Maximilian Buddenbohm's Blog, page 143

February 3, 2021

Der Groove

Ich klicke routiniert, allzu routiniert und eher nebenbei bei den Impfterminen vorbei, um meiner Mutter einen solchen zu sichern. Nach einer Trillion sinnlosen Versuchen in den letzten Wochen sind auf einmal tatsächlich welche verfügbar, fast hätte ich sie wieder weggeklickt, weil ich schon nicht mehr mit ihnen gerechnet habe. Ich fülle die Kontaktdaten aus, ich will sichern, da ist der Termin weg, nicht mehr frei. Sie verschwinden, während man nach ihnen greift, das nennt man dann wohl bewegliche Ziele, Termine wie Seifenblasen. Oder man nennt es Digitalisierungsrückstand, denn wie schlecht ist das denn? Ich game mich auf diese Art hektisch durch zehn oder mehr verpuffende Terminmöglichkeiten, es klappt dann irgendwann noch, doch ich bin ziemlich sicher – meine Mutter hätte das nicht hinbekommen. Das ist schon alles ziemlich schlecht gemacht, da gibt es nichts. Siehe hierzu auch Lernplattformen, aber darüber schreibe ich nichts mehr, ich soll mich nicht aufregen.

***

Mir ist das Lesen wieder komplett abhandengekommen, ich finde alles uninteressant. Ich nehme nicht an, dass es an den Büchern liegt, das Problem bin ich selbst. Ich lege das Buch weg, Hundert Jahre Einsamkeit, ich weiß nicht, was mir das sagen soll, was geht mich das an, warum ist das eigentlich so bekannt, keine Ahnung, alle verrückt. Das ist kein gültiges Urteil, ich weiß das.

Ich suche lieber Musik, ich klicke mich den ganzen Tag und den ganzen Abend wie ein Irrer durch Playlists. Ich spiele an, ich verschiebe in andere Playlists, ich überspringe, ich suche. Ich habe keine Ahnung, was ich genau suche, ich suche einen Groove. Irgendwas zwischen Funk und Groove und Jazzrap und Instrumental Hiphop, ich weiß im Grunde doch, was ich suche, ich weiß aber nicht, ob es das gibt. Treibend, aber dabei ruhig, nicht dumpf, aber doch dunkel, mit wenigen Lyrics, die mich bitte nicht interessieren müssen, raffiniert, aber nicht intellektuell, auf jeden Fall urban, aber nicht zu coffeehousemäßig, es ist wirklich kompliziert. Wenn ich diesen Sound jedenfalls finden würde, dann! Dann wäre ich auch kein Stück weiter, aber egal. Ich klickte beim Streaming so vor mich hin, und nichts zu finden, das war mein Sinn.

Aber wie überzeugend ich mir stundenlang vorgaukele, dass diese Suche wichtig sei, das ist schon faszinierend.

***

Ich durchschaue mich in bescheidener Weisheit selbst, ich erkenne immerhin, dass das nur eine Übersprungshandlung ist. Es ist die Vermeidung der großen Leere. Ich beschließe, die Leere auszuhalten. Weg mit all den Suchtmitteln, die Bücher weg, die Musik weg, die Schokolade weg, die Nüsschen weg.

Ich setze mich entschlossen aufs Sofa, ich bin einfach nur, so geht das auch. Ich sitze und atme tief, ich schlafe sofort ein. Das ist nämlich die Wahrheit, denke ich mir danach, also nach dem extended Nickerchen, im Grunde ist diese unfassbare Müdigkeit die einzige Wahrheit im Moment und den Groove suche ich nur noch, um mich nach seinem Rhythmus durch den Tag zu treiben wie einen lahmen Gaul, der schon lange nicht mehr will.

Egal. Ich nenne die neue Playlist Jazzraphopgroove, ich weiß es doch auch nicht.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!

