Osteuropa-Literatur discussion

This topic is about
Stalins Kühe
Oksanen: Stalins Kühe
>
Kühe: 5. Abschnitt bis einschl. Kapitel MUTTER RIEF IN... (bis ca. 21.2.)
date
newest »

message 1:
by
Babette
(new)
-
rated it 4 stars
Jan 13, 2022 12:37PM

reply
|
flag

Versteht ihr wofür das Bilder der "Kleinen Katze" steht? Ihr finde es erschreckend, wie sehr sich Anna von "ihrem Herrn" dominieren lässt. So sehr, dass sie keine eigenen Wünsche mehr formulieren kann, weder in sexueller noch anderer Hinsicht. Erfüllung findet sie nur noch im Erbrechen. Ihre Abhängigkeit macht sie zugleich extrem selbstbezogen. Kein Wunder das die Beziehung mit Hukka in die Brüche geht.
Erschreckend auch - und durch die lakonische Kürze noch betont - die "Säuberungen" in Estland 1949, wie Karla seinen Umgebung ins offene Messer laufen lässt und seine Tochter sich wortwörtlich ins gemachte Nest setzt.


Gerne hätte ich mehr über den Vater erfahren. Er bleibt irgendwie ohne Umrisse. Warum ist er so geworden? Welche Hintergründe mögen dabei eine Rolle gespielt haben?
Die Ereignisse in Annas Familie am Ende und nach dem 2. WK sind natürlich tragisch. Gut fand ich, dass nicht nur die Russen die Bösen darstellten, sondern der eigene Bruder (Karla) der Denunziant war, der ohne Gewissensbisse von den Verbannungen profitierte.

Versteht ihr wofür das Bilder der "Kleinen Katze" steht? Ihr..."
Hukka hat Anna immer "meine kleine Katze" genannt. Vielleicht eine Anspielung auf ihre geringe Körpergröße und ihr Gewicht, das ihm offenbar gefiel. Auch ein Bild für Nähe, für Sich-anschmiegen, denke ich.

Deine Interpretation von Hukkas Verhalten öffnet mir eine ganz neue und stimmige Einsicht. Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, warum er nicht wahrnimmt, dass seine Freundin an Bulimie leidet und nichts wirklich dagegen tut.

Ich habe Hukka tatsächlich sehr viel weniger negativ gelesen. Ich glaube, dass es für Angehörige von Essgestörten wirklich schwierig ist, damit umzugehen. Ich meine, wie hätte er sich denn richtig verhalten sollen? Und es ist ja keineswegs so, dass er sofort ihre Grenzen missachtet hat. Immerhin waren sie über ein Jahr ein Paar, ehe der Konflikt manifest geworden ist. Und in dieser Zeit hat er ihr offenbar so viel Sicherheit gegeben, dass sie sich zumindest ein Stück weit öffnen konnte. Ich konnte seine Überforderung sehr gut nachvollziehen und stelle es mir sehr schwer vor, mit einem Menschen zusammenzuleben, der keine Nähe zulassen kann. Wie soll man denn auf die Bedürfnisse eines Menschen eingehen, wer er sie selbst nicht formulieren kann?




Wenn Hukka auf das Geständnis Annas, dass sie nicht essen könne, anders als mit Gleichgültigkeit reagiert hätte, wäre die Beziehung vermutlich sofort vorbei gewesen. Ich glaube, dass Anna alle Hilfsangebote ausgeschlagen und die Flucht ergriffen hätte.
Wahrscheinlich muss sie erstmal begreifen, dass sie schwer krank ist, diesen Prozess verhindert Hukka eher als er ihn befördert.

Ich lasse mich zurzeit so sehr von anderen Büchern ablenken, aber in "Ein erhabenes Königreich" von Yaa Gyasi geht es um eine Neurowissenschaftlerin, die über das Belohnungssystem des Gehirns bei einer Sucht forscht. Das passt doch wunderbar zusammen. ;-)

Ich kann verstehen, dass der historische Hintergrund, der im Osten immer wieder Ähnlichkeiten aufweist, auch mal nervt. Deswegen gefällt mir der vordergründige Blick auf die Sucht. aber manche Bücher passen vom Inhalt oder Stil einfach nicht, erreichen keine persönlichen Berührungspunkte. Umso erfreulicher, dass du uns tapfer weiter begleitest.