probiert.
"Was machst du da, Ludwig? Kannst du nicht einmal die Finger vom Buffett lassen?"
Das war Tante Bärbel. Sie schimpfte ständig mit dem Onkel, deshalb mochte Mara sie auch nicht besonders. Doch jetzt wollte auch sie Mama helfen, denn die Tante sagte laut zu ihrem Mann, während sie mit ihren kleinen Schritten und dem Schwung ihres großen Po, den Mara sich nur allzu gut vorstellen konnte, an den Tisch tippelte: "Ich bedecke deine Peinlichkeit mit ein wenig Dekoration. Finger weg, du kommst mit mir." Mara verstand zwar nicht, was das heißen sollte, aber wenn es Mama half, war sie damit einverstanden.
Dann kamen nach und nach alle Gäste. Einige kannte Mara, viele auch nicht. Jeder umarmte Mama und sagte ihr nette Worte - sogar Oma Mathilde, die sonst nur mit Mama meckerte und Mama drückte sie besonders lang, obwohl sie Oma Mathilde immer eine böse Schwiegermutter nannte, wenn sie glaubte, Mara könne es nicht hören. Es dauerte ziemlich lange, bis alle sich begrüßt hatten und auf ihren Plätzen saßen.
Mara begann sich zu langweilen und wurde müde, aber das Besondere war noch nicht passiert. Die Erwachsenen redeten nur miteinander und sie konnte kaum etwas verstehen. Manchmal lugte sie unter ihrem Tisch hervor und fragte sich, wie die Omas und Opas, Onkel und Tanten, Freunde und Bekannte so lange fast bewegungslos sitzen konnten.
Doch als ihr schon fast die Augen zufielen, stand ihre Mutter plötzlich auf und wünschte allen einen schönen Abend. Daraufhin klatschten die Gäste und liefen auf Mara zu. Sie bekam Angst. War sie nun doch entdeckt und was würde ihre Mutter dazu sagen, dass sie noch nicht im Bett war, sondern sich hier versteckte? "Brave Kinder lauschen nicht", war eine der vielen Regeln zu Hause.
Onkel Ludwig war als erster bei ihr. Das erstaunte Mara, weil er doch so dick und behäbig war, wie Mama immer sagte. Jetzt bewegte sich das Tischtuch, Mara starrte ihrer Entdeckung entgegen. Wahrscheinlich hatte Onkel Ludwig sie doch schon vorhin gesehen und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, seine ungezogene Nichte hervorzuziehen. Aber Mara hörte nur, wie Tante Bärbel mit Onkel Ludwig schimpfte und etwas von Benehmen sagte. "Füll dir nicht den Teller so voll", fauchte sie ihn an.
"Sei nicht so streng mit ihm, Bärbel", hörte Mara die Oma Ruth sagen. "Auf dem Fest deiner Schwester sollen doch alle fröhlich sein."
"Misch du dich nicht ein, Mutter", sagte Tante Bärbel ärgerlich. "Das ist eine Sache zwischen Ludwig und mir."
"Aber deine Mutter kann doch wirklich nichts dafür, wenn du mir selbst auf einem Fest das Essen nicht gönnst", meinte Onkel Ludwig und hörte sich dabei an, als würde er an etwas kauen.
"Man spricht nicht mit vollem Mund", erinnerte sich Mara an eine weitere Regel ihrer Mutter und genau das sagte jetzt auch Tante Bärbel zu Onkel Ludwig.
"Kinder, was für ein Buffett. Dieser Überfluss ist unfassbar für einen Menschen, der noch richtig hungern musste, so wie ich."
Das war Opa Werner. Der war uralt und hatte den Krieg erlebt. Irgendwie verglich er alles mit dieser Zeit. Deshalb nannte sie ihn auch immer den "Kriegsopa", was Mama nicht gerne hörte, aber sie verbot es ihr auch nicht so direkt.
"Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es heute habt", redete der Kriegsopa weiter.
"Ludwig schon, der stopft sich wieder voll", grollte Tante Bärbel und Mara stellte sich den bösen Blick vor, mit dem sie ihren Mann ansah.
"Lass ihn essen, es kommen auch wieder schlechte Zeiten und dann habt ihr wenigstens die Erinnerung an den Geschmack von all dem hier.
"Warum glaubt ihr eigentlich alle das Recht zu haben, euch ständig in meine Ehe einzumischen?"
