Landgericht Quotes

Rate this book
Clear rating
Landgericht Landgericht by Ursula Krechel
289 ratings, 3.85 average rating, 31 reviews
Open Preview
Landgericht Quotes Showing 1-15 of 15
“Später las er in einer Zeitung, daß sich die berühmte pressure group der Literatur, die Gruppe 47, auch gegen die Mitgliedschaft von Emigranten wehrte mit dem durchsichtigen Argument, diese sprächen und schrieben ein altmodisches Deutsch, jedenfalls nicht das Deutsch, das durch die Erfahrungen des Krieges, der Kriegsteilnehmerschaft und der Kriegsgefangenschaft gehärtet, gestählt worden sei. M�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Kornitzer brauchte jemanden, der ihm eine Hand auf den Arm gelegt hätte. Claire hatte dies am Anfang in Bettnang versucht, sehr leis, sehr eindringlich, aber er hatte nicht auf sie gehört, und dann hatte sie ihn in ehelicher Solidarität bei seinen Bemühungen unterstützt und auch für sich Genugtuung erhofft. So war es nie genug gewesen, so ließ er es nicht gut sein, und so war es auch nicht gut und wurde nicht mehr gut.�”
Ursula krechel, Landgericht
“Es fehlte ihm jemand, der sagte: Laß gut sein, Richard. Auch anderen Menschen ist Unrecht widerfahren. Du hast es im Gericht bemerkt und einen Beruf daraus gemacht, aber in deinem eigenen Leben willst du es nicht merken.�”
Ursula krechel, Landgericht
“Für jeden Anspruch mußte ein gesonderter Akt angelegt werden: für die beruflichen Schäden, für die gesundheitlichen Schäden, für die materiellen Verluste. Nur der Verlust an Angehörigen, an Lebensfreude, Lebensgewißheit war nicht aufzulisten, zu beziffern. Mit Grundbüchern und Handelsregistern war leichter umzugehen als mit ideellen Werten wie der seelischen und körperlichen Gesundheit und ihrer Dokumentation.� Leichter als mit Leben und Tod.”
Ursula Krechel, Landgericht
“Máximo war wie viele Juden in der Stadt den polnischen Pogromen entkommen, darüber zu sprechen, gab es in Havanna keinen Anlaß, aber die Deutschen, die später kamen, ahnten, warum Máximo so dünn und so energisch war, warum seine Stimme manchmal zitterte oder umkippte, sie rochen die Angst, die er als junger Mensch in Lublin (oder war es in Lemberg?) empfunden hatte. Sie rochen die Angst, aber für die Angst der Deutschen 1938 und für die so viel ältere Angst in Polen hatten sie keine gemeinsame Sprache, die Witterung reichte aus.�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Worte dienten nicht so sehr dazu, Gedanken auszudrücken, als vielmehr dazu, deren Abwesenheit zu verbrämen. Auf die Eleganz des Ausdrucks wurde mehr Wert gelegt als auf Klarheit. Schönschreiben. Schönreden. Schönfärben. Eine hohe Schule auf dem gespannten Seil der Hochsprache.�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Und am erstaunlichsten war eigentlich sein Haar. Es hatte über der Stirn, an den Schläfen bedauerlicherweise keine Spur hinterlassen, wölbte sich dann aber schwarz, mächtig und lockig von der Mitte des Schädels bis über den Kragen, ringelte sich ein wenig auf dem weißen Kragen�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Entweder übertrat man die Ausreise-Bedingung und machte sich straffällig, oder man machte sich bei der Einreise gleich schuldig, fiel in ein Loch und wurde zurückgewiesen, dazwischen gab es nichts. Er war gezwungen, sich mit der Kultur des Gesetzbrechens auseinanderzusetzen, nicht indem er richtete, sondern indem er handelte, beziehungsweise das Handeln unterließ.�”
Ursula krechel, Landgericht
“Es war ja nicht so, daß „ihre Leute“, so nannte sie die Filmleute, sich maßlos in das politische Fach mischten. Eher war es ein Wind, der über sie hinweg wehte und ihrem Mann ins Gesicht blies. Der Beginn kam schleichend, auf leisen Sohlen, und daß dies der Beginn war, ahnte sie nicht, ahnte ihr Mann nicht. �”
Ursula krechel, Landgericht
“Achtung! Gefahren des Tonfilms!
Viele Kinos müssen wegen der Einführung des Tonfilms und dem Mangel an vielseitigen Programmen schließen!
Tonfilm ist Kitsch!
Wer Kunst und Künstler liebt, lehnt den Tonfilm ab!
Tonfilm ist Einseitigkeit! 100 % Tonfilm = 100 % Verflachung.�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Deshalb unterliegt der politische Irrtum niemals der richterlichen Beurteilung. Wer sich politisch geirrt und damit vielleicht sein Volk geschädigt hat, kann und muß unter Umständen aus dem politischen Leben ausgeschaltet und damit politisch unschädlich gemacht werden, aber irgendwelcher strafrechtlichen Beurteilung unterliegt er nicht. Der echte Richter wird deshalb eine Verurteilung wegen politischen Irrtums immer ablehnen, wenn nicht in seinem Gefolge strafrechtliche Tatbestände zur Beurteilung stehen.�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Lieber wäre Kornitzer nach der Zeit im Untersuchungsausschuß in Lindau Vorsitzender einer Entschädigungskammer am Landgericht geworden, es gab zwei davon: In seiner eigenen Vorstellung war er dazu prädestiniert, Verfolgten zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber ihn in einer Entschädigungskammer einzusetzen, auch nur als Beisitzer– das hatte ihm der Landgerichtspräsident schon in den ersten Tagen nach seiner Berufung nach Mainz gesagt – komme nicht in Frage, er sei ja Partei. Ihn hatte dieses Verdikt wie ein Keulenschlag getroffen. Weil er Jude war, weil er verfolgt worden war, weil ihm Wiedergutmachungsleistungen zustanden, war er Partei.Und diejenigen Richter, die Mitglieder der nationalsozialistischen Partei gewesen waren, waren nicht Partei, waren befugt und besser geeignet, über Wiedergutmachungsleistungen zu urteilen.�”
Ursula krechel, Landgericht
“Also, Sie haben nicht im Bombenkeller gesessen, während das Haus durchgerüttelt wurde? Nein, er gab eine schlanke und fast nichtssagende Antwort. Und Sie waren nicht in einem Konzentrationslager? Kornitzer sagte, er habe ein Visum für Kuba kurz vor Kriegsbeginn ergattert und sich dort durchgeschlagen. Die Antwort zählte nicht für die um den Tisch Versammelten, also kein Krieg, also keine Kellerexistenz, keine pfeifenden Granaten. �Dann sind sie ein glücklicher Mann.”
Ursula Krechel, Landgericht
“wie sie die Verschickung der Kinder besprochen hatten, haarklein abgewogen: Was sprach dafür? Die Sicherheit, in der die Kinder sein würden. Was sprach dagegen? Das geringe Alter der Kinder. Ihre Zartheit. Die Gefühle der Eltern. Also sehr, sehr viel. Und doch war die Entscheidung, die sie schließlich fällten, vollkommen rational, sie entschieden sich sozusagen wider Willen, gegen die Besorgnisse, auch gegen die elterlichen Gefühle�”
Ursula Krechel, Landgericht
“Da kann ich auch nichts machen, sagte die Frau mit müder Stimme. Sie wissen doch, in unserer Stadt sind 80 Prozent des Wohnraums zerstört. Ich weiß, antwortete Kornitzer, nicht nur Wohnraum. Und dachte: Auch Empfindungen, 80 Prozent Mitleid konnte er sich als eine Summe nicht genau vorstellen.”
Ursula krechel, Landgericht