Maximilian Buddenbohm's Blog, page 115

April 4, 2022

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 4.4.2022

Ich hatte hier mehrfach den Roman „Internat“ des ukrainischen Autos Serhij Zhadan empfohlen, ich fand gestern ein Interview mit den Übersetzern des Buchs, Sabine Stöhr und Juri Durkot.

***

Frau Diekmann über das Rittersportdilemma. Wir sind da schon wieder bei der Ambiguitätstoleranz, mir war so, als hätte ich die gerade neulich erst erwähnt.

Frau Diekmann, die ich hier dauernd verlinke, ist übrigens auch auf dem Europacamp, für das ich weiter unten dauernd Werbung mache. Sie moderiert da u.a. ein Panel mit Dota Kehr, Sebastian Krumbiegel und Marcus Wiebusch. Ein Gespräch über Musik und Politik, so heißt es. Das höre ich mir an, so ist jedenfalls der Plan. Ich werde vermutlich berichten.

Ach, und wenn ich schon bei Kapitalismus-Songs bin:

***

Bei Excellensa findet sich der Hinweis auf das Wort „Westplaining“. Ich habe die Geschichte dahinter auf Twitter mitbekommen, und ohne sie hier ausbreiten zu wollen, es ist sicherlich sinnvoll, das Wort Westplaining zur Kenntnis zu nehmen und vielleicht einen Moment darüber nachzudenken.

Die ebenfalls drüben erwähnten Wohlstandsdiskussionen bekomme ich ebenfalls mit, die finden vielleicht gerade flächendeckend statt. Was ist, wenn wir weniger haben, haben wir dann etwa wenig? Beim Aldi steigen heute die Preise um teils 30%, so las ich. Meine Timelines sind tendenziell mehrheitlich besserverdienend, das ist kaum zu übersehen. Man merkt es auch an dem, was darin nicht oder kaum vorkommt.

***

Bei Frau Novemberregen ein Artikel, den wir früher beiläufig und normal gefunden hätten, ein Ausgehbericht. Es steht da eine Einschätzung einer Situation, die vermutlich viele nachvollziehen können, zumindest kommt es mir gerade so vor. Es ist ein Gedanke, den viele zu haben scheinen, in ähnlicher Form und zu ähnlichen Anlässen: „Hätte mir an irgendeinem Punkt der letzten zwei Jahre jemand gesagt, dass ich bei der allerersten Gelegenheit den Abend ohne Maske und ohne irgendein G-Konzept in einer Stadthalle mit geschätzt 500 anderen Menschen verbringen würde, hätte ich sehr gelacht. Aber so war es.

So ist es, wenn etwas wieder anfängt, und die Lage dreht jetzt. Wir können es finden, wie wir wollen, es dreht, und wir drehen mit. Ich drehe, Du drehst, er, sie, es dreht. Wenn nicht heute, dann morgen. Na, nur meine Einschätzung.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung, ich erwähnte es bereits

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 04, 2022 12:10

April 3, 2022

Notizen aus dem Hotspot

Nach wir vor ist das Warten auf die erste Infektion in der Familie ein seltsam blödes Gefühl, es wird immer unplausibler, dass es hier noch keiner hatte. Also wir wollen es auch nicht haben, versteht sich, aber es ist so dermaßen unwahrscheinlich, dauerhaft daran vorbeizukommen … Man hat es dann nicht abgehakt, schon klar. Ich habe mittlerweile Fälle von Drittinfektionen im Umfeld, bei einigen scheinen regelrechte Abos zu laufen. Ich sollte vielleicht direkt nach diesen Zeilen einen Test machen, auch dem Leben einmal die Pointe zubilligen.

Hamburg ist jetzt ein Hotspot, die Regeln gelten weiter. Viele Regeln jedenfalls, wohl mehr als bei Ihnen, wenn Sie in einem anderen Bundesland wohnen. An den Hamburger Schulen gibt es an den Plätzen ab nächste Woche nur keine Maskenpflicht mehr, lediglich auf den Fluren bleibt sie bestehen. Im Bundestag, so lese ich, beschließen sie dagegen die Fortführung der Maskenpflicht. Vermutlich müssen Bundestagsabgeordnete dringender geschützt werden als Kinder, was weiß ich. „Die Sinnfrage stellt sich nicht“, ich muss immer wieder den Kollegen zitieren, der nach diesem Satz stoisch weiterarbeitete, es ist lange her und blieb mir doch so nachhaltig im Gedächtnis.

Beim Musikunterricht, das hatte ich im Blog noch nicht erwähnt, glaube ich, wurde von der Schulbehörde gebeten, dass alle in die gleiche Richtung musizieren, ich scherze nicht. Wenn man in die gleiche Richtung musiziert, dann kreisen die Viren nicht. Oder so, bitte achten Sie besonders auf die Position der Querflöten. Wenn man in Richtung Fenster musiziert, dann treibt es den Virus vermutlich sogar hinaus, wir hätten die Pandemie also längst durch Chorgesang und Orchesterwerke erledigen können, das liegt auf der Hand. Aber das ist alles nicht einmal mehr satirefähig, das ist deutlich drunter.

Und ja, ich fühle mich veralbert.

