Maximilian Buddenbohm's Blog, page 37
August 24, 2024
Heißes Pfeifen
Bei Netzpolitik gibt es eine Entscheidungshilfe zur Elektronischen Patientenakte, zur ePa, die ab 2025 eingeführt wird. Eine Entscheidung will nun getroffen werden, von allen, und wer sich nicht entscheidet, entscheidet sich damit auch.
In meinen Timelines las ich Meinungen diverser Fachmenschen aus IT, Datenschutz und Medizin, es ging etwas hin und her. Mich störte in dem oben verlinkten Artikel vor allem dieser Absatz:
„Allerdings können Patient:innen ausgewählte Dokumente und Daten nicht nur für bestimmte Behandelnde ausblenden. Entweder sind sie verborgen und können damit von keiner behandelnden Person eingesehen werden – oder sie sind sichtbar. Dass die Psychotherapeutin ein Dokument sieht, der Zahnarzt aber nicht – das geht nicht.“
Das würde ich so nicht wollen, ich habe erst einmal widersprochen. Es war schon mehrmals in meinem Leben gut und richtig, dass nicht alle Ärztinnen alles wussten. Es gibt nach meiner Erfahrung zweifellos eine Art Vordiagnosen-Bias, das muss ernsthaft bedacht werden.
Wäre ich aber 10, 20 Jahre älter und/oder hätte ich zig komplex dauermedikamentierte Gebrechen mit tausend Laborergebnissen, ich hätte der ePa vielleicht aus eher praktischen Gründen nicht widersprochen. Man kann es so oder so sehen. Aber irgendwie muss man es jetzt sehen.
***
Am Freitag gab es ansonsten zwei, drei Stunden, in denen die Temperatur etwas unheimlich schnell stieg. Als säße man vor einer gerade aufgedrehten Heizung oder neben einem aufflammenden Kamin. Ich hätte im Home-Office spontan und dringend alles von mir werfen mögen, so warm und schwül wurde es in der Wohnung. Aber die Kamera des Notebooks war an, es gab immer noch weitere Meetings, wenn auch keine weitere Konzentration. Hitze und Hirn, es bleibt ein Widerspruch für mich.
Während draußen auch der Wind gewaltig aufdrehte, wild am sperrangelweit geöffneten Dachfenster rüttelte und dabei eine in dieser Stadt ungewohnte Föhnqualität hatte, eine Art heißes Pfeifen ums Dach wurde da aufgeführt. Eine seltsame Inszenierung für Menschen mit norddeutscher Klimakonditionierung war das. Die Stadt wurde gründlich trockengeblasen. Dazu gab es auf dem Handy aufpoppende Sturmflutwarnungen in den Wetter-Apps, diesmal eben alles mit Warmwasser.
Es war dann nur ein bescheiden ausfallendes Sturmflütchen, für die allfälligen Bilder in den Nachrichten musste man sich als Kamerafrau oder Fotografin schon etwas Mühe geben, aber wir halten doch fest und schütteln wieder die Köpfe: Eine Sturmflut im August.
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Im Bild heute der Mittelkanal in Hammerbrook am Morgen. Spränge ich von der Brücke, auf der ich bei dieser Aufnahme stehe, und schwämme (man kann auch schwömme schreiben, kurz habe ich irritiert nachgesehen) geradeaus drauflos, ich käme bis zur Billerhuder Insel, bis zu unserem Garten also. Eine dreiviertel Stunde Schwimmzeit wäre es vielleicht. Obwohl ich das mangels aller Erfahrungswerte nur schwer raten kann und auch nicht recht weiß, ob meine Kondition reichen würde. Ich kenne mich nur mit dem Gehen aus.
Ich könnte dort jedenfalls anlanden, die paar letzten Meter zu unserer Parzelle gehen, mich in der Laube abtrocknen und wieder hinlegen. Ein ausgesprochen netter Gedanke auf dem Weg zur Arbeit ist das. Jedenfalls in den paar Monaten, in denen die Bille und die angrenzenden Kanäle eine erträgliche Badetemperatur haben.
Das hört also vermutlich bald auf. Aber bis dahin schwimmt mein innerer Freigeist an den Office-Office-Tagen von dieser Brücke aus los.
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August 23, 2024
Wir bleiben in Bewegung
Gelesen: Bei der Kaltmamsell die Zitate von Hedwig Richter.
Außerdem den Zeno Cosini von Italo Svevo endlich durchgelesen, und ausgesprochen gerne. Das Buch zur Bücherei zurückgebracht und unter nicht geringen Mühen keine neuen Werke dort ausgeliehen. Jetzt lieber mal den Stapel neben dem Bett angehen! Disziplin, Konsequenz und alles, worin ich bekanntlich sehr gut bin.
