Die Träume anderer Leute Quotes

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Die Träume anderer Leute Die Träume anderer Leute by Judith Holofernes
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Die Träume anderer Leute Quotes Showing 1-10 of 10
“Schon mit Anfang zwanzig hatte ich mich, nach meiner Niederlage gegen die bösartige Ikea-Hollywoodschaukel, in einer Therapie mit dem Unterschied von Drive und driven auseinandergesetzt. Ich hatte tief hineingeschaut in meine Kindheit und Jugend und wusste seitdem, dass ich zwei Arten von Ehrgeiz in mir trug. Eine helle, lustvolle und eine bedürftige, abhängige. Für diese zwei Arten von Ehrgeiz kennt die deutsche Sprache keine unterscheidenden Worte, und doch sind sie grundverschieden.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Leute, die Kunst machen, haben ein spezielles Verhältnis zur Angst. Angst ist gemeinhin ein Warnsignal, dem man Aufmerksamkeit schenken sollte. Aber Angst ist auch, oft genug, der Künstlerin Nemesis, die mit allen Tricks versucht, sie von der Berufsausübung abzuhalten. Eine Blockade, die es gilt, tollkühn zu überwinden. Die meisten von uns verbringen viel Lebenszeit damit, hilfreiche von schädlicher Angst unterscheiden zu lernen. Ich hatte offensichtlich noch nicht genug getanzt, genug meditiert, war nicht genug spaziert, um die Signale zuverlässig deuten zu können.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Ich hatte mich immer darauf gefreut, alt zu werden, und das auch überall lauthals verkündet. Seit den Heldenanfängen hatte ich eine seltsame Sehnsucht nach dem Jenseits-Davon gehabt, mich auf Partys zielsicher neben Leute aus meiner Elterngeneration gesetzt und mein Alter auf Anfrage eher hoch- als runtergerechnet.
Womit ich nicht gerechnet hatte, war das Dazwischen, die uneindeutige, demütigend lange Zeit zwischen Fräuleinwunder und Lebenswerk. Denn das ist es, wofür der Pop keine Toleranz hat. Für Frauen, die ein kleines bisschen alt sind und nicht mehr ganz jung. So wie der Pop auch Frauen wie Beth Ditto und Lizzo feiert, als dickes Feigenblatt einer anorektischen Kultur, durchschnittliche mitteldünne Frauen mit runden Schultern und Hüften aber nicht mal mit der Zange angefasst.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Es geht nicht mehr darum, milde Sympathie in möglichst vielen Menschen zu wecken, es geht darum, die Leute zu finden, die das, was ich mache, wirklich lieben. Oder aber: Kunst an sich wirklich lieben.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Bald bemerkte ich, dass ich in den wenigen Arbeitsstunden, die mir blieben, so produktiv war wie schon lange nicht mehr. Ich musste mehr absagen, konnte weniger funktionieren und erfüllen, aber ich begann, bessere Entscheidungen zu fällen, und hörte auf, mir neue, unnötige Arbeit aufzuhalsen. All die Reaktivität, das reflexhafte Zusagen aus unklaren Geisteszuständen heraus, hatte mein Leben mit Arbeit zugemüllt.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Immer wieder kommt es vor, dass ein Musiker in einer Tourpause tot zusammenbricht. Ich selbst kenne einen Schlagzeuger mit Angina Pectoris und weiß außerdem von einem Todesfall, beides Folgen einer verschleppten Grippe. Tatsächlich kann jeder Musiker solche Geschichten erzählen, und sei es nur die von Tinnitus und Tendonitis. Wir können es uns schlicht nicht leisten, krank zu sein. Dazu gibt es ein ungesundes Arbeitsethos in der Musikbranche, einen Kult des Raubbaus, der auf der einen Seite, der Business-Seite, Belastbarkeit und Pferdenatur belohnt und auf der anderen Seite, der Rock-'n'-Roll-Seite, Kaputtsein beziehungsweise Bald-tot-Sein glorifiziert. Die Kombination ist es, die uns verschleißt.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Nirgendwo versammeln sich so viele rührende, hoffnungsvolle Menschen wie um einen Popstar in aufwendigen Kostümen.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Ich war kreuzunglücklich, und gleichzeitig nahm ich mir dieses Unglück zutiefst übel. Mir ist der Feminismus in die Wiege gelegt worden, ich habe schon mit vierzehn versonnen durch "Mythos Schönheit" geblättert, ein Buch, das schon deshalb bei uns herumlag, weil meine Mutter es übersetzt hatte. Ich war glühende Verfechterin von Body Positivity, noch bevor es das Wort überhaupt gab. In Wirklichkeit hatte ich aber natürlich gemeint: "Body Positivity für alle außer für mich selbst." Und jetzt, wo mein Körper meine Loyalität einforderte, konnte ich sie ihm nicht geben.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Mit etwa sechzehn begann ich das erste Mal, genau zu protokollieren, was ich an Nahrung aufnahm, und vorbereitetes Essen in Plastikcontainern mit in die Schule zu nehmen: alles im Dienste der Gesundheit. Seither nehme ich ab und zu und ab und zu. Und manchmal ab, ab, ab und dann sehr viel zu.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute
“Die Einzige, mit der ich nicht gerechnet hatte, war ich, mit meinen überraschenderweise doch nicht übermenschlichen Kräften.
Dabei hatte ich, noch bevor unser Sohn geboren wurde, alles bis ins Kleinste geplant, angetrieben vom zwanghaften Drang, so schnell wie möglich wieder an die Arbeit zu gehen. Ich würde funktionieren. Aber wie! Kinder hin oder her, ich würde das tüchtige, fleißige Mädchen sein, an dem ich so lange gearbeitet hatte. Eine, die gelobt wird, die unkompliziert ist, keine Allüren hat. Eine, die ihren Erfolg und alles, was damit verbunden ist, ohne Frage verdient.”
Judith Holofernes, Die Träume anderer Leute