***

Wir fahren in den Garten, wir kümmern uns um die Hecke, wir heben einen Graben für die Pflanzung aus. Wir finden Knochen im Beet, viele Knochen, und groß sind sie. Aber es ist kein menschlicher Schädel dabei, also keine Polizei und keine bildungsbürgerlichen Poor-Yorick-Improvisationen. Vielleicht haben die Vorpächter vor Jahren oder Jahrzehnten ein ganzes Schwein gegrillt, ein Kalb oder ein Lamm, vielleicht haben sie einen Bernhardiner begraben, eine Dogge. Die alten Gärtnerinnen und Gärtner auf der Insel erzählen, dass schon ganze Autos in den Beeten gefunden wurden. Was man alles vergraben kann. Neben den Knochen eine Flasche Kakao-Likör. Unsere ganze Parzelle ist mit leeren Spirituosenflaschen unterfüttert, die auf das letzte Jahrhundert verweisen. Viele Liköre sind dabei, etwa frühe Achtziger, man sieht es an den Etiketten.

Nachbarn laden uns ein, es gibt Kaffee und Kuchen in der Arbeitspause, sie bauen gerade ein Hochbeet aus Palettenrahmen. Schrebergärtner sind per definitionem fleißig. Wir sitzen draußen, sie reichen uns warme Decken und heiße Becher. Ich wärme mir mühsam die Hände daran, ich verkrieche mich in der Decke. Ich denke, das ist doch kein Frühling, wenn, man im Garten so friert, das ist nicht einmal Vorfrühling. Dann sehe ich, dass die weißen Blüten, die uns so zauberhaft umwehen, gar keine Blüten sind. Es schneit.

***

Ich höre „Sie kam aus Mariupol“, von Natascha Wodin, gelesen von Dagmar Manzel. Die Gegenwärtigkeit der titelgebenden Stadt in den aktuellen Nachrichten ist dabei schwer zu ertragen; ich höre von historischen Zerstörungen und sehe, wie sie erneut passieren, ich sehe es fast live. Warum sollte man es sich leicht machen, ich höre weiter. Es ist ein gutes Buch.

Eine ukrainische Flagge an einem Kiosk auf der Langen Reibe

Ich las „Die schöne Frau Seidenman“ von Andrzej Sczcyporski, ein Buch, das vor längerer Zeit schon ein Beststeller war und das also alle längst gelesen haben, nur ich wieder nicht. Und jetzt ist es gut, es auch gelesen zu haben. Die Ukraine wird darin beiläufig zwei-, dreimal erwähnt, es wäre mir früher vermutlich nicht aufgefallen. Jetzt verstehe ich sogar den Zusammenhang, ich habe immerhin etwas gelernt.

Was nichts nützt, aber egal. Auch das ist ein gutes Buch. Wenn ich beim Lesen hochsehe, sehe ich die blaugelbe Flagge der Ukraine am Kirchturm gegenüber wehen und merke, wie sich mein Europa- und mein Geschichtsbild noch einmal neu zusammensetzen.

***

Man darf sich nicht arrangieren.“ Ein Interview mit Herta Müller, es geht um Diktaturen, um Russland, um Sprache.

***

Ich habe neulich das Wort „Overthinking“ hier im Blog verwendet und beim Schreiben kurz einen Ton im Ohr gehabt, ein Liedzeilentrümmerchen, und dann kam ich eine Weile nicht darauf, wo es bloß herkam. Jetzt ist es mir wieder eingefallen, es war aus einem Song von John Grant mit grandiosen Lyrics:

You could probably say I’m difficult
I probably talk too much
I over-analyze and over-think things
Yes it’s a nasty crutch.

I’m usually only waiting for you to stop talking
So that I can
Concerning two-way streets I have to say
That I am not a fan.

Schönes Video auch.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 03, 2022 04:39

April 1, 2022

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 1.4.2022

Dieses Blog hier wird heute, es ist kein Aprilscherz, 18 Jahre alt. In den letzten beiden Jahren, glaube ich, wurde der Jahrestag von mir gar nicht erwähnt. Corona und die Folgen, die Zeit war etwas verstörend, es fiel Ihnen wohl auch auf. Na, egal. 18 Jahre, VSOP, herangereift, was auch immer. Es war ein weiter Weg, war es nicht? Vor genau acht Jahren ging auch das Projekt „Was machen die da“ online, in dem die bekannte Exbloggerin Isa (SCNR) und ich damals versucht haben, ein Vorhaben etwas professioneller auf- und durchzuziehen. Heute erinnern wir uns ab und zu an das Projekt und können nicht mehr begreifen, wie wir jemals dafür Zeit gefunden haben, es sind unfassbare Mengen von Stunden gewesen. Und es war ein sehr schönes Projekt, das finden wir immer noch.

Wobei ich manchmal denke, dass ich Blogs als Format, Möglichkeit und ja, auch als literarische Erscheinung immer noch auf eine Art gut finde, die viele im Laufe der letzten Jahre längst wieder aus den Augen verloren haben. Das Bloggen ist nach wie vor mein Ding.

Desto passender vielleicht diese Rubrik, in der ich ausdrücklich nur Blogs und ähnliche kleine Formen verlinke, ich denke, das kann so bleiben. Vielleicht auch mit anderen Themen als dem Ukraine-Krieg und den Folgen, warum nicht. Ich finde so oft sinnvolle Ergänzungen zu den Nachrichten in der Blogwelt, und die Frage, wie sich die Weltlage darin spiegelt, bleibt für mich von Interesse. Mir macht es gerade Spaß, das zu sammeln, und hier steht stets, was mir Spaß macht. Selbst wenn es kein Spaß ist.