Also blättere ich wieder weiter in „Personenbeschreibung – Tagebuch mit Menschen“ von Georg Stefan Troller, nach wie vor ein unterhaltsames Buch. Wobei ich allerdings bei fortschreitender Lektüre die negativen Bewertungen fast aller Menschen, die ihm beruflich begegnen, immer verstörender finde. Überaus scharfe, harte und auch schnell gefällte Urteile liest man da, erstaunlich wenig Milde und Gnade. Eher wenig Bemühen um Verständnis auch, und es zieht sich so durch.
Ich habe mir darüber noch nie tiefschürfende Gedanken gemacht und ich habe gewiss keine religiöse Motivation, aber ich habe beim Lesen doch so ein Gefühl, und Sie dürfen das gerne merkwürdig finden, als sei man auch als schreibender, beobachtender Mensch für menschliche Gnade zumindest am Rande zuständig. Aber das mag eine nicht übertragbare und kaum zeitgemäße Ansicht sein.
Wobei mir ein Song einfällt, von wem war der noch … Mary Gauthier. Auch ein interessanter Lebenslauf.
Es gibt, wenn ich schon dabei bin, in meinen Playlists auch ein Lied über Mercy in einer bekannten Instrumentalversion, nur mit einem kurzen, einleitenden Text von Cannonball Adderley: „You know, sometimes we are not prepared for adversity …“
Ein Stück aus meinem Geburtsjahr, ich mag es sehr. Ausnahmsweise ist auch das Publikum, das man nicht überhören kann, ein wichtiger und richtiger Teil der Live-Aufnahme geworden.
Und bei Youtube immer auch die Kommentare lessen, etwa den: „My dad was in Korea with cannon. He would tell me stories about being in the „cool“ tent with him …
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Ansonsten eine weitere Werkwoche absolviert und anlässlich etlicher Meetings viel darüber nachgedacht, dass ich sprachlich allmählich aus der Berufswelt falle, was auch eine faszinierende Erfahrung ist. Ich komme an der Feststellung jedenfalls nicht vorbei: Der Slang dort ist nicht mehr meiner. Die letzten Bedeutungsverschiebungen bei Business-Vokabeln habe ich, haben wohl die meisten Menschen in meinem Alter nicht mehr mitgemacht. Wir denken anders, wir reden und schreiben auch anders. Es gibt teils auffällige Deutungsdifferenzen bei etlichen Vokabeln, sie müssen gar nicht englisch sein.
Es ist eine etwas irritierende Form des Fremdwerdens in der Welt. Die ich aber nicht einmal ansatzweise für originell halte und die auch nicht zu bewerten ist. Es ist doch nur der gewöhnliche Lauf der Dinge. Es ist ausgesprochen altersgerecht und das, was ich voller Begeisterung als noch karrierewilliger Mittzwanziger in Meetings von mir gegeben habe, es wird die damals Älteren auch mit großer Sicherheit verstört zurückgelassen haben. Wie in der Rückschau leider nur allzu klar zu erkennen ist.
Es ist also, wie es ist, und so können wir uns etwa über aktuelle Anglizismen gar nicht beschweren. Nicht über ihre Ausprägung, auch nicht über ihre Anzahl. Wir haben sie damals in den Büros immerhin mit eingeführt, wir haben dieser Sprachänderung entschlossen und modebewusst den Weg bereitet. Wir waren, haha, der erste Milestone in dieser Entwicklung.
Heute denken wir nur, schon wieder im Sinne eines Asterix-Zitates, dass die neuen Anglizismen nicht von hier sind.
Na, egal. Wenn man dauerhaft den Kopf schüttelt, ist man auch in Bewegung, nicht wahr. Und darauf kommt es doch an, in den letzten Berufsjahren.
Das sind die Rathausarkaden, die alle Gäste der Stadt besuchen müssen, es ist eine Pflicht. Deswegen ist es da nie leer, fast nie. Man braucht viele Besuche dort und auch verdammt viel Glück, um so ein Bild zu erwischen. Es war etwa zehn Sekunden so leer, länger nicht.
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August 22, 2024
Bauzaunversprechen
Im Instagramstream von Carola fängt es dieses Jahr also an, die erste Lebkuchensichtung war schon fällig, Herzensternebrezeln. Die Läden, die ich regelmäßig besuche, gehören nie zu den ersten in diesem seltsamen Rennen, habe ich in den letzten Jahren gemerkt. Hier gibt es stets noch etwas Schonzeit, zwei Wochen etwa.
Aber die Hausregel, die ich hier als Chefeinkäufer der Familie leicht für alle aufstellen konnte, lautet eh, dass es dergleichen erst gibt, wenn man einmal gründlich gefroren hat. Wenn ein Tag, vermutlich im späten Oktober erst, eine zumindest fast winterliche Anmutung hatte. Mit scharfkalter Luft, Frost, Winterjackenbedarf und allem.
