Rat für Neider
Wer neidet, der leidet. Wer beneidet wird, auch. Aber was hilft gegen dieses Übel? Ihr armen Seelen in Not!, hier einige Vorschläge:
Neidern, die ihre finstere Stirnfalte aus Image-Gründen nicht glätten wollen, empfehle ich, die zerkratzten Hände des Gärtners zu betrachten, nicht nur das Blumenbeet. Anders gesagt: Was mag der Preis des Erfolges (gewesen) sein, den ich einem anderen missgönne? Und wäre ich selbst bereit, diesen Preis zu zahlen, wenn keine anderen Hindernisse mir im Weg stünden? Würde ich das höchste Tier im Betrieb sein wollen, wenn ich das Büro jeden Tag nicht vor 22:00 verlassen könnte? Möchte ich meine sozialen Kontakte der Einsamkeit des Schriftstellers opfern? Hätte ich die Nerven, mich als öffentliche Person verletzender Kritik auszusetzen? Niemand, der seine Sache gut macht, tut es „einfach so“. Überall müssen Prioritäten bestimmt und Opfer erbracht werden. Und wie häufig ist das Besondere und Beneidenswerte aus einem Defizit erwachsen! Was ein Mensch als persönlichen Nachteil erfährt, kann für ihn ein großer Motivator sein, diesen durch Leistung zu kompensieren. Würdest du die Nachteile in Kauf nehmen? Würdest du die beschissene Kindheit wählen, die Zugehörigkeit zu einer Randgruppe, eine psychische Krankheit, ein traumatisierendes Schicksal, eine Behinderung? Wenn du neidisch bleiben willst, tröste dich mit: „Naja, dafür hat er keine Freunde.“ Das beseitigt zwar nicht dein Problem, aber wenigstens dämpft es den bohrenden Schmerz.
Neid macht krank, und zwar nachweislich. „Da gibt’s auch Studien.“ Die Folgen können Magenschmerzen, Migräne, Abgeschlagenheit, sogar handfeste Depressionen sein. Neid ist Selbstverletzung mit Bumerang. Wer nachts missmutige Gedanken kreisen lässt, gibt sich selbst zu verstehen, dass ihm jeder den Platz streitig machen kann. Der Erfolg des Anderen wird als Bedrohung der eigenen Existenz empfunden, obwohl beide nichts miteinander zu tun haben. Den Teufelskreis, der den eigenen Erfolg verhindert, kann man nur durchbrechen, wenn man den Neid einstampft. Und so wird’s gemacht:
Mach dir bewusst, dass “Glück” unbegrenzt ist. Dadurch, dass es anderen zufließt, wird es nicht knapper. Seine Verfügbarkeit wird nicht gemindert, der Zugang dadurch nicht erschwert. Es hilft, sich Chancen, Erfüllung, Glück & Co. als Ozean vorzustellen, an dessen Ufern wir wandeln. Wir bestimmen selbst, wie viel davon uns zusteht, indem wir das Gefäß mitbringen, mit dem wir daraus schöpfen wollen. Der eine kommt mit einem großen Eimer, der andere mit einem Fingerhut. Es ist genug für alle da, aber wer sich selbst beschränkt, dem wird die Fülle nichts nützen. Das ist natürlich esoterischer Schmu und der Soziologe weiß, dass Chancen nicht bloß eine Frage der persönlichen Philosophie sind, ich aber sage euch: tragt nur den guten Glauben im Herzen. Zweifel ist ein Sprengmeister, aber er hat noch nie ein Haus gebaut. Ein Gespür für die Fülle bekommt man übrigens, wenn man sich täglich in Dankbarkeit übt. Dabei geht es nicht um Unterwürfigkeit, sondern um Anerkennung, und um die Erkenntnis, dass man schon teilhat an allem was gut ist, dass man nicht so ausgeschlossen ist, wie man sich manchmal fühlt. Dankbar sein muss man nicht unbedingt konkreten Personen aus dem persönlichen Umfeld, die einem geholfen haben. Es reichen wenige Sekunden stummer Wertschätzung für so simple und scheinbar selbstverständliche Dinge wie: die Schönheit der Kirschblüte vor dem Fenster, den Fleiß der Mönche im mittelalterlichen Skriptorium, die Großartigkeit amerikanischer Serien, dass die neue H&M-Buxe so flauschig ist, und natürlich Schokolade. Lass die Amelie toben! Mit solchen Gedanken lenkt man die Aufmerksamkeit von seinem verengten Selbst auf die weite, offene Welt, und das löst den würgenden Knoten. Just do it.

Das Leben ohne Neid hat noch mehr zu bieten: Wer sich für Andere aufrichtig freut, der kommt ihnen eher näher und kann Wertvolles von ihnen lernen. Kaum etwas ist erfüllender, als mit Menschen befreundet zu sein, die man ohne Bitterkeit bewundert. Irgendwo habe ich folgendes Zitat aufgeschnappt: „Kleine Menschen mögen auf ihre Genossen neidisch sein, wahrhaft große Männer suchen einander und lieben sich.“ Sie lieben sich nicht nur, sie helfen einander. Sie teilen ihre Ressourcen, profitieren von gemeinsamen Kontakten und bringen einander nach vorn. Wenn das keine guten Argumente sind, weiß ich auch nicht.
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