André Pilz's Blog, page 7
January 18, 2021
Winter 2021
Von den Wintern meiner Kindheit und Jugend ist dank des Klimwandels auf fünfhundert Meter Seehöhe in Österreich wenig übriggeblieben. Nur manchmal bricht er noch durch mit voller Kraft und bringt Erinnerungen zurück. Die Stille an solchen Tagen fast unheimlich, Hektik und Lärm schrumpfen auf ein Minimum, dort, wo sonst ununterbrochen große LKWs durchs Land donnern und Autos brummen. Alles leise, alles im Winterschlaf, verzaubert jetzt. December 30, 2020
How can I protect you in this crazy world?
November 7, 2020
Let's all do the conga - Donald is no longer!
A Native American dances in the street along with other individuals in Albuquerque NM
October 28, 2020
Book Rating – yep, meine eigenen Romane (ich war gnädig zu mir in diesen dunklen Zeiten)
1. Man Down (Winter 2010) 10/10
(*SIEGER*)
Thumbs up
Man Down halte ich für meinen kraftvollsten, leidenschaftlichsten Roman. Neben Bataillon d’Amour der Roman, an dem ich am kürzesten gearbeitet habe. Ich habe Menschen kennengelernt, die hart gearbeitet haben, dann aber durch eine Betrügerei, eine Krankheit oder einen Arbeitsunfall in finanzielle Schwierigkeiten gekommen sind. Habe mir so oft gedacht, scheiße, die haben das nicht verdient. Das ist so verdammt unfair. Habe lange das System nicht dafür verantwortlich gemacht. Weil man das ja eingetrichtert bekommt, weil man ja Slogans wie „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut!“ fast täglich auf die Ohren kriegt. Es geht in Man Down um Existanzangst, um Wut und um Verzweiflung, aber auch um – ja! – Liebe, nicht nur um die zwischen dem Erzähler und Marion (die Story nimmt fast die Hälfte des Romans ein, wie mir eine Leserin kürzlich klar machte), sondern auch um Bruderliebe. Der Berliner Journalist und Autor Ralph Gerstenberg war der einzige Journalist, der mich je in einem Interview darauf angesprochen hat. Brüder haben meist ein ganz spezielles, schwer erklärbares Verhältnis. Aufs Blut streiten, aber dann würde man doch wieder für den anderen sterben.
Thumbs down:
Man Down mag der beste Roman sein, den ich geschrieben habe, perfekt ist er nicht. Man ist nie zu alt, um dazuzulernen.Lange habe ich mich – shame on me! – über PC lustig gemacht, mittlerweile habe ich mir geschworen, nie nach unten zu treten, habe ich mir geschworen, dass ich als recht privilegierter Mann der Mehrheitsgesellschaft denen zuhören muss, die ausgegrenzt werden und von ihren Ängsten und Diskriminierungen erzählen, und nicht nur zuhören, sondern auch unterstützen, dass ihre Stimmen verbreitet werden. Aber vor nicht gar nicht allzu langer Zeit bin ich noch voller Wut und Lärm durchs Leben getrampelt, ohne Rücksicht auf Verluste. Und das spiegelt sich auch in den Romanen wider.
Zitat
„Mir fällt nur ein Roman ein, der eine Unterschicht nach der Jahrtausendwende beschreibt, ohne voyeuristisches Interesse und ohne Absicht, die Lust am scheinbar Authentischen zu befriedigen. Man Down von André Pilz, ein Roman, in dem Kriminalität das Nebenprodukt der Bedingungen ist, die die Mehrheitsgesellschaft diktiert.“
(Selim Özdoğan https://www.54books.de/sieben-schwierigkeiten-und-einer-der-immer-schmaler-werdenden-pfade-gastbeitrag-von-selim-oezdogan/)
* (bei all meinen Romanen gibt es eine Rohfassung, die ich dann zur Hälfte fortschmeiße)
2. Bataillon d’Amour – Eine Geschichte von Liebe und Gewalt (Herbst 2007) 9/10
Thumbs up
Mayra ist einer meiner liebsten Charaktere. Sie ist mir so nahe gekommen wie kaum eine andere Figur, die ich erschaffen habe. Und dass es Leser*innen offenbar ebenso genauso ergangen ist, erfüllt mich bis heute mit Stolz und Freude. Über die Jahre gab es mehrere Versuche, den Roman zu verfilmen (erst als Spielfilm, dann als Streaming-Serie), und ich hoffe, dass es endlich klappt, wenn die Filmproduzenten wieder normal arbeiten können.
Thumbs down
Ich würde als Mann heute niemals mehr eine Geschichte, bei der es um sexuelle Gewalt geht, aus der Sicht einer Frau erzählen. Ich würde sie wahrscheinlich überhaupt nicht mehr erzählen. Ich würde die Geschichte, die erzählen lassen, die das viel besser können als ich. Auch ist der Plot manchmal etwas abenteuerlich, finde aber, dass die Geschichte selber auch ihren Charme hat.