Und vorher kommt uns dieses Zeug nicht ins Haus.
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In der Innenstadt steht ein Bauzaun vor der grässlichen und gemeinen Lücke, in der einmal der große C&A war, ältere Konsumentinnen erinnern sich. Nicht weit von dem Gebäude entfernt, in dem einmal Kaufhof war, was wiederum gegenüber von der Ecke ist, an der einmal Karstadt Sport war. Es ist eine Art Leerstellenstadtplan, den man sich da allmählich zusammenkonstruieren kann.
Jemand hat mit blauem Edding groß und eher ungelenk „Jesus liebt dich“ auf den Bauzaun geschrieben. Das Wort Jesus hat ein anderer Mensch dann wieder durchgestrichen und korrigierend durch „Marx“ ersetzt.
Ich bin bei beiden eher skeptisch, denke ich im Vorbeigehen. Allerdings bin ich auch kein Fachmann für eine derart ins Allgemeine erweiterte Zuneigung zum Menschen an sich. Ich würde gewiss nicht vorbehaltlos jeden lieben können, der an diesem Zaun vorbeilatscht, ich kenne mich da also überhaupt nicht aus.
Ich lese nur die Bauzaunversprechen in der Stadt mit, nehme zur Kenntnis und schreibe mit. Nach Möglichkeit im eigenen Metier bleiben.
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Gehört: Eine Folge Radiowissen über die literarische Moderne. Bei der ich es etwas geschichtsironisch finde, wie wenig uns diese Texte aus der Zeit heute noch ansprechen. Das damals, also zur Zeit dieser Moderne, als eher dröge geltende Zeug aus dem Realismus ist im Vergleich deutlich lesbarer geblieben. Jedenfalls für mich, aber ich denke, das wird mit einiger Wahrscheinlichkeit mehrheitsfähig sein im Freundeskreis Buch und Roman.
Danach hörte ich in letzter Zeit noch eine Folge über Henry Miller, eine über Jean-Paul Sartre sowie eine über die frühe Bundesrepublik, die 50er. Diese Jahrzehntefolgen finde ich sehr ansprechend, es gibt auch passend die DDR in den 50ern.
Ich habe mich jetzt erfolgreich und zufrieden quer durchs Archiv bei Radiowissen gehört. Falls Sie meinen Interessen in etwa folgen, ich nahm noch diese paar Sendungen zum Schluss mit:
Über den Briefwechsel der Else Lasker-Schüler mit Gottfried Benn
Das war insgesamt eine angenehme Erfahrung, all diese Sendungen dort nachzuholen. Ein Bildungsformat, mit dem ich ausgesprochen gut zurechtkomme. Sehr schön, dass es so etwas bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt, und alles ohne jede Werbung im Text. Man muss es ab und zu einmal ausdrücklich loben und feiern.
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Im nach wie vor sommerlichen Bild, morgen werden es wieder fast 30 Grad in Hamburg, die Alsterarkaden am Rathaus.
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August 21, 2024
Langsam, etwas ruckelig und eher gemütlich
Vorweg ein herzlicher Dank für die freundliche Zusendung von Schreibgerät, herzliche Grüße zurück!
Ein Update zum Thema Tourismus und Algen. Es scheint mir ein schönes Beispiel für die Geschwindigkeit der immer wieder bemerkenswerten Anpassungsleistung unserer Art zu sein. Für unsere so emsigen Bemühungen in dieser Richtung. Und während ich mittlerweile schon drei Berichte zum Thema Algen verlinkt habe, ist mir das Thema als Erwähnung im privaten Umfeld als Urlaubserwähnung bisher kein einziges Mal begegnet. Auch nicht in den Timelines, kein Fotobeleg, nichts. Aber es wird nur eine Frage der Zeit sein, dann eben in der nächsten Saison.
Bei Frau Herzbruch gibt es währenddessen noch mehr zum Thema Fleisch. Wo es für ihren Bedarf herkommen darf oder soll.
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Der Alltag nimmt hier in den letzten Tagen etwas Fahrt auf, vermutlich auch bei Ihnen, denn wie bereits festgestellt ist es zumindest ungefähr unser aller Timing. Noch wird da allerdings nicht besonders viel Fahrt aufgenommen, ein wenig nur. Die Achterbahnwägelchen werden erst langsam, etwas ruckelig und eher gemütlich zum Fahrtbeginn hochgezogen. Die Insassen lachen noch vereinzelt und verbreiten entspannt gute Laune. Man muss genauer hinsehen, um mitzubekommen, dass die ersten Hände schon etwas fester um die Sicherheitsbügel greifen.