"Vielleicht, weil du sie bei jeder Gelegenheit nach außen kehrst."
Das ist Oma Mathilde, erschreckt Mara. Wenn die erst einmal anfängt, lässt sie an nichts und niemand ein gutes Haar, sagt Mama oft zu anderen Erwachsenen. Keiner mag Oma Mathilde richtig, aber sie ist trotzdem bei allen Treffen mit dabei. Sie gehört nun einmal zur Familie, sagt Mama. Aber Mara merkt jedesmal, wie schwer es ihrer Mutter fällt, mit Oma Mathilde zu sprechen.
"Ich unterhalte mich nur mit meinem Mann", wehrt sich Tante Bärbel.
"Was du so Unterhaltung nennst. Der arme Ludwig steht bei dir ganz schön unter dem Pantoffel, meine Liebe", sagt Oma Mathilde frei heraus.
"Warum stehst du mir nicht gegen diese Unverschämtheit bei, Mutter?" fordert Tante Bärbel von Oma Ruth.
"Weil es stimmt, was Mathilde sagt. Du kannst froh sein, dass dein Mann überhaupt noch bei dir bleibt."
"Dieses fette Ungetüm findet doch sowieso keine andere."
"Du vergisst dich, Bärbel. Ludwig ist ein guter Mann und du solltest dankbar sein für jeden Tag, an dem er dich aushält."
"Ludwig liebt mich. Aber du Mutter, hast mich noch nie gemocht. Es war immer nur Renate, für die du immer da warst."
Mara verstand nicht, warum ihre Mutter plötzlich wichtig war, obwohl sie gar nicht dabei stand. Die Unterhaltung klang jetzt auch ab, weil alle weitergingen und andere Leute sich an Maras Tisch bedienten.
"Ludwig wird auch immer dicker."
"Kein Wunder bei dieser Frau".
"Aber ein schönes Fest."
"Es ist gut, wenn die Familie wenigstens einmal im Jahr zusammenkommt."
"Das Buffett - einfach ganz wunderbar."
"Der Raum und die Möbel sind so gediegen."
"Dass Renate sich das überhaupt leisten kann, nachdem sich Thomas von ihr getrennt hat."
Ihr Papa hatte sie allein gelassen, das tat Mara noch immer weh, obwohl sie sich kaum an ihn erinnern konnte, weil er nur unterwegs gewesen war. Mama fiel es schwerer, allein zu sein. Aber Mara war wütend, dass überhaupt jemand ein kleines Mädchen sich selbst überlassen konnte. Mit Mama kam sie seitdem wenig klar, die wollte ständig was mit ihr machen und dachte dabei doch nur an sich. Mara hatte das Gefühl, sie sollte eine Freundin sein, doch sie wollte viel lieber Mara bleiben und den ganzen Tag spielen.
"Ohne Thomas ist Renate wirklich besser dran."
"Ich weiß nicht, als Frau so allein und die Tochter ganz ohne Vater."
"Ihr amüsiert euch, wie schön", sagte eine helle Frauenstimme.
Ihre Mutter klang ausgelassen, aber Mara kannte sie zu gut, um nicht den Vorwurf in ihren Worten herauszuhören.
"Es ist ein wirklich schönes Fest", lobte Oma Mathilde. "Hast du Thomas nicht auch eingeladen? Vielleicht habt ihr noch eine Chance."
"Du weißt genau, dass dein Sohn mit einer anderen zusammenlebt und überall erzählt, er müsse jetzt wenigstens nicht mehr seine Hemden selbst bügeln."
Mara hatte den Wutausbruch ihrer Mutter kommen sehen.
"Eine richtige Frau weiß halt, wie sie einen Mann hält."
"Eine richtige Frau lässt sich nicht aushalten."
"Hast du denn schon vom Buffett gekostet?" beruhigt Oma Ruth ihre Tochter. "Das hast du ausgesprochen geschmackvoll ausgewählt. Überhaupt ist das ein sehr gelungenes Fest."
Mara hört, wie sich Mama einen Teller voll mit den verschiedenen Speisen auffüllt, weil sie dabei wütend mit dem Löffel auf den Teller schlägt. Das macht sie auch immer zu Hause, wenn sie auf Mara sauer ist.
"Ludwig, du hast schon drei Mal nachgenommen", ruft Tante Bärbel von einem der Tische quer durch den Saal.
