Maximilian Buddenbohm's Blog, page 134

May 19, 2021

Verweilen

Auf den großen Platz scheint die Abendsonne, es ist unerwartet einen Moment warm, eine ganze Stunde lang vielleicht. Es ist sogar maiwarm, es ist, wie es eigentlich gehört und jetzt gerade, genau in dieser Stunde, findet also der Frühling statt. Die Menschen reißen die Jacken auf und verweilen, Winterjacken sind es bei manchen noch. Diese dicken Jacken wirken auf einmal seltsam unpassend und gerade eben noch waren sie doch normal und, ein Blick in den Wetterbericht, normal werden sie gleich wieder sein. Dahinten schon die Wolken, da kommt was. Egal, jetzt die Sonne, jetzt die Milderung, jetzt ist alles gut. Endlich. Hier und da Grüppchengeplauder auf dem Platz, die Leute sitzen auf Stufen, auf Kisten und Blumenkübeln, sie sitzen auf allem, was man in der Stadt als Sitzgelegenheit so findet. Viel ist das nicht und manche sitzen oder liegen daher auch einfach so auf dem Pflaster, zwei ältere Herren sitzen auf ihren Rollatoren. To-Go-Becher haben die Menschen in den Händen, Bierflaschen, Essen vom Inder in Aluschalen, Dönerboxen. Möwen stolzieren herum und warten mit Kennerblick auf die Pommesreste. In den Restaurants und Kneipen ringsum wird geräumt und dekoriert, Plastikstühle werden geschrubbt, die Vorbereitungen laufen, es wird geöffnet. Bald schon.

Wo die Gesichter der Menschen auf dem Platz hinzeigen, da ist Westen, das ist einfach. Leise Feierabendgespräche überall, die Szene sieht ungeheuer entspannt aus. Zwei Frauen lachen laut auf und gießen sich Prosecco in bunte Plastikbecher nach. Ein Mann lehnt sich behaglich auf einer Bank vor einer geschlossenen Kneipe zurück und reckt das Gesicht weiter in die Sonne. Links ein Freund, rechts ein Freund, ist das eine schöne Stunde. „Eigentlich“, sagt er grinsend, als ich gerade vorbeigehe, „eigentlich darf ich gar nicht raus. Quarantäne, weißte.“ Die Freunde nicken, ja, das kennt man. Ärgerliche Sache.

Aber auf einer Bank unter Freunden kann man das aushalten. Weißte.

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Published on May 19, 2021 22:08

May 18, 2021

Links am Abend

Über die Resozialisierung

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Über das Home-Office

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Über Impfungen bei Kindern. Bis zum Ende lesen. Bitte keine Kommentare zu dem Thema, ich bin nervlich gerade schon genug beansprucht. 

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Franco Battiato ist gestorben. Ein schönes Lied von ihm hier drunter, seit langer Zeit ist es auf meiner Abendplaylist. Ich muss mich beim Bespielen von Playlists ja immer sehr zusammenreißen, weil mein Hirn das sonst für sinnvolle Arbeit hält und ebenso gerne wie dringend ein paar hochkonzentrierte und überzeugend engagierte Tage mit der Auswahl und dem Sortieren von Songs verbringen möchte. Aber mein Hirn hat nicht immer Recht, glaube ich. Mit welchem Teil von mir auch immer ich das glaube, da wird es schon wieder enorm kompliziert.

Von dem Herrn ist jedenfalls auch das “Prospettiva Nevski”, welches eine junge Alice dergestalt damals in den Achtzigern vorgetragen hat, dass ich vor dem Fernseher in Anbetung geschmolzen bin. Ich hatte das schon einmal im Blog, es ist eine Weile her. Wenn ich heute nachsehe, was sie damals getragen hat, es ist nur noch begrenzt nachvollziehbar. Hier eine viel spätere Version mit einem wunderbar entspannt wirkenden Franco Battiato. Mir gefällt diese Aufnahme jetzt besser als der Hochglanz aus den Achtzigern, ich altere also korrekt.


