Maximilian Buddenbohm's Blog, page 127
August 25, 2021
Links am Nachmittag
Ich mag den Begriff, um den es hier geht: Kollapsologie (Audio, 8 Min)
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Die westliche Welt als Boomer der Welt. Stimmt wohl.
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Frau Novemberregen kommen die Tage abhanden und vielleicht geht es mir ähnlich, denn wo z.B. die Schreibzeit ist, das verstehe ich im Moment auch nicht ganz. Wie ich neulich schon schrieb, ich finde im Moment irgendwie nicht statt, ein überaus seltsames Gefühl.
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Ich habe mir auf dem Weg zur Arbeit bei der geschätzten “Lage der Nation” das Sonderformat angehört, ein Interview (eine Stunde) mit Annalena Baerbock. Um es mal extrem einfach zu bewerten: Mir wird bei ihren Antworten nicht sofort schlecht. Ich glaube nicht, dass das bei den anderen beiden Kandidaten auch der Fall wäre. Wobei das Interview mit dem Herrn von der SPD vielleicht noch kommt, der Herr von der anderen Partei möchte dabei lieber nicht mitspielen.
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Abgang Charlie Watts, der Jazz-Drummer, hier noch einmal im Video. Er hat nebenbei auch in einer Rock-Gruppe gespielt, hört man.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
August 23, 2021
Links am Morgen
Den Montag mit Rückenschmerzen der fortgeschrittenen Art auf dem Sofa verbracht, nachdem mir ein freundlicher Orthopäde am Morgen rückwärtig eine rettende Spritze reingejagt hat. Manchmal freut man sich auch über so etwas. Apropos erfreulich: Erstmals am sehr frühen Morgen über eine App (Doctolib, das ist ein Wikipedialink, keine Werbung) einen Termin gesucht, gleich gefunden und auch buchen können. Das ist bedeutend angenehmer als um acht Uhr zehn Praxen anrufen zu müssen, die dann alle bis neun Uhr dauerbesetzt und ab neun Uhr natürlich komplett ausgebucht sind, schon gar für Menschen ohne Privatversicherung. Aber datenschutzmäßig ist so eine App wieder ein weiterer Abgrund, schon klar. Wie man es macht, macht man es verkehrt.
Die Gespenster von Demmin von Verena Kessler auf dem Sofa gelesen, dabei habe ich etwas über den Massenselbstmord dortselbst 1945 gelernt. Nie davon gehört, denn das war ja im Osten UND im Krieg, das gab es also nicht. Und, das klingt jetzt unpassend, aber es ist ein unterhaltsames Buch und Sie wissen, ich benutze dieses Wort nicht abwertend. Gerne und schnell durchgelesen. Es hat keinen guten Titel, finde ich, aber das ist oft nicht Schuld der Autorin. Das eigentlich zentrale Wort des Buches ist “Wareneingangsbuch”, so seltsam es klingen mag. Falls Sie jetzt neugierig sind – im Wikipedia-Eintrag zur Stadt Demmin findet man die Auflösung. Der Titel wäre besser gewesen, finde ich. Das Wareneingangsbuch – ein Roman. Apropos Titel, neulich gab es drüben einen Blogartikel mit dem besonders schönen Titel: “Die Weiher im Sommer” – und hören Sie das auch? Das muss – muss! – eigentlich auch ein deutscher Kurzgeschichtentitel sein. Die Weiher im Sommer.
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Angelesen habe ich ferner den Neuzugang von Robert Macfarlane: Karte der Wildnis, es fängt ganz hervorragend an. Deutsch von Andreas Jandl, Frank Sievers. Ich habe es abends im Bett noch gelesen, dann habe ich das Licht ausgemacht und über die Wildnis nachgedacht, die der Herr da in dem Buch so gründlich sucht. Über seine Überlegungen zur Landschaft, dass wir nämlich in Wohnsituationen wie etwa meiner eine solche nicht mehr erkennen oder auch nur ahnen können, dass da draußen um uns herum also nichts als Menschenwerk ist und wir unsere Gegend nur als Straßennetz im Kopf haben, nicht aber als natürliche Gegebenheit. Und in dem Moment ließ der Verkehr vor dem Haus eine Minute nach, die Stadt hielt die Luft an und übers Haus zogen laut schreiend ein paar Gänse durch die Nacht und am vollen Mond über der Kirche vorbei. Manchmal rettet der allerletzte Momente den Tag.