Aber erst einmal Antje Schrupp über Feminismus und Krieg:

Ist es nicht sehr erstaunlich, wie wenig geschlechterpolitische Analysen in diesem Krieg eine Rolle spielen? In der medialen Begleitdebatte scheint sich kaum jemand zu trauen, Worte wie „Feminismus“ oder „Frauen“ in den Mund zu nehmen. Dass die Verhandlungsdelegationen ausschließlich aus Männern bestehen, wird als selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Auch dass die stärksten inländischen Proteste sowohl gegen Putin (Pussy Riot) als auch gegen Lukaschenko feministische Proteste waren, spielt in den Analysen keine Rolle.“

***

In der immer lesenswerten Monatskolumne des Kaffeehaussitzers Uwe Kalkowski sind diesmal auch Links im Ukraine-Kontext zu finden.

Ein Aufkleber auf einem Briefkasten: FCK WAR

***

In Frankreich, ich beginne dort mit der thematischen Erweiterung dieses Formats, fallen mehrere Themen zusammen: Covid, Gas, Kinder. Eine verstörende Überschrift, finde ich. Aber so ist es, wenn alles zusammenkommt:

Nun, Monsieurs Grippe war dann doch Covid und klar, es hat, bei allen Versuchen meinerseits, mich zu isolieren, so habe ich etwa nächtelang auf dem zu kurzen Zweisitzersofa im Wohnzimmer geschlafen und gleich in der ersten Nacht eines der leicht morschen Seitenteile desselben durchgetreten, wir saßen uns beim Essen so weit entfernt wie möglich gegenüber, erinnerte ein bisschen an Putin und seine Staatsgäste, außerdem desinfizierte ich hinter ihm her, herrjeh, was dieser Mann unkontrolliert einfach so alles anfasste und anhustete, Telefon, Fernbedienung, Lichtschalter, Türklinken, Schubladengriffe, Gläser … “wo ist deine Maske?”, schrie ich alle paar Minuten.

***

Themenwechsel, auch Krisen ohne Kriegsbezug mal vorkommen lassen. Bei Wibke lesen wir ein Corona-Tagebuch und ich bitte um Beachtung der bloggeschichtlich interessanten Anmerkungen zum Schluss: „Wenn ich die Kommentarfunktion für diesen einen Beitrag abstellen könnte, würde ich es tun. Sollte ich hier einen Kommentar von Querulanten, Coronaleugner*innen, Impfgegner*innen oder vergleichbarer Geisteshaltung sehen, lösche ich diesen umgehend.

Weil man so etwas mittlerweile leider dazu schreiben muss.

Corona auch bei Frau Novemberregen, so geht es dann zu.

***

Oder hier, einfach ein Blick auf den Wahnsinn der Gegenwart, im persönlichen Ausschnitt: „Eine Bekannte schickt Fotos von der großen Fridays for Future-Demo in Bonn, eine andere postet Fotos aus Afghanistan, wo sie lange gearbeitet hat und wo Frauen mutig dafür kämpfen, dass sie und ihre Töchter weiterhin Bildung bekommen. Per DM wünsche ich einem Freund im Nordirak ein frohes Nevroz. Eine ehemalige Kollegin schickt ein Update aus dem Trockengürtel in Mittelamerika, wohin ich einst eine Journalistenreise zu den Folgen des Klimawandels begleitet habe. Eine Kerze brennt während einer Krebs-OP eines lieben Menschen, eine Freundin wird Tante und ich bewundere die Nichtenfotos. Ich kaufe für einen Freund in Isolation ein und erkundige mich nach dem Befinden von immer mehr positiv getesteten Menschen im Bekanntenkreis.

***

Bei der Kaltmamsell gibt es, wie in vielen Blogs, regelmäßige Tweetsammlungen, und bei dieser hier habe ich tatsächlich gelacht. Ich lache selten am Bildschirm.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on April 01, 2022 11:25

March 30, 2022

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 30.3.2022

Der gute Herr Slowtiger hatte da auf Twitter einen Text verlinkt, der schon älter ist, aber passend und gut: Militär und Dekadenz von Kathrin Passig.

***

Frau Diekmann entdeckt die Speiseölscham und denkt über Kinder in diesen Zeiten nach, über kleine Kinder. Als Vater etwas größerer Kinder glaube ich, dass die Seelenlage von Kindern nach den letzten zwei Jahren mit Ambiguitätstoleranz zu betrachten ist. Es gibt zwei Meinungen oder Statements, die ich beide für vollkommen korrekt halte:

Die Kinder stecken das alles erstaunlich gut weg.Die Kinder haben einen viel größeren Schaden erlitten, als den meisten Erwachsenen klar ist.

Uneindeutigkeiten aushalten!  So schwer. Da gab es ein Buch, fällt mir ein, ich halte es immer noch für lesbar: „Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust von Mehrdeutigkeit und Vielfalt.“ Von Thomas Meyer. Ich glaube, ich lese das noch einmal, das war gut.

***

Bei Jochen drüben geht es auch gerade um Eindeutigkeiten, er schreibt: „In der Psychologie gibt es die Faustregel, dass wir, sobald wir in eine Story die Kategorien Gut und Böse einbauen, – zack – mit einem Schlag 20 IQ-Punkte verlieren. Ich glaub nicht, dass es Studien dazu gibt, aber der Satz klingt einfach zu gut, um ihn für sich zu behalten. Jedenfalls: Die Nachrichten im Moment machen dumm.