Nein, es passiert bisher eher wenig. Man weiß nur immer klarer, dass gleich etwas passieren wird. Man sieht es schon kommen, und man weiß es auch aus Erfahrung, man hat das immerhin alles schon mehrfach erlebt, man kennt die Abläufe. „Wenn viele Herbste sich verdichten, in deinem Blut, in deinem Sinn …“ so heißt es beim kundigen Jahreszeitenexperten Gottfried Benn. Und ja, man könnte auch schon einen Blick in die Herbstlyrik werfen, warum denn nicht.
Vorbereitung ist alles. Auch bei den so klar erwartbaren Gefühlslagen und den überaus vorhersehbaren Alltagseskalationen der nächsten Wochen und Monate.
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Instagram zeigt mir währenddessen mit fast verzweifelt zu nennender Vehemenz immer wieder und wieder die gleiche Werbung für Kaltern am See. Für den Sommerurlaub dort, den ich doch gerade erst hinter mir und eben dort verbracht habe. Sommer am See, ruft der Algorithmus, Sommer am See! Geradezu aufdringlich.
Vielleicht ist es statistisch gesehen richtig, ehemalige Reisende mit dem zu ködern, was sie vor ein paar Tagen erlebt und per Bild belegt haben. Womöglich haben ausreichend viele Menschen dann tatsächlich ein Gefühl von „Noch mehr, bitte noch mehr davon!“ und buchen also die gleiche Nummer erneut. Vielleicht ist es, vielleicht sind wir in der Mehrheit wirklich derartig berechenbar, ich kann es mir sogar vorstellen.
Bei mir greift das allerdings nicht. Aber gut, man kann auch nicht in allen Aspekten im Mainstream sein. Ich ignoriere die Werbung also und fühle mich sehr speziell, was bin ich heute wieder für ein unberechenbares Individuum. Ein angenehmer Gedanke ist das.
Denn wie immer gilt: Man muss sich die guten Gefühle zusammensuchen, wo es nur geht.
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Im Bild ein etwas kunstvolleres Graffiti in der Innenstadt. Unterhalb der Linie der U3, kurz bevor die Schienen unter dem Rathaus und den Fleeten verschwinden, wobei sie spektakulär dicht an Bürofenstern vorbeiführen. Ein Moment der Fahrt, der bei Touristen verständlicherweise besonders beliebt ist.
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August 20, 2024
Sommersachensattheit
Gehört: Eine SWR-Sendung über den Zahlensinn des Menschen und über Kulturen, die nicht rechnen und keine Zahlen kennen, etwa die der australischen Ureinwohnerinnen. 28 Minuten.
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Außerdem gehört: Eine wunderbare lange Nacht über Kapitän Joseph Conrad. Da hat man, vielleicht unvermutet, schon wieder einen Ukraine-Bezug, denn dort kam er her, „aus dem polnischen Teil der Ukraine, damals zu Russland gehörend.“ Ein Satz wie aus dem Geschichtsunterricht: „Welche Probleme können wir aus dieser Beschreibung der Herkunft ableiten, erörtern Sie bitte.“
Lange und schöne Zitate aus seinen Werken hört man in der Sendung. Sogar ich spüre ein leichtes Ziehen, ein immerhin leichtes Ziehen, fast wie Fernweh und Abenteuerlust, sicher eine Art Phantomschmerz, wenn ich Joseph Conrad lese oder höre. Conrad ist einer, den ich wieder und wieder lesen kann.
Wie sein Kollege Stevenson. Und zu dem wiederum gibt es eine Folge Radiowissen, die passt hervorragend hinter die Lange Nacht zu Conrad. Wenn man immer noch Zeit hat, es addiert sich dann doch etwas. Dafür bitte hier entlang.
Und ausgerechnet da, wo der Stevenson an seinem Lebensende in der Südsee gewohnt hat, da treibt sich auch der neulich mehrfach erwähnte Georg Stefan Troller in meiner abendlichen Lektüre herum und schreibt darüber und erwähnt Stevensons Haus auf einer Insel nebenbei im Tagebuch, sehe ich noch kurz vor dem Einschlafen.
Und wie immer freue ich mich unsinnig über diese Verbindungslinien zwischen allem.
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Gesehen: Diese Doku auf arte über Marcello Mastroianni. Ich sehe die alle gerne, diese Film-Dokus, aber die über Marlon Brando war bisher die abgründigste Folge.
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Man liest schnell darüber hinweg, aber vermutlich sind die E-Bike-Erfahrungen bei Frau Herzbruch zeitgeistiger und auch generationstypischer, als man zuerst annehmen möchte. Wie auch ihre Anmerkungen zur Ernährung und die in den Kommentaren, und überhaupt: Das Private ist selbstverständlich und jederzeit politisch.