Mara hört lautes Gelächter, während Onkel Ludwig schnell noch etwas vom Buffett nimmt. Dann ist sie wieder allein unter ihrem Tisch. Sie wartet noch eine zeitlang, aber die Erwachsenen sitzen und reden und niemand steht mehr auf, obwohl sie sicher ist, dass Onkel Ludwig es zumindest versucht.
Mara schlief ein und als sie wieder erwachte, hatte sich nichts verändert. Sie wollte nicht länger auf Feen und Elfen warten. Für die Erwachsenen war das Besondere scheinbar das Essen und das Reden. Wie im Morgenkreis, als ich noch im Kindergarten war, dachte sie. Jeder darf jedem die Meinung sagen, solange er sich dabei an die Regeln hält. Natürlich verstand sie nicht alles, aber es kam ihr doch recht merkwürdig vor.
Sie erinnert sich nicht mehr, wie sie unbemerkt unter dem Tisch hervorkam und den Raum verließ. Wahrscheinlich, weil einfach keiner mit ihr rechnete. Jedenfalls lag sie in ihrem Bett, als Mama nach ihr sah.
"Jetzt hast du mich geweckt", murmelte sie vorwurfsvoll. "Dabei habe ich gerade so schön von Feen und Elfen geträumt."
"Dann schlaf wieder ein und träum weiter."
"Ach, das ist sinnlos, weil ich doch weiß, dass es in Wirklichkeit keine Feen und Elfen gibt."
"Wie kommst du denn darauf, mein kleines Mädchen?"
"Ich habe sie nicht gefunden."
"Die findet man auch nicht, aber wenn du fest an sie glaubst, sind sie für dich da."
"Familie kann ganz schön fies sein", platzte es aus Mara heraus.
"Warum sagst du das, hat dir jemand weh getan?" fragte Mama besorgt.
"Bei deinem Fest war ich unter dem Tisch und habe gelauscht", gestand Mara schlaftrunken.
"Hat es dir gefallen? Ich finde, es war ein wunderbares Fest" meint die Mutter erleichtert und wundert sich, was ihre Tochter alles träumt.
"Tante Bärbel war gemein zu Onkel Ludwig und Oma Ruth zu Tante Bärbel und Oma Mathilde überhaupt zu allen."
"Ich sollte dir nicht soviel erzählen, davon träumst du nur schlecht", sagt Mama.
"Wenn ich groß bin, werde ich dann auch so eine Oma?"
"Bestimmt, aber da hast du noch sehr viel Zeit."
"Ich habe Angst", flüstert Mara.
"Dann schlaf bei mir, dann kann dir nichts passieren", bietet Mama ihr an.
"Nein, du kannst mich nicht beschützen, du bist erwachsen."
Mama bleibt ratlos am Bettrand ihrer Tochter sitzen.
"Auf dem Fest der Erwachsenen gibt es keine Feen und Elfen", murmelt Mara, als sie wieder einschläft.
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Published on June 20, 2015 04:26
June 11, 2015
Mein Schreibtisch und ich

Mein Schreibtisch ist für mich Heimat. Ich räume ihn nie auf, weiß aber dennoch ganz genau, unter welchem Stapel ich die Informationen finde, die ich gerade benötige. Mein Schreibtisch ist wie ein Vulkan: In der Mitte ist ein wenig Platz zum Arbeiten, darumherum häuft sich der Ausstoß.
Das bedeutet aber nicht, dass ich die ganze Zeit am Schreibtisch sitze. Ich schreibe auch sehr gerne in Cafés oder an anderen Orten unterwegs. Doch wenn ich fort bin, weiß ich genau, dass mein Schreibtisch die Gedanken bewahrt, die ich auf ihm hinterlassen habe. Ich kann mich auf ihn verlassen. Es kommt nichts abhanden ubd ich finde es genauso vor, wie ich rs hinterlassen habe. Nun ja, vielleicht ein wenig staubiger. Doch das macht meinen Schreibtisch eben auch aus - er lebt in dieser Welt und von ihm aus reise ich in der Fantasie und tatsächlich. Mein Schreibtisch ist das Zuhause, zu dem ich immer wieder zurückkehre.