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Published on February 03, 2021 21:29

February 2, 2021

Trinkgeldbericht Januar

Einerseits ist es etwas schwierig, unter diesem Titel einen sinnigen Text zu verfassen. Weil ja, ich schrieb und schreibe es weiterhin des Öfteren, einfach nichts passiert. Da kann ich also nach wie vor nicht beschreiben, welche Ausflüge wir gemacht haben, wo wir im Restaurant waren und was wir dabei erlebt haben, was wir Tolles in Läden erworben haben und wie wir die Trinkgeldbeträge auf wundersame Weise in Content verwandelt haben. Da war nichts. Ich kann nicht einmal über fertige Zimmer berichten, weil der Umbau unserer Wohnung nach wie vor komplett stockt und klemmt wie nahezu alles. Möbel sind weiterhin nicht lieferbar, eine größere handwerkliche Aktion lässt auch noch auf sich warten bis mindestens März, eine weitere hängt aber von dieser ab, es läuft auch bei diesem Thema wieder unerbittlich darauf hinaus, dass nichts passiert, aber das hatten wir ja schon. Es gab zusammenfassend fast keine speziellen Ausgaben, es gab aber, allerdings berichtete ich bereits, einen Stapel Mangas für die Söhne, seitdem sind sie weitgehend nicht mehr ansprechbar. Auch recht! Sehr recht sogar!

Andererseits ist es aber ganz einfach, unter diesem Titel einen Text zu schreiben. Denn man braucht ja Trost in dieser Zeit, und den bastele ich mir einfach weiterhin aus den täglichen Einkäufen zusammen und denke mir dann etwa, während ich das Toastbrot in den Einkaufswagen werfe, siehste, denke ich, das haste dir eigenhändig erbloggt. Ich rede manchmal etwas umgangssprachlich und ankumpelnd mit mir, pardon, das ist vermutlich der ebenso stete wie sinnlose Versuch, mir selbst näher zu kommen. Das haste dir also erbloggt und ertextet, so in etwa denke ich, und dann ist das ja gleich kein normales Toastbrot mehr, dann ist das ein tröstliches Toastbrot. Weil es nun einmal sehr schön ist, sich ein Brot erbloggen zu können, denn das hat doch was von „Ich mache Kleinkunst und lebe davon“, also von dieser Richtung, in der ich mich recht wohl fühle. Ich lege das Toastbrot in den Wagen und gucke bohèmehaft, da sind so die Momente, da zehre ich dann von.

Ich werde übrigens den Verdacht nicht los, dass der Februartext diesem ähnlich werden könnte, womöglich auch der vom März und was kommt dann noch einmal. Aber jetzt, wo ich das geschrieben habe, same old magic … Na, wir werden sehen.

Wie immer, ganz herzlichen Dank für jeden eingeworfenen Euro und jeden Cent, ich freue mich über jeden einzelnen Betrag! Und ich führe nach wie vor genau Buch über jede Betreffzeile, die einen Verwendungswunsch darstellt. Heute etwa kam eine Summe mit der Zeile „Für etwas Feines“, da denke ich dann erst einmal eine Weile drüber nach. Vielleicht denke ich auch sehr lange und ungewöhnlich gründlich darüber nach, ich habe nämlich ziemlich viel Spaß an diesem Nachdenken. Und Spaß, Sie wissen es vermutlich auch, den braucht man gerade dringend. Was ist denn bloß etwas „Feines“ für mich? Da könnte man doch ganze Essays dazu schreiben, wenn man erst einmal anfängt, das zu durchdenken. Faszinierend. Ich grübele weiter.