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Published on May 18, 2021 11:13

May 17, 2021

Zeichen und Wunder

Vor einem Café liegen vier schwere Platten aus Beton am Wegesrand, die sind in Metall gefasst und haben in der Mitte ein rundes Loch, da gehört etwas hinein. Ein Sonnenschirm nämlich. Und so groß wie diese Platten sind, so schwer auch, wird das ein ziemlich großer Schirm. Die Platten lagen da gestern noch nicht, möchte ich als revierkundiger Mensch mit Spaziergangszwang meinen, die sind da neu und die sind also ein Zeichen. An denen sehen wir jetzt, es geht bald wieder etwas los. Außengastronomie, so fängt das nämlich an. Ich gehe im Stadtteil herum, es ist sonst nichts zu sehen, auch nicht für versierte Spurensucher, aber die Platten da, die haben wir jetzt registriert und wissen Bescheid. Uns kann nichts mehr überraschen.

Auf dem Spielplatz hängen am frühen Abend Teenies herum, die weder mit ihren seltsam unsortierten Gliedmaßen noch mit ihren wüsten Gefühlen wissen, wo sie heute hinsollen. Einer setzt sich auf die Schaukel, eine setzt sich auf ihn, ihm zugewandt. Also sie will sich so auf ihn setzen, sie ist aber, bei allem Respekt, nicht der gelenkigste Mensch und die Schaukel ist schmal, für Kinder eben. Es ist ein Angang, es ist schwierig und mühsam, nichts geht, wie es gedacht war, es ist im Grunde ein einziger Krampf wie der ganze Frühling und dann sitzt sie am Ende doch richtig auf ihm und das Knutschen geht los, wie es nicht anders zu erwarten war und als ich kurz nicht hinsehe, liegen die beiden schon umschlungen unter der Schaukel, wie haben sie das jetzt so schnell geschafft? Das sind die Wunder der Liebe, die man da sieht. Kurze Wunder sind das allerdings, denn sie stehen schon wieder auf, er hat nassen Sand in der Hose und überall, das geht so nicht, alles hat Grenzen.

Er schüttelt seine Hosenbeine, er flucht, sie geht lachend weg, er geht ihr nach. Natürlich geht er ihr nach. Am Ende ist es doch Frühling, es sieht nur nicht so aus.

Ich stehe am Fenster, ich vermerke Zeichen und Wunder, es ist ein Montag im Mai. Die Woche wird anstrengend, kompliziert und überaus heikel, ich werde nicht viel schreiben können. Aber kurz mal raussehen und etwas aufpassen, das wird schon gehen, nehme ich an.

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Published on May 17, 2021 12:04

May 16, 2021

Was schön war

Gestern fuhr ich mit der Herzdame über die Autobahn, ich am Steuer, sie daneben. Denn auf der Autobahn fahre immer ich, in der Stadt dagegen fährt immer die Herzdame. Wir haben für viele Situationen solche einfachen Regeln, das hat sich für uns bewährt. Ich koche immer, sie kocht nie, das ist einfach, da gibt es nichts zu diskutieren. Wenn das Auto kaputt ist, regelt sie die Reparatur, keinesfalls ich. Wir müssen darüber nicht reden. Wir haben oft auch keine Zeit, über so etwas noch zu reden, so etwas muss bei uns einfach laufen.

Wir haben uns im Auto unterhalten, wir hatten Zeit. Wir fuhren durch Niedersachsen, da gab es links und rechts nicht viele ablenkende Inhalte, da gab es nur das große Flach. Wir hatten Ideen, wir machten Pläne. Wir arbeiteten auf und grübelten zusammen etwas durch, etwas sehr Schwieriges, das in der kommenden Woche zu bewältigen ist. Wir wogen ab, wir dachten voraus und zurück und um einige Ecken – und zwischendurch stellten wir fest, fast gleichzeitig stellten wir es fest und sprachen es auch aus, dass wir mit uns verdammt gut reden können, dass wir uns enorm hilfreich finden, echtjetztmal, und dass wir zusammen vermutlich ziemlich gut sind, also unserer Meinung nach zumindest. Wir stellten mit Nachdruck fest, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach genau den jeweils richtigen Menschen geheiratet haben, und wie schlau von uns war das denn bitte? Bei all den Dummheiten, wenigstens einmal gut aufgepasst. „Es war richtig so“, sagte ich, und meinte so ziemlich alles, „es war wirklich richtig so.“ „Und ob es das war“, sagte die Herzdame. Und dann sagten wir ein paar Kilometer nichts und haben uns nur so vor uns hin gefreut. Über uns.