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Beim besinnlichen Aufräumen der Accounts in den sozialen Medien stellt sich nebenbei die Frage, ob man den Toten noch folgen sollte. Man kann entfolgen, man folgt ihnen doch irgendwann wieder, auf den Gedanken kann man dabei auch kommen. Das wird dann allerdings schnell zu tiefsinnig und passt nicht mehr in einen lauen Spätsommerabend der noch vergleichsweise entspannten Art.
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Mit dem im Urlaub beschädigten Sohn bin ich noch einmal bei einem Facharzt gewesen. Nur sicherheitshalber, noch einer freundlichen Empfehlung aus dem Krankenhaus in Bozen folgend, eine letzte Urlaubsabschlusshandlung also. Aber bei dem Sohn ist erwartungsgemäß alles wieder in Ordnung im Kopf.
Dann kann das also wenigstes einer in dieser Familie von sich behaupten, das ist auch schön.
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Obwohl es nach wie vor augustgemäß warm in der Stadt ist und die Temperatur auch noch weiter steigen soll, fast wieder in Julidimensionen, obwohl es nur zwischendurch etwas grauhimmelig bedeckt ist und die Sonne nur ab und zu etwas dunstig verhangen, sind einige Menschen auf den Fußwegen doch schon entschieden und auffallend herbstmodewillig, sie scheinen im saisonalen Dresscode dezent vorzugehen.
Vielleicht eine Art von Sommersachensattheit. Ja, ist gut jetzt.
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August 19, 2024
Stadtgeschichten und Adressen-Memory
Am Wochenende haben die Herzdame und ich zeitgleich eine Spaziergangsneigung, das kommt nicht oft vor. Wir sind bezogen auf unsere Tagesrhythmen meist eher nicht im gleichen Takt und leben vieles zu verschiedenen Uhrzeiten aus.
Wir haben allerdings beide, eine eher privilegierte Sichtweise, an diesem Tag keine Lust auf die üblichen Postkartenlocations vor unserer Haustür. Außenalster, Rathausarkaden oder Elbe, immer die gleichen Motive, wir wollen heute etwas anderes. Alles Bekannte haben wir längst totgeknipst, abgefilmt und endlos oft umrundet. So kann man auch nur denken, wenn man mitten im Bildteil der Reiseführer wohnt.
Wir fahren stattdessen nach Altona und gehen vom Bahnhof aus durch Ottensen, dort waren wir beide schon länger nicht mehr. Wir finden überraschend viele Nebenstraßen, Ecken und kleine Plätze, die wir beide nicht kennen oder an die wir uns nicht deutlich erinnern können. Ausreichend Anblicke dieser Art jedenfalls für dieses ansatzweise touristische Gefühl, das einen Spaziergang in der eigenen Stadt interessant macht und ihn ungeplant ausdehnt.
Ab und zu auch Gebäude oder Kreuzungen, vor oder an denen uns Termine und Szenen aus der Vergangenheit einfallen. Was war hier noch einmal, das kommt mir seltsam bekannt vor. Aber warum eigentlich. Zehn Jahre her, zwanzig Jahre her, dreißig Jahre her. Schon längst nicht mehr wahr, vergessen, verschüttet oder verdrängt. Wie lange wohne ich in Hamburg – 37 Jahre sind es jetzt, guck an. Wie viele Straßen dieser Stadt ich bis heute nie gesehen habe, es bleibt ein faszinierender Gedanke.
Weißt du noch, die Tanzkurse damals, unsere ersten Versuche. Hier um diesen Block herum haben wir abends immer einen Parkplatz gesucht. Noch mit dem alten Benz, den wir geerbt hatten. In dem musste man die Fenster noch hoch- und runterkurbeln. Für die Söhne ist das sicher schon unvorstellbar, knapp nach der Kutschenzeit muss das alles gewesen sein. Doch wo diese Kurse damals genau waren, darauf kommen wir beide nicht mehr, es sieht alles nicht richtig aus.
Vielleicht gibt es das Haus längst nicht mehr. In Hamburg ist das häufig eine zutreffende Erklärung.
Dort an dem Platz einmal ein Date gehabt, mit wie hieß die noch. Dahin einmal jemanden umgezogen, aber da wohnt der auch schon lange nicht mehr.
Am Wegesrand, der in den kleinen Straßen unerwartet oft begrünt ist, teils sogar erfreulich dschungelhaft, wie es bei uns im kleinen Bahnhofsviertel in diesem üppigen Ausmaß gar nicht vorkommt, sehen wir etliche spätsommerliche Stockrosen auf Halbmast. Die Blüten so schwer und groß, sie sind in den letzten Wochen untragbar geworden.
Wir gehen durch Straßen, da ist an jedem zweiten Haus das Schild einer Heilpraktikerin, einer Therapeutin oder das von jemandem mit einem verwandten, irgendwie sorgenden Beruf (es ist, haha, ein Spektrum). So viele sind es, ich denke unwillkürlich an Asterix und den Arvernerschild, an die zahllosen Läden der Wein- und Kohlehändler in diesem Comic. Ein Name auf einem dieser Praxisschilder, nur aus dem Augenwinkel gesehen – das könnte eine ehemalige Mitschülerin von mir sein.
Stadtgeschichten, immer noch eine und noch eine. Adressen-Memory und Erinnerungsschnipsel.
Unterhaltsam ist das. Zu je 20000 Schritten kommen wir wie nebenbei, und gehen dann noch durch das Kleingedruckte des Stadtplans bis zur U-Bahn St. Pauli, und wir fühlen uns solcherart ausreichend getummelt für einen Wochenendtag ohne weiteres Programm.
Demnächst vielleicht gemeinsam nach Eimsbüttel. Oder so.
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August 18, 2024
Die allgemeinen Alltagswiederaufnahmeverfahren
Einige Anmerkungen zum Autokauf bei Christian Buggisch, man staunt. Und hier noch die Landlebenbloggerin über Menschen aus der Stadt, die in die Provinz ziehen.
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Gesehen und interessant gefunden: Diese Doku auf arte über Marlon Brando.
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Gehört: Ein Zeitzeichen über „Kind of Blue“ von Miles Davis, auch wieder ein Lehrstück über Rassismus und die Folgen.
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Die Urlaubszeit endet nun nicht nur bei uns, sondern nach und nach überall in den Timelines und Blogs. Die Reisebilder werden deutlich seltener, die Ausflugsmeldungen dünnen allmählich aus. Der obskure Sonderfeiertag mit Brückeneffekt in Bayern, dem Saarland und Österreich ist auch bereits durch. Letzte Wanderwegschnappschüsse und vereinzelte Sonnenuntergänge vor Erholungslandschaft gibt es noch zu sehen, gefeierte Ferienendmomente. Es kommen dafür vermehrt Kofferauspackszenen und Arbeitsanfänge vor, diverse Alltagswiederaufnahmeverfahren und mehr oder weniger mühsam wieder anlaufende Routinen. Heute vermutlich ergänzt um etliche schwere Montagsseufzer.
In meinen beiden Bubbles, online und offline, läuft das alles ohne Begeisterung und Schwung ab, eher mit Murren und Knurren, man kann es kaum überlesen. Liegt es an meiner Auswahl, liegt es an unserem Alter, an der Zeit, am Land, an der Lage, ich weiß es nicht. Die schwanzwedelnde Leistungsgeilheit von LinkedIn bildet sich in meinem Umfeld jedenfalls nicht recht ab.
Mein singender Nachbar ist ebenfalls aus dem Urlaub zurück und macht seine Stimmübungen wieder eine Wand hinter mir, während ich hier sitze und tippe. Ich kann nicht erkennen, was er da singt oder was es zusammengefügt werden soll, aber wenn ich auf den Kalender sehe – er wird sich bald frühzeitig für Adventsveranstaltungen aufwärmen, in wenigen Wochen schon, und bei nur allzu bekannten Melodien ankommen. Die sich dann auf die gemeinste Art in meinem Hirn einnisten werden, das war in den Vorjahren auch so. Die unzeitigen Lebkuchen in den Läden, der Gesang nebenan, es gehört zusammen.
Und während ich dies notiere, fällt mir erst auf, dass das klavierspielende Kind im Haus seit Wochen nicht mehr zu hören ist. Da wird es vermutlich eine Reise über die ganzen Sommerferien geben, ein etwas größeres Abenteuer vielleicht. Und demnächst dann wieder die geklimperte Ode an die Freude, wie schon das ganze erste Halbjahr über. Wir haben seine langsamen, zögerlichen Fortschritte gründlich miterleben können, Note für Note.
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August 17, 2024
Ein Feld vor
Gesehen: Diese Doku auf arte über die gerade verstorbene Gena Rowlands.
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Ansonsten habe ich die ersten drei Werktage nach dem Urlaub absolviert, es lief immerhin besser als gedacht. In der nächsten Woche zieht die Herzdame nach, dann auch bald die Söhne. Es findet in Kürze wieder ein kompletter Alltag mit allem statt und will neu bewertet werden; wir rücken ein Feld vor und warten auf die Ereigniskarten der nächsten Monate. Die Vorfreude aber hält sich noch in Grenzen. Skepsis Hilfsausdruck, wie Wolf Haas schreiben würde.
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Gehört: Eine Folge Radiowissen über David Bowie. Da bietet es sich an, nebenbei und passend mit einem Clip meine momentane Vorliebe für Anzüge zu unterstützen. Eines dieser Videos, die ich immer wieder sehen kann. Nebenbei auch der Beweis, dass es zumindest vereinzelt Menschen gibt, die mit verwehten Haaren gut und attraktiv aussehen, nicht etwa wie ich, also wie alter Zausel im Wind.
Dass aber ein Sohn, noch während ich diese Zeilen schreibe, in seinem Zimmer ungewohnt lauthals „There’s a starman waiting in the sky“ singt – das ist ein doch eher irrer Zufall. Er kann immerhin nicht wissen, was ich hier gerade notiere. Ich murmele nicht beim Tippen, die Songs laufen bei mir auch nicht laut. Und Musik aus den 70ern ist gewiss nicht das routinemäßige Standardprogramm der beiden Teenager im Haushalt.
Ich gehe also einigermaßen irritiert ins Kinderzimmer, um Aufklärung bemüht.
Es ist dann wieder nur ein Tiktoktrend, den er da so laut begleitet, was im Zweifelsfalle die Erklärung für alles ist. Tatsächlich also ein Zufall. Und nein, er hat keine Ahnung, wer dieser David Bowie ist, von dem ich da rede. Ach, der mit diesem Lied, das er gerade dauernd singt?
Okay. Das hat er dann jetzt pflichtgemäß zur Kenntnis genommen. Wenn der Herr Vater doch offensichtlich so großen Wert darauflegt. Gewiss aber auch schon tot, dieser Sänger? Wie alle, die der Herr Vater so mag? Schade, schade. Der Club der toten Sänger, es war ja nicht anders zu erwarten. Sagt er mit fast höflich wirkendem Bedauern.
Und diesen Namen, David Bowie, vergisst der Sohn dann vermutlich umgehend wieder, noch während ich mich umdrehe und die Tür hinter mir schließe.
O tempora, o mores.
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Im Bild das Hamburger Rathaus vor korrekt eingefärbtem Himmel, wie es hier Tradition ist.
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August 16, 2024
Life is coming back to me
In den ersten morgendlichen Wettermeldungen sehe ich die drei Begriffe Nordsee, Kaltfront und Regen. Wie sympathisch und willkommen einem diese Wörter sein können, in diesen Wochen des überhitzten Spätsommers. Das gibt sich dann später im Jahr wieder, wie wir alle wissen. Aber für den Moment – soll sie mal kommen, diese Kaltfront, mit dem ganzen Regen von der Nordsee. Es klingt ausgesprochen vielversprechend, geradezu verheißungsvoll wirkt es auf mich. Ich stehe hier am offenen Fenster und warte auf Gewölk.
Die Sonne brennt schon einmal weniger in diesen Tagen, der Himmel ist öfter lichtgrau statt azur, und life is coming back to me. Das ist ein Song von Michelle Gurevich. Er fängt mit Zeilen an, die das Ende einer Hitzeperiode für mich treffend beschreiben, auch wenn etwas ganz anderes gemeint ist:
“I’ve been living under a rock
I’ve been sick around the clock
But life is coming back to me
The days have been dull
The evenings have been null
But life is coming back to me”
Zum besseren Verständnis noch einmal der Hinweis, dass diese Wohnung erheblich nachglüht, wenn es draußen einmal heiß genug war. Wir haben länger etwas davon und gehen im Vergleich zu Menschen, die in topisolierten Wohnungen residieren, stets etwas nach in den Empfindungen. Falls meine Zeilen nicht mehr zu Ihrem gefühlten Wetter passen und deswegen irritierend wirken, es wird sicher daran liegen.
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Ich gehe Kugelschreiberminen für meine Mutter kaufen. Bestimmte Minen sind es, die es online nur einzeln für einen absurd hohen Preis gibt oder im Zehnerpack, deutlich günstiger, also irrational und verdächtig viel günstiger. Am Ende sind es Fälschungen, ich werde miusstrauisch. Aber ein Zehnerpack kommt eh nicht in Frage. Was soll sie denn mit zehn Minen, sagt meine Mutter, in ihrem Alter.
Da es bei den Fachgeschäften mittlerweile große Versorgungslücken gibt, schon gar bei den von mir so geschätzten Schreibwaren, ist der Weg zum nächsten Laden, der die Minen haben könnte, etwas weiter. Egal, ich habe ein Ziel in der Stadt. Ich gehe zweckgebunden los und muss nicht planlos spazieren gehen, das ist auch schön. Immer das Positive sehen.
Ich suche im großen Kaufhaus lange herum, weil es bei Schreibwaren mittlerweile ebenso wie bei der Mode ist: Es gibt keine sinnvolle Sortierung mehr. Nur noch eine nach Herstellern und Sonderaktionen und Schulanfangsspezialangeboten. Ich möchte schon wieder mit dem bisher nur gedachten Krückstock herumfuchteln.
Nachdem ich die verdammten Minen endlich gefunden habe, die letzten beiden, die es gab, nach für meinen Geschmack unangemessen langer Suche, gehe ich zur Kasse. Wo mich eine hochmotivierte Verkäuferin munter verabschiedet: „Wie schön, etwas zum Schreiben! Na, dann schreiben sie mal was. Liebesbriefe, Rezepte oder Einkaufszettel … Sie werden das dann schon richtig entscheiden.“
***
Ich sehe weiter die alte Maigret-Serie, und sie reicht auch noch eine Weile, es ist herrlich. Dadurch habe ich auf einmal eine nostalgische Sehnsucht nach französischen Restaurants der eher nicht so edlen, aber doch stets bemühten Sorte in der Provinz, wie sie dort oft abgebildet und inszeniert werden. Nach diesen etwas ramponiert wirkenden kleinen Restaurants, in denen die nicht übermäßig freundliche Wirtin oder der ebensolche Wirt nach dem erstaunlich guten Hauptgang mit einem kleinen, quietschenden Käsewägelchen angerollt kommt …auf einmal steigen mir ausgesprochen lebhafte Erinnerungen daran auf.
Angestoßenes Geschirr, angelaufenes Besteck, seltsame Tapeten, aber bester Käse. Und im passend wirkenden Hotel nebenan ein Bett aus dem letzten Jahrhundert, so durchhängend wie es nur je eine Hängematte in irgendeinem Palmengarten war.
Damals in der Normandie, da gab es diese Restaurants und Hotels. Die Damen Herzbruch und Novemberregen, die da gerade residieren und täglich berichten, sie lösen diese Bilder mit aus bei mir.
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Hier aber statt französischer Reiseromantik nur beinhartes Hammerbrook.
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August 15, 2024
Vergoren und Verdorben
Der erste Arbeitstag nach dem Sommerurlaub, ich starte gleich mit Office-Office. Ich verlasse dafür früh, allein und leise die Wohnung, der Rest der Bande hat noch frei. Man schläft hier in allen Zimmern weiter, vermutlich lang und vom Werktag vollkommen unbelastet, selig im Ferialmodus. Nur ich ziehe hinaus in die weiterhin übermäßig erwärmte Stadt, die bei diesem Wetter an zu vielen Stellen riecht, als sei etwas abgelaufen, vergoren und verdorben, auf jeden Fall aber zu lange ungelüftet.
Zwischen unserer Wohnung und dem Bahnhof liegt ein Obdachloser vor einem Geschäft. Auf Pappe und zerschlissenen Gepäckstücken liegt er, die er sich als Kissen unter den Kopf geschoben hat. Über sich hat er gegen den gewittrigen Regen der Nacht oder auch schon gegen die nachfolgende Sonne einen beschädigten Regenschirm aufgespannt. Er hält ein Handy, auf dem er etwas liest. Er liegt in etwa gleicher Position wie der arme Poet von Spitzweg auf dem berühmten Gemälde. Der Vergleich drängt sich sofort auf. Ein modernes, sozialkritisches Pendant ist er.
Wenn man ihn so fotografieren würde, wie er jetzt da lagert, würde die Ähnlichkeit vermutlich vielen Betrachtenden auffallen. Jedenfalls dann, wenn sie in ihrem Leben ausreichend oft mit dem so bekannten Werk von Spitzweg als Postkarte oder Poster konfrontiert worden sind. Also zumindest den meisten in meiner Generation und im Alter darüber würde das auffallen.
Aus dem Wikipedia-Eintrag zum Armen Poeten: „Die ersten Kritiken für den armen Poeten waren so schlecht, dass Spitzweg seine Bilder fortan nicht mehr mit seinem Namen, sondern lediglich mit seinem Monogramm, einem stilisierten Spitzweck (einem rautenförmigen Brötchen) signierte.“
Ich mische mich unter das lustlose, zu dieser Stunde schon schwitzende Pendelvolk am Hauptbahnhof. Nach kurzer Fahrt in der urlaubszeitmäßig kaum gefüllten S-Bahn sehe ich good old Hammerbrook wieder. Dort sammele ich auf dem Weg ins Büro noch eben einige frische Fotos ein, damit Sie in den nächsten Tagen auch etwas von diesem etwas speziellen Stadtteil haben.
Dann die Arbeit. Wir legen uns das Herbstprogramm zurecht und nehmen Anlauf, viel Anlauf. Es ist immerhin gleich September. Es gibt ein buntes Programm, es wird viel passieren, man summt es so vor sich hin.
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Im Bild heute der Mittelkanal in Hammerbrook. Das Ufer links trägt den Namen Vera-Brittain-Ufer, und den Namen dieser Dame haben Sie vermutlich noch nie gehört. Auch zu ihr kann man einen interessanten Lebenslauf nachlesen und ist dann schon wieder knietief in der deutschen und europäischen Geschichte.
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Der Beitrag Vergoren und Verdorben erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.
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