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Published on February 02, 2021 09:07

February 1, 2021

Wir warten

(Dieser Text erschien in minimal anderer Form als Kolumne in den Lübecker Nachrichten)

Man kann es drehen und wenden, wie man will, wir werden noch warten müssen. Auf fast alles. Auf geöffnete Geschäfte und Restaurants, auf Reisen, auf normalen Schulbetrieb. Auf Umarmungen und Theater, auf Kinos und Konzerte und Küsse. Auf den Frühling, das auch noch. Auf Ostern. Und wir können das nicht so gut. Wie auch, es hat sich in den letzten Jahren ja alles um die sofortige Wunscherfüllung gedreht, darum ging es doch. Das Glücksversprechen besagte, dass alles gleich möglich sei, unverzüglich, sofort. Reingehen, kaufen, mitnehmen. Jetzt ist alles irgendwann, später, in zwei, drei, vier Monaten. Im Sommer, im Herbst. Geduld ist keine glänzende Tugend, Geduld macht nichts her. Geduld macht am Ende alles gut, das will niemand hören. Ich bin einer der ungeduldigsten Menschen, die ich kenne, ich bin nicht stolz darauf. Ich bin durch die Umstände weit außerhalb meiner Komfortzone, wie man so schön sagt. Das wird in Ratgebern und Coachings oft empfohlen, sich aus seiner Komfortzone heraus zu begeben. Es heißt immer, man könne da etwas lernen. Ich bin jetzt seit dem März des letzten Jahres außerhalb meiner Komfortzone und wissen Sie was, ich glaube, das nützt mir überhaupt nichts. Ich habe hier draußen nichts gelernt, ich fand es nicht spannend, ich fand es nicht schön. Ich möchte gerne in meine Komfortzone zurück, ich fand es nett da.

Egal, erst kommt einmal, versteht sich, die Nummer mit der Geduld. Denn vermutlich ist mein Unmut nur reine Egozentrik. Ich nehme es der Situation übel, dass ich nichts von ihr habe. Aber, schon klar, so geht Weltgeschichte nicht. So geht auch ethisch korrektes Verhalten nicht. Mein Unmut ist in dieser Zeit gar nicht interessant, und ich glaube – ganz im Ernst – das ist das Interessante daran.

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Published on February 01, 2021 08:51

January 30, 2021

Links am Morgen

Christian ist sauer.

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Andere schreiben über Bäume.

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Auf Twitter wurden Tipps für Apps ausgetauscht, die manchen Tinnitusbetroffenen helfen, ein Hinweis (hier kam er her) bezog sich auf eine Seite im Browser, diese hier. Wenn Sie keinen Tinnitus haben, Sie dürfen das dennoch beruhigend finden. 

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Es taut unter Jakutien. Ein Reportagefilm (32 Min). Die Bilder vom Thermokarstkrater! Den hatte ich bisher nur auf Fotos gesehen, nicht in einem Film, der ist sehr beeindruckend und unheimlich.

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Apropos Tauwetter: You can never hold back spring.

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Published on January 30, 2021 22:50

Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe zu danken, und zwar mehrfach und besonders, denn es kamen gleich mehrere Geschenke vom Wunschzettel, nein, etliche sogar. Darunter auch mehrere Mangas für die Söhne, die herzlich grüßen lassen: „Leserinnen sind super.“ Vielleicht war es aber auch ein Leser, es lag einer Sendung kein Zettel dabei, aber Leser sind wie immer mitgemeint. Um dem Trinkgeldbericht etwas vorzugreifen, es kam auch Geld ausdrücklich für Mangas und wir haben hier eine weiterhin geöffnete Buchhandlung mit großer Mangaabteilung im Hauptbahnhof, es kam in der Folge also auch noch zu einem größeren Einkaufserlebnis der besonders freudigen Art, das gibt es ja heute kaum noch. Danke auch dafür noch einmal, danke auch für die anderen Geschenke, wir waren erstaunt und hingerissen. Oder wie die Söhne sagten: „Los, Papa, schreib schnell noch was.“

Ich bin etwas spät mit diesem Dank, das tut mir leid. Es ist nach wie vor etwas schwierig mit dem ganzen Home-Everything, es hält etwas auf. To say the least.