Zitat
„Mayra ist Opfer und doch keines, sie hat Lebenswitz – und gerade dieser vermittelte Lebens- und Überlebenswitz ist es, der das Buch für mich zu einem der besten deutschsprachigen Romane der letzten Jahre macht. Verrückt, dass der Roman in einem derart kleinen Verlag erschienen ist – mit der entsprechenden Werbung wäre es sicher auf allen Bestseller-Listen.“ (Eva Rossmann, http://www.diestadtspionin.at/buecher/rossmann.php)
3. Der Anatolische Panther (Herbst 2016) 8/10Thumbs up
Bei einer Schullesung haben mich türkischstämmige/türkische Jugendliche gebeten, doch mal einen Roman zu schreiben, in dem eine Figur wie Shane aus „Man Down“ die Hauptrolle spielen würde. Ich habe mich da lange nicht dran gewagt, es schlussendlich doch getan. Ich denke, dass mir das teilweise gelungen ist, überhaupt sind Figuren und Dialoge wohl die Stärke.
Thumbs down
Was ich an Positivem aufgezählt habe, kann ich genauso hier erwähnen: Erstmal gilt, was für Bataillon d’Amour gilt: Ich würde im Jahr 2020 keinen Roman aus der Sicht eines türkischstämmigen Mannes erzählen. Das ist längst überholt, das war ein Fehler. Auch habe ich erst spät in meiner Zeit als Schriftsteller kapiert, was für eine positive Ausstrahlung Figuren haben können, die sexistische oder rassistische Dinge o.ä sagen, nämlich auf die Menschen, die genau solche Einstellungen habe. Der Widerspruch, den solche Charaktere erfahren müssen, muss ein scharfer sein. Das ist mir, vielleicht in sämtlichen Romanen bisher, nicht gut gelungen. Und was den Romajungen angeht – das Milieu (Armut, Cousin kriminell) entspricht natürlich auch einem Klischee, dem man vielleicht entgehen hätte müssen.
Zitat
„(…) bringt derart lebensecht abgelauschte, perfekt getaktete Dialoge zu Papier, dass es schier staunenswert ist. Pilz gibt jeder Figur einen anderen Tonfall, als hätte er in seinem Leben nichts anderes gemacht. Das Tempo stimmt, die Dramaturgie, die Charaktere. Donald Westlake, rutsch rüber! Don Winslow, kusch! Da kann man wirklich nur in Richtung des aktuell einzig ernstzunehmenden deutschen Filmregisseurs rufen: Dominik Graf, übernehmen Sie!“ (Alexander Kluy, Der Standard, 29. April 2017, https://www.derstandard.at/story/2000056726684/der-anatolische-panther-wenn-das-leben-in-giesing-ein-bastard)
4. Die Lieder, das Töten (Herbst 2012) 7/10
Thumbs up
Die Lieder, das Töten passt nicht wirklich zu den anderen Romanen. Die Rohfassung habe ich vor der Katastrophe von Fukushima geschrieben, danach ist es mir sehr schwergefallen, das fortzusetzen, was ich geplant hatte. Es hat mich erschüttert, dass diese düsteren Vorahnungen so schnell eingetreten waren. Die Lieder, das Töten hat keine Kai und keine Marion wie Man Down, keine Mayra und keinen Puskas. Es lebt mehr von der Atmosphäre, weniger von den Figuren. Selten sagt mir jemand gesagt, er hätte Die Lieder, das Töten großartig gefunden*. Und doch war da dieser bekannte deutsche Schauspieler, der mich vor nicht allzu langer Zeit mal angesprochen hat, dass man den Roman perfekt verfilmen könnte. Und wie er mir voller Leidenschaft erzählte, was man alles machen könnte und wie sogar leicht umzusetzen wäre, dachte ich mir: Ich darf den Roman ja doch noch liebhaben, auch wenn ihn fast keiner mag. Und ich darf ihn endlich nach Jahren mal wieder lesen, denn ich erinnere mich kaum mehr an irgendwas …
*Die Lieder, das Töten war immerhin für den -SF-Preis in der Kategorie Bester Roman des Jahres 2013 nominiert
Thumbs down
Wie gesagt – ewig nicht mehr gelesen, ich weiß, meine Leser*innen mögen ihn nicht besonders, deshalb muss er wohl auch Schwächen haben. Ich werde ihn wiederlesen, werde über ihn urteilen und dann vielleicht sogar mit dem Schauspieler noch einmal darüber reden. Wer weiß …
Zitat:
„André Pilz bleibt in seinem Roman nicht an der sauberen Oberfläche; er geht in die Tiefe. Mit teilweise drastischer Sprache zeigt er das Innenleben eines Agenten, der an sich und seiner Aufgabe verzweifelt. Er schildert Menschen, die kaum noch Hoffnung haben und trotzdem um ihr Überleben kämpfen. Und er gibt knallige Einblicke in eine Gegenkultur, die auf den Trümmern der Vergangenheit aufgebaut wird“ (Klaus N. Frick https://perry-rhodan.net/aktuelles/empfehlungen/die-redaktion-empfiehlt-%C2%BBdie-lieder-das-t%C3%B6ten%C2%AB-von-andr%C3%A9-pilz)
4. ex aequo No llores, mi querida – Weine nicht, mein Schatz (Frühjahr 2005) 7/10
Thumbs up and down
Weine nicht war meine Antwort auf die deutschsprachige Pop-Literatur jener Zeit. Ich hatte das Gefühl, diese Autor*innen schrieben über nichts aus meinem Leben (Cabrio fahren auf Sylt), die schienen in einem Paralleluniversum zu hausen (und sich über meine Eintracht-Jacke lustig zu machen), und ich hatte einen solchen Drang, denen eins zu scheuern, und als Weine nicht am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt worden ist, habe ich mir gedacht: Fuck, irgendwie ist’s mir ja sogar gelungen. Es sind zum Teil ziemlich schräge, dreckige, zum Teil fast bizarre Szenen in dem Buch (ich war früher fasziniert von Kathy Acker), und es gibt immer noch vieles, das ich mag. Ich würde mir aber nichts mehr wünschen, die Möglichkeit haben, es ein wenig umzuschreiben. Es gibt Dinge, die ich so nicht mehr stehenlassen möchte, die ich auslassen würde bei jeder Lesung, und ganz im Vertrauen, nur hier auf meinem Blog: Hat der Roman überhaupt einen Plot? Oder ist das eh wurscht bei so einem Monster?
Zitat:
„Ich habe No llores in einem Rutsch gelesen. Ich kam nicht mehr los davon, weil ich selten ein so brutales wie gleichsam zärtlich-poetisches Buch gelesen habe. Und ein Buch, das uns verbürgerlichten Menschen einen so plastischen wie drastischen Einblick in eine uns völlig fremde und damit auch angstbesetzte Welt gibt. Und uns letztlich die Möglichkeit gibt diese Welt und vor allem die Menschen, die in ihr leben (müssen) ein wenig zu "verstehen"…“ (Peter Kottlorz, Katholische Rundfunkarbeit am SWR)
October 22, 2020
I'm just here, minding my own business
I'm just here, minding my own business ...
October 10, 2020
Unwirkliche Zeiten
Vier Jahre seit meinem letzten Roman, aber in einer Woche geht das neue Skript an einen Verleger, außerdem ist ein weiteres in Rohfassung bereits fertig. 2020 ist das erste Jahr, seit dem Erscheinen meines ersten Romans, No Llores, in dem ich keine einzige Lesung hatte. Bald gibt es aber etwas online zu sehen, versprochen.
September 14, 2020
locart
In diesen für künstlerisch tätige Menschen schwierige Zeiten (Wegfall von Veranstaltungen, Absage von Projekten, eingeschränkte Möglichkeiten, etwa Filme zu drehen usw.) sind Initiativen umso wichtiger, die helfen, finanzielle Einbußen zumindest ein bisschen auszugleichen. In Vorarlberg möchte ich den Verein locart hervorheben, insbesondere die Initiatorin Maria Simma (Präsidentin der Berufsvereinigung Bildender Künstler*innen Vorarlbergs), die hier mit ihrem Team Großartiges geleistet hat. Auch ich durfte von der Initiative profitieren, deshalb ein herzliches Dankeschön, natürlich auch an die weiteren Mitwirkenden Nina Fritsch (Landesverband Vbg. Amateurtheater), David Helbock (Pianist), Barbara Herold (Regisseurin, IG Freie Theater), Frauke Kühn (literatur:vorarlberg netzwerk), Philipp Lingg (Musiker), Manuela Mylonas (Alpinale), Silvia Salzmann (Tänzerin, netzwerkTanz) und Mirjam Steinbock (IG Kultur Vbg.).
August 1, 2020
Wo meine Romane in meinem Kopf spielten ...
(Foto: Meine Lieblingsstadt, Innsbruck)
Weine nicht (2005) - Innsbruck
Bataillon d'Amour (2007) - teilweise Innsbruck
Man Down (2010) - München
Die Lieder, das Töten (2012) - tw. Vorarlberg, tw. Wangen im Allgäu (Kleinstadt)
Der Anatolische Panther (2016) - tw. München, tw. Vorarlbeg