Dann hielt ich ihr grinsend meine Hand zum High-Five hin, was sie allerdings eher blöd fand, weswegen sie nur so halb reagierte, etwas zu lasch also, was ich eher blöd fand, und dann fanden wir uns ein paar Kilometer nicht so gut.

Wenn man auf diese Art viele Kilometer und Jahre schafft, also richtig viele, dann ist das ein guter Weg. Finden wir.

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Published on May 16, 2021 12:41

May 14, 2021

Fortgesetzte Verwirrungen

Es gab, vor allem auf Twitter, etliche zustimmende Kommentare zu meiner kleinen Anmerkung zu Ostern neulich, also zur nur halb scherzhaft gemeinten Frage, ob das denn schon war oder nicht. Diese kurze saisonale Verwirrung, die ich im letzten Text beschrieben habe, die teilten wohl etliche Menschen. Bei mir geht es gerade in dieser Form weiter.

Ich habe nämlich, um das eben zu erklären, den zweiten Impftermin Anfang August. Anfang August ist das Jahr aber schon klar abschüssig, da läuft ja alles schon auf den Frühherbst zu, da sieht man es in der Natur schon kippen, also normalerweise jedenfalls. Da ist es tagsüber noch heiß, aber abends vielleicht schon nicht mehr, es wird auch schon wieder früher dunkel usw., Sie kennen das. Der Sommer hat da bereits diese gewisse Ahnung von Endlichkeit, und mit jedem Tag wird sie deutlicher, bis man sich endlich Anfang September hinsetzt und mit viel Ach und wohligem Weh im Herzen wieder Herbstgedichte schreibt.

Da ich da jetzt einen Folgetermin habe, ist das aber quasi demnächst. Gleichzeitig hat das Jahr noch gar nicht richtig angefangen, denn es war ja kein Frühling, es war immer nur 12 Grad und bedeckt, es war Novembermärz. Ich habe keinen Frühling gefühlt und gehabt.

Und dann gleich noch eine Steigerung. Wir sind aufs Land gefahren, in wilde Nordostwestfalen. Über die Autobahn, durch ein knallgrünes Land im blendenden Sonnenschein, von dem im Wetterbericht gar nichts stand. Blühende Rapsfelder in Leuchtgelb, bunte Blumen an Feldrändern, königsblauer Himmel gleich hinter den Elbbrücken. Farben wie in der naiven Malerei, Norddeutschland als Postkarte, der bekannt menschenfreundliche Spargelbauer winkt heiter aus seinem Verkaufswägelchen an der Autobahnabfahrt. Und das kann ja auch alles so nicht sein. Wieso ist denn eigentlich alles grün, wieso gibt es Spargel und Erdbeeren, wann ist das bloß passiert, in welchen Wochen soll das denn so gekommen sein? Ich habe definitiv noch in keinem Jahr vorher als Erwachsener so wenig davon mitbekommen. Ich habe doch sonst ab März Knospen beobachtet wie Sherlock Holmes mit der Lupe, um nur ja kein Ergrünen zu versäumen, ich habe erste Blätter regelrecht gefeiert, ich habe jede Blüte verbloggt.

Dieses Jahr aber habe ich Home-Office und Home-School gemacht, draußen war es grau bei 12 Grad. Immer wieder, repeat, repeat, repeat.

Ich stehe höchst irritiert im Garten der Schwiegermutter. Die Johannisbeeren sind hier mindestens vier Wochen weiter als die in unserem Garten. Als sei ich bis nach Freiburg oder über die Alpen gefahren. Was ist hier eigentlich los? Das wird, ich habe da so eine Ahnung, die Frage des Jahres. Nein, sie ist es längst.