Vorderseite

Ich möchte heute der Bob Ross unter den Bloggern sein, ich möchte mit Ihnen ein Bild malen. Eine Kunstpostkarte! Das hatten wir noch gar nicht. Es wird, das liegt im Moment nahe, ein Schneebild. Schnee kommt hier kaum vor, ich berichtete. Aber jetzt gerade, jetzt haben wir Schnee. Für unsere ärmlichen Verhältnisse sogar viel davon, mehrere Zentimeter, und sie liegen da so herum, wie es bei Schnee üblich ist, aber üblich ist das eben längst nicht mehr in dieser Gegend.

Unser Motiv liegt vor meinem Küchenfenster, an das ich frühmorgens trete, sobald man draußen etwas erkennen kann, sobald es etwas hell wird, dann sehe ich nämlich nach, was mit der Welt ist. Ich sehe vom Küchenfenster runter auf den Kirchhof, aber das ist für unser Bild egal. Ein Kirchhof wäre ja auch viel zu kompliziert, wir wollen es einfach halten, ich sehe also nur auf eine weiße Fläche. Alles weiß da, das kann jede, Schnee ist simpel. Die Spielgeräte, den Zaun und das Mäuerchen, das denken wir uns alles weg, auch den Basketballkorb und den riesigen Findling, sogar die Kirche und die Straße daneben denken wir uns komplett weg, da ist nur eine große Fläche, ein Hof eben. Und wir gucken so auf unsere weiße Fläche und dann wieder nach draußen und denken uns: So stimmt das aber gar nicht. Denn es ist früh am Morgen und das Weiß da ist keines, das haben wir nur vom Schnee abgeleitet, weil man den immer als weiß benennt. Das ist aber in Wahrheit irgendwie – ja, wie? Dezentblau, schwachgrau, atmosphärischlila? Das schwingt da alles mit und Sie rühren da jetzt bitte was zusammen und verteilen das zügig über den ganzen Hintergrund. Das kann ruhig strukturlos sein, denn eine Struktur ist beim besten Willen nicht zu erkennen, auch nicht auf den zweiten oder dritten Blick. Eine geschlossene Schneedecke ist das. Blauschimmernd, einigen wir uns darauf.

Und dann! Die große Eiche in der Mitte des Bildes, nichts mit goldenem Schnitt heute. Ein mutig hingepinselter schwarzer Stamm, der kann ruhig etwas Kawumm haben, der dominiert das Bild etwas mackerkhaft, der wird dick aufgetragen. Dann die Äste, die mächtigen Äste vor allem. Haben Sie eine Eiche im Winter vor Augen? Die unterscheidet sich von anderen Bäumen nicht unerheblich. Wenn Sie sich vorstellen, die Eiche wäre beweglich und das Bild, das Sie da gerade sehen, wäre ein erstarrter Moment aus einem Schwung heraus – haben Sie mal diese Zeitraffer gesehen, die es von wachsenden Pflanzen gibt? Von Bohnen etwa? Das hat etwas von Ballett, wie die sich grazil und elegant irgendwo herumranken, es ist ausgesprochen bewegungsschön. Die Eiche dagegen! Nix von Ballett, eher expressionistischer Ausdruckstanz. Die Gliedmaßen in einigermaßen erstaunlichen Positionen, das sieht dramatisch aus. Würden sich Eichen schnell bewegen, sie würden herumfuchteln und Äste ringen und Muskeln zeigen. Also bitte, die Äste mit etwas Zack und Verve, sonst ist es keine Eiche.

Bis dahin ist es immer noch einfach, die helle Fläche, der schwarze Baum. Aber wenn wir jetzt noch einmal hinsehen, dann sind die Äste alle schneebedeckt und eigentlich sind sie nur halb zu sehen. Wie aber sehen wir das eigentlich? Wo der Schnee doch so aussieht, wie die Fläche dahinter. Wir sehen einen halben Ast und nehmen einen ganzen wahr, wie genau geht das. Hat der Schnee auf den Ästen eine andere Farbe als der Schnee dahinter? Errechnet unser Hirn die Wahrscheinlichkeit einer Astform, auch wenn er nur halb da ist? Das ist schwierig, sehr schwierig. Man kann noch so oft hin- und hersehen, Schnee auf Ästen ist kein Anfängerniveau. Schnee auf Ästen ist in Wahrheit scheißschwer.