***

Es gibt Kulitsch Paska.

Ein Schriftzug am Hamburger Kongresszentrum: Stand with Ukraine

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen       , ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 30, 2022 08:25

March 29, 2022

Vierhundert Folgen „Die Buddenbohms“

Die Foodblogs sind voller Bärlauch und Spargel, nächster Halt dann die Erdbeeren, wir sind so weit im Zeitplan, trotz allem. Um sich saisonale Normalität vorzugaukeln, ist es gar nicht verkehrt, viele Foodblogs zu lesen, man muss sich doch an irgendetwas festhalten können, zumindest an einigen Fakten. Wie spät ist es? Es ist Bärlauch, das muss reichen.

Vor dem Fenster arbeiten wieder die Gerüstbauer am Dach des Hauses gegenüber, und einer von denen redet wie eine Figur aus einem alten Werner-Film. Es ist genau dieser Tonfall, es kann unmöglich ernst gemeint sein, es ist aber so. Wie soll ich mein Leben noch von Fiktion unterscheiden können, es ist nicht mehr möglich, überall diese Satire-Elemente. Seit mindestens zwei Jahren kommt mir alles arg ausgedacht vor, es ist so vieles an den Haaren herbeigezogen und eher furchtbar platt dahergesripted, bis hin zu dieser neuen Entwicklung, dass sich auf einmal alle verhauen wollen, wie damals in der fünften Klasse. Am Ende ist es alles nur ein Exkurs, ein fiktionaler, und ich werde eines Morgens wie einst Bobby Ewing unter der Dusche denken, krass, was hast Du da alles zusammengeträumt, das hätte ja für vierhundert Folgen „Die Buddenbohms“ gereicht, jetzt aber mal normal weiter.

Egal. Ich gehe morgens Brötchen holen. Vor der Tür macht ein Nachbar Dehnübungen, das ist der Nachbar, den ich ausschließlich beim Sport sehe, es gibt ihn in keiner anderen Erscheinungsform, das nervt mich schon seit Monaten erheblich, wie aufdringlich kann man so etwas ausleben. Er hat einen bunten, wie nennt man das, Ganzkörperturnanzug an, und er verbiegt sich dermaßen demonstrativ, dass es mich selbstverständlich provoziert. Wofür hält der sich, Elasto-Man oder was, kann er das nicht in seiner Wohnung machen, muss er hier so angeberisch Gummigelenke vorführen, was soll das, das finde ich unerträglich. Und ich trete ihm von hinten in die Kniekehle, dass er auf den Boden schlägt wie ein nasser Sack, der aus einem der oberen Stockwerke fiel. So ist es besser, denke ich, so ist es besser, und ich steige über ihn rüber und gehe weiter zum Bäcker, ohne mich um sein Winseln zu kümmern. Irgendwo blutet er. Aber sicher kann er sich prima verarzten, er kommt ja überall an.

Es ist eine Minute nach sieben, als ich beim Bäcker ankomme. Sie haben noch nicht geöffnet, ich rüttele an der Tür. Ich lese die Öffnungszeiten auf dem Schild im Fenster nach, es muss alles seine Ordnung haben, bloß keine Fehler machen. Sie machen um sieben auf, so steht es da. Regel ist Regel, denke ich und werfe die Glastür mit dem großen Stein ein, der den Sonnenschirmständer draußen beschwert. Ich habe auch nicht ewig Zeit. Ich brauche Brötchen, ich brauche sie jetzt und Öffnungszeiten sind verbindlich. Das Glas zerkracht und splittert, die Verkäuferin, die gerade noch Brot eingeräumt hat, geht hinter dem Verkaufstresen in Deckung. Ich gehe rein, die Scherben knirschen unter meinen Schuhen. „Hier muss mal gefegt werden, Fräulein“, sage ich, „aber erst einmal vier Vollkornbrötchen für mich.“

Okay, Spaß beiseite.

Filmidee: Zwei Jahre nach Beginn der Pandemie fand man heraus, dass Long-Covid auf Dauer gar nicht das größte Problem sein würde. Das größere Übel war vielmehr die deutliche Aggressionssteigerung bei männlichen Infizierten, die erst mit großer Verzögerung nach den akuten Symptomen auftrat, aber allmählich nicht mehr übersehen und überhört werden konnte. Die Betroffenen wurden reizbar und aggressiv gegen andere Männern, sie entwickelten ein kaum noch zu beherrschendes Bedürfnis, Affekten ungefiltert nachzugeben und sie auch körperlich auszuagieren. Die Instabilität der Gesellschaft nahm rasant zu, wobei es aber keine revolutionären Tendenzen gab, denn jeder war gegen jeden. Es gab keine Zusammenrottungen, keine Verbünde. Es wurde zunächst positiv bewertet, dass weltweit keine Kriege mehr möglich waren, weil sich zu wenig Soldaten noch an Befehle hielten, es wurde aber bald klar, dass sie dennoch weiter mit den Waffen in der Hand durch den Alltag gingen, was zu enormen, ungeahnten Problemen führte.

Ein Graffiti-Text:

Gut, bis dahin. Aber wie enden? Eine feministische Richtung einschlagen, die Männer an sich selbst und ihrer Gewaltneigung zugrunde gehen lassen, dann ein neuer und friedlicher Anfang mit den wenigen Sympathen, die nicht infiziert waren … Hm.

