Maximilian Buddenbohm's Blog, page 163

June 21, 2020

Auf Schlingerkurs

Ich gehe mit Sohn II spazieren, wir gehen durch die Stadt. “Komm in den totgesagten Kaufhof und schau”, sage ich, aber George hat er noch nicht gehabt, und er hält seinen Vater nur wieder für etwas seltsam. Wir gehen in den Kaufhof und dort die Rolltreppe runter in die längst verkümmerte Schreibwarenabteilung, wohin auch sonst. Wir gehen an den Stiften und Heften und Ordnern vorbei, wie waren da in den letzten Jahren wirklich oft und auch lange, wir murmeln leise: “Also an uns lag es nicht.” Wir kaufen noch einmal Stifte. Die Verkäufer tragen in diesem Haus immer schon schwarze Kleidung, aber heute wirkt sie noch schwärzer und einer guckt so traurig, da will man eigentlich gar nicht mehr stören. Das Kaufhaus ist leer. Vielleicht ist es auch die ganzen letzten Woche so leer gewesen, Corona und die Folgen. 


Wir sehen uns noch einmal um, auch in den anderen Abteilungen, und der Sohn sagt: “Das ist hier ganz schön viel Zeug für sehr wenig Leute.” 


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Wir machen später am Tag den Kajak flott und umrunden die Billerhuder Insel, die Herzdame, Sohn II und ich. Sohn I ist anderweitig unterwegs, die Wege des jungen Herrn sind unerforschlich. Er ist in wenigen Wochen Teenager, das will natürlich auch vorbereitet sein und ist also schon in Ordnung. Sohn II ist in diesem Fall aber eh die besser Begleitung, der neigt nämlich immer wieder zum Extremsportlertum und wir Eltern müssen daher kaum rudern, er macht das schon. Es schlingert etwas und der Kurs ist beim besten Willen kein gerader, wir brauchen auch eine Weile, um uns beim Steuern zu einigen, es geht auf dem Wasser zu wie im richtigen Leben. Von den Rudern fällt immer wieder im Sonnenlicht aufleuchtendes Spritzwasser auf uns herab, das Wasser ist erstaunlich warm und fühlt sich hochsommerlich an. Es dauert nur zehn Minuten, dann fängt es an, das Aufdemwassergefühl, und der Tag wird anders. Diese andere Geschwindigkeit, dieses leichte Schaukeln, das Gleiten, das Funkeln auf dem Fluss, die vorbeiziehenden Gärten und Stege auf der einen Uferseite, es beruhigt alles ungemein. Jeder Garten ist anders, was man da alles ablesen kann, wie die Bewohnerinnen ticken. Wie verwunschen schön einige Stellen aussehen, wie grauenvoll hässlich andere, wie angeberisch das da, wie bescheiden lieblich das da, wir fahren langsam von guck mal hier zu guck mal da. Fahren, treiben und hinsehen, nur lässig rudern und ab und zu Anglern winken. Wirklich, ich kann ein wenig Entspannung nicht leugnen, ich sollte das vielleicht öfter machen. 


Auf der anderen Uferseite Hammerbrook mit Fabriken, Werkshallen und raumgreifenden Industrieklötzen. Da darf man nicht hochsehen, das deprimiert nur. Die grauen Betonbauten reichen bis ans Wasser, aber das hat auch einen Vorteil, denn das Ufer ist dadurch vollkommen unberührt. Da geht nie jemand längs, da liegt keiner in der Sonne, da grillt keiner, da schmeißt keiner Abfall hin, da feiert keiner, da legt auch keiner an. Da hängen nur die Zweige der Weiden ins Wasser und darin nisten, brüten und schwimmen Haubentaucher und Enten. Gänse patrouillieren würdevoll vor Küken und sonst ist da nichts, dieses Ufer ist untenrum schön, man darf nur den Blick bloß nicht heben. Man muss die Augen ein wenig eng machen, dann ist das eine Schmalfilmuferexpedition. Der Anblick ist zauberhaft und so ein Haubentaucher im Halbdunkel des schwimmenden Geästs ist allemal besser als gar kein Tierfilm. 


Immer wieder faszinierend, wie wenig man machen muss, um in seiner Stadt in einer ganz anderen Stadt zu sein. 