Published on June 11, 2015 04:03
May 29, 2015
Kostenfrei zum Bestseller

Eine gute Möglichkeit, Zwischenphasen zu nutzen, sind Werbeaktionen auf Amazon. Das eigene Buch in gewissen Abständen tageweise konstenfrei anzubieten, erhöht nicht nur den Verkaufsrang auf der Plattorm, sondern schafft auch Aufmerksamkeit und Bekanntheit. Innerhalb von 90 Tagen kann ein Werk insgesamt fünf Tage kostenfrei gestellt werden. Dabei sind diese fünf Tage beliebig zu verteilen. Für einen Schriftsteller ist der vielleicht größte Vorteil, dass er sieht, dass sein Buch durchaus von Lesern heruntergeladen wird. Das motiviert ungemein. Es ist auf diese Weise sogar möglich, in der Bestsellerliste weit nach vorne zu kommen.
Derzeit biete ich mein Buch "Grandioses Theater: Kurzgeschichten und mehr" kostenfrei bei Amazon an. Eine gute Möglichkeit für alle Leser und Autoren, diese Funktion bei Amazon kennenzulernen.
Ich freue mich natürlich über Bewertungen und Rezensionen und wünsche gute Unterhaltung.
Published on May 29, 2015 03:03
May 25, 2015
Aufregende Neuigkeit

In Lübeck hatten wir vor Kurzem schon einen spontanen gemeinsamen Auftritt, der dort sehr gut ankam. Im Juni treten wir nun in Hamburg mit einem eigenen Programm auf: „Lesen mit Stimme“. Meine spannenden und amüsanten Texte in der Interpretation von Dirk H. Strunk. Darüber hinaus wird es noch - wie in einem guten Buch - die eine oder andere überraschende Wendung geben, die unser Duett aus Wort und Stimme abrundet. Eine inszenierte Lesung, die vor allem gute Unterhaltung verspricht.
Ich bin natürlich schon aufgeregt und sehr gespannt. Einzelheiten und die Einladung folgen in den sozialen Netzwerken. Wer schon jetzt mehr erfahren möchte, trägt sich bitte in meine Mailingliste ein.
Published on May 25, 2015 06:41
May 24, 2015
Ein Telefonat
Die Frau stieg nach mir in die Bahn und blieb an der Tür stehen. Sie telefonierte."Nein, Karl Friedrich, ich bin noch unterwegs", sagte sie laut und deutlich über die Geräuschkulisse im Zug hinweg. "Dann isst du halt mal später."
Ich beobachtete sie von meinem Sitz aus, aber sie bemerkte es nicht einmal. Der Mann neben mir las in seiner Zeitung, das Mädchen gegenüber hörte Musik.
"Ich koch dir ja was", sagte die Frau, "aber es dauert noch."
Während ihr Mann antwortete, spielte sie an den Haaren. Manchmal rollte sie mit den Augen und verzog ihr Gesicht.
Ein Telefonat in der Bahn"Das Essen von gestern steht natürlich im Kühlschrank. Hinter Käse und Quark, in der grünen Dose. Dann wäscht du den kleinen Topf in der Spüle aus. Der Arzt hat mir übrigens wieder diese Pillen verschrieben. Nein, nicht der mit dem Glasdeckel. Ich geh dann schnell in der Apotheke vorbei, auch die Salbe für Mutti abholen, die besuchen wir nachher. Stell den Herd aber höchstens auf zwei und immer umrühren."
Die Bahn hielt, Menschen stiegen aus und ein. Ich verlor die Frau kurzzeitig aus den Augen. Doch ihre Stimme übertönte mühelos den größten Lärm.
"Auf zwei habe ich gesagt, auf zwei, nicht auf neun. Kratz es aus und schmeiß es weg. Koch den Topf mit Backpulver aus. Ich mach dir später was, wenn ich da bin. Jetzt öffne das Fenster, sonst verpestet der Qualm die ganze Wohnung."
Die Frau blieb ruhig, sie kannte ihren Mann wohl gut genug. Ich aber hätte den Unglücksraben jetzt gerne gesehen. Irgendwie stellte ich ihn mir klein, dick und kahlköpfig vor, mit einer Brille, denn ein solcher Mensch musste unbedingt eine Brille tragen. Gekleidet war er mit einem weißen Shirt, das jetzt fleckig wurde, einer kurzen Hose und Sandalen.
"Herrje, du musst natürlich Wasser in den Topf füllen, bevor du das Backpulver kochst. Bring ihn raus und schmeiß ihn weg. Ich kaufe gleich einen neuen. Nein, es gibt nicht gleich was, wenn ich komme, ich muss erst kochen. Es schadet dir nichts, erst später zu essen. Denk an dein Herz."