Sehen Sie, ich trickse da aber jetzt, ich punkte den Schnee so auf die Äste, dann wird es wieder leicht. Schneegesprenkel, das kann wieder jeder. Puderzucker, an der einen Seite des Stammes mehr als an der anderen, versteht sich, und da ist dann Osten, von da kam die ganze Pracht. Auf dem wüstesten und dicksten Ast der Eiche aber sitzt eine Elster. An der können Sie jetzt verrückt werden, denn malen Sie mal eine schwarzweiße Elster in einen schwarzweißen Baum vor einem weißen Hintergrund, also wirklich, das führt hier etwas zu weit, ich sehe es ein.

Ich sage Ihnen aber eben noch, wie es weitergegangen wäre: Die Elster flog auf, als ich das Fenster öffnete, und der Schnee von dem Ast, auf dem sie saß, zerstob zart unter ihr und rieselte am schwarzen Stamm entlang langsam zu Boden, wo er im liegenden Schnee verschwand und für uns, für die Betrachter, augenblicklich nicht mehr war. Schnee auf Schnee, Weiß auf Weiß.

Das ist alles. Nur eine Elster, die am frühen Morgen von einem schneebedeckten Baum abhebt. Es erinnert etwas an japanische Kunst, nicht wahr: Ein im Grunde schlichtes Motiv, aber doch unfassbar schwer in der Ausführung. Und wenn man zehn Jahre lang die Elster übt, dann stimmen vielleicht endlich ihre Schwanzfedern nach nur einem Pinselstrich.

Bis zum Stamm kamen Sie aber noch mit, ja? Na, immerhin.

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Published on January 30, 2021 07:55

January 27, 2021

Links am Morgen

Tante Friedel – ein Feature von Lorenz Rollhäuser (Audio, 53 Minuten). Zwischendurch sehr traurig, Obacht. 

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Warum der Staat kein Rettungspaket für Arme schnürt.

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Lang, schulspezifisch und tiefer schürfend: Dimensionen der Bildung. Vom Flächenland der Buchkultur ins Raumland der Digitalität. Gefunden via Heike Flemming auf Twitter

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Published on January 27, 2021 21:11

Da mal drüber nachdenken

Ein Sohn hat eine Frage in der Homeschool. Ich kann sie sofort und aus dem Stand beantworten, wie so ein gebildeter Mensch. Das ist immer schön, das ist ein erhebendes Gefühl. Also zumindest kurz. Ich frage, ob er vielleicht eine Eselsbrücke braucht, um sich die Antwort künftig besser merken zu können. Ich bin nämlich sehr gut darin, Eselsbrücken zu finden, es ist wirklich eine Spezialbegabung von mir. Der Sohn sieht mich an, wie Mr. Spock drollige Lebensformen mit viel Körperbehaarung auf abgelegenen Planeten angesehen hat und sagt: „Papa. Man kann sich Sachen auch einfach so merken.“

Ich gehe leise und rückwärts aus dem Kinderzimmer. Ich setze mich wieder an meinen Computer und gebe das Passwort ein, das ich mir nur merken kann, weil … ach, lassen wir das.

***

Wie lange ich schon keinen Rollkoffer mehr gehört habe – das immerhin ist doch schön an der Pandemie. Niemand rollkoffert mehr morgens um 5 an unseren Fenstern vorbei zum Bahnhof und weckt dabei die ganze Straße. Und ich höre auch keine betrunkenen Fußballfans mehr, die nachts die Straße entlang grölen und sich brüllend immer wieder versichern, wie toll sie sind, um sich schließlich an Laternen zu übergeben. Oh ja, wir wollen Vorteile sammeln, Pandemiegewinne. Was noch? Ja, was noch. Da mal drüber nachdenken. Irgendwann.

***

Wenn ich aus dem Küchenfenster sehe, befindet sich ganz am Ende des Blickfeldes eine Kneipe. Die ist selbstverständlich geschlossen, da ist kein Licht an. Über der Kneipe sind mehrere Büros, Kanzleien und Agenturen und dergleichen. In denen ist auch niemand. Da ist alles dunkel, das ganze Haus ist nicht beleuchtet. Es ist 19:14, es ist eine Winternacht. Ich sehe die Kneipe also gar nicht. Ich sehe sie doch. Ich sehe sie, weil ich weiß, dass sie da ist. Das Stück Dunkelheit da. Das muss sie sein.

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Published on January 27, 2021 10:26

January 26, 2021

Rummeroma

Auf einem Zettel in einem Schaufenster, es geht in dem Text um Impfungen, glaube ich, steht: „Nie wieder 2020!“ Das geht zwar auch als Satire durch, ist aber ansonsten eine Forderung, die ich ausdrücklich unterstützen möchte. Und das Gute ist ja, nach meinem kalendarischen Wissen geht das formal auch klar. Es sei denn, jemand drückt einen ziemlich fundamentalen Reset-Knopf. Inhaltlich aber – zu retten, ach, zu spät, es ist alles noch einmal da. Manchmal kommen sie wieder.

Auf einer Kalender-App auf dem Handy poppen mit lustigem Ping die Sporttermine der Söhne auf. Die wische ich weg, zack, erledigt. Da, noch zwei weitere Familientermine, die wegen der aktuellen Situation ebenfalls nicht stattfinden können: weg damit. Die App befindet, dass es total super sei, was ich alles erledige. Der Bildschirm zeigt mir ein Krönchen, ich bin der King der To-Dos. Ja, denke ich, wer kann, der kann!

Ich mache das Radio an, Corona-Zahlen. Ich mache Twitter auf, Corona-Zahlen.

Ich mache Home-School. Ein Sohn ist hier mathematisch auf eine seltsame Art begabt und rechnet mir etwas vor, das ich vollkommen absurd finde. Es ist irrsinnig kompliziert, aber er findet es einfach, er sieht das so vor sich. Ich wünschte, ich würde es auch vor ihm sehen. Ich sage, das geht doch auch einfacher, und zwar so, guck mal. Ich zeige ihm das. Er sieht mich an, er zweifelt, und nicht zum ersten Mal. Er weiß es besser, und er hat Recht. Kein Tag ohne Demütigung, und sei es im Matheunterricht am Küchentisch.

Ich gehe einkaufen. Unterwegs entgleitet mir auf einmal die Contenance, ich brauche sofort Stützschokolade, dringend, jetzt. Ich kaufe Rumtraubenuss, das hilft in solchen Fällen am besten. Ich atme die Tafel ein. Es ist der Rumgeschmack, glaube ich. Als ich Kind war (als das Kind Kind war, ja, ja, das werde ich nie mehr los, gottverdammt) buk meine Mutter so gut wie jeden Tag einen ganz einfachen Kuchen, in dem war Rumaroma. Rummeroma, für mein kindliches Verständnis. Kleine Ampullen mit Rumaroma, ich nehme an, die sehen heute noch genauso aus wie damals, aber sie sind mir etwa seit dem zwölften Lebensjahr nie wieder begegnet. Meine Mutter hörte dann auf, diesen Kuchen zu backen, sie mochte ihn eh nicht. Kuchen mit Rummeroma und Sahne, jahrelang gab es den. Lange nicht mehr daran gedacht.

An kalten Wintertagen, die es damals auch im Norden noch gab, haben die erwachsenen Männer manchmal, wenn sie von der Arbeit draußen nach Hause kamen, Grog getrunken. Rum muss, Wasser kann, Zucker darf, oder wie das damals hieß. Dampfende Gläser, in denen man mit Glasstäbchen rührte, es klingelte vergnügt. Braun, süß und gut.