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Den Sonntag habe ich nahezu komplett verschlafen, ich brauche Urlaub. Ein Nickerchen nach dem anderen, nach dem Schläfchen ein Päuschen und dann noch einmal hinlegen und danach kurz mal die Augen zu, der ganze Tag war eine Serie von ausgedehnten Halbschlafmomenten – aber wach war er noch immer nicht.


Ich denke im Dämmer über die Weltlage und große Themen nach, über Ungerechtigkeiten und Skandale und Missstände, ich komme zu einem Schluss, für den ich eine Formulierung vom Herrn von Horváth umbauen muss: Eigentlich bin ich Extremist, ich komme nur nie dazu.


Die ersten Himbeeren, die ersten Kirschen, Zuckererbsen direkt aus dem Geranke. Zwei Kohlrabi. 


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Musik!





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Published on June 21, 2020 11:34

June 20, 2020

Links am Morgen

Das war es jetzt also mit dem Neustart. Alles wie immer, den Irrsinn vor Augen.” Sibylle Berg über das Weitermachen


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Währenddessen in Israel: “Als Infektionsherde erwiesen sich außerdem Schulen, die zusammen mit der Wirtschaft wieder aufmachten. “Sie wurden schnell zu Clustern”, sagt Cohen. Mehr als vierzig Prozent der neuen Corona-Fälle seien Kinder, die sich im Unterricht angesteckt hätten. Inzwischen sind etwa 200 von 5000 Schulen im Land wieder geschlossen, weil sich dort Hotspots gebildet hatten. “


Klingt irgendwie nicht ganz wie Regelbetrieb. 


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Der Deutschlandfunk über Wolfgang Welt. Auf Spotify gibt es “Ich schrieb mich verrückt” – Frank Goosen liest Wolfgang Welt. Da ruhig mal reinhören!


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Frau Novemberregen über das Home-Office Das Thema ist ungeheuerlich umfassend, finde ich auch, und es betrifft nicht nur die ganzen praktischen Fragen, wie drüben im Blog einleuchtend aufgezählt, das betrifft auch so gut wie jeden Punkt, an den man eine Sinnfrage kleben kann.


Ein Sohn macht hier Mathe in der Home-School, auf die viele Home-Office-Fragen auch zutreffen. Ein Freund ruft an und fragt, ob er zocken kann. Es ist 10 Uhr am Vormittag an einem Werktag. Der Sohn überlegt, dass er seine Home-School auch auf den einladend freien Sonntag verlegen kann. Kann er? Kann er nicht? Jede dieser Fragen braucht eine sinnvolle Antwort und schon über diese eine kann man lange nachdenken. Das rüttelt aber stets an Grundfesten, wenn man nur lange und gründlich genug nachdenkt.


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New York nach dem Lockdown: “Zum ersten Mal hupen Autos ungeduldig auf dem Broadway. Es sind vier Autos nacheinander.


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Published on June 20, 2020 22:30

Links am Morgen

Ich habe hier für das Goethe-Institut etwas über das Komplikationsparadox geschrieben.


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Ein Wort gelernt: Exnovation. Nie gehört, dabei ist es doch eine interessante Sache, darüber muss ich auch in ganz anderem Kontext mal nachdenken und dann “Exnovieren” auf die To-Do-Liste schreiben.


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34 Grad im Schatten in Sibirien. Aber das ist ja weit weg und wenn es da einen Badesee oder so etwas gibt, dann machen wir da eben Tourismus hin. Das wird schon. 


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Noch ein paar krasse Zahlen.


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Beim Anna-Tyler-Marathon bin ich bei “Die störrische Braut” angekommen, das ist ein kleiner Shakespeare-Scherz von ihr, das geht schnell.


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Published on June 20, 2020 01:12