Karl Friedrich tat mir irgendwie leid. Er hatte es gründlich vermasselt. Ich hoffe, er bekam überhaupt noch etwas zu essen. Vielleicht fiel ihm aber auch ein, einfach an den Kühlschrank zu gehen und sich ein Brot zu schmieren. Zumindest mit Butter. Falls er sie gefunden hat - schließlich ist er nur ein Mann.
Ich beobachtete sie von meinem Sitz aus, aber sie bemerkte es nicht einmal. Der Mann neben mir las in seiner Zeitung, das Mädchen gegenüber hörte Musik.
"Ich koch dir ja was", sagte die Frau, "aber es dauert noch."
Während ihr Mann antwortete, spielte sie an den Haaren. Manchmal rollte sie mit den Augen und verzog ihr Gesicht.

Die Bahn hielt, Menschen stiegen aus und ein. Ich verlor die Frau kurzzeitig aus den Augen. Doch ihre Stimme übertönte mühelos den größten Lärm.
"Auf zwei habe ich gesagt, auf zwei, nicht auf neun. Kratz es aus und schmeiß es weg. Koch den Topf mit Backpulver aus. Ich mach dir später was, wenn ich da bin. Jetzt öffne das Fenster, sonst verpestet der Qualm die ganze Wohnung."
Die Frau blieb ruhig, sie kannte ihren Mann wohl gut genug. Ich aber hätte den Unglücksraben jetzt gerne gesehen. Irgendwie stellte ich ihn mir klein, dick und kahlköpfig vor, mit einer Brille, denn ein solcher Mensch musste unbedingt eine Brille tragen. Gekleidet war er mit einem weißen Shirt, das jetzt fleckig wurde, einer kurzen Hose und Sandalen.
"Herrje, du musst natürlich Wasser in den Topf füllen, bevor du das Backpulver kochst. Bring ihn raus und schmeiß ihn weg. Ich kaufe gleich einen neuen. Nein, es gibt nicht gleich was, wenn ich komme, ich muss erst kochen. Es schadet dir nichts, erst später zu essen. Denk an dein Herz."
Karl Friedrich tat mir irgendwie leid. Er hatte es gründlich vermasselt. Ich hoffe, er bekam überhaupt noch etwas zu essen. Vielleicht fiel ihm aber auch ein, einfach an den Kühlschrank zu gehen und sich ein Brot zu schmieren. Zumindest mit Butter. Falls er sie gefunden hat - schließlich ist er nur ein Mann.
Published on May 24, 2015 05:02
May 23, 2015
Schlagabtausch

Heute hatte ich wieder so eine Konversation auf Twitter. Entstanden ist sie, weil ich eine Nutzerin in meine Liste „Leser“ aufgenommen habe. Für alle, die Twitter nicht kennen: In sogenannten Listen werden User gesammelt, die häufig über Inhalte twittern, die für den Ersteller einer Liste interessant sind.
Ich gebe hier zunächst den Inhalt des Gesprächs, bei dem sich jeder Beitrag auf 140 Zeichen beschränken muss, unkommentiert wieder. Ich habe daran nichts verändert (auch keine Schreibfehler), bis auf den Namen der Nutzerin.
Twitter-Mädchen: Ich lese sie nicht. Ganz ganz GANZ sicher nicht. Sie können mich wieder aus ihrer Liste entfernen. Ich bestehe sogar darauf.
Ich: Gestrichen. Obwohl es nicht darum geht, mich zu lesen. Denn ich glaube nicht, dass Ihnen das gelingen wird.
Twitter-Mädchen: Danke. Sie sind nicht ganz vertraut mir Twitter, oder? 'Sie' zu lesen, bedeutet ihre Werke zu lesen. :) Viel spaß hier noch
Ich: Das habe ich schon verstanden und ich habe auch darauf geantwortet ;-))
Twitter-Mädchen: Wow. Da hat aber jemand ein empfindliches Ego. :'D Sie benehmen sich wie auf den Schulhof, Glückwunsch. xD
Ich: Nö, ich habe nur ein Gefühl für Sprache. Kleine Wortspielereien machen Spaß. Ihre Vorlage war zu gut, um ungenutzt zu bleiben.
Twitter-Mädchen: hm. zugegeben. Aber mal ernsthaft...muss so etwas sein? Sie sind erwachsen uns sollten es besser wissen. SEHR VIEL BESSER.
