Toxische Dates
Vor ein paar Tagen war ich mit einer Bekannten essen. Während des Gesprächs kamen wir auch auf unsere Erfahrungen mit Männern zu sprechen, die leider nicht immer schön ausfielen. Schlechte Erfahrungen machen alle, aber gibt es Erfahrungen, die insbesondere Frauen mit Behinderung vermehrt machen?
Ich habe nach unserem Treffen an meine intensive Datingphase gedacht. Dabei musste ich mir eingestehen, dass ich entwürdigende Erfahrungen machen musste, von denen ich glaube, dass solche Erfahrungen Frauen mit Behinderung häufig widerfahren. Ich meine keine Dates, bei denen ich einfach sitzen gelassen wurde ohne dass mir mein Datingpartner vorher abgesagt hat. Zum Teil war es viel verletzender…
Es gab Männer, die mir ganz klar gesagt haben, dass sie einfach nur mit mir schlafen möchten, weil sie wissen wollen, wie der Sex mit einer Rollstuhlfahrerin ist, aber für mehr würde es nicht reichen. Ein oder zwei solcher „Anfragen“ würden einem vielleicht nichts ausmachen, aber wenn einem solche Erfahrungen häufiger widerfahren, macht es definitiv etwas mit dem Selbstwertgefühl. Dann gab es solche, die mich in der Öffentlichkeit nicht treffen wollten. Dating mit mir sollte also zu einer Geheimoperation werden. Solche Aussagen haben mich sogar so weit geprägt, dass ich vollkommen verwundert darüber war, wenn mich ein Date außerhalb meiner Wohnung geküsst oder nach meiner Hand gegriffen hat.
Die wohl für mich prägendste Erfahrung hatte ich mit einem jungen Mann, der nach dem Sex abwertende Kommentare über meinen Körper äußerte und obwohl es mich verletzt hat, habe ich nichts dagegen unternommen. Im Gegenteil, ich habe es beschönigt. Er hat nach dem Sex darauf bestanden mich wieder anzuziehen. Als ich ihn beruhigte, dass es nicht schlimm sei, wenn meine Kleidung nicht perfekt säße, da er mich zum ersten Mal anzöge, erwiderte er: „Ich schätze, an dir sitzt sowieso nichts richtig.“ Es war eine klare Anspielung auf meine Körperform, die ich aufgrund meiner Skoliose habe. Ich habe es in dem Moment nicht geschafft ihm zu sagen, dass er nicht das Recht hat so über meinen Körper zu sprechen. Bevor er ging, wollte er unbedingt noch das Bett genauso herrichten, wie er es vorgefunden hat. Am nächsten Tag schrieb er mir, jenes nur gemacht zu haben, um vor meiner Assistentin zu verbergen, dass wir miteinander geschlafen haben (es ging ihm nicht darum, dass ein weiterer Mensch in meiner Wohnung war). Es war ihm peinlich. Obwohl er mir deutlich gemacht hat, dass es ihm unangenehm war, dass er auf mich stand, hätte ich mich dennoch weiterhin mit ihm getroffen. Ich habe über diesen Vorfall nie mit meinen Freunden gesprochen, stattdessen habe ich das Treffen mit ihm beschönigt. Es gibt Frauen, von denen ich weiß, dass sie in ihrer Beziehung körperliche Gewalt zugelassen haben. Vielleicht spricht man nicht über solche Erfahrungen, weil man so sehr mit Scham erfüllt ist und sich schwach vorkommt, sich nicht dagegen gewehrt zu haben. Ich kann es absolut verstehen, dass man schnell in ein toxisches Verhältnis geraten kann.
Aber warum lassen wir so viel über uns ergehen und dulden vieles? Vielleicht aus Angst, dass danach nichts mehr kommen könnte und halten deshalb an dem fest, was gerade da ist. Wir setzen uns unter Druck besonders positiv aufzufallen (in dem wir besonders klug, witzig, hübsch, charmant rüberkommen wollen), dabei vergessen wir, dass wir nicht von unserer Behinderung ablenken müssen und vergessen somit, dass wir genau so wie wir sind, wertvoll sind. Wir müssen uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass Menschen, die uns daten keine Heiligen sind und wir dafür nicht dankbar sein müssen. Wir verdienen aufrichtige Begegnungen sowie aufrichtige Liebe. Ihr Lieben, sortiert schnell aus, wenn ihr ein ungutes Gefühl habt, auch wenn es schwer fällt, denn unser Bauchgefühl ist unser bester Wegbegleiter.
Habt ihr Demütigungen jeglicher Art in einer Beziehung oder beim Daten erlebt? Wenn ja, wie seid ihr damit umgegangen?