June 19, 2020

Wo dich keiner hört

Vor dem Hauptbahnhof liegt ein Betrunkener und schnarcht. Er fällt da natürlich nicht weiter auf, da guckt keiner hin, das ist hier normal. Er liegt in der sengenden Sonne, er trägt schwarze Klamotten und gesund kann das nicht sein, aber von gesund ist er vermutlich ohnehin recht weit entfernt. Er lehnt sich halb liegend und halb sitzend an einen der roten Mülleimer. Sein Kopf ist seitlich über die Schulter weggekippt, in einer Haltung, die schon vom Zusehen schmerzt. Seine Kiefer klaffen erheblich auseinander. Das wäre alles nicht bemerkenswert, also im Hauptbahnhofkontext jedenfalls nicht, wenn nicht genau neben seinem Mund so einer dieser Aufkleber mit lustigem Text wäre, die hier seit Jahren auf jedem Mülleimer kleben. Texte wie “Ich bin die Dreck-Queen” oder “Bin für jeden Müll zu haben” kleben da, “Einer muss den Job ja machen” und “Ich bin jung und brauche den Müll”, so etwa in der Art. Es gibt mittlerweile ziemlich viele Textvarianten, die vermutlich schon seit langer Zeit nur noch einige Touristen amüsant finden, aber egal, das gehört jetzt so. 


Direkt neben dem sperrangelweit aufgeklappten Mund des Schlafenden also klebt auch so ein Text, ein selten brutaler und zynischer Zufall klebt da, denn dort steht: “24 Stunden geöffnet”.


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Eine Studentin aus dem Büro der Herzdame beschwert sich über ihren Home-Office-Arbeitsplatz, das sei alles so furchtbar klein und eng und unbequem bei ihr. Die Herzdame schickt ihr kommentarlos ein Foto unseres Wohnzimmertischs, vier Notebooks darauf und ein Tablet, Papierstapel, Handys, Lineale, Geodreiecke, Federtaschen, Füller, Hefte, Schulbücher, Ladekabelgewirr, ausgetrocknete Rohkost und Wasserflaschen. Die Studentin schreibt zurück: “Okay, es geht schon wieder.”


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Ich fahre morgens ins Büro, ich steige in eine S-Bahn. Der Wagen ist, welch ein seltsamer Zufall, nur mit Frauen besetzt. Aber noch seltsamer, es sehen alle, soweit man es trotz der Masken erkennen kann, sehr gut aus, also in so einem Werbeprospektsinne gut, gepflegt und jeder Schönheitsnorm genügend, es ist auch jedes Kleidungsstück gebügelt und vermutlich gerade gemäß der Sommerkollektion neu erworben, zumindest sieht es alles so aus. Mehrheitlich tragen sie auch alle diese blauen OP-Masken – im Grunde kann diese Szene gar nicht echt sein. Ich sitze aber dazwischen und fühle mich wie immer, also einigermaßen real. Es wirkt alles wie in einem Videoclip und ich warte darauf, dass die Musik einsetzt und die Damen anfangen zu singen und/oder zu tanzen, das Bild sieht geradezu zwingend danach aus. Es passiert aber nichts, sie fahren alle einfach nur S-Bahn. Sie fahren S-Bahn wie Sie und ich, und ich stelle wieder fest, dass ich durch MTV damals auf völlig falsche Muster geprägt worden bin.


Egal. Ich steige aus und singe selber. Die Straßen von Hammerbrook sind nach wie vor ziemlich leer, die Mehrheit der Sachbearbeitungsarmee ist noch im Home-Office, mich hört hier keiner. 


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Published on June 19, 2020 10:40

June 18, 2020

Links am Morgen

Eine kurze Ausgabe für einen kurzen Freitag, was bezüglich der Länge des Wochentages natürlich nur Wunschdenken ist. Der erste Text ist sehr kurz, im Grunde reicht da sogar das Bild, also bitte, es ist alles to go.


So gehören Pop-Up-Radwege (Hallo Hamburg?)


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Für die kleine Angeberei zwischendurch, diesem Text hier kann man entnehmen, warum das Beige so heißt, wie es heißt. Und dann kann man bei gewissen Beiges bestreiten, dass sie der echten Beige-Idee entsprechen, da führt man also endlich mal wieder kultivierte Diskussionen, sogar ganz ohne Corona-Bezug.


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Published on June 18, 2020 22:11

June 17, 2020

Ins Museum

Herr Brunotte hat hier gefragt, ob ich wieder ins Museum gehen würde, ich möchte dazu kurz meine Vorstellungen beschreiben. Und zwar, das muss man dabei verstehen, handelt es sich dabei um die Vorstellungen eines Vaters mit posthomeschoolischen Belastungsstörungen. 


Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß gar nicht, wie es sich gerade mit den Museen verhält, sind die offen und wie genau, das habe ich komplett verpasst. Was auch jahreszeitlich bedingt ist, der Sommer ist irgendwie keine Kultursaison bei mir, da passe ich eher nicht auf. Ich habe aber schon oft über Museen geschrieben, ich gehe da gerne hin, soweit ich mich erinnere. 