Ich habe heute so einen Tag, ich weiß auch nicht. Ich möchte mit anderen Bloggerinnen draußen arbeiten, ich möchte draußen hart schreiben. Ich möchte in der Kälte sein und etwas Anstrengendes tun. Dann endlich zum Feierabend reinkommen und sofort Grog serviert bekommen. Heiße Gläser in eiskalten Händen, es muss ein wenig wehtun. Ein Grog, zwei Grog, drei Grog, und die Runde – die große Runde! – wird schnell immer fröhlicher. Lachende Gesichter, die Älteren erinnern sich. Der Raum wird in kurzer Zeit so dermaßen vollaerosolt, man macht sich gar keinen Begriff.

Ich sehe die spärlich bestückte Hausbar in der Wohnung der Gegenwart durch, wie haben keinen Rum im Haus. Schade eigentlich.

Ich denke an damals und es tut kurz weh, obwohl es damals gar nicht schön war. Oder es war vielleicht doch schön, das kann auch sein, aber ich fand es nicht schön. Nicht durchgehend jedenfalls. Guck, der Lütte, was hat er wieder. Elendes Kleinsein, ich habe es gehasst. Aber Rummeroma war schön. Ich habe immer an diesen Ampullen geschnuppert und die Schüssel mit dem rohen Teig aus- und die Rührstäbe vom Mixer abgeleckt. Ich möchte wieder Rumaroma riechen. Hurra, ich regrediere, reduce to the Max.

Los, lass dich ein, es war am Ende doch alles schön. Tu nicht so abgehoben, du bist es nicht. Der Klang der Gläser mit diesen Stäbchen drin, natürlich war das schön. Kaminfeuer dabei, sehr schön, gar keine Frage. Nie wieder einen Kamin gehabt seitdem. Schlimm. Kaminfeuer war sehr schön, jeder einzelne Holzscheit ist wunderschön verbrannt, und wie gerne habe ich das gesehen. Das Nachglühen, das Aufflammen, das Verlöschen. Das war so das Unterhaltungsprogramm am Abend, wir hatten ja nichts. Schon schön! Sogar die braunen Cordsamtsessel im Wohnzimmer waren schön.

Nein, waren sie nicht. Meine Güte. Die Pandemie schlägt einem allmählich doch etwas auf das Seelchen, nicht wahr.

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Published on January 26, 2021 09:37

January 24, 2021

Links am Morgen

Bevor ich es wieder vergesse, die Kommentarfunktion war hier übrigens zerschossen. Falls Sie sich damit vergeblich abgemüht haben, pardon, das fiel mir erst spät auf. 

***

Warum wir so erschöpft sind. Ich bin, das kann ich recht sicher sagen, auch so erschöpft, weil ich in dieser ach so kontaktarmen Zeit nie oder doch viel zu selten alleine sein kann, weil ich seit bald einem Jahr dauernd Gesellschaft habe, zwar die beste und mir natürlich liebste der Welt, aber eben doch Gesellschaft, viel zu viel davon, keine Ruhe, nirgends.  Immer zuständig sein, immer verfügbar sein, immer ansprechbar sein, immer da sein. Immer gerne, aber es zehrt dann doch. Eine meiner verfestigten Erkenntnisse aus der Pandemiezeit also, ich bin wirklich, wirklich gerne alleine: Von Zeit zu Zeit seh ich sie alle nicht so gern. 

***

Die aktuelle Pandemie wirkt wie ein Kontrastmittel. Wir beklagen zwar vor allem fehlende digitale Infrastruktur und Kompetenz. Doch tiefer scheint ein anderes Problem zu liegen: Autoritäre Strukturen und Menschenbilder; eine Inkompetenz-Vermutung und ein grosses Misstrauen Schüler:innen und ihre Eltern gegenüber. Da ist diese im Obrigkeitsdenken und im autoritären Menschenbild verwurzelte Überzeugung, dass der Mensch nur funktioniert, wenn er/sie direkt und ununterbrochen kontrolliert wird und vor allem: wenn er und sie sich lückenlos einpasst in das System.