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August 22, 2021
Links am Abend
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“Ist auch echt teuer, so eine Opposition.”
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Diverse Bücher angefangen und uninteressiert beiseite gelegt. Ich beuge mich da auch keinem 30-Seiten-Druck mehr, der einige noch lebhaft umzutreiben scheint, von wegen man muss dem Buch doch eine Chance geben und was man da so alles hört. Nein. Gar nichts muss ich. Reingucken, nicht hängenbleiben, weglegen. Ich esse ja auch keine Salatgurke, wenn ich gerade keine Salatgurke essen möchte, weil sie im zweiten Drittel noch besser werden könnte und weil der Landwirt sich doch solche Mühe damit gegeben hat.
Spätere Chancen für Bücher und Gurken sind natürlich nicht ausgeschlossen, man ändert sich. Und manchmal ändert man sich sogar täglich. Ich habe schließlich die Geschichte von Kat und Easy als Hörbuch ausgesucht, das ist von Susann Pásztor und gut.
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Sascha Lobo über unsere hilflose Übersprungswut.
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Das Gedankenspiel mit dem Asteroiden.
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Als Intensivnutzer von Excel fand ich das hier einigermaßen erheiternd.
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Klimawandelrisiken in Deutschland nach Regionen. Da mal gucken, was einem blüht.
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Wasserstandsmeldungen vom Colorado River. Das ist sehr lang, aber auch sehr interessant.
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Ich würde Ihnen hier normalerweise ein Rezept verlinken, weil ich wieder mit Begeisterung gekocht habe. Allerdings führt Begeisterung nicht immer zum Erfolg, deswegen habe ich aus einem eigentlich interessanten Rezept für Huhn süß-sauer etwas gemacht, was man eher als “Pamps mit Ananas” beschreiben könnte, und woran sich niemand hier erinnern möchte. Kein Link. Schlimm.
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August 21, 2021
Trost, Futter, Speck
Man braucht Rückzugsräume, nicht wahr, gerade in diesen Zeiten. Man muss mal weg von den Nachrichten, von den sozialen Medien, von den Wahrheiten, den Halbwahrheiten und von den Lügen natürlich auch, man muss mal weg von allem. Mein Rückzugsraum ist manchmal die Küche, das hat sich auch familiär bestens bewährt. In die Küche kommt mir freiwillig keiner nach, denn dort müsste man mir ja helfen. Das habe ich über die Jahre klug eingerichtet, wenn ich mich da mal selbst loben darf. Ich erwähne jetzt nicht, dass man sich alles zurechtbiegen muss, das sage ich zu häufig. Aber wenn es doch stimmt.
Ich erwähnte neulich bereits meine Neigung, neuerdings wieder etwas besser zu kochen, erwachsenengerechter, kultivierter und schmackhafter, also aus meiner Sicht. In diesem Zusammenhang habe ich gerade noch einmal die von mir abonnierten Foodblogs gesichtet. Und ich habe auch auf Twitter nach weiteren gefragt und einige ergänzt.
Und nur für den Fall, dass Sie auch gerne mal in die Küche abhauen und sich dort stundenlang verschanzen, poste ich diese Foodblogs hier mal als Liste. Vielleicht ist da auch für Sie und Ihre Neigungen etwas dabei, dann haben Sie gleich etwas Service.
Das oberste High-End der feinen Küche ist allerdings eher nicht dabei, so exaltiert koche ich auch dann nicht, wenn ich viel Zeit habe, was ich aber eh nie habe. Die vegane Richtung fehlt tendenziell auch, ebenso alles, was sich nur an Grillfreunde und Metzger richtet. Alles ums Backen ist auch eher wenig dabei, ich backe nicht, das macht die Herzdame. Süßes ist nicht so dringend, kommt aber vereinzelt vor. Ich mache selten Nachtisch, warum eigentlich. Das auch mal ergründen! Aber nicht heute.