Ich stelle mir also vor, ich gehe ins Museum. Das habe ich seit dem Winter nicht mehr gemacht, und wie lange ist der Winter bloß her, der war ja noch vor dem März mit seinen zehn Wochen Dauer und dann gab es noch einige andere Monate. Das Museum, in das ich in meiner Vorstellung übrigens ohne jede Begleitung gehe, es ist noch gar nicht lange wieder auf und nur mäßig gefüllt. Sowieso macht mir ein Museum nur Freude, wenn es bestenfalls mäßig gefüllt ist. Sonderschauen mit Hunderttausenden von Gästen – eher nein, ein Museum braucht Weißraum, schon gar nach Corona. Das Museum, es ist ganz gleich, um welches es sich handelt, ist vielleicht sogar eher leer, das gefällt mir dann gleich noch viel besser. Auf den Gängen höre ich daher die eigenen Schritte und das Wachpersonal sieht mir nach, wenn ich an Räumen vorbeigehe. Ich trete hier und da an Vitrinen und vor Objekte und Bilder, ich lese manchmal etwas nach. Getrieben bin ich dabei ausschließlich von Lust und einer äußerst angenehm entspannten Vorform der sonntäglichen Langeweile, nicht aber von Bildungsehrgeiz und Recherchedruck, schon gar nicht von irgendwelchen Zuständigkeiten. Ich gehe da nur so herum und muss gar nichts. Vielleicht finde ich dabei aber etwas, deswegen gebe ich etlichen Ecken ein oder zwei Chancen. In Museen findet man nämlich oft die Anfänge von Gedanken, während man sich das Ende von Dingen besieht. 


Ich habe also kein Kind dabei. Es ist überhaupt kein einziges Kind im Museum, die Museumspädagogik hat heute frei, der Kinderbereich ist geschlossen. Museumspädagogik ist super, gar keine Frage, aber heute nicht, heute stört sie meine Vorstellung. Die Ausstellungen sind in meiner Vorstellung eh ausdrücklich sterbenslangweilig für Kinder, sie sind im Grunde für sie völlig unzumutbar. Es werden Handschriften von toten Dichtern gezeigt, unleserliche Zeilen mit Federn notiert. Daneben hängen Ölgemälde mit dicken Menschen darauf, die überhaupt nichts anhaben, langweilige Tempel daneben und brave Schafe im Hintergrund. Einen Raum weiter gibt es Keramik, nichtssagende graubraune Scherben in 236 Variationen mit vielen Erläuterungen dabei, so etwas. Dinge, für die man Kinder unmöglich begeistern kann, bei keinem einzigen Objekt denke ich, dass das aber etwas für einen Sohn wäre. Nein, es ist alles nur meins, es ist alles wahnsinnig erwachsen, ich finde es großartig. 


Ich gehe ziellos entspannt durch die Gänge. Ich habe mir extra einen Anzug angezogen, das habe ich sehr lange nicht mehr gemacht, denn es gab keine Gelegenheit. Aber manchmal fühle ich mich intelligenter, wenn ich einen Anzug anhabe, und Intelligenz und Museum, das schien mir ganz passend. Ich habe ein Notizbuch dabei, damit wirke ich gleich noch geistreicher, bilde ich mir zumindest ein, auch wenn mir überhaupt nichts einfällt, was ich notieren könnte, wirklich keine einzige Zeile. Aber das macht nichts, ich bin ja auch nicht hier, um etwas zu leisten. 


Geleistet haben andere, und es ist schon so dermaßen lange her, dass sie es getan haben, man muss sie gewiss nicht mehr loben dafür und man muss sie auch nicht mehr zu weiteren Leistungen motivieren. Man kann sich die Ergebnisse einfach ansehen und irgendwie finden, es ist vollkommen egal, das ist so unfassbar entspannend. Ich stehe vor einem Gemälde und denke: “Na ja”, das macht dem Künstler rein gar nichts aus. 