***

Meist liegt im Rückspiegel des Lebens ja ein Schleier aus Wehmut über den ungenutzten und verpassten Möglichkeiten der Vergangenheit. Nun zeigt sich, wie falsch das ist. Jetzt ist der Moment, um sich in bester Marie-Kondo-Manier bei all den ungenutzten Möglichkeiten zu bedanken, dass sie für einen da waren. Dass sie einen träumen ließen, was möglich schien.

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Published on January 24, 2021 20:49

January 23, 2021

Na und?

Ich müsste eine Dankespostkarte schreiben (vielen Dank vorab schon einmal!), ich finde aber kein Bild. Das passiert mir selten, und das ärgert mich. Ich gehe herum. Ich gehe durchs kleine Bahnhofsviertel, ich gehe durch die großen Fußgängerzonen, ich sehe nichts. Ich lese die Aufkleber auf den Laternen durch, die kenne ich alle schon. Alte Sprüche, klebt dem Herrn ein neues Lied. Ich beobachte die wenigen Menschen, die hin- oder hergehen. Die machen nichts, die gehen einfach nur. Einige tragen Einkäufe, einige nicht. Na und?

Es ist nichts zu sehen. Es ist bestimmt etwas zu sehen, ich sehe es nur nicht. Ich bin der Mann im Ausguck, ich halte Ausschau, ich summe Seemannslieder und rufe Content aus. Also wenn ich welchen sehen würde. Ich sehe aber nichts. Da vorne in dem Haus wurde Hans Albers geboren, ich pfeife La Paloma.

Die Stadt ist nicht schön und nicht hässlich, die Stadt ist einfach irgendwie, nichts fällt mir dazu ein, gar nichts. Häuser eben. Blöde Autos. Leere Busse. Na und.

Obdachlose in den Hauseingängen, vor dem einen ein Pappschild mit: „Ich habe Hunger“. Vor einem anderen ein paar Meter weiter ein Pappschild mit: „Ich habe nichts.“ Das ist fast eine Pointe, aber wie bitter ist das denn.

Die Europapassage wirbt mit „Wo, wenn nicht hier?“ Ich gehe durch die Passage, es sind vielleicht fünf Leute darin, generös geschätzt. Die anderen sind alle irgendwo, nur nicht hier.

Vor einem Geschäft am Rathaus stehen Schaufensterpuppen, die haben Winterjacken an. Das ist fast schon aufregend, da ragt Konsum in dem öffentlichen Raum, das gibt es ja heute kaum noch. Hat der Laden etwa irregulär geöffnet? Nein, der hat zu, die haben da auch nur so einen Schalter in die Tür gebaut, da sitzt eine und friert und wartet und guckt auf die Straße. Vier Schaufensterpuppen mit Jacken und wehenden Preisschildern stehen da, die sehen aus wie damals. Man wird so bürokeksmürbe von dieser Zeit, man findet schon Schaufensterpuppen vor Geschäften nostalgisch schön wie alte Jahrmarktbuden.

Die echte Jahrmarktbude der Wahrsagerin vor dem Hauptbahnhof übrigens, die ist immer noch geschlossen. Die war in diesem Jahr noch nicht einmal geöffnet. An der Tür hängt noch die Weihnachtsdeko, leicht zerfetzt schaukelt sie im Wind. Neben der Bude sitzen zwei auf dem Boden, trinken Bier aus Dosen und gucken über den leeren Platz, auf dem sich Tauben und Taxifahrer langweilen.

Ich gehe weiter durch die Straßen. Mir kommt jemand entgegen, den kenne ich, der ist ein Sohn von mir. Groß sieht er aus, wenn ich ihn so unerwartet treffe. Ich frage: „Wo gehst du hin?“ Er sagt: „Ich gehe nur so herum.“

Okay, denke ich. Vielleicht liegt es jetzt in der Familie. Dann gehen wir weiter. Ich da entlang, er dort entlang. Da, wo er hinging, das erfahre ich später von ihm, da war jedenfalls auch nichts.

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Published on January 23, 2021 23:04

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