Vielleicht eine deutlich schrägere Variante, die Gesellschaft kann nur noch mit Männern funktionieren, die jederzeit ein Elektrohalsband tragen und von ihren Frauchen eng kontrolliert werden, bei Fuß, Kevin! Geh von dem anderen Mann da weg!

Ich muss nachdenken. Das ist noch nicht reif, ich muss das noch weiter ausarbeiten. Das muss realistischer werden, ich muss da noch einmal ran.

Also wenn die Herzdame mich lässt.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 29, 2022 05:29

March 28, 2022

Wie durcheinander ist alles

Beim bereits erwähnten Buddeln im Garten zeigte sich, was man auch in den Nachrichten hören oder lesen kann, es ist zu trocken. Viel zu trocken. Staubig fällt die Erde vom Spaten, pulverig ist der Sand. Es hat seit Wochen nicht geregnet, es ist auch kein rechter Regen in Sicht, es soll vielleicht gerade mal etwas nieseln, mit Glück. Es gibt verlässlich auf allen großen Medienseiten Newsticker zum Krieg und zu Corona, es gibt verlässlich keinen zum Klima, fällt mir nebenbei auf. In der letzten Woche war ich einmal im Anzug draußen und es war mir schon zu warm, das war eindeutig ein Junigefühl, wie weit gehen wir vor?

Vor der Haustür blühen die Mirabelle und die Zierkirsche, weißer und rosafarbener Schaum im Baum. Ich müsste bei allem nachlesen, ob das da jetzt gerade passt, oder wieviel es zu früh ist. Im Garten strahlen immerhin passend die Forsythien und der innere Chor der GärtnerInnen fordert ebenso feierlich wie nachdrücklich zum Rosenschnitt auf. Die Kornelkirsche ist schon durch und verblüht, die Purpurmagnolie lässt bereits ihre unfassbare Blütenfarbe erkennen und richtet die Kerzen. Am Boden überall die kleinen Traubenhyazinthen, Heerscharen in kräftigem Blau, die Korkenzieherweide ist bereits grün umflort.

Egal. Diese Woche wird es wieder März, auch wenn es April wird. Die Temperaturen gehen zurück, 12 Grad soll es geben, wie damals, als Corona gerade anfing und dann blieb, Sie erinnern sich, da waren es immer 12 Grad. Ewigkeiten lang und durchgehend war das so, 12 Grad werden mir lange im Gedächtnis bleiben, es war und ist die Temperatur der Pandemie.

Am Sonnabend ging ich zum Einkaufen. Ich war in drei Läden, in jedem war ein anderes Regal leergefegt, Nudeln, Mehl, Zucker und Speiseöl, die Leute kaufen wieder ein wie die Irren und wenn man sieht, was zuerst fehlt, dann machen sie vermutlich alle enorm viele Pfannkuchen, gesund ist das nicht. Auch die leeren Regale weisen jedenfalls zurück, das war doch schon einmal dran, die Phase hatten wir bereits, wie durcheinander ist alles. Früher lief alles chronologisch ab, das war auch schön.

Ich bin dessen ungeachtet schon seit sieben Tagen grundlos gut gelaunt. Ich komme nicht darauf, warum das so sein könnte. Ich überlege, was sich grundsätzlich verschoben haben könnte, worin die Erleichterung eigentlich liegt, es fällt mir nicht ein. Ich bin einfach gut gelaunt, das ist jetzt so. Es ist alles nur eine Phase und nach dem Tod erfährt man von einem freundlichen Wesen im Jenseits, dass die Stimmungen im ganzen Leben übrigens stets rein zufällig verteilt waren – das wäre doch eine wunderschöne Pointe für den Freundeskreis Overthinking, nicht wahr.

Eine Parkbank mit einem Herz in den Farben der Ukraine

Ich fuhr am Sonntag auf dem Rad durch einen Park, ich fand dabei alles schön. Die Menschen sahen nett aus, die Sonne schien, die Narzissen blühten leuchtgelb. Es war alles erstaunlich freundlich angerichtet und sah ungemein gut aus. Ich verliere den Verstand, dachte ich, aber es macht nichts, und es ist ja auch kein großer Verlust. Ich machte ein Testselfie auf einer Parkbank, wie so ein depperter Jugendlicher im Fernflirtmodus, ich sah es mir an. Ich schien darauf zu lächeln, die Sache war also ernst.

Ein Selfie heißt auf Jiddisch Zikhele, sehe ich nebenbei auf Tiktok. Ich mag die jiddischen Wörter für moderne Dinge, siehe auch Mobilke für das Smartphone. Ich mache ein Zikhele auf dem Mobilke. Das hat doch etwas, denke ich, und ich freue mich schon wieder und grinse vor mich hin wie die Katze bei Alice im Wunderland.

Vielleicht doch mal Nachrichten lesen, dann gibt sich das vermutlich. Eine Schlagzeile am Montagmorgen bei RND: „Scholz zu Putin: Wage es nicht.“ In diesem Schulhofsound, der dazu passt, dass sich männliche Prominente neuerdings gerne öffentlich verhauen, wie ich beim Weiterlesen feststelle.

Ich glaube, es wirkt tatsächlich, die Stimmung sinkt schon. Alles im Griff.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 28, 2022 10:36

March 27, 2022

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 27.3.2022

Ich habe nur wenig Links gefunden. Ich hatte aber auch wenig Zeit, was daran liegt – ich bringe das Tagebuchartige mal eben hier unter -, dass uns der letzte Sturm im Garten acht Meter Zaun gekostet hat, die wir jetzt ungeplant und mal eben zwischendurch durch eine Hecke ersetzen werden. Denn ein neuer Zaun, so die überaus schlaue Überlegung, wäre teuer und würde im nächsten Herbst nur wieder umgestürzt werden, eine Hecke aber hat im besten Fall mehr Widerstandskraft und also ein besseres Preis-Leistungsverhältnis. Na, man hofft immer so vor sich hin. Der künftigen Hecke jedenfalls stehen zwei junge Kirschbäume im Weg, die müssen dringend woanders hin, und zwar noch im März, also quasi gleich. Weil Termine, weil Pflanzzeit, weil Wetter, weil Heckenlieferung. Daraus ergeben sich allerdings ungeahnte Dominoeffekte, denn wenn die Kirschen dahin kommen, dann muss das dort weg, was jetzt da ist, und das muss dann hierhin und jenes wiederum, was ist das eigentlich, muss dann da rüber, und wenn wir das alles bis zum Ende überlegt haben, einmal quer durch den ganzen Garten, wissen wir erstens nicht mehr, wo wir eigentlich angefangen haben, und haben zweitens das seltsame Gefühl, wir müssten, wenn wir schon dabei sind, die ganze Gartenkolonie insgesamt ein wenig besser anordnen. Es ist kompliziert.

Dabei haben wir eigentlich keine Zeit für Gartenarbeit, die nächste Woche ist ohnehin schon absurd voll, das Wetter wird schlechter, der Rest der Welt womöglich auch, es ist ein Kreuz.

Wir wollen ein Pflanzloch graben, mir fällt ein, wir haben keinen Kompost mehr, wir müssen also alles noch einmal verschieben. Und ich brauche lange, viel zu lange, um darauf zu kommen, dass man sich Kompost auch einfach leihen kann, bei den zahlreichen anderen Gärtnerinnen, das ist eigentlich kein Problem. Aber ich habe nach zwei Jahren entsozialisierender Pandemie andere Menschen als Möglichkeit wohl nicht mehr so recht parat. Schlimm.

Aber das nur am Rande, pardon, es geht eigentlich um Links zur Ukraine, und was ist das hier überhaupt für eine krude Mischung, Kirsche und Krieg. Wozu wir jetzt alle im Chor das sagen können, was man zurzeit dauernd hört: „So ist es eben gerade.“

Zum Krieg kann man auch einmal einen neuen Aspekt in den Blogs finden, etwa hier bei Jochen, die Sache mit der nationalen Selbstüberschätzung.

Ein Aufkleber: Stoppt Putin

***

Frau Diekmann dagegen ist bei einem Aspekt, den wir vermutlich alle kennen, aber das kann man ruhig dennoch lesen – und im Geiste immer weiter ergänzen. Es fällt allen etwas dazu ein, denke ich. Aber bitte auch den ollen Kempowski dabei im Ohr behalten, denn uns geht’s ja noch gold.

Und das war es schon. Peace.

Eine Tafel vor einem Blumengeschäft mit einer Friedenstaube und dem Peace-Zeichen

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 27, 2022 11:49

March 25, 2022

Er war immer schon da

Cem Basman ist gestorben, ich las es heute auf Twitter. Er war, falls Sie den Namen nicht kennen, einer, der online immer schon da war. Er hat gebloggt, bevor ich gebloggt habe, er hat getwittert, bevor ich getwittert habe, und vermutlich war er bei vielen weiteren Tools oder Diensten immer schon dabei und User der ersten Stunde, bei Tools oder Diensten, die wir heute längst wieder vergessen haben. Er war auch einer der ersten Menschen aus diesem Internet, die ich im sogenannten Real Life kennengelernt habe, es ist schon Ewigkeiten her. Und er war einer der Ersten, der mein Schreiben gut fand, der darin weitere Möglichkeiten gesehen hat.

Er hatte mich auf einen Kaffee eingeladen, vor gefühlten hundert Jahren, nur um mir das zu sagen. Dass aus meinem Schreiben Bücher werden sollten, Artikel, Kolumnen, so etwas in der Art. Dass ich davon doch ganz oder wenigstens teilweise leben können müsste, wenn ich mich online immer so weiter als Marke … Das war noch bevor irgendwer Bloggen und Geld und Schreibaufträge ernsthaft in Verbindung gebracht hat, das war aus heutiger Sicht geradezu hellseherisch. Ich habe mich damals gefreut über das Gespräch, das war eine großartige Bestätigung und Ermutigung, das war ein kräftiger Schubs nach vorne. Er wollte dann meine Pläne verstehen und war überrascht und überhaupt nicht damit einverstanden, dass ich gar keine hatte. Er hätte sie gerne kommentiert, die Pläne, und vermutlich wäre es sinnvoll gewesen.

Ich habe heute erst verstanden, bei wie vielen Menschen er so in Erscheinung getreten ist, ich las es in meinen Timelines auf Twitter und FB. Sowohl als Privatmensch als auch als „serieller Unternehmer“, wie er sich bezeichnete, und als hervorragend vernetzter Immer-schon-da-Mensch in der Online-Szene hat er andere nachdrücklich auf Chancen hingewiesen. Er hat manche zu großen Projekten animiert und andere in wilde Vorhaben eingebunden, teils sehr spontan und wildwest, er hat ihnen neue Aufgaben gegeben, er hat zugetraut und Mut gemacht. Er hat in Möglichkeiten gedacht und ich denke, er konnte das ganz erstaunlich gut. Menschenkenntnis, die hatte er wohl. Die meisten Menschen glauben von sich, eine gute Menschenkenntnis zu haben, aber in Wahrheit haben sie wohl nur wenige. Ich z.B., ich habe sie eher nicht, das habe ich erst peinlich spät verstanden. Aber Cem – das muss man wohl als bewiesen betrachten, er hatte sie.

In den letzten Jahren hat er hier um die Ecke an der Grundschule, auf der auch die Söhne waren, noch etwas ehrenamtlich gearbeitet, ich bin ihm dabei ab und zu über den Weg gelaufen. Die Kinder mochten ihn da, das sah man, er hatte eine angenehme Art, mit ihnen zu reden.

Er war schon eine ganze Weile nicht mehr online, mehrere Jahre nicht. Er hatte andere Prioritäten, nachdem er in der Folge von gesundheitlichen Problemen lange darüber nachgedacht hat, was Prioritäten wirklich sind. Ich hatte den Eindruck, dass er sich aus seiner Sicht gut entschieden hat, und ich hoffe, das stimmt so.

Was ich aber eigentlich nur sagen wollte – dieses Mutmachen, dieses Denken in Möglichkeiten, dieses Motivieren, das war etwas, das mir gut in Erinnerung bleiben wird, das war, der Begriff ist wohl angemessen, vorbildlich.

Über seinem letzten Blog stand: „Vogel fliegt, Fisch schwimmt, ich blogge.“ Ein Satz, mit dem ich immer noch etwas anfangen kann.


Du warst ein inspirierender und herzlicher Mensch. Wir sind dankbar, Dir begegnet zu sein. pic.twitter.com/JnsYHzAQvv


— AKRA GmbH (@AKRA_Hamburg) March 25, 2022


***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 25, 2022 12:14

March 24, 2022

Währenddessen in den Blogs, Ausgabe 24.3.2022

Eine weitere und erfreulich lange Fortsetzung aus Frankreich. Der Text geht auch darauf ein, dass Beziehungen zu Menschen aus Russland im Moment nicht unbedingt einfacher werden. Ich glaube, ich lese zum ersten Mal in einem Blog davon. Oh, und ich sehe gerade, es geht sogar schon weiter, die Kinder kommen zur Schule.

***

In dem Gebäude, in dem ich bislang nachmittags Kurse für Kinder angeboten habe, haben wir jetzt einen Freiwilligenstab eingerichtet. In einem Zimmer werden zum Beispiel Lebensmittelspenden gesammelt, in einem anderen flechten wir Tarnnetze.

***

Frau Diekmann denkt nach, über das Helfen und das Bewerten.

***

Es gibt Deruny, warum auch nicht. Der dort verlinkte Instagram-Account „Chefs for Ukraine“ ist auch interessant. Aus dem Blogtext: „Natürlich hilft es den von Krieg und Flucht betroffenen Menschen wenig, wenn ich Rezepte aus der Ukraine koche. Es fehlen mir zum aktuellen Weltgeschehen die (richtigen) Worte. Es schmerzt, dass viele Werte, mit denen ich groß geworden bin und auch unseren Kindern vermittelte, nicht mehr gelten. Ukrainische Rezepte zu kochen ist daher ein Ventil für meine Sprachlosigkeit, Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 24, 2022 12:18

March 23, 2022

Metöken, Periöken, Spartiaten

Von gestern ist noch zu erwähnen, dass die Herzdame am Abend mit Sohn II etliches zum Fach Geschichte durchging, es war die finale und intensive Vorbereitung auf eine Klassenarbeit. Und weil sie sich dabei dauernd drillsergeantmäßig und in verblüffender Lautstärke angeschrien haben, nur aus Spaß, versteht sich (wer lacht, lernt besser, sagt die Psychologie), hatte nicht nur ich, sondern hatten vermutlich das ganze Haus und auch Teile der Nachbarschaft etwas davon, und alle wissen daher jetzt etwas mehr über die Metöken, die Periöken und die Heloten. Erinnern Sie sich? Etwa sechste Klasse war das damals, und ist es heute noch. Ich fand es amüsant, dass die Kinder das immer noch so wie wir lernen, über weite Strecken die gleichen Inhalte, die exakt gleichen Stichwörter, die gleichen Zahlen, die man für eine Arbeit unbedingt parat haben muss, weil man dann eben „Klassisches Griechenland“ befriedigend oder sogar gut kann. Die Polis, Plural Poleis, der Rat der 500, die Strategen, Sparta, Attika, Akropolis, die Pnyx, es fällt einem manches wieder ein, wenn man mit Kindern lernt. Brachliegendes Schulwissen, nur bedingt abrufbereit.

Allerdings nannten die beiden die Bewohner von Sparta dauernd „Spartiaten“. Das ist vollkommen korrekt, man kann das nachlesen, aber das war wieder ein Begriff – ich könnte wetten, wir haben damals Spartaner gesagt. Ich könnte wetten, ich habe das Wort Spartiaten noch nie vorher gehört. Aber ob das möglich ist, kann ich da denn richtig liegen? Oder ist das wieder einer dieser typischen Zeugenfehler? Dabei fällt mir ein, was ich gerne einmal hätte, nämlich eine Übersicht der veränderten Inhalte in den Lehrplänen – meine Generation gegen die heutigen SchülerInnen. Das würde mich interessieren, all die Neubenennungen, die frischen Fachbegriffe, die Korrekturen, auch die Methodenwechsel etwa in Mathe, die signifikanten Verschiebungen der Inhalte in Bio und Deutsch etc., was alles weggefallen ist, was es bei uns vielleicht noch nicht gab, das würde ich gerne aufgelistet sehen in einer schicken Tabelle. Aber das wird es wohl nicht geben, ich weiß. Schade.

***

Falls Sie beim Nachrichtenkonsum auch leicht ins Monothematische verfallen, was zwar naheliegend, aber vielleicht dennoch falsch ist – es gibt z.B. den Newsletter von Sham Jaff: „What happened last week“. Da fällt einem bei der Lektüre, der Text ist jeweils nicht lang, der Rest der Welt wieder ein. Oder zumindest die Teile davon, in denen schon wieder etwas passiert. Es sind jeweils einige Details und Storys enthalten, die im Strom der Hauptnachrichten und Ticker eher nicht prominent vorkamen. Macht einen nicht dümmer, der Newsletter.

Wenn Sie danach immer noch dringend Ablenkung brauchen, lesen Sie Jasmin Schreibers Naturarium, auch das ist ein Newsletter. Der bringt Sie auf andere Gedanken, neulich etwa ging es um betrunkene Insekten. Da es aber um die Natur geht, fällt nicht immer alles vollständig erheiternd und grundpositiv aus, denn da gibt es bekanntlich auch das eine oder andere Problem, mit dieser Natur. Oder eher mit uns, schon klar. Dennoch ist er empfehlenswert, der Newsletter.

Noch ein Buch. Ich lese gerade „Februar 33 – Der Winter in der Literatur“ von Uwe Wittstock“, hier einige Rezensionen dazu. Es ist so geschrieben, wie Dokumentationen heute fast zwingend gefilmt werden, also unterhaltend, mit belebten Szenen, teils frei interpretierend, natürlich recht eng an den Fakten, aber doch eindeutig bunt ausgemalt – und wie bei diesen Dokumentationen auch, man kann das mögen oder nicht. Ich finde lesenswert, dass die Bezüge zwischen den Hauptpersonen dargestellt werden, also wer sich wie kannte und wo begegnete, das kommt bei der Beschäftigung mit Einzelnen kurz. Ansonsten ist das Buch selbstverständlich eher bedrückend, und je mehr Fantasie man hat, desto schlimmer ist es. Aber doch, es interessiert mich. Und es geht um eine untergehende Demokratie, man kann sich nebenbei also schön Bezüge zur Gegenwart basteln, falls man versehentlich noch gutgelaunt ist.

Ein Aufkleber mit dem Text:

Die Büchereibücher, die ich im Urlaub gelesen habe, habe ich gestern wieder weggebracht. Ich weise noch einmal auf die zwei Romane hin, die mir länger im Gedächtnis bleiben werden, zum einen war das die „Mitternachtsblüte“ von Maria Matios, zum anderen war es das „Internat“ von Serhij Zhadan. Die waren gut, diese beiden Bücher, die haben mich sehr beschäftigt. Auf eine andere Art fand ich auch das „Lächeln meines unsichtbaren Vaters“ von Dmitrij Kapitelman erhellend und horizonterweiternd.

***

Am Sonnabend sind wir nicht direkt von Eiderstedt nach Hamburg gefahren. Es fanden mehrere Demonstrationen mit Ukrainebezug im Innenstadtbereich statt, also vor unserer Haustür, wir wären da vermutlich nicht leicht durchgekommen. Daher machten wir Halt in einem „Erlebnisbad“ vor den Toren der Stadt, das ich freiwillig nicht betreten würde, aber ich habe Söhne, die da gerne hingehen. Dort saß ich unter strikter Vermeidung des Kontaktes mit Wasser am Beckenrand und hörte konzentriert „Die Maske des roten Todes“ von Edgar Allen Poe als Hörbuch. Ich kann mit Poe nicht viel anfangen, mit schwarzer Romantik generell nicht, aber diese Geschichte zu hören, während statistisch betrachtet gleich mehrere Gäste hochinfektiös um mich herumalberten – das war schon sehr stimmig. Es ist eine drastische Seuchengeschichte, und wenn Sie eine Poe-Ausgabe greifbar haben, lesen Sie die Story ruhig mal eben nach, sie passt gerade gut und man ist bald durch. Die Geschichte endet schnell, das Leben der beteiligten Personen auch, wie es bei dem Thema und dem Autor naheliegt.

***

Hier noch ein lesenswerter Bericht aus dem Berliner Hauptbahnhof.

***

Und schließlich Sascha Lobo über Warfluencer. Er benennt da als Beispiel Valeriesssh auf Tiktok, der ich auch folge. Und wenn Sie auf Tiktok sind – ich denke, ihre Beiträge lohnen auch im Nachhinein noch.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

Es folgt Werbung

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on March 23, 2022 12:32

Maximilian Buddenbohm's Blog

Maximilian Buddenbohm
Maximilian Buddenbohm isn't a Goodreads Author (yet), but they do have a blog, so here are some recent posts imported from their feed.
Follow Maximilian Buddenbohm's blog with rss.