Ich: Als Erwachsener muss ich mir also alles sagen lassen und darf darauf nicht reagieren, weil meine Worte treffen könnten?
An dieser Stelle bricht das Gespräch leider ab. Schade, denn mich interessiert wirklich, wie ein anscheinend junger Menschen denkt. So muss ich folgendes schließen: Ja, Kinder und Jugendliche glauben heutzutage wirklich, dass sie alles sagen und sich alles leisten dürfen, ohne Konsequenzen. Erwachsene haben hinzunehmen, wenn sie gemaßregelt und belehrt werden - sie haben nicht das Recht, dem entgegenzutreten.
In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich?
Andererseits: Wenn ich auf den Ausgangspunkt zurückkomme und das Gespräch als Schachspiel betrachte, habe ich eindeutig durch Aufgabe meiner Gegnerin gewonnen. Wobei dieser Sieg nicht befriedigend ist, denn er war zu einfach. Woraus ich wiederum schließe - es gibt doch gewisse Privilegien vieler Erwachsener gegenüber Kindern und Jugendlichen: Lebenserfahrung und Intellekt. Warum sollten wir uns also von irgendwelchen Gören einschüchtern lassen?
Published on May 23, 2015 10:44
May 17, 2015
Die Geschichte hinter Radio Bizarr
Fiction und Wirklichkeit

Für beide Figuren gibt es reale Vorbilder. Der Internetmillionär ist allerdings nie aus London zurückgekehrt, während die Journalistin eine Mischung aus verschiedenen Charakteren ist. Und auch der Sender Radio Bizarr hat mit "Radio Reeperbahn“ sein Pendant in der Wirklichkeit, das tatsächlich ein „Gläsernes Studio“ in den sogenannten „Tanzenden Türmen“ hatte. Doch damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten.
Die Handlung ist frei erfunden. Allerdings sind viele Örtlichkeiten in Hamburg authentisch. Ich habe einiges recherchiert und in zahlreichen Gesprächen erfahren. Manches ist möglich - und vielleicht unterscheidet sich die Wirklichkeit gar nicht so sehr von meiner Fiction…. Eine Rezensentin hat denn auch für den Roman eigens eine neue literarische Gattung erfunden: den Liebesermittlungsroman. Damit hat sie in einem einzigen Wort sehr treffend ausgedrückt, dass der Roman sich nicht klassisch einordnen lässt, sondern einen ganz eigenen Zugang zu einer veränderten Welt im Umbruch findet. Das ist auch der Grund, weshalb ich gesamte Geschichte in mehreren Bänden erzählen werden - für ein einziges Buch ist sie viel zu umfangreich.
Published on May 17, 2015 04:44
May 15, 2015
Toptitel

Wenn Sie sich in meine Mailingliste eintragen, erhalten Sie auch alle weiteren Teile von „Hide“ kostenlos, sobald sie vorliegen.
Erleben Sie Literatur hautnah und lesen Sie mit „Hide“ einen Roman im Entstehen.
Zum Inhalt:
In einer Welt, die absolute Transparenz von ihren Bürgern fordert, gibt es Menschen, deren Job es ist, sensible Daten zu verstecken. Pressnik ist so ein Hider. Er träumt davon, dass Individuen nicht mehr voneinander wissen, als sie selbst preisgeben wollen. Doch sein nächster Auftrag führt ihn in die Abgründe der Gesellschaft: Er soll eine Formel schützen, die den Verlauf der Geschichte für immer verändern könnte. Als er bemerkt, dass der Auftrag aus der Vergangenheit kommt, ist er schon mitten darin. Während Pressnik das perfekte Versteck für die sensiblen Daten sucht, erlebt er eine Welt, die perfekt kaschiert, wie sehr sie aus den Fugen geraten ist.Ich wünsche gute Unterhaltung und freue mich auf den Austausch mit meinen Leserinnen und Lesern.
Published on May 15, 2015 06:12
May 14, 2015
Der direkte Weg zu David Jonathan

Doch wenn eine Geschichte fertig ist, möchte ich sie teilen. Mit Ihnen, meinen Lesern. Nicht, weil ich erwarte, dass ich Ihnen damit die Welt erkläre. Das kann ich nicht. Vielmehr gebe ich Ihnen meine Geschichten voller Vertrauen darauf an die Hand, dass sie in Ihnen eigene Gedanken weckt. Ich möchte meine Leser unterhalten und sie an der einen oder anderen Stelle mit überraschenden Blickwinkeln sinnvoll verunsichern. Mit anderen Worten: in ihrer eigenen Welt zum Nachdenken anregen. Das macht für mich gute Literatur aus.
