Maximilian Buddenbohm's Blog, page 341
May 6, 2014
Das Dienstags-Update
Bei “Was machen die da” gibt es in dieser Woche eine etwas speziellere Folge. Etwas aufwändiger als die anderen, auch ein wenig länger. Es geht hinaus aus der Stadt, es geht aufs Land, es wird ökologisch, es wird ungemein sinnvoll: Matthias Koitzsch ist Wiesenvogelschutzexperte.
Bei diesem Sonderinsatz konnte ich endlich meine eigene Regenhose einweihen, nachdem ich jahrelang nur den Söhnen so etwas angezogen habe. Aber wenn man so auf der Suche nach Wiesenvogeleiern über den Acker robbt, dann ist so ein schmuckes Kleidungsstück natürlich schon sinnvoll.
Die Aktion hat aber leider so viel Spaß gemacht, dass wir glatt ins Auge fassen, die Stadt noch öfter zu verlassen. Wo soll das noch hinführen!
May 5, 2014
Woanders – heute nur mit drei Links. Nanu!
Das Hamburger Schauspielhaus, neben dem ich quasi wohne, macht da was mit einem Nachbarstadtteil der eher unbekannten Art: der Veddel. Da bin ich gestern zum ersten Mal mit dem Fahrrad hingefahren, das ist eine gespenstische Angelegenheit. Da fährt man nämlich durch einen noch brachliegenden Teil der Hafencity, den Baakenhafen, zu den Elbbrücken und trifft auf einer gar nicht so kurzen Strecke – niemanden. Da ist nichts, nichts, nichts. Verlassene Planierraupen, Möwen kreisen darüber, vertäute Schiffe auf dem Fluss. Angefangene Straßen, halbfertige Fußwege, abgesteckte Grundstücke. Werbetafeln mitten in der Steppe, die von “urbanem Wohnen” faseln. Wolken ziehen tief über die Elbbrücken, als würden sie dem Straßenverlauf folgen. Ganz weit hinten laufen zwei Fotografen durch die Wildnis und knipsen Gegend. Hier könnte man ganz gut einen Krimi drehen, aber es wäre einer der deprimierenden Filme. Ich bin noch nie mit dem Fahrrad über die Elbbrücken gefahren, komisch eigentlich. Drüben, auf der anderen Seite, da liegt die Veddel. Das sieht zunächst charmant wie eine Autobahnauffahrt aus, wie ein Industriegebiet von hinten und man weiß gar nicht recht, ob man da mit dem Rad eigentlich so fahren darf, die Gegend sieht plötzlich gar nicht mehr so aus. Eher so, als wäre sie nur für LKW freigegeben. Aber natürlich darf man. Und das mache ich auch nochmal, demnächst. Der Weg ist gar nicht weit.
Isa hat mir schon wieder etwas vorgebloggt, was ich eigentlich bloggen wollte, das wird allmählich zur Gewohnheit. Schlimm! Deswegen verweise ich hier nur noch auf Isa, die wiederum auf Gesa verweist, das ist so aber auch durchaus sinnvoll. Es geht um eine ziemlich tolle Sache, da werden wir auch hier noch von hören. Man beachte auch den bei Isa verlinkten NDR-Film. Wenn man das nicht bewegend findet, merkt man wahrscheinlich gar nichts mehr.
Völlig entgangen ist mir, dass es von Nouvelle Vague eine Version von “Eisbär” gibt. Erstaunlich. Sehr erstaunlich. Ich weiß gar nicht, wie ich das finden soll.
May 4, 2014
Es ist kompliziert
Zum Beispiel das mit dem Essen. Da ich für den Wirtschaftsteil dauernd Meldungen zu Ernährung und Lebensmittelwirtschaft lese, beschäftige ich mich natürlich auch in meiner privaten Küche eher mehr als weniger mit dem Thema. Also mit der Frage, was da richtig ist, was gesund, was regional, was bio und was davon notwendig und was zweckmäßig und was schon radikal. Mir ist der Aufwand für die vegane Ernährung nennenswert zu hoch, ich finde vegetarisch verblüffend leicht, ziehe allerdings auch das nicht ganz durch. Aber immerhin. Herr Buddenbohm war in der Küche stets bemüht.
Ich lese wieder mehr Foodblogs, ich lauere auf Ideen, ich kann einiges von dem, was ich normalerweise so gekocht habe, plötzlich nicht mehr sehen. Ich lese dauernd Rezepte und warte auf die Erleuchtung. Ich habe doch wieder die Gemüsekiste bestellt, ich habe in diesem Jahr auch als Autor noch ein paar Dates mit dem Thema Food. Ich finde das Thema interessant, wenn auch nicht so interessant wie es die Foodblogger finden, die damit natürlich jeden Tag verbringen. Mir ist alles Extreme fremd, ich möchte mich keiner Bewegung anschließen, ich möchte kein Hundertprozentiger sein, kein Missionar und kein Agitator, ich finde alles schlimm, was humorlos betrieben wird. Und doch! Und doch steht man dann man Herd, hat in der Woche zwanzig Meldungen zu gesunder Ernährung und ökologischer Landwirtschaft und so weiter gelesen, rührt im Topf und fragt sich, ob das nun richtig ist, was da schmort.
Ich komme dabei immer wieder an zwei Begrenzungen. Zum einen bin ich in den Siebzigern groß geworden, das heißt mein Geschmack ist geprägt von Speck und Zucker und Geschmacksverstärkern. Und das klingt nur so wie ein Witz, das ist tatsächlich so und das ist tief in mir verankert. Und nicht ganz so einfach zu überwinden. Zum anderen kostet die Beschäftigung mit dem täglichen Essen, wenn man anfängt, darüber intensiv nachzudenken, mehr Zeit, als ich dafür habe. Ich möchte fast sagen: etwa dreimal so viel. Wenn es denn reicht.
Das ist natürlich ein Aspekt, an dem man weitergrübeln kann, an der persönlichen Zeitplanung. Man muss das Essen wohl von der Notwendigkeit weg denken, hin zur Freizeitbeschäftigung, hin zur erfüllten Zeit, zur Familienzeit, zu was weiß ich, zu mehr Spaß und Sinn. Daran scheitere ich gerade grandios. Das ist diese Reaktanz, ich bekomme schon bei der nur gedachten Aufforderung ”Geh doch mal in die Küche und entspann dich beim Gemüseschnippeln” unbändige Lust auf Tiefkühlpizza. Schlimm. Gleicher Effekt übrigens bei mir im Bioladen, wenn ich diese völlig verstrahlten, heiligmäßigen Typen sehe, die hinterm Tresen bei jedem Brötchen alle Zutatenkörnchen aufzählen, als hätten sie sie bei Vollmond selbst geschrotet, kriege ich nur Lust auf Drogen und Rockmusik. Das möchte man doch nicht.
Na, mal sehen. Weiter nachdenken, weiter probekochen. Irgendwie auch ganz spannend. Die arabische Gemüsepfanne mit Minztraubenjoghurt gestern zum Beispiel – sehr geiles Essen. Rezept reiche ich demnächst nach.
May 3, 2014
Kurz und klein
Herzdame: "Was möchtest du werden, wenn du groß bist?"
Sohn II: "Der Chef von deinem Chef. Dann kann ich ihm sagen, was er dir sagen soll."
— Max. Buddenbohm (@Buddenbohm) 15. April 2014
Zoo Hannover, Achtjährige vor der Scheibe des Flusspferd-Beckens: "Mama, das sieht aus wie 3D."
— Marin Majica (@MarinMajica) 19. April 2014
Kind 1 erzählt, dass jedes Jahr 500 Menschen durch Nilpferde sterben. Seine Frage dazu: "warum gehen die Leute hinter den Zaun im Zoo?"
— Sven Dietrich (@svensonsan) 30. April 2014
Im Festnetztelefonbuch auf "Mama" geklickt & mich gewundert wieso es zeitgleich an meinem Handy klingelt.
— p47r1c14 c4mm4r474 (@dasnuf) 20. April 2014
Bei leichtem Schwindelgefühl hilft: essen.
Ohne die Kinder verwahrlose ich.
— p47r1c14 c4mm4r474 (@dasnuf) 21. April 2014
Ein Jahr mit Kindern sind sieben Menschenjahre.
— Jan Böhmermann (@janboehm) 22. April 2014
Das dauert lang, bis die Kindergartengruppe über die Ampel kommt. Aber ich habe die Zeit genutzt und mich in die Kindergärtnerin verliebt.
— Kalle (@Kropunder) 22. April 2014
Kinder sind ausdauernde und entschlossene Kämpfer für die Gerechtigkeit.
Wenn es um Computernutzungszeiten von Geschwistern geht.
— M4gnu5 N13m4nn (@grindcrank) 23. April 2014
Damit sie ihn in der KiTa nicht mit Tiergesichtern bemalen, habe ich dem Zweijährigen “Nicht anmalen!” mit Edding auf die Stirn geschrieben.
— Gebbi Gibson (@GebbiGibson) 23. April 2014
Meine Tochter hat einen Luftballon von der falschen Partei geschenkt bekommen. Glücklicherweise habe ich immer einen Edding in der Tasche.
— tanzender Hase (@annelinja) 1. Mai 2014
Ich: „Wissen Sie, mit zwei Kindern ist der Hausausbau etwas anstrengend…“
Er: „Ach ja? Ich habe sieben“
SIEBEN.
S.I.E.B.E.N.
— Caspar C. Mierau (@leitmedium) 23. April 2014
Ausgesperrt. Kind drin.
"ICH DARF DIE TÜR NICHT AUFMACHEN" "Ich weiß.Aber ich habe keinen Schlüssel" "MAMA!" "ICH BIN DEINE MAMA!" "MAAMAAA"
— Tomster (@namenlos4)
Sohn I: "Bist du auch Starwars-Fan?"
Sohn II: "Nein, ich bin Mädchen-Fan."
— Max. Buddenbohm (@Buddenbohm) 20. April 2014
Wenns zu kompliziert wird, hat ein "ene mene muh" noch immer gut geholfen.
— Siri (@PaulsEnkelin) 22. April 2014
Streit vor dem Waldorfkindergarten: Zwei Väter beschimpfen sich ganzheitlich.
— Paulus Müller (@PaulusMueller) 28. April 2014
Mein diesjähriger Traum: den Kindern verschweigen zu können, dass sie alle an einem Samstag Geburtstag haben.
— Pia Ziefle (@FrauZiefle) 28. April 2014
Wegen des Heartbleed Bugs kann ich jetzt die Vornamen meiner Kinder ändern. Sehr toll.
— gallenbitter (@gallenbitter) 28. April 2014
Dass ich mein Kind lieben werde, haben sie mir gesagt.
Dass ich die komplette Schule nochmal durchmachen muss, haben sie mir nicht gesagt.
— 4xIch (@bine888) 30. April 2014
Neulich am Essenstisch. Kind 2.0: "Doch, EIN Hengst kann MEHRERE Stuten begatten." Kind 1.0: "Ahhh" Genauso wie Du Papa!" #Patchworkfamilien
— p47r1c14 c4mm4r474 (@dasnuf) 21. August 2011
"Wieso macht man um sone Riesenstadt Brandenburg drumrum? Mama?" "Hm."
— alles b. (@alles_b) 30. April 2014
"Wir beschließen, du hast keine Läuse." "Mama, manche Sachen kann man nicht beschließen, das ist Natur." "Natur findet hier nicht statt."
— alles b. (@alles_b) 30. April 2014
10 Minuten meinen Schlüssel gesucht, den ich die ganze Zeit in der Hand hatte. Vielleicht überdenke ich den Kinderwunsch noch mal.
— @twas (@_ungenau_) 30. April 2014
Der peinliche Moment, wenn du merkst, dass deine Tochter das Zimmer vor 20 Min. verlassen hat und du immer noch "Barbie Fairytopia" guckst.
— der Jan (@Jan11K) 26. April 2014
„Kinder, mir fällt grad nichts mehr ein, womit ich euch noch glaubhaft drohen könnte, könntet ihr bitte trotzdem einfach ins Bett gehen.“
— der_handwerk (@der_handwerk) 1. Mai 2014
Fr. Kleinkind ist heute ein Babyaffe, ich Papa. Nehme Rolle ernst und lause mein Affenbaby. Im Café sorgt das für heftige Irritationen.
— Paulus Müller (@PaulusMueller) 2. Mai 2014
Sohn II: "Man kann zu Einhorn auch Ahorn sagen, weil Eins und A ist beides gleich am Anfang."
— Max. Buddenbohm (@Buddenbohm) 30. April 2014
Wenn Du eine Familienkonferenz einberufen willst, schalte einfach den WLAN-Router aus und warte ein paar Sekunden.
— Mopster (@Harlequin77) 2. Mai 2014
„Ich bring das Kind ins Bett“ heißt übersetzt: „Ich schlaf schon mal eine Runde. Weck mich, wenn du die Küche aufgeräumt hast.“
— Angela Temming (@kriminalistin) 2. Mai 2014
Höre seit einer Stunde die Hörbücher der Tochter mit und entwickle langsam eine Pferdeallergie.
— Gebbi Gibson (@GebbiGibson) 3. Mai 2014
Es gibt 3 Möglichkeiten etwas zu erledigen. Tue es selbst, engagier jemanden, oder verbiete es den Kindern!
— Michael96 (@MichaelJur) 24. April 2014
May 2, 2014
Total praktische Einkaufsmöglichkeit gefunden
May 1, 2014
Woanders – Der Wirtschaftsteil
Wir hatten in den letzten Woche eher wenig Links aus Blogs. Das ist nicht gut, Blogs sollen hier selbstverständich auch und reichlich vorkommen, nicht nur immer wieder die üblichen Verdächtigen aus den Reihen der Medien. Sehen wir doch einmal gezielt nach, was in den von uns gelesenen Blogs so los ist, worum es da gerade geht.
Da geht es etwa um Hierarchien in Betrieben, um soziokulturelle Aspekte in Großunternehmen und auch um Karriere. Im Text der Schriftstellerin Zoë Beck: “Wolfgang hat Geburtstag” – und das passt natürlich sehr schön in den Wirtschaftsteil, gar keine Frage.
Da geht es auch um Szenen im Einzelhandel und man möchte wetten, dass eine tiefere Analyse der geschilderten Situation irgendwann auf die Spur einer Unternehmensberatung führen würde. Hohe Beträge möchte man da wetten! Eine Schilderung des alltäglichen Irrsinns in Coffeeshops bei Frau Novemberregen. Man sieht die Menschen am Flipchart förmlich vor sich, die das verursacht haben, was da beschrieben wird.
Auch in den fachspezifischen Blogs wird man natürlich bei der Suche nach Wirtschaftstexten fündig, im folgenden Text geht es etwa um die Reisebranche und ihre etwas merkwürdig anmutenden Probleme mit der Kundschaft. “Landestypische Klagen” im Lawblog.
Und man findet auch ganze Blogs, die in den Kontext dieses Wirtschaftsteil passen, da kann man sich sofort festlesen, etwa bei diesem bloggenden Hühnerhof. Das ist übrigens sehr sinnvoll, Texte aus dieser Perspektive zu lesen, da lernt man was.
Denn es liegt natürlich im Trend, sich mit Bio und Regio und Konsorten selbst zu beschäftigen. Unsere amerikanischen Vorbilder allerdings sind schon wieder beim Sammeln und Jagen angekommen, wussten Sie das? Hier ein paar Bilder dazu, die streuen wir mal schnell zwischen die ganzen Blogs.
Es ist tatsächlich gar nicht so schwer, Wirtschaft in privaten Blogs zu finden. Manchmal muss man nur ein wenig darauf achten, dann merkt man erst die Allgegenwart der Wirtschaft. Die Sparsamkeit der älteren Generation wird hier am Beispiel einer Großmutter erklärt, und auch das ist ein Wirtschaftstext, doch, doch.
Oder wenn es um die Ansiedlung von gewissen Institutionen in Großstädten geht und die Nachbarschaft empfindlich reagiert, dann gehört das auch hier her.
Aber auch die sonst hier üblichen Themen spiegeln sich in ganz privat anmutenden Einträgen, man sitzt z.B. vor seinem Fleisch und denkt so vor sich hin. Oder man sitzt vor Gegenständen, grübelt über Minimalismus und Bedarf und schreibt das auf. Falls Sie das Wort Horkruxe genau wie ich bisher nicht kannten, das bekommt man hier erklärt. Wieder was gelernt.
Andere Bloggerinnen widmen sich sozialen und familienpolitischen Fragen und arbeiten ihre Erinnerungen an die Situation von Eltern im Ausland auf. Da lernt man auch was, versteht sich. Oder es geht um den Vaterschutz. ja, richtig gelesen, der Vaterschutz. So naheliegend.
Und hier wird jemand nostalgisch und erinnert sich an Dinge von damals. Wissen Sie noch? Überweisungsvordrucke?
Also doch, das kann man machen – man kommt auch ohne Medien aus. Nächste Woche sehen wir uns dennoch wieder welche an. Die Mischung macht’s.
Und im Kulturteil malen wir einfach mal in die Luft. Doch, das geht.
April 30, 2014
Das Kindkrankgefühl
Sohn II hatte Fieber, ich blieb mit ihm zu Hause. Das scheint so eine der Aufgaben zu sein, die Väter nach wie vor eher nicht übernehmen, wenn ich mir meinen Bekanntenkreis so ansehe. Weil das Vollzeitmenschen, was die Väter meistens immer noch sind, nicht können, nicht wollen, nicht dürfen, wie auch immer. Ich finde, man sollte das schon aus egoistischen Motiven auch als Vater machen und das erkläre ich jetzt mal am praktischen Beispiel.
Das Kind schwächelt also, mit Störungen im Betriebsablauf ist zu rechnen, etwa in der Form, dass es morgens erst einmal über dem Klo hängt. Ein Lager im Wohnzimmer wird gebaut, ausreichend mit Handtüchern etc. ausgestattet, so dass man mit etwaigen Problemsituationen umgehen könnte. Schüssel griffbereit, Zwieback, Wasser, Tee. Es gibt aber kein weiteres Problem, es gibt nur einen Sohn, der mit glasigen Fieberaugen vorgelesen haben möchte, was natürlich nett ist. “Der glückliche Löwe” von Louise Fatio, illustriert von Roger Duvoisin, übersetzt von Regina und Fritz Mühlenweg. Eines der Bücher, bei denen ich nicht die allerleiseste Ahnung habe, wie sie in diesen Haushalt kamen. Das ist ganz nett, das Buch, allerdings möchte der Sohn nur dieses Buch vorgelesen haben – und zwar immer wieder. Und dann noch einmal. Kranken Kindern erfüllt man selbstverständlich Wünsche, ich lese also schon wieder den Glücklichen Löwen, das Buch wird mir im Laufe des Vormittages immer unsympathischer. Bücher mit eher dick aufgetragener Moral liegen mir nicht und dass der Löwe in seinem Käfig glücklich ist, das ist eine vollkommen abwegige Vorstellung für alle, die schon einmal Löwen im Zoo gesehen haben. Aber egal. Das Kind schläft kurz ein, das Kind wacht auf. Das Kind sieht ganz munter aus, man könnte es auch zum Arzt bringen.
Wer sich kindkrank meldet, der braucht eine Bescheinigung vom Arzt, deswegen muss man natürlich auch dann zum Arzt, wenn man sonst vielleicht gar nicht gehen würde. Ich nehme also den Sohn auf die Schultern und gehe zur U-Bahn, der Kinderarzt ist in einem anderen Stadtteil. In der U-Bahn gibt das Kind Geräusche von sich, die auch Katzenbesitzer alarmieren würden, dann reihert es die Bahn voll. Verblüffend, wie interessiert die Leute, die Kinder sonst so konsequent ignorieren, dann plötzlich sind. “Was hat er denn?” “Er kotzt.” Um dann mit einem loriotmäßigen “Ach was?!” zu antworten, manchmal kann man sein Leben von einem Sketch kaum unterscheiden. Die Leute aus dem hinteren Teil des Wagens kommen auch mal gucken, so ein kotzendes Kind sieht man eben nicht mehr jeden Tag in der alternden Gesellschaft.
Ich schiebe den Sohn schnell aus der Bahn, zum Arzt kann man auch am nächsten Tag. Wir stehen auf dem Bahnsteig und sehen uns um. Toll, das kennen wir hier gar nicht, das hebt die Stimmung sofort. Abenteuer! Wir gehen nach oben, ins Licht, an die Luft, der Sohn ist verständlicherweise nicht zu bewegen, noch einmal in die Bahn zu steigen. Auf meinen Schultern kann er aber sitzen, sagt er, da wird ihm nicht schlecht. Ich habe einen nicht unerheblichen Grusel vor der Möglichkeit, dass er sich von da aus auf meinen Kopf übergeben könnte, aber was soll man machen. Ich trage das Kind auf den Schultern, der Weg nach Hause ist gar nicht mal so kurz. Im Gegenteil, der ist sogar ziemlich lang. Der Sohn ist schlapp und hat keine rechte Körperspannung, er hängt mir im Nacken wie ein nasser Mehlsack. Kinder ohne Körperspannung haben doppeltes Gewicht, alte Regel. Gottseidank ist er erst vier Jahre alt, damit kommt man noch eine Weile zurecht. Sein sechsjähriger Bruder wäre noch ein ganz anderes Problem, denn Kinder in dem Alter kann man nur im Film meilenweit tragen, in der Wirklichkeit braucht man bereits nach einem Block einen Orthopäden. Oder eine Sackkarre.
Der Sohn auf meiner Schulter lenkt mich derweil an den Ohren durch Planten un Blomen, den großen Park mitten in der Stadt. Und nein, an dem “und” eben fehlte kein d, das gehört so, das ist Platt. Der Park ist voller Blumen, die möchte er sich ansehen, wozu er aber wieder runter auf den Boden muss. Nach drei inspizierten Blüten möchte er wieder nach oben auf die Schultern, dann wieder am nächsten Beet nach unten, ich mache mehr Sport als im ganzen bisherigen Jahr. Wir diskutieren Blütenfarben und -formen, er ist ein wenig pikiert, dass ich nicht weiß, wie die Blumen alle heißen. Zweifelnde Blicke, dieser Vater ist am Ende ein wenig ungebildet? Guck an. Ich kann es nicht ändern, ich kenne nur Tulpen und Rosen, der Rest ist eben so Blühzeug, was weiß ich denn. Der Sohn möchte künftig öfter in den Park, er ist wirklich sehr interessiert und die Blumen wirklich wunderschön, die möchte er alle immer wieder sehen, weil da wachsen ja auch immer mal wieder welche nach, wenn die hier weg sind und dann muss man die neuen Blumen auch ansehen, Papa, die könnten anders aussehen, und dann wieder die danach und guck mal, Papa, die Leute in den grünen Pullovern und Hosen da, die machen hier den ganzen Garten schön und das ist ja passend, dass die Grün tragen, hier ist nämlich alles grün, außer den Blumen, die sind rot und, äh, blau und lila und pink und wie heißt die Farbe da? Die in der grünen Kleidung haben also den Garten erschaffen, und das hat Gott ja auch gemacht, Papa, also einen Garten erschaffen, aber man weiß nicht, ob er dabei etwas Grünes angehabt hat, kann aber schon sein! Das Kind spricht und spricht und spricht, der Satz hört gar nicht mehr auf, er spinnt sich wie ein enorm langer Uhu-Klebefaden quer durch die Stadt, von den Blumenbeeten vor den Messehallen bis hinauf in unser Wohnzimmer, wo ich mich aufs Sofa fallen lasse, das Kind auf mir drauf, das sofort einschläft, mitten im Endlossatz.
Ich habe weder iPad noch Handy greifbar, das Notebook schon gar nicht. Ich liege unter dem Sohn, der glüht und schnarcht. Kein Buch in der Nähe, nichts. Ich schiebe den Sohn probeweise weg, Protest, leises Wimmern im Halbschlaf. Dann muss ich wohl liegenbleiben. Die Balkontür ist auf, die Sonne scheint und die Vögel lärmen, vom Spielplatz hört man Kinder schreien und Bälle, die an Wände geschossen werden. Der Sohn murmelt im Schlaf und hat Durst, wenigstens die Wasserflasche ist greifbar. Ich gebe ihm Wasser und decke ihn zu und gucke in die Gegend und auf die Kirchturmuhr und dann dauert es noch eine ganze Stunde, bis die Zeit allmählich langsamer und langsamer vergeht, allmählich ausrollt und die Minuten sich verzögern und das Gefühl auch bei mir ankommt: einfach nur herumliegen. Nichts machen. Pause.
Ich dämmere ein wenig. Ich schlafe nicht richtig, ich bin dann wohl das, was ich sonst nie bin: entspannt. Der Sohn streckt sich im Schlaf und rutscht tiefer unter die Decke und plötzlich kann ich mir verblüffend gut vorstellen, er zu sein. Nicht kindkrank, sondern krankes Kind. Die Erinnerung wird wach und sehr präsent. Wenn man so da liegt, versorgt, müde und ohne etwas tun zu können oder auch nur zu wollen, wenn einfach nichts ist, außer den Geräuschen von draußen. Wenn jemand die Decke aufschüttelt und Tee bringt und Salzstangen oder was auch immer da auf der Traditionslinie liegt, wenn jemand über die Stirn streicht und “trink was” murmelt. Man ist krank und irgendwas stimmt nicht, aber alles ist gut, es ist vielleicht sogar für einen Moment besser als sonst. Der Tag hat keine Struktur mehr und zerfließt breiig.
Das kann ich mir wieder vorstellen, dieses Gefühl, diese Stunden, diese Tage. Und auch wenn ich jetzt der Behüter bin, nicht das behütete Kind, ist es schön, das noch einmal zu erleben. Es ist meditativ und erholsam und zeitlos und nach zwei Stunden weiß man nicht, dass es zwei Stunden waren und irgendwann merkt man, dass es dunkel wird.
Der Sohn wacht auf und setzt den langen Satz aus dem Park da fort, wo er aufgehört hat, er redet und redet. Da sie in der Kita gerade über Ostern gesprochen haben und er, ganz im Gegesatz zum Rest der Familie, Religion außerordentlich interessant findet, redet er dauernd über Gott und will wissen, was ich davon halte. Er findet es nicht schlimm, dass ich an nichts glaube, denn er weiß ja Bescheid und kann es mir erklären, da habe ich ja Glück. Er weiß nämlich mehr als andere, sagt er, und er ist erst vier, sagt er, das wird ja also immer noch besser, das mit dem Wissen. Was er in ein paar Jahren erst alles wissen wird! Das wird viel, sagt er. Er hält mir einen Vortrag über die genaue Position von Jesus in der Luft, über Jesu Verwandtschaftsverhältnisse und dass er Söhne hatte, die nach seinem Tod eine Straßengang gegründet haben. Er zählt die Schläge der Kirchenglocken mit und zählt dann weiter bis 49, weiter kann er noch nicht. Er fragt, wie viel 49 ist und was man mit dieser Zahl eigentlich anfangen kann und ob man so alt wird und ob unendlich eigentlich mehr als endlos ist und ob Gott nicht doch tot ist und ob Walkie Talkies auch bis Mallorca reichen? Das wäre doch praktisch! Er redet und redet und redet, er hat den Laberflash des Jahres und hört nicht auf, es perlt aus ihm heraus. Um zehn Uhr abends schlafe ich ein, er redet immer noch neben mir, er erklärt mir gerade, dass Deutschland nicht nur aus Hamburg besteht, sondern zum Beispiel auch noch aus Helgoland, wo es aber anders aussieht und Robben gibt, die Gott übrigens auch gemacht hat. Er fragt, ob alle Lübecker immer barfuß gehen und ist überrascht, dass das nur mein Bruder tut. Alle Lübecker sind also nicht wie mein Bruder, aber sie sind ja auch nicht alle meine Brüder. Oder, Papa? Er fragt, ob Walkie Talkies bis nach Lübeck reichen. Warum nicht? Papa? Papa?
Ich wache um fünf auf, das Kind sitzt neben mir und spricht immer noch oder schon wieder, wer weiß. “Gott ist tot”, sagt er, “aber vielleicht sind Reste von ihm in der Luft.”
Und er glüht weiter und ich bleibe noch einen Tag zu Hause und lasse mir von ihm die Welt erklären. Und den ganzen Rest womöglich auch.
Wie könnte man denn so etwas verpassen wollen?
April 29, 2014
“Was machen die da” – das Dienstagsupdate
Dana Lüke ist Fußpflegerin und mag ihren Beruf. Und das ist natürlich eine ganz wunderbare Abwechslung nach den etwas kulturlastigen letzten Folgen, die Interviewserie dort soll schließlich keine einseitige Veranstaltung werden. Begeisterung kann eben überall sein, auch dort, wo man sie gar nicht erwartet.Das kommt leider oft zu kurz, wenn über Leidenschaft im Beruf und Selbstverwirklichung geschrieben wird, dass man dafür nicht zwingend Künstler oder Heilige werden muss. Das geht auch anders.
Von Dana kam übrigens der Begriff des “Werkstolzes”, den wir schon verschiedentlich erwähnt haben, und den man sicher nicht spontan mit der Fußpflege in Verbindung bringt. Aber wenn man liest, was sie erzählt, wird es dann doch nachvollziehbar. Finde ich.
Das ganze Interview hier.
Und in der nächsten Woche geht es um ein wiederum gänzliches anders Thema, für das wir sogar Hamburg verlassen haben. Wir trauen uns ja was.
April 27, 2014
Woanders – diesmal mit einem Bauernhof, Punk, Eiderstedt und Paris
Johannes war auf dem Bauernhof. Mit Nachwuchs. Und seltsamen Leuten.
Mek und sein altes Ich.
Die spinnen, die Nordfriesen. Ich kann es kaum erwarten, auch wieder da zu sein.
Messy Nessy mit einem best of eines Tumblr-Blogs zu alten Bildern aus Frankreich. Kurz reinklicken und zack, oh schon so spät?
Tiere gucken
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