Ich muss mir auch nichts merken, es wird nichts abgefragt, es kommt auch nichts morgen wieder vor. Ich lese den Namen eines Malers. Ich gehe ein Bild weiter und ich weiß den Namen schon nicht mehr. Ich finde das ziemlich gut so und lächele ein blassrosa Aquarell an, das hat jemand gemalt, den ich mir auch nicht merke, und zwar tat er dies in einem Jahr, das mir total egal ist, an einem Ort, der mich nicht interessiert und das gehört dann zu einer Kunstrichtung, auf die ich nicht komme. “Hübsch”, denke ich, und das ist ja auch eine Würdigung. 


Ich muss hier mit niemandem reden, und, was noch besser ist, es wäre sogar komisch oder verdächtig, wenn ich mit jemandem reden würde. Smalltalk im Museum, soweit kommt’s noch. “Na, auch hier?” Nein, das macht man nicht. Ich schweige begeistert, ich gehe leise. Da, der Gang in den anderen Flügel ist völlig menschenleer, ich wandere sachte hindurch wie ein Geist und flackere so an den Säulen vorbei. Wo auch immer ich da hinkomme, ich weiß es gar nicht, das merke ich ja dann. 


Ich gehe ins Museumscafé und kaufe mir zwei Stück Kuchen, die teile ich mit niemandem. Dann bleibe ich da einfach nur sitzen und erkläre es keinem. Ich gucke mir die Decke an und erläutere nicht, wo ich hinsehe und warum, ich verkünde auch nicht, wann es weitergeht. Es geht weiter, wenn ich es will, und ich lehne mich zurück und will nicht.


Auf den Plakaten an den Wänden sind Zeugnisse vergangener Kulturen abgebildet. Die Angehörigen dieser Kulturen hatten Kinder, die haben jahrelang irgendwas gelernt, das weiß heute alles kein Schwein mehr. So wird es mit unserer Schulbildung auch sein, denke ich. Es dauert nur noch ein wenig und ein Bild wird im Museum hängen, darauf sind ein Vater und seine Söhne, die machen gemeinsam Mathe an einem vorsintflutlichen Notebook. Darunter steht “Home-School, etwa 2020”. Eine Besucherin wird kopfschüttelnd daran vorbeigehen, nee, was die früher alles gemacht haben! Na, das ist aber sicher lange her. Und sie beugt sich vor und liest noch einmal die kleine Jahreszahl, dann schüttelt sie sinnend den Kopf. 


Ja, ich gehe auf jeden Fall bald wieder ins Museum. Ich merke gerade, es zieht mich dahin. Ein Museum ist ein Raum, in dem mir nichts gehört – und es wird alles, alles meins sein. Das wird schön, stelle ich mir vor.


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Published on June 17, 2020 12:42

June 16, 2020

Links am Morgen

That escalated quickly. Via Daniela Warndorf auf Twitter. Währenddessen gehen die Gymnasien in Hamburg vom “Regelbetrieb” nach den Ferien aus. Ein ganz finsteres Wort übrigens, Regelbetrieb, wirklich schlimm. Verfahrenstechnik, Fließband, Norm, Maschinen, Schichtbeginn und Ende, Werksferien. 


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Vom Aufräumen der Oasen. Ich schreibe dies gerade in einem Meer von Origami-Kunstwerken, Überresten, Schnipseln und Verschnitten, diese Oase wurde definitiv am Abend nicht aufgeräumt. 


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Steh anders auf als du fielst – Gunter Dueck über das Umgehen mit Krisen.


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Der Garten als therapeutische Maßnahme: Wenn wir selbst bemerken, dass unser Geist umherschwebt, hier und da eine Blüte oder besagten Rhythmus in der Pflanzung entdeckt, auf jenes Summen und Brummen gelenkt wird, dann schließt das System daraus: “Hey, da scheint ja alles in Ordnung zu sein, da können wir auch erst mal die Muskelspannung wieder runterdrehen”, und so geht es dann hoffentlich weiter.


