Das Eigenleben erfolgreicher literarischer Figuren


Direkt ins Zentrum Zwischen Pilotfilm und erster Folge liegen oft erhebliche erzählerische Unterschiede. Das ist bei Büchern, Comics und Spielen oft ganz genau so. Zum Beispiel bei Asterix und Obelix, deren erstes Abenteuer "Asterix der Gallier" im Vergleich zu den folgenden noch ziemlich blass war. Die Illustration zeigt die Entwicklung des Obelix von einem schwer arbeitenden Hinkelsteinlieferanten hin zu einer echten Comic-Figur, die immer stärkere Cartoon-Eigenschaften zeigt. Damit spiegelt Obelix die Entwicklung des gesamten Asterix Universums wider. Der Hinkelstein streckt sich; Obelix verliert seine Waffe und wird immer rundlicher. Es entsteht ein Archetyp oder eine Idealform - geschliffen im Windkanal des kreativen Prozesses.
Auch bei Harry Potter kann man  beobachten, wie sich bereits zwischen Band eins und Band zwei die Erzählstimme enorm verändert: weg von Erklärungen und Faustregeln hin zu Spannung und Charakter. 

Folgt daraus die Empfehlung an Autoren, erst mit dem zweiten Band einzusteigen und den ersten Band zurückzustellen und vielleicht ex post noch einmal zu schreiben? Kann sein! Muss aber nicht.

Es liegt ja auch ein großer Reiz genau darin, die Entwicklung der Sicht des Autors auf sein eigenes Werk mitzuverfolgen. Welche Schwerpunkte setzt er oder sie? J.K. Rowling versuchte im ersten Band noch Schulregeln und Wissen über die reale Welt zu vermitteln ("Was ist der Unterschied zwischen Stalagmiten und Stalaktiten?") Später vermittelte sie fast nur noch die Regeln der magischen Welt.

Man könnte sagen: Das ist auf einem quasi strategischen Niveau: Welche Figuren und Inhalte werden dem Autor wichtiger, welche treten langsam zurück? Im Fall der Big Bang Theory ist natürlich Sheldon Cooper ein solcher Break-Out Charakter, eine Figur, die ursprünglich als Nebenfigur geplant war, deren Wirkung aber immer dominanter wird ... Popeye, Wolverine, die Schlümpfe, Inspector Clouseau, Kapitän Jack Sparrow, J.R. Ewing und natürlich Darth Vader sind solche Figuren, die sich gegen das umfassende Werk durchsetzen konnten und etwas ganz Eigenes wurden. Sie sind, wenn man so möchte, Usurpatoren der Literatur, die sich ihren Schöpfern aufzwingen und aus dem Werk heraus den Schaffensprozess und die kreative Perspektive der Autoren beeinflussen.








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Published on April 29, 2013 04:23
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über Bücher, Filme und Publikationen

Albrecht Behmel
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt ...more
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