Wie auch immer. Das Jahr 2021 ist kalendarisch, saisonal und gefühlt für mich noch wesentlich kaputter als 2020. Faszinierend.

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Published on May 14, 2021 08:51

May 10, 2021

Retromax

Am Montag war es nach wie vor geradezu ungebührlich heiß in der Stadt, was für mich auch deswegen ein Problem ist, weil ich an solchen Tagen seit meiner Jugend zwanghaft „Hot in the city“ von Billy Idol im Kopf und im brülllauten Endlos-Loop höre, das ist nach mittlerweile mehreren Jahrzehnten doch etwas belastend, to say the least.

Egal. Es war also hot in the city, es war entschieden zu hot für Hoodies und ich habe deswegen mal wieder ein Hemd angezogen, was ich lange nicht gemacht habe. Eventuell seit dem 13. März 2020 nicht mehr, das kann tatsächlich sein. Es war eindeutig eine Hoodie-Zeit, die Monate nach diesem März im letzten Jahr, und nicht nur für mich. Jetzt also das Hemd. Das war seltsam.

Natürlich erinnere ich mich noch an meine Hemden. Ich weiß, wie sie aussehen und wie sie sitzen und alles, aber was waren die fremd! Als läge das Tragen nicht etwa ein Jahr, als läge das mindestens zehn Jahre zurück. Und mit dem Tragen auch die Umstände, die Stimmungen, der Alltag, die Epoche, v.C., vor Corona. Ich ging vor den Spiegel und sah nach damals aus, nur deutlich verbrauchter und müder. Das da im Spiegel – das war ein verkleideter Retromax. Ich hätte, da bin ich wieder bei Affekten, gerne alle Hemden mit ausholender Theatergeste aus dem Schrank genommen und glattweg entsorgt. Ich wäre gerne spontan in einen Laden gegangen und hätte zehn Hemden und zwei Anzüge gekauft, alle neu, alle frisch, alle anders, alle jetzt. Das habe ich selbstverständlich nicht gemacht, hier wird aufgetragen, was im Schrank hängt. Es hat auch gar kein Laden auf, noch lange nicht, und ich bin nicht einmal durch die Pandemie ein besonderer Fan des Onlinehandels geworden. Wie ich bereits einmal schrieb, schon deswegen nicht, weil nach so einer Bestellung immer irgendwann jemand hier klingelt. Ich lehne das ab.

Aber ich fand es interessant, dass mir diese Relikte des präpandemischen Zeitalters in meinem Schrank da irgendwie abgehangen vorkamen, was Hemden zwar ohnehin sind, aber eben noch abgehangener und abgetragener. Älter. Einige der Hemden waren vor 15 Monaten noch gar nicht alt. Jetzt schon, jetzt sind sie sehr alt.

Vielleicht ein Hinweis darauf, dass ich als Anderer aus der Pandemie komme. Vielleicht auch in stärkerer Ausprägung, als es mir bisher bewusst ist.

Ich habe daran eigentlich keinen Zweifel, das wird so sein. Aber faszinierend, woran das zu bemerken ist.

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Published on May 10, 2021 22:45

Nichts II

Am Sonntag habe ich weiterhin nichts gemacht, und das sogar im Intermezzosommer, im Garten. Dabei habe ich allerdings oft aufs Handy gesehen und mich zwischendurch gefragt, wie problematisch ich das eigentlich finde. Junkie? Smombie? Macht man denn wirklich nichts, wenn man aufs Handy guckt und etwa durch Twitter scrollt? Muss ich scrollen oder will ich? Darf ich? Wie ich immer sage, übers Müssen, Wollen, Können und Dürfen nachzudenken, das reicht schon als Lebensaufgabe, das ist schon kaum zu schaffen. Muss ich richtig nichts machen? Geht’s noch?