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Published on June 16, 2020 21:12

Und dann jedesmal zack

Ein Vater schiebt mit einer Hand einen Kinderwagen, darin sitzt in rosafarbener Pracht seine Tochter und lächelt verbindlich alle an, die an ihr vorbeikommen, und wenig sind das nicht. Die andere Hand des Vaters liegt auf der Schulter seines Sohnes, der wird etwa zwölf Jahre alt sein und der geht da nicht gerne, das sieht man gleich. Er geht weder gerne mit noch gerne in die Richtung. Der geht so steifbeinig und mit eingezogenem Kopf, die Hände so tief in die Taschen vergraben, der will nicht, der guckt auch ganz finster, doch, das fällt sofort auf. Ich gehe neben dem Trio her, und weil der Weg hier eng ist, bekomme ich ein paar Schritte lang ihr Gespräch mit. Da fallen gerade entscheidende Sätze und es ist wohl so: Sie gehen zur neuen Freundin oder Frau des Vaters – und der Sohn guckt an dieser Stelle filmreif düster. Nein, der Vater findet die Mutter nicht schlecht, darum geht es doch auch gar nicht, der Vater sieht in den Himmel und sucht Sätze, die dort nicht stehen. Er liebt den Sohn und das sagt er auch, die Mutter liebt den Sohn auch, sowieso, aber darum geht es ja auch gerade nicht. Es ist aber nun jedenfalls, wie es ist, und er zieht den Jungen versuchsweise ein wenig zu sich heran. Der ist allerdings nicht biegsam, wie es aussieht. Der Vater schwitzt vor Anstrengung, der Sohn macht weiter sein Weltuntergangsgesicht, die Tochter winkt weiter vergnügt. Der Vater sieht kurz zu mir und wirkt einigermaßen verzweifelt, alle Erklärungsnot der Welt im Blick.


Das waren vielleicht zehn Schritte neben ihnen. Es kann viel passieren, wenn man zehn Schritte geht. Bei Anne Tyler reicht das dann vielleicht schon für ein Romankapitel, komplett mit Wendepunkt und allem. Bei mir reicht es nur für ein paar Zeilen auf dieser Seite, es beweist aber wieder einmal, dass der gute alte Blogsport manchmal auch ohne viel Bewegung auskommt. 


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Ein Paar steigt aus einem Bus. Er geht sofort weiter, sie reißt ihn abrupt am Arm zurück, bleibt stehen und schimpft. Weil da doch ein Fahrradweg ist, also wirklich, was ist er denn bitte wieder für ein Trottel? Die Frau regt sich ziemlich laut auf. Denn das macht der Mann ja immer, so sagt sie, nie achtet er auf die gottverdammten Fahrradwege, immer wieder latscht er da drüber, dabei sind die extra so rot, die sieht man doch wohl, guck doch mal hin, also gerade hier, die sieht doch wirklich jeder, aber es ist ihm ja einfach egal, völlig egal! Kann doch nicht sein! Aber er muss das jetzt einfach lernen, denn sie haben immerhin ein Kind, und wenn er das nicht lernt, dann lernt das Kind das ja auch nicht, echt jetzt mal, und was gibt es da zu grinsen. Sie will, so hören die Umstehenden noch, so ein Elektroding kaufen, so ein Elektroding wie für Hunde, weißte, und dann jedesmal zack, gleich so einen Schlag, wenn er einen Radweg betritt und dann soll er mal sehen, ob er das nicht doch noch ganz schnell lernt, wo er so hintritt. Der Mann guckt, wer alles guckt, und er hat es jetzt ziemlich eilig.


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Vor unserer Haustür hängt ein Rudel Jugendliche herum. Sie hören Musik, kiffen und lassen Flaschen kreisen, es ist fast so lässig wie in irgendeinem Sommer v.C., als das hier noch an jedem Abend so war. Nur dass die Jugendlichen jetzt zwischendurch geradezu vorbildlich ihre Hände desinfizieren, bevor sie sich die Drogen weiterreichen. Die letzten Wochen sind an niemandem ganz spurlos vorbeigegangen. 



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Published on June 16, 2020 10:20

June 15, 2020

Links am Morgen

Wir lernen für den Smalltalk: Doom Scrolling.


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Beim Anne-Tyler-Marathon bin ich jetzt bei “Fast ein Heiliger” angekommen. Es sind aber noch einige Romane übrig. Passt schon. 


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How cities can keep air clean after coronavirus. Ganz komisch, Hamburg kommt in solchen Texten nie vor.


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Nordfriesland steht in meiner Wahrnehmung ja mehr für Urlaubsidyll und friedlichen Sommer, aber da gibt es auch abstoßende Entwicklungen. Hier noch mehr zum geschichtlichen Hintergrund.


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Published on June 15, 2020 21:27

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Maximilian Buddenbohm
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