Falls etwas elementar Wichtiges fehlen sollte und Sie ganz empört sind, wieso ich nun gerade das von Ihnen seit langer Zeit geliebte oder gar geschriebene Standardblog nicht lese: Mein Feedreader bestellt gerne mal selbsttätig ab, was ich nur selten bemerke. Lücken festzustellen, das ist immer schwierig. Das ist mittlerweile der dritte Feedreader in Folge, der das tut, ich habe es jetzt aufgegeben, einen weiteren zu testen. Ein wenig Schwund ist also auch bei den Feeds. Nur mit viel Glück bemerke ich es manchmal.
Ich liste nur Feeds, die Stand heute technisch 1a aufzurufen und auch zu abonnieren sind und die mir noch halbwegs lebendig vorkommen, also etwa ein Posting im letzten Quartal hatten. Ich verfolge Foodthemen kategorisch nicht auf FB, Insta, Youtube oder Tiktok. Ich will Rezepte lesen, ich habe keine Zeit für Kochvideos mit Smalltalk. Und ich klicke Seiten ohne Feed eher kein zweites Mal an, das wäre ja eine Wiedervorlage, das klingt dann nach Büro. Geh mir weg.
Also bitte, hier ein paar Foodblogs – meist deutschsprachige, ich muss bei Englischen tendenziell zu viel nachdenken – zur Auswahl. Chanterelles etwa, das habe ich gerade gelesen. Pfifferlinge. Hätten Sie es gewussst? Englische Foodblogs erinnern mich an meine Vokabellücken, das will ich gar nicht immer.
Egal. Falls wir uns nach dieser Wahl da demnächst etwas Kummerspeck anfuttern müssen, ich habe da so ein ungutes Gefühl, hier kommen gleich genug Vorlagen.
Ergänzungen gerne in die Kommentare.
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August 19, 2021
Hirschkuh am Saum des Waldes
Ich lese weiter Herbstgedichte, dann habe ich das schon fertig. Nein, das war nicht ernstgemeint. Ich lese Herbstgedichte, weil sie schön sind. Lest mehr Lyrik! Etwas fremder als sonst sind sie mir allerdings auch in diesem Jahr, im Jahr II des Home-Offices. Morgens nicht rausgehen, am Mittag nicht rausgehen, da fehlt der Bezug zum Draußen über eine zu weite Strecke des Tages, merke ich. Ich gehe deswegen seit einiger Zeit morgens doch einmal kurz raus, ich gehe zum Bäcker, ich gehe zum Markt, ich gehe zum Briefkasten oder zum Geldautomaten. Ich stelle fest, das reicht nicht. Ich müsste mindestens bis zur Arbeit gehen, das ist ein Weg von etwas mehr als 20 Minuten. Erst dann bin ich voll im Wetter und also auch in der Jahreszeit. Durchgefroren oder erhitzt, nass oder was auch immer, das empfindet man alles nicht nebenbei, nicht einmal das empfindet man nebenbei, man muss sich dem schon widmen. Im Home-Office gibt es keine Jahreszeiten, im Home-Office gibt es nur irgendwann Lebkuchen.
Ich lese Trakl, da erstarrt am Saum des Waldes der Schrei der Hirschkuh . Wie fremd ist das denn, bitte? Ich gucke vom Notebook hoch, es regnet auf das Dachfenster. Das ist hier die Natur, querlaufende Tropfen, dezentes Getrommel, asphaltgraue Wolken über der ganzen Stadt. Ich mag das. Ich finde es sogar dermaßen gemütlich, ich könnte Menschen kontaktieren, nur um ihnen zu sagen, wie schön das ist. So sehr mag ich das, aber ich reiße mich natürlich zusammen. Contenance! Ein endlos grauer Himmel, Regenschlieren, Sturzbäche. Und dabei dann arbeiten, lesen oder schreiben, das ist seelische Heimat. Leise Musik dazu. Kaffee. Franzbrötchen. Perfekt.
Der Regen hört auf, ich gehe zum Fenster, ich mache es weit auf. