Maximilian Buddenbohm's Blog, page 31
October 23, 2024
Willkommen in der Dunkelheit
Andere bloggen Sinnvolles, etwa eindrucksvolle Warnungen vor dem Riechen an dem, was man gerade kocht. In den USA würde man jetzt den Topfdeckelhersteller verklagen, nehme ich an. Immerhin war das Ding ohne jede Sicherheitsmaßnahme abnehmbar und es stand vermutlich auch keine Warnung dran. Schlimm. Gute Besserung nach drüben gewünscht, schnelle Heilung!
***
Gehört: Eine angenehm umfassende Stunde von Jonas Fansa: „Zum selbstverständlichen Luxus der öffentlichen Bibliothek.“ Ausdrücklich empfehlenswert, ein Rundumschlag zum Thema und zur Lage in Deutschland. Aus kultureller und auch aus demokratischer Sicht, man unterschätzt da einige Aspekte vermutlich gerne.
Beim Anriss des Themas Bibliotheksbau wird reflexmäßig Helsinki erwähnt, ebenso erwartbar wie richtig und angemessen. Und es ist so bedauerlich, wie selten uns großartige, leuchtende, prägende und richtungsweisende, eventuell mutige Beispiele für moderne Großprojekte aus Deutschland einfallen. Nicht bei diesem Thema, nicht bei der Verkehrswende, nicht beim Städtebau, nicht bei der Kulturpolitik, nicht bei der demokratischen Absicherung, bei der Sozialpolitik etc. Immer die Verweise auf andere Länder.
Es wird nicht so sein, dass es gar keine Beispiele gibt, und es ist kein Beweis, dass ich gerade nichts parat habe (schrieb er und wohnte dabei in nur geringer Spaziergangsentfernung von der Elbphilharmonie entfernt) – aber doch immer das Gefühl, es ginge gerne noch mehr, es wäre da mehr zu machen.
Außerdem gehört: „Was kommt nach dem Neoliberalismus?“ Etwas VWL-Nachhilfe, schadet nicht.
Und erst angefangen, aber hier schon einmal weitergereicht: Eine neue Folge Radiowissen: „Franziska zu Reventlow – Schriftstellerin, Rebellin und Freigeist.“ Falls Ihnen der Name nichts sagt, umso empfehlenswerter, die Dame war und ist interessant und bemerkenswert.
***
Der Mittwoch war dann prompt der erste Tag, an dem ich es bei Tageslicht nicht mehr entspannt vor die Tür geschafft habe, willkommen in der Dunkelheit. Vorgestern noch den leuchtenden Herbst im Park bewundert, einen Tag später ist der Vorhang bereits gefallen.
Aber ohne Hadern und Händeringen, da muss man sich eben umstellen und entweder nicht mehr fotografieren oder doch ganz anderes. Muss man also darauf achten, was man überhaupt noch wahrnehmen kann und sich erst einmal anderen Lichtquellen im Vorbeigehen zuwenden, bis die Sonne wiederkommt.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Willkommen in der Dunkelheit erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 22, 2024
Anmerkungen am Rand
Der Herbst dreht auf, ich habe kaum Zeit, es ausreichend mitzubekommen und zu würdigen. Sonnenuntergang schon 18:04. Da wird es eng im Plan, wenn am Rand des Tages noch Bewegung im Freien und bei Licht stattfinden soll. Die Arbeit dehnt sich gerade allzu weit aus und beansprucht Stunden, die ihr gar nicht zusehen.
Eine flotte Runde durch Planten un Blomen ist gerade noch zu schaffen, als herbeigetrickster Waldbadersatz. Und so schlecht ist der Notbehelf nicht. Menschen, die besser aufgepasst haben als ich, wüssten vielleicht gleich den japanischen Begriff Shinrin-Yoku, er war doch häufig genug in den Medien. Ich hatte den allerdings nicht parat.
Unabhängig vom eben verlinkten Artikel habe ich beim Spaziergang jedenfalls überall da, wo es mitten in der Stadt doch einmal deutlich nach Natur riecht, nach Herbstlaub und Erde, nach Wasser oder nach gesundem Vermodern, einigermaßen überzeugend das Gefühl, dass die Luft dort gesund sei.
Ich sehe es auch bei anderen, dass sie an diesen Stellen unwillkürlich kurz stehenbleiben und so atmen, wie wir vermutlich alle atmen, wenn wir an den Strand fahren und dort endlich wieder das Meer riechen. Es muss ein ähnlicher Effekt sein, und es ist immerhin ein billiger, halbwegs gut verfügbarer Effekt. Wenn man einen Park oder sonst ein Stück Natur in der Nähe hat.
Es eilt auch, wie immer eilt es alles schon. Denn die ersten Bäume, ich sehe es im schwächer werdenden Gegenlicht des Sonnenuntergangs, sind fast kahl, nackte Äste sind bereits zu sehen. Einige dramatisch zitternde letzte Blätter, die aus ihrem Fallen eine große Show machen, die Grandezza des Verfalls. Eine Show, der man gerne zusieht, auch wenn es eine Wiederholung ist, auch wenn wir wissen, wie es ausgeht.
In einem Gebüsch an einer besonders landschaftsbildtauglichen Stelle ein Typ, der wiederum einige Klischees bedient. Wenn Sie sich bitte für einen Moment jemanden vorstellen wollen, dem man eventuell lieber ausweichen möchte. Das kann verschiedene Ausprägungen haben, aber einigen wir uns auf enorm kräftige Schultern und einen überbreiten Nacken sowie auf ein Gesicht, das in jedem Film den Bösen kennzeichnen würde. Da haben wir ihn in etwa, die Kleidung, Accessoires etc. können Sie nach Belieben und Erfahrung variieren. Und der steht also derart im Gebüsch, dass man gleich denkt, der pinkelt da.
Was in einer Großstadt eben passiert, zu oft und an zu vielen Stellen, Männer nach Biergenuss, es ist immer das Gleiche. Diese Haltung, die erkennt man, auch von hinten, auch aus der Distanz, und man sieht dann bemüht woanders hin.
Muss man aber nicht immer. Denn dieser Typ da z.B., der pinkelt gar nicht. Der fotografiert vielmehr in seiner geschützten Ecke sorgsam güldenes Herbstlaub. Fein durchbrochene Blätter, filigrane Schönheiten, so etwas. Sieht hinterher auf sein Smartphone und schüttelt den Kopf, macht weitere Aufnahmen im warmen Abendlicht, vergleicht dann wieder scrollend die Ergebnisse auf dem Bildschirm. Ist nach einer ganzen Weile und vielen Aufnahmen erst zufrieden und geht schließlich weiter, sieht sich nach anderen guten Stellen und attraktiven Pflanzen um, während das Licht schnell schwindet.
„Wir sind hinausgegangen, den Sonnenschein zu fangen.“ Was einem alles auf einmal wieder einfällt, bei Sonnenuntergang im Park. Es ist ein Frühlingslied, ich lese dennoch zuhause den Text noch einmal nach: „Werft ab alle Sorge und Qual, fallera.“
Na ja. Ab einem gewissen Alter möchte man bei solchen Stellen einige Anmerkungen am Rand machen.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Anmerkungen am Rand erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 21, 2024
Zwischen zwei Sätzen
Ein weiterer unangenehmer Werktag der dramatisch überladenen Art. Zu viele Themen, zu wenig Zeit, und ich sehe nicht, dass das bald besser werden kann. Nicht in den nächsten Wochen, nicht in den nächsten Monaten. Problem.
Später am Tag dann ein Behördentermin mit beiden Söhnen. Vorher den passenden Tag und die Uhrzeit online bestellt, vor Ort an der Servicestelle exakt auf die Minute genau aufgerufen worden. Pünktlich wie ein Uhrwerk waren die Beamten dort. Freundlicher bedient worden als in vielen Läden oder Coffeeshops hier, geradezu ungewohnt herzlich.
Nach zehn Minuten schon wieder draußen gewesen, mit allen Papieren, Stempeln und Belegen, auch mit sinnvollen Informationen. Zwischendurch mitbekommen, dass am Nebentisch mit zwei Personen, die nur gebrochenes Deutsch sprachen und behördliche Anforderungen nicht gleich verstanden, angenehm einfühlsam und geduldig umgegangen wurde.
Es gibt schon auch Szenen und Abläufe im Zusammenhang mit dem Staat und der Stadt, die funktionieren, die richtig gut funktionieren. Nicht immer, nicht bei jedem Thema, nicht in jedem Bundesland oder in jeder Gemeinde, ich weiß. Die Menschen aus Berlin winken vermutlich wieder routiniert an dieser Stelle ab. Aber immerhin bei uns und gestern und bei diesem Anliegen. Muss man auch einmal würdigen.
Ich könnte passend dazu noch erwähnen, dass auch Autoparkplätze in Fahrradparklätze umgewandelt werden, etwa direkt vor unserer Haustür, und dass ich das richtig finde. Oder dass Fahrradwege in der Nähe neu entstehen. Sicher nicht genug, vermutlich auch wieder nicht sicher genug, aber immerhin überhaupt. Und dass die Schule um die Ecke gerade neu gebaut wird, ziemlich schnell sogar, das gehört ebenfalls in diesen Kontext.
Ja, ich vermerke das alles eben. Zwischen dem routinierten Genörgel, den Zweifeln und dem Fatalismus.
***
Beim Abendspaziergang, nach viel zu viel Zeit am Schreibtisch und nach dem Abfüttern der Familie, gehe ich an einem älteren Paar vorbei. Sie haben sich auf die Stühle vor einem geschlossenen Restaurant gesetzt, nein, sie sind dort eher niedergesunken, so sieht es aus. Mit denen stimmt etwas nicht, das erkennt man gleich. Er wirkt apathisch, sie wirkt eher panisch, da wird etwas ganz und gar nicht in Ordnung sein.
Sie merkt, dass ich kurz hinsehe, ob da etwas zu machen sei, und sie fragt mit großer Dringlichkeit: „Wissen Sie, wo wir sind?“ Sie fragt es so, als sei es nicht einigermaßen selbstverständlich, das zu wissen. Was es, wenn man darüber kurz nachdenkt, auch nicht ist.
Ich weiß allerdings, wo wir sind, wenn ich schon sonst nicht viel weiß, ich sage es ihr. Daraufhin kann sie für ihren Mann einen Krankenwagen rufen, der nach wenigen Minuten auch kommt. Meine verspätete Runde um den Block hat auf einmal etwas Sinnzuwachs. Das ist an diesem Tag ebenfalls positiv zu werten, finde ich, denn manchmal kann man schon dadurch hilfreich sein, dass man weiß, wo man ist.
That was easy! Es gibt überdimensionierte Spielzeugbutttondinger, die diesen Satz abspielen, wenn man draufdrückt. Ein Kollege hatte so einen lange auf seinem Schreitisch stehen: „That was easy!“ Er hat da oft draufgedrückt, es gab genug Anlässe. Vielleicht gab es damals auch noch mehr Anlässe als heute, aber das könnte eine der vielen Nostalgiefallen sein. Er war außerdem umschaltbar, dieser Button, fällt mir gerade wieder ein. Und der andere einprogrammierte Satz war: „That was bullshit!“ Das hat man auch oft aus einem Büro gehört.
Zwischen diese beiden Sätze passt unser ganzer Alltag. Im Büro und auch da draußen.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Zwischen zwei Sätzen erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 20, 2024
Geht doch
Es gibt demnächst Thomas Mann als Playmobilfigur, lese ich in den kleineren Meldungen, zu seinem 150. Geburtstag. Mit einem Buch als mitgeliefertem Kleinteil in der Packung, mit den Buddenbrooks. Es gab schon Goethe und Schiller in dieser Spielzeug-Reihe, auch Fontane, das wusste ich gar nicht. Und, er ist ebenfalls als bedeutender Autor zu werten, es gab Luther. Eine schreibende Frau gab es wohl nicht, man muss nicht lange zählen.
Wenn sich alle Literaturaffinen oder Bildungsbeflissenen aus der Boomer-Generation jeweils einen Thomas Mann von Playmobil als Deko für den Schreibtisch zu Weihnachten schenken, dürfte der wirtschaftliche Erfolg der Produktion gesichert sein. Wobei der Luther bei den Sonderfiguren sicher nicht einzuholen ist, der war oder ist ein besonderer Verkaufsschlager.
Ob nach Thomas Mann noch einmal jemand aus der neueren Literaturgeschichte dieser Richtung vorstellbar wird? Die Bachmann vielleicht, mit dem Zubehörteilchen Max Frisch, den sie an die Hand nimmt? Klackend kann man ihn an sie herandrücken? Sarah Kirsch mit Aquarellpinsel oder Mascha Kaléko mit gepacktem Koffer. Aber das sind dann eher Insider, ein Verkaufserfolg wäre äußerst zweifelhaft.
Den Grass könnte man sich dagegen leicht als Figur vorstellen, mit abnehmbarem Schnurrbart und rotweißer Blechtrommel.
***
Mit der Herzdame spaziere ich am Sonntag durch die neuesten Ecken der Hafencity . Ab und zu dort das murmeln, was alle aus Hamburg mit einem gewissen Alter dort von sich geben: „Wir wissen noch, wie hier nichts war.“
Einige Erinnerungsaspekte bekommen wir nicht mehr zusammen, es stehen Neubauten in den Bildern herum. Irgendwo dort haben wir einmal Lindy-Hop getanzt, aber die eine Kaimauer passt nicht ins Bild, wie ging das zu. Ist das alles verlagert worden, fließt das Wasser nun woanders, ist es ein Erinnerungs-Glitch.
Wenn man an den Elbbrücken aussteigt, wo die U-Bahnlinie noch knapp vor dem Wasser endet und irgendwann rübermachen wird, geht man durch fast menschenleere Neubaugebiete. Hier und da noch etwas Brachland und Baustellenschutt am Straßenrand, einige verloren wirkende Bagger. Wenn man durchs ganze Revier auf die historischen Landungsbrücken zugeht, wird es nach und nach immer voller um einen herum. Als würde man in einem Film alle paar Meter auf einer besonders langen Kamerafahrt mehr und mehr Komparsen aus den Nebenstraßen ins Bild strömen lassen, so sieht das aus.
Erreicht man dann die Stellen, an denen man die ersten guten Foto-Aussichten auf die Elbphilharmonie hat, wird es derart volksfesthaft voll um einen herum, dass man schon wieder bitterböse Essays über den Overtourism und die Disneyfizierung von Städten und Häfen schreiben möchte.
Man kann schließlich nicht mehr geradeausgehen. Man muss sich überall durchdrängeln und biegt endlich als Mensch, der tatsächlich Strecke machen möchte, entnervt ab. Schlägt sich quer und durch eher untouristische Abkürzungen in die gute, alte Innenstadt, in der man an Sonntagen ausreichend Platz für sich hat. „Geht doch“, möchte man da sagen, und mit diesem Satz, mit dem man in der Hafencity noch die anderen am liebsten aus dem Weg pöbeln wollte, nun zur Abwechslung die eigene Bewegungsform meinen.
„Geht doch!“
In den Bildern habe ich heute noch etwas Vorrat aus dem Sommer abgebaut. Es fällt kaum auf, es sind in der Hafencity längst nicht überall herbstliche Bäume oder Büsche im Bild.
***
Abends sehr schlecht gelaunt und in Anbetracht der anstehenden Termine verfrüht verärgert die neue Woche erwartet, die sich im Kalender besonders vollgepackt präsentiert, vielleicht sogar rekordverdächtig für dieses Jahr. Mich dann intensiv darüber geärgert, dass ich mich geärgert habe, dann über meine Entspannungsunfähigkeit geflucht, dann über alles. Wenn man es draufhat, hat man es drauf.
Nichts angezündet. Immer auch das Positive werten.
***
Einer der kleinen Zufälle noch, einer der eher liebenswerten Art: Auf dem Weg ins Theater am Sonnabend, zu Macbeth in den Kammerspielen, hörte ich Tusk von Fleetwood Mac, weil ich die neulich gesehene Doku auf arte immer noch etwas verarbeite, wie auch eine Art stark verspäteten Crush auf Stevie Nicks.
Tusk hat diesen eingängigen Rhythmus, der da das ganze Stück durchgetrommelt wird, und im Theater gab es dann zwischendurch einen etwas spartanischen, harten Soundtrack – sehr ähnlich diesem Trommelrhythmus, wenn nicht genau gleich, jedenfalls eine schlüssige Fortsetzung. Ich fand wieder alles sehr fein verbunden.
Es ist aber auch ein gutes Stück, um in die Woche zu starten, glaube ich, ein gewisser Rhythmus für die nächsten Tage wird gebraucht. Das mal lauter und öfter hören.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Geht doch erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 19, 2024
Marienkäfer, Macbeth
In der Regenrinne unter den Dachfenstern gehen suizidale Marienkäfer ins dort seit Tagen stehende Wasser, Hunderte von ihnen. Würde man sie retten wollen, es wäre ein stundenfüllendes Programm. Eine nicht zu bewältigende Aufgabe wäre das, man kommt auch gar nicht überall an, so lange Arme hat hier niemand. Nur anderes Wetter würde den Insekten noch zur Überwinterung im Trockenen verhelfen. Aber danach sieht es nicht aus, es kommt weiter ab und zu Wasser von oben nach.
Es wird also unübersehbar viel gestorben, noch ein Vorgriff auf den traditionell damit verbundenen November.
Passend dazu habe ich mir Macbeth in den Hamburger Kammerspielen angesehen, aus dem Drama kommt bekanntlich kaum eine Figur lebend raus. Damals in der Oberstufe haben wir den Text ein Schuljahr lang durchgekaut, Zeile für Zeile, Stunde um Stunde. „Like two spent swimmers, that do cling together“, manche Zeilen sind mir daher bis heute seltsam präsent. So viel Zeit haben wir damit zugebracht, mühsam herumgebracht.
Es spricht für Shakespeare, dass mir das Stück trotz dieser Qualen guter Erinnerung blieb. Schier unkaputtbar durch Unterricht kamen und kommen mir Shakespeares Werke vor, vielleicht kann man als dichtender Mensch mehr nicht erreichen.
In den Kammerspielen nun eine Version von John von Düffel. Er hat aus dem Drama ein Zweipersonenstück gemacht, nur Macbeth und seine Gattin treten auf. Alles wurde drastisch reduziert auf den Kern. Die beiden spielen 90 Minuten ohne Pause durch und verfallen in erheblicher Geschwindigkeit der Macht, dem Wahnsinn und der Dynamik ihrer Beziehung. In eben der anschaulichen Entwicklung, die Shakespeare, das stellt man unweigerlich erneut fest, so unfassbar treffend und leider ewiggültig dargestellt hat.
Es wurden keine aktuellen Bezüge ins Stück eingebaut, obwohl man es als Kulturkonsument routiniert erwartet. Man denkt die Bezüge aber ohnehin unwillkürlich mit. Die Zeiten, unsere Zeiten, sind vielleicht auch wieder Macbeth-lastiger geworden in den letzten zehn, zwanzig Jahren, es kommt vermutlich nicht nur mir so vor. Das Drama wird ohne jede Hilfe wieder frischer. Und was für ein schlechtes Zeichen das ist, was für eine unerfreuliche Erkenntnis. „Wenn wir die Macht besitzen, machen wir die Wahrheit, und was wir sagen, wird Gesetz.“ Neofeudalismus ist ein Schlagwort unserer Zeit, es passt schon alles zusammen.
Beim Deutschlandfunk gibt es gerade ein empfehlenswertes Gespräch über sein neues Buch mit dem Soziologen Andreas Reckwitz: „Verlust ist die prägende Erfahrung unserer Zeit.“ Es sind viele anregende Passagen darin, gerne gehört. Wenn man den aktuellen und aus meiner Sicht krassen Verlust unserer Fortschrittsgläubigkeit betrachtet, erscheint es nicht so abwegig, bei einigen Aspekten wieder näher an Shakespeare zu sein. In dessen Zeit eine selbstverständliche Fortschrittserwartung noch nicht einmal erfunden war. Es gibt Verbindungslinien, scheint mir.
Ankreiden muss ich der Inszenierung, dass ich jetzt Interesse und Neigung hätte, bei Shakespeare nachzulesen, wie es im Original zuging, mit deutlich mehr als zwei Personen. Wer hat denn Zeit für so etwas.
Regie Sewan Latchinian. Auf der Bühne verausgaben sich Jacqueline Macaulay (Tochter eines schottischen Offiziers, wie passend geht das zu) und Hans-Werner Meyer bis zum bitteren Ende. Die beiden sind auch abseits der Bühne ein Ehepaar und haben in Streitfällen also berufsbedingt ganz andere Text- und Inszenierungsmöglichkeiten als unsereiner, das muss auch faszinierend sein.
Vorführungen bis zum 17. November, man kann das noch einplanen.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Marienkäfer, Macbeth erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 18, 2024
Klischee-Herbst der goldigen Art
Gehört: Ein Zeitzeichen zu Chopin und auch ein Kalenderblatt. Die feinen Damen in Paris fühlten sich damals verpflichtet, heißt es da, in seinem Sterbezimmer in Ohnmacht zu fallen. So etwas lernt man doch gerne. Und sein Herz wurde dann in einem Cognac-Glas nach Polen verbracht, wo es sich bis heute befindet, auch interessant. Aber Zeitzeichen und Kalenderblätter eh meistens gute Unterhaltung.
***
Man sollte oder könnte zumindest auf Spaziergängen gründlich zur Kenntnis nehmen, was einem begegnet und was man sieht. Bis hin zu den Aushängen an den Kirchen, an denen religionslose Menschen wie ich eher vorbeilaufen, was soll da schon stehen. Gottesdienste, Seniorennachmittage, Adventsveranstaltungen, dies, das, eher nicht so interessant.
Aber eben doch. Dem Konzertkalender von St. Jacobi in der Innenstadt entnehme ich etwa, was ich längst hätte wissen können, nämlich dass es dort an jedem Donnerstag, außer an Feiertagen, um 16:30 eine halbe Stunde Orgelmusik gibt, bei freiem Eintritt. Und Orgelmusik, gerade im Herbst und Winter, nehme ich gerne mit.
César Franck wurde am letzten Donnerstag gespielt, er war mir nicht geläufig. Aber bei klassischer Musik ist bei mir eh alles Bildungsbrache, auch wenn ich gerne und viel Bach oder etwa Händel höre. Sonst habe ich nur vereinzelte, eher zufällige Kenntnisse und geläufig ist mir manchmal das, was vermutlich fast alle kennen. Ein wenig von dem oben erwähnten Chopin etwa, die Gassenhauer von Brahms und Beethoven und dergleichen, die Mozart-Tophits.
Aber das ist alles ohne jede Expertise, ohne Hintergrund und also ohne diesen besonderen Genuss, der sich vermutlich erst durch besonders kundiges Wahrnehmen und langes Studium ergibt, wenn man mit Klavier im Wohnzimmer, Hausmusik und dergleichen aufgewachsen ist und vielleicht auch selbst musizieren kann.
Egal, dennoch ab und zu Klassik hören. Dennoch manchmal etwas mutig gut finden, auch laienhaft.
Die Kirche war ordentlich besucht. Das wird dort eine erfolgreiche Reihe sein, nehme ich an, und vermutlich hat sie nun einen neuen Stammgast. Wenn ich mir die Termine denn erkämpfen kann, aber eine halbe Stunde Orgelmusik pro Woche klingt auch nicht wie ein maßlos übertriebenes Ansinnen.
Orgeln sind nicht jedermanns Sache, aber hier zur Illustration noch etwas von César Franck:
Nächste Woche Bach am Donnerstag, das gleich mal fester einplanen.
***
Ansonsten Klischee-Herbst der ausgeprägt goldigen Art. Das gleiche Programm wie immer, es ist alles bekannt aus den Vorjahren, ohne jede Originalität in der Ästhetik oder Überraschung im Stil. Dennoch stehen wir staunend und verzückt vor dem, was uns saisonal geboten wird und möchten jeden Oktobersonnenuntergang einrahmen und am liebsten behalten. Es ist das gleiche Gefühl, das wir bei den ersten Kastanien haben, nach denen wir uns begeistert bücken und die wir auch so gerne festhalten wollen.
Wir schlichten Gemüter.
Während es weiter noch wärmer wird und das gestern halb im Scherz erwähnte T-Shirt-Wetter nun von vielen in aller Deutlichkeit ausgelebt und vorgeführt wird, in der Fußgängerzone sehe ich Szenen wie im frühen September, schließen die Eisbuden, fällt das Laub, dunkelt es früher, novembert es im Hintergrund heran.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Klischee-Herbst der goldigen Art erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 17, 2024
Butternut mit Plätzchen
Die Kaltmamsell weist auf Fluter hin. Ich habe dieses Magazin vor einiger Zeit aus den Augen verloren, so etwas passiert in diesem Internet leider ab und zu. Es ist auch etwas unübersichtlich, so in der Gesamtheit, wie ich als studierter Bibliothekar gelegentlich missbilligend feststelle.
Wie aber auch mein Feedreader immer wieder einfach beschließt, einige Seiten lieber doch nicht mehr zu abonnieren. Ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Ich merke das längst nicht in jedem Fall, denn es ist tendenziell schwer, Fehlendes zu bemerken.
Es ist eigentlich das Gegenteil von KI, was da in diesem Feedreader passiert. Es ist eher KD, Künstliche Dummheit. So etwas wie digitale Schusseligkeit, oops, weg ist das Abo. „Das macht doch nichts, das merkt doch keiner.“ Hans Scheibner hat das vor hundert Jahren so gesungen, manche erinnern sich vielleicht noch.
Und apropos KI, dieser Feedreader hat jetzt auch so ein vermeintlich durchblickendes Feature. Es versucht, die Texte der abonnierten Medien einzusortieren. Und fragt mich dabei dauernd etwas zu den Artikeln, etwa bei der Kaltmamsell schon fast stereotyp: „Is this article about weather?“
Ja, das Wetter wird bei ihr vielleicht in einem Satz erwähnt, aber this article is not about weather, you artificial idiot.
Ich beantworte diese Fragen nicht, in keinem Fall, warum sollte ich eine KI freiwillig und unbezahlt trainieren. Aber ich finde doch interessant – das Ding liegt in der Mehrheit der Fälle falsch. Gewürfelt wären manche Ergebnisse besser oder gleich.
Wie auch immer. Ich bin jedenfalls oft dankbar, wenn irgendwo wieder an Seiten, kleinere oder etwas entlegenere Medien, Blogs, Newsletter etc. erinnert wird und ich diese Quellen dann finden oder wiederfinden kann.
Verlinkungen sind nach wie vor eine feine Sache, das wollte ich nur eben sagen.
***
In diesem Sinne: Kid37 über das Bahnfahren und mangelnde Sitzgelegenheiten im Bahnhof. Im Hamburger Hauptbahnhof, das wäre Zeitreisenden vermutlich schwer zu erklären, hat man sich gefälligst nicht hinzusetzen, möglichst nirgendwo. Und falls man als durchreisender Mensch ermattet auf einer Treppe niedersinkt, um auf den Stufen endlich etwas zu verweilen, was recht vielen Menschen dort passiert, dann kommt der Sicherheitsdienst und belehrt ebenso stramm wie verweisend.
***
Am Donnerstagnachmittag fällt T-Shirt-Wetter noch einmal über Norddeutschland her, neunzehn Grad gibt es auf einmal, zumindest hier in der Innenstadt.
(Im Bild das Hulbe-Haus)
Man möchte alles von sich werfen und irgendwo in den Resten der verbliebenen Außengastro Aperol in der Pumpkin-Spice-Variante zu sich nehmen. Falls es das überhaupt gibt. Wenn es das nicht gibt, ist es vielleicht eine Marktlücke. Eine besonders einladende Marktlücke sogar, Kürbis und Aperol passen immerhin schon farblich vorzüglich zusammen. Da mal ein Konzept schreiben.
***
In Hamburg öffnet der erste Weihnachtsmarkt bereits in zwei Wochen. Gleich nachdem ich die entsprechende Nachricht in den lokalen Medien eher unwillig zur Kenntnis genommen habe, sehe ich in zwei Foodblogs auch prompt die ersten Plätzchenrezepte.
That escalated quickly, dabei bin ich noch nicht einmal über den Einstieg in die Kürbissaison hinweggekommen. Der Rest vom Butternut liegt hier noch im Kühlschrank und will dringend versuppt werden.
Mit Süßkartoffel, Ingwer und Kokosmilch, denke ich.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Butternut mit Plätzchen erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 16, 2024
Müde Hunde und versenkte Fahrräder
Gehört: Ein Zeitzeichen über Oscar Wilde.
***
In Hammerbrook gibt es Kunst an der S-Bahn. Urban Art an den Säulen bei der Station, ich sehe das Projekt auf dem Weg ins Büro (hier ein erhellender Artikel darüber, hier noch einer). Ich habe die neu gestalteten Säulen schon in der letzten Woche gesehen, aber sicherheitshalber erst einmal nicht fotografiert. Um ausschließen zu können, dass es am Ende nur Werbung für eine neue Limo, ein chinesisches Auto oder ein weiteres Smartphone ist. Denn dann hätte es mir nicht gefallen, was da zu sehen ist. Wie bunt auch immer es ausfällt, dann hätte es mir kaum gefallen dürfen.
Jetzt aber, wo ich weiß, dass es keine Werbung ist, könnte es mir immerhin gefallen. Jetzt lasse ich das vorsichtig zu und könnte darüber nachdenken, quasi die Eröffnung einer Möglichkeit. Was vermutlich nebenbei interessant für das Kunstverständnis an sich ist. Aber Urban Art muss bei mir ohnehin erst eine Weile einwirken. Ich finde diese Arbeiten selten spontan schön oder gut, oft auf den ersten Blick eher störend. Manchmal nach Wochen des Vorbeigehens dann doch okay oder im besten Fall sympathisch. Wenn sie erst dazugehören und Teil der Stadt, der Spaziergangsroutinen und Alltagsausblicke geworden sind. Heimataspekte und Zuhausezubehör im Reviersinne.
Dass einem die so farbigen DREAMS aber von einem müden Hund auf der ersten Morgenrunde achtlos angepinkelt werden, nun, es ist eben Hammerbrook. Es passt schon. Es passt sogar sehr gut.
***
Ein weiterer besonders wilder Tag ist der Mittwoch ansonsten und selbst der Abendspaziergang wird noch mit Terminen, Aufgaben, Absprachen und ehelichen Debriefings verbunden. Es geht zu weit und soll sich so nicht fortsetzen, wenn es nach mir geht. Wonach allerdings wenig zu gehen scheint, wie ich mittlerweile einsehen muss.
An der Alster, nein, in der Alster eher, ich sehe es im allzu zügigen und zielorientierten Vorbeimarsch, liegt eine Installation, die schon darauf hinweist, dass wir in der zweiten Hälfte des Oktobers sind. Noch einmal durchdachte und sorgfältig ausgeführte Urban Art, die zeitig mahnt, dass wir alle haltlos in den November fallen werden, und wie bald schon.
Die uns also verdeutlicht, dass Texte von Tom Waits und anderen Experten für Düsternis und Depressives bald in den nur gedachten Untertiteln mitlaufen dürfen, während wir uns die spätherbstliche Stadt beim abendlichen Gang ansehen.
Denn nicht nur in Berlin wird es dunkel und kalt, wie es der Herr Regener mit seiner Truppe so ansprechend und einprägsam besungen hat.
Ich habe gute Erinnerungen an dieses Lied, besonders gute, denn anlässlich der ersten Verse habe ich vor Jahren mit einem Sohn ein langes und für unsere bescheidenen Verhältnisse tiefsinniges Gespräch über Liedtexte und Lyrik überhaupt geführt. Was da alles geht, wie genau und mit welchem Zweck, ob sich diese Frage überhaupt stellt und warum nicht.
Weil der Anfang damals so einladend war, schon beim ersten Hören, diese einleitenden drei Zeilen:
Ich wäre gerne ein Gummibär
Da gibts die gelben und die roten
Das sind alles Vollidioten.
Ein Texteinstieg, mit dem man etwas anfangen kann, auch als Kind. Ist das Ernst, ist das Unsinn, was soll das, was macht das.
Aber ich schweife unkontrolliert ab, pardon.
Die Inszenierung in der Alster gemahnt selbstverständlich mit einiger Dringlichkeit nicht an Element of Crime, sondern an diese Textzeilen des anderen Großmeisters:
Somebody must have an orphanage for
All these things that nobody wants evermore.
Passend und very deep, dass ich ausgerechnet an diesem Tag nicht allein, sondern mit der Herzdame dort entlanggehe, das kommt bei uns sonst kaum vor. Aber es gilt eben:
Summer is gone, our love will remain
Like old broken bicycles out in the rain.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Müde Hunde und versenkte Fahrräder erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 15, 2024
Am frühen Abend im Park
Vom Alltag etwas erschlagen, wie am Montag schon abzusehen war. Ich habe keine Zeit für Texte, im Grunde habe ich keine Zeit für gar nichts. Alles nur getrieben gemacht, nicht oder kaum gewollt.
Dennoch schreiben.
Dieses Essen immerhin am Nachmittag nachgebaut, das auch bei der Kaltmamsell lobend erwähnt wurde, hier. Die Söhne damit erwartbar in die Flucht geschlagen und ersatzweise mit beliebiger Tiefkühlkost abgespeist, aber der Herzdame und mir hat es doch geschmeckt. Der erste Kürbis der Saison ist immer gut, danach wird er für mich schnell schwierig. Eine Weile doch dranbleiben, die übliche Suppe demnächst noch mitnehmen und was sich eben gehört. Im Dezember kann ich Kürbis dann schon nicht mehr sehen.
Lange haben wir hier keinen Mangold mehr gegessen, was auch daran lag, dass wir ihn in den letzten Jahren im Garten stets im Beet stehenließen, statt ihn zu ernten und zu verarbeiten. Stehengebliebener Mangold sieht bis spät ins Jahr gut im Beet aus, ein dermaßen attraktives, buntes Gemüse. Aber gut, er ist auch schmackhaft, ich sehe es ein. Überhaupt wieder saisonaler essen, kann man sich auch noch einmal vornehmen. Wenn man noch nicht genug To-Dos hat.
Immerhin den einen Spaziergang noch absolviert, ohne den ein Tag gerade nicht komplett für mich wäre. Aber auch den eiliger als sonst.
Der Park Planten un Blomen ist nun besonders attraktiv, die Herbstverzierungen in den Anlagen werden jeden Tag besser und aufwendiger, auch die Spätblüher unter den Bäumen geben sich sichtlich alle Mühe. Man müsste mehr Zeit haben dafür, viel mehr Zeit. Es gibt Menschen, sehe ich im Vorbeigehen, die diese Zeit im Ernst haben und da nur sitzen und gucken. Ganz für sich, auf diesen weißen Holzsesseln, die überall einladend bereitstehen.
In dem Blickfeld dieser Menschen passiert nicht viel. Ab und zu fällt ein verfärbtes Blatt, manchmal bewegt sich ein Zweig im Wind, landet eine Krähe am Wasser und besieht sich mit schräggelegtem Kopf ihr Spiegelbild. Gelegentlich latscht ein Blässhuhn täppisch durchs Bild, und allgemein wird es zügig dunkel über der Stadt hinter dem Park. Aber diese Menschen dort machen vermutlich etwas richtig.
Einer macht sich eine Dose Bier auf, sehe ich, und prostet mit lässiger Geste vor dem ersten Schluck dem Park in der Dämmerung zu. Vielleicht auch der Natur an sich oder dem Herbst, der Stimmung zwischen den Büschen oder einer Erinnerung, die ihn mit dem Platz dort verbindet, es ist vieles möglich. Er trägt eine Art Holzfällerhemd, er trägt Stiefel, er hat einen üppigen Bart. Es sieht alles etwas klischeemäßig aus. Aber das gilt für uns alle, da können wir anziehen, was immer wir wollen. Es ist alles längst katalogisiert, auch ich bin in meinem Tweedsakko und dem Oberstudienratlook nur ein weiteres Standardbild.
Wie der Mann da zurückgelehnt vor dem immer wertvoller aussehenden Laub sitzt. Mit dieser Dose Billigbier in der Hand und einer durch und durch entspannt wirkenden Körperhaltung. So sehen Typen aus, die bei Musikstreamingdiensten auf dem Coverbild von Playlists oder Alben zu sehen sind, die Titel haben wie „October Chill“ und dergleichen. Nur das Hochhaus im Hintergrund ist dann nicht das Hamburger CCH, versteht sich, sondern eine Entsprechung in Chicago, in New York oder in einer anderen Großstadt in den USA.
Wie es in einem Youtube-Kommentar unter dem Lied heißt: „Das deutscher Happy-Grunge.“
Es steht keine akustische Gitarre neben diesem Mann im Park. Aber gepasst hätte sie schon. Und ob er da nicht in Gedanken doch einen Song geschrieben hat, was weiß man schon. Oder ein Arrangement für seine Neil-Young-Cover-Band, mit der er am Wochenende in einem Kulturverein in Mölln oder Geesthacht auftreten wird, vor freundlichem Boomer-Publikum, irgendetwas in der Art. Keep on rockin‘ in the free world, man kennt das, man erwartet das.
Na, man rät nur so vor sich hin. Am frühen Abend in der Oktoberdämmerung im Park.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Am frühen Abend im Park erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
October 14, 2024
Strahlensätze am Montag
Ich habe nicht den geringsten Bezug zum Thema Wintersport, nicht einmal zu Winterreisen oder auch nur zu freiwilliger Bewegung in Schnee und Eis, das ist alles nicht meine Welt. Ich finde das Thema Tourismusentwicklung aber weiter spannend und verlinke daher Updates auch in dieser Richtung. Etwa hier wieder im Guardian, über die stark zunehmenden Probleme vieler Wintersportorte ohne verlässlichen Schnee. Das Sauerland kommt vor, guck an, das werden einige kennen.
Einige harte Sätze kann man dort lesen. „A recent study estimated that of the 21 locations that hosted past Winter Olympics, only one could manage it by the end of the century (Sapporo).”
***
Bei Frau Herzbruch geht es um Sanierungen und Preise. Es geht auch um das Bauaufsichtsamt ihrer Stadt sowie um neuen Wohnraum und ich denke, man kann den Text, wenn es beliebt und wenn man eh schon ein wenig skeptisch ist, in die anschwellende Loseblattsammlung „Zeichen des Niedergangs“ einfügen.
***
Ein Sohn braucht Hilfe in Mathe, es geht um Strahlensätze. Wieder ein Thema, bei dem ich einen Eid darauf ablegen könnte, es nie gehabt zu haben, nicht einmal das Wort je gehört zu haben. Es klingelt auch nichts in mir, als ich mir die Grafiken und Erklärungen dazu ansehe. Eine Leerstelle, vollkommen unbekanntes Gebiet. Falls ich es doch gehabt haben sollte, bin ich von meiner umfassenden Verdrängungsleistung einigermaßen beeindruckt.
Der Sohn lernt mithilfe einer App. Ich denke wieder, was ich in den letzten Jahren oft gedacht habe – hätte ich so lernen können, ich hätte damals andere, bessere Zensuren gehabt. Weil man das Lernen mit einer App komplett auf die eigene Geschwindigkeit optimieren kann, weil man sich Lösungswege auf verschiedene Arten erläutern lassen kann. Ich glaube, das wäre es gewesen.
Es klingt vielleicht wie eine Kleinigkeit, aber es ist doch eine wichtige Entwicklung, dass die Schülerinnen und Schüler heute bei allem davon ausgehen können, dass sie, wenn sie nur genug Zeit haben, online eine Erklärung finden werden, die sie verstehen. Manchmal muss man etwas länger suchen, aber letztlich wird es einem jemand nahebringen können. Auf Youtube, in einer App oder wer weiß wo, und wenn man sich einen Clip zehnmal ansehen muss. Irgendwann klickt es.
Wir haben damals in der einen Stunde vielleicht nicht ganz verstanden, was der Lehrer gesagt hat, und die eine Grafik im Buch war womöglich eher nichtssagend für uns – und das war es dann.
Eine Entwicklung, die man ab und zu wieder würdigen kann, Wissen ist so viel verfügbarer geworden.
***
Der Montag ansonsten wieder ungeheuer schwergängig. Es ist hier zu Beginn der Woche stets ein enormer Kraftakt, den Alltag wieder aufzurichten, alle Routinen zu installieren, die Kulissen zurechtzuschieben, die Requisiten auszuteilen.
Ich bin der einzige Frühaufsteher in diesem Club, ich mühe mich mit sehr müden Menschen verschiedener Altersstufen ab. „Stehe auf und wandle“, aber als dramatische Inszenierung über mehrere Akte. Wenn endlich alle in ihre Rollen gefunden haben, könnte ich auch wieder ins Bett gehen. Es fühlt sich überzeugend so an, als hätte ich die erste Schicht schon hinter mir.
Aber es ist dann noch etwas Werktag übrig. Auch so ein Problem.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Der Beitrag Strahlensätze am Montag erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
Maximilian Buddenbohm's Blog
- Maximilian Buddenbohm's profile
- 2 followers