Dann aber wieder gedacht – es ist ja etwas anderes. Ich scrolle da immerhin nicht durch irgendwas, nicht durch Beliebigkeiten ohne Bezug, ich lese da nicht stumpf die Freizeit-Revue (was aber letztlich auch okay wäre). Ich scrolle durch Meldungen von Menschen, die ich überwiegend mag, die ich zu einem nicht kleinen Teil persönlich kenne, die mich seit vielen Jahren begleiten, mit denen ich schon etwas mitgemacht habe. Die mir vielleicht mal geholfen haben oder ich ihnen, mit einem Satz oder etwas anderem. Es ist ein wenig, als würde ich die Tür zu einer ewigen und stets gut besuchten Party aufmachen, kurz durch die Küche gehen, wo die immer gleichen Leute vor den Salaten und den Getränken stehen, der harte Kern. Als würde ich dort vielleicht ein, zwei Sätze wechseln und dann wieder gehen. Und der Hammer: Niemand nimmt mir das übel. Niemand fragt, wo ich hingehe. Ich habe da also diese Party in der Hosentasche, ich habe meine Aufmunterungstruppe, meinen Sozialklimbim, meinen Anschluss an die Welt jederzeit abrufbar, und ich kann dabei so introvertiert und schlechtgelaunt und knurrig, smalltalkavers oder auch vollkommen verpeilt sein, wie ich nur will. Ich finde es herrlich, und ich denke gar nicht daran, das schlecht zu finden. Ich hätte es im Gegenteil immer schon haben sollen, es ist perfekt für mich.

Das ist eine mittlerweile altmodische Sicht auf soziale Medien und klar, Twitter ist auch etwas anderes, viel Schlechteres. Vielleicht ist es das sogar vor allem. Aber erstens darf ich qua Geburtsjahr altmodisch sein und zweitens kann ich wahrnehmen, was ich will.

Bei Facebook gelingt mir das übrigens nicht, Facebook ist einfach die Pest. Ein ganz schlimmer Ort, aber da hat jede und jeder so seine Vorlieben.

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Dann doch wieder ein Buch angelesen, Robert Louis Stevenson, den ich sehr bewundere: St Ives. In der schönen und frischen Übersetzung von Andreas Nohl. Ein wunderbar mitreißender Einstieg und noch herrlich viele Seiten vor mir, es ist alles ganz wunderbar schmökerhaft. Stevenson hatte es einfach drauf, nach wie vor für mich einer der ganz Großen und wenn ich „gut erzählt“ meine, denke ich oft an seine Art.

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Im Drogeriemarkt steht ein neues Regal, so eines dieser spontan in den Weg gestellten Sonderregale. Es sind Schokoladenosterhasen und entsprechende bunte Eier darauf. Für einen Moment, für einen ganz kurzen Moment nur, bin ich mir nicht sicher, ob Ostern schon war oder nicht. Dann erst sehe ich im Vorbeigehen die 50%-Aufkleber, die Rabattschildchen, alles muss raus. Natürlich. Vor meinem geistigen Auge justiert sich ein Wandkalender und ruckelt sich zurecht, Pfingsten voraus. Aber ich merke doch – ich bin weiterhin enorm leicht zeitlich zu verwirren. Sagen Sie mir einen Wochentag, ich nehme ihn.

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In den Timelines geht es um Impfneid. Ein im Affekt auftretendes Gefühl, ich kann nichts Schlimmes daran finden. Die Frage ist doch, ob im weiteren Fortgang der Gedanken der innere Fünfjährige gewinnt oder nicht, aber das gilt ja für verblüffend viele Themen im Leben und die Sache mit dem Erwachsenen-Ich bleibt nun einmal hier und da recht anspruchsvoll. Kein Grund, gleich aufzugeben! Vernunft kann gewinnen.

Ich fühle heute übrigens keinen Impfneid, deswegen habe ich auch gut reden, ich fühle, und das aber vehement, Mauerseglerneid. Jedes Jahr im Frühjahr melden nämlich diverse Menschen aus verschiedenen Gegenden der Republik triumphierend die Rückkehr der Mauersegler, ihrer Mauersegler, und ich habe den starken Verdacht, ich habe noch nie im Leben einen gesehen. Dabei soll es in Hamburg sogar welche geben. Mauersegler meiden mich. Schlimm.

Update: 10 Minuten nach diesen Zeilen einen Impftermin bekommen. It’s magic.

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Published on May 10, 2021 09:42

May 9, 2021

Links am Morgen

Ich finde das hier auch deswegen interessant, weil es eine Corona-Folge der besseren Art ist. Vermutlich ein Beispiel von Tausenden. Es wird solche Spuren geben, viele und überall. Wie es aussieht, kehre auch ich nicht für fünf Tage in der Woche ins Büro zurück. Es wird anders bleiben und sein, vielleicht wird es hier und da sogar besser sein, was denke ich heute wieder positiv. Wobei ich es, ich erwähnte es bereits einmal, gar nicht recht einschätzen kann, denn ich kenne Home-Office ja bisher nur und ausschließlich in Verbindung mit Home-School. Die ersten Tage mit Home-Office als purer Variante, sie werden interessant für mich werden – vielleicht werde ich sie aber auch so dermaßen entspannend finden, dass ich zum ersten Mal im Leben während der Arbeit einschlafen werde. Na, mal sehen. 

Die Jugend, so höre ich hier und da und gar nicht nur aus den Kinderzimmern in unserer Wohnung, ist dagegen jetzt schon genervt, dass es nicht Wechselunterricht für immer geben wird. Einen Tag Leute treffen und Programm und Anspannung, dann zur Erholung einen Tag ganz in Ruhe und nach eigenem Rhythmus mit ein paar besinnlichen Arbeitsblättern im chilligen Zimmer, Musik und Chat dazu, dann wieder Leute und Action, dann wieder ausschlafen, das sind so die Träume. Gar nicht mal so unerreichbar, wenn man es recht bedenkt. Und gar nicht mal so dumm. Eher im Gegenteil. 

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Touristification in Lissabon. Da wollte ich auch immer noch einmal hin, aber das ist eben das Problem. 

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Mario Sixtus mit einem Twitter-Thread über die Learnings aus der Pandemie. Quasi Debriefing, dezent verfrüht. Was könnte man da anlegen, haben wir etwas gelernt? Nun, vielleicht das: Keine der Parteien, die eine oder einen dieser Kultusclowns gestellt hat, kann noch als wählbar gelten. Nur meine Meinung, sehen Sie das ruhig anders. Und apropos: Das hier.

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Über das nächste Schuljahr (Via Frau Nessy). Und: “Schüler werden die Letzten sein, die wieder normalen Alltag erleben.”

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Published on May 09, 2021 21:01

May 8, 2021

Mein Anteil an der Revolution

Im Postfach sind nur Spam-Mails von Fake-Damen, die mir mit der Betreffzeile „Ich will Sex“ entgegenkommen. Ich denke, wofür soll ich noch alles zuständig sein, ist gut jetzt, und ich lösche das alles, weg, weg.

Der Wetterbericht verkündet für die nahe Zukunft unfassbare 27 Grad und Regen, ich lege schon einmal das Monsunjäckchen raus. Wir haben Maiferien, also regnet es vermutlich die ganze nächste Woche durchgehend.

Wir haben Maiferien und wir machen nichts, was kaum überraschend sein kann. Im Zweifelsfalle kann man eh nichts machen. Besser nicht mehr darüber nachdenken, sonst fehlt einem am Ende noch etwas. Da ich mich gerade erschöpfungsbedingt aber eh für nichts interessiere, nicht einmal für die Pandemie, und da ich mich, wenn ich mich doch interessieren würde, vermutlich nur aufregen würde, was ja nicht gut ist, mache ich also erst recht nichts. Das wollte ich ohnehin schon länger, und diesmal also wirklich. Ich sitze auf dem Sofa und begucke mir die Wohnung und wohne so herum. An einigen Stellen haben wir es ganz schön, finde ich, und freue mich darüber. Ich sehe den Spatzen auf dem Balkon zu, ich sehe zu, wie das Licht durch den Vorhang fällt. Ich schlafe ein, ich wache auf, ich mache nichts, ich werde etwas besser darin.

Ich setze mich vor den Computer, aber mich interessiert ja nichts. Dennoch mal davor sitzen, denn da gehöre ich doch hin. Ich klicke lustlos durch die Tabs, aber da ist nichts. Ich denke Musik, vielleicht doch Musik. Und dann dazu etwas schreiben. Ich spiele viele Playlists an, die etwas mit Home-Office im Titel haben, sie sind alle furchtbar. Wirklich schreckliche Musik, so kann man nicht arbeiten, was stimmt denn mit den Leuten nicht, arbeiten die alle in Fahrstühlen.

Ich stelle mich vors Bücherregal mit den uninteressanten Büchern, ich blättere durch die herumliegenden uninteressanten Kochzeitschriften. Ich stehe einfach nur herum und lausche. Der Nachbar singt, das macht er öfter. Er ist aber im entferntesten Teil seiner Wohnung, er klingt dumpf und gedämpft. Er klingt wie ein Mönch in seiner Zelle, betend und singend. Ich finde das beruhigend. Ich würde jetzt vielleicht auch etwas singen, wenn ich mich für einen Song interessieren würde.

Ich gehe spazieren. Man braucht Bewegung, auch wenn man sich für nichts interessiert. Auf einem Mülleimer im Park ein neuer Aufkleber: Wer nicht gegen die Arbeit revoltiert, arbeitet gegen die Revolution.

Ich lese das im Vorbeigehen, ich hebe solidarisch die Faust. Ich bin ein Revoluzzer, allerdings einer, dessen Begleitung beruhigend sagt: „Der tut nichts.“

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Published on May 08, 2021 22:18

May 6, 2021

Pass ma auf

Aus der Grundschule kommt am Nachmittag ein kleiner Mensch. Ich höre im Vorbeigehen, wie er zu seiner ihn begleitenden und ebenso kleinen Freundin mit eindeutiger Begeisterung in der Stimme sagt: „Ich steh ja auf die Acht. Ist die toll!“ Und er malt eine große Acht in die Luft. Sie sagt: „Ich mag die Zehn“, und da guckt er aber skeptisch und schüttelt den Kopf. Es ist die Acht, die so toll ist, er hat es ihr doch gesagt. In seinem Blick eine fundamentale Erkenntnis, wieder was fürs Leben gelernt: Andere Menschen sind echt anders.

In einer kleinen Nebenstraße gehen zwei, die schon lange erwachsen sind, gerade in einen Hauseingang. Er hält ihr freundlich die Tür auf, sie trägt die Einkäufe rein, er macht einen Briefkasten auf, Nachbarn wohl. Ich höre im Vorbeigehen, wie er mit Bückwarenverheißungsstimme zu ihr sagt: „Weißte, wie du an einen Impftermin kommst? Weißte? Pass ma auf!“ Dann hebt er einen Zeigefinger und wendet sich ihr zu, dann schließt sich die die Tür, noch bevor ich den Trick hören kann. Denn um einen Trick, einen genialen womöglich, wird es sich doch gehandelt haben, so wie er geguckt und geklungen hat.

Im Edeka legt kurz darauf einer frischen Koriander in seinen Einkaufswagen und fragt seinen Freund, dem er dabei die Hand auf die Schulter legt: „Oder hast du etwa dieses Seifenproblem?“ Der Freund winkt lachend ab, nein, er hat kein Seifenproblem, er mag Koriander.

Ich bin da übrigens ein Mischtyp, eine ganz seltene Spezies, glaube ich. Ich finde nämlich schon, dass Koriander ziemlich nach Seife schmeckt. Aber ich mag Seife. Vermutlich Freak durch und durch.

Egal. Hier noch zwei Links.

An den hier beschriebenen Auftritt von Beuys bei Bananas und an den ungeheuer dumpfen Text und die eher tumbe Performance kann ich mich tatsächlich noch erinnern. Aber der alte Mann war auf der richtigen Seite, fand ich, es war also alles gut. Sechzehn war ich da.

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Ich habe für das Goethe Institut etwas über den Bahnhof geschrieben, den ich hier quasi vor der Haustür habe.

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Published on May 06, 2021 21:24

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Maximilian Buddenbohm
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