Doch an diesem Punkt endet die Beziehung zwischen Autor und Lesern nicht. Ich möchte Sie nicht nur in meinen Geschichten auf die Reise durch meine gedanklichen Welten mitnehmen, sondern auch an der Entwicklung dieser Geschichten und meiner persönlichen Entwicklung als Schriftsteller teilhaben lassen.
Das geht natürlich nur im direkten Austausch. Deshalb baue ich eine sogenannte Mailingliste auf. Was ist das? Nichts anderes als eine Datei mit zahlreichen Mailadressen meiner Leser. Wer sich hier einträgt, erhält von mir regelmäßig kleine Geschichten, Ausschnitte aus neuen Romanen und sogar ganze Bücher. Selbstverständlich gebe ich auch immer wieder Tipps für Menschen, die selbst schreiben. Das alles kostenlos und garantiert ohne Werbung.
Ihr Vorteil: Sie erleben die Entstehung von Literatur hautnah! Alle Abonnenten haben die Möglichkeit, sich direkt mit mir auszzutauschen, über meine Geschichten zu diskutieren und sogar Einfluss auf die Handlung von Romanen zu nehmen.
Wer jetzt seine Mailadresse einträgt, erhält nach und nach alle Teile meines neuen Romans Hide kostenlos. Dieses Buch entsteht in einzelnen Abschnitten, die ich meinen Abonennten jeweils sofort nach ihrer Fertigstellung zusende.
Sichern Sie sich Ihren direkten Weg zu David Jonathan - nur mit Ihrer Mailadresse. Übrigens: Sie können sich natürlich jederzeit wieder problemlos aus meiner Mailingliste streichen lassen. Selbstverständlich gebe ich Ihre Adresse niemals an Dritte weiter.
Mir geht es einzig und allein um den persönlichen Austausch mit meinen Lesern. Probieren Sie es einfach aus - kostenlos und ohne jedes Risiko.
Begleiten Sie mich auf meinem literarischen Weg: Tragen Sie sich einfach mit Ihrer Mailadresse ein. Ich freue mich auf Sie!
Published on May 14, 2015 01:46
May 13, 2015
Halten Sie nichts für selbstverständlich

Erst heute ist es mir wieder aufgefallen: Wenn ich ausreichend von Menschen entfernt bin, um zwar noch ihre Stimmen zu hören, aber nicht mehr zu verstehen, was sie sagen, verfremde ich für mich damit auch ihr Verhalten. Da Menschen hauptsächlich auf Sprache reagieren und erst in abgeschwächter Form auf Mimik und Gestik, ist mir auf diese Weise zu einem guten Teil unverständlich, wie sie sich geben. Jetzt kommt die Fantasie hinzu, indem ich bewusst drauf verzichte mich zum Beispiel durch die Umgebung zu einer Erklärung ihres Verhaltens inspirieren zu lassen. Im Gegenteil, ich stelle mir vor, eine Gruppe Menschen zum allersten Mal zu sehen. Dann beginne ich, ihr Verhalten zu beobachten.
Ob Sie es glauben oder nicht - so habe ich schon einige vergnügliche und auch interessante Momente verbracht. Weshalb entfernt sich eine Frau aus ihrer Gruppe und hebt die Hand über ihre Schulter? Einen Moment später kehrt sie um, geht zurück und schwenkt den Oberkörper vor den anderen? Warum geht ein alter Mann ständig vor einem Geschäft auf und ab, ohne je nach links oder rechts zu schauen? Was hat es mit den Bewegungen auf sich, die zwei Männer voreinander ausführen? Sie bewegen die Köpfe abwechseln zur Seite, heben und senken ihre Schultern, beugen manchmal sogar die Knie und schwingen die Hände in willkürliche Richtungen.
Probieren Sie es aus, Sie werden die abenteuerlichsten Entdeckungen machen. Halten Sie einfach nichts für selbstverständlich, sondern sehen Sie Menschen aus einer neuen Perspektive. Denn: Nichts ist selbstverständlich, wenn wir es nicht selbst dazu machen.
Published on May 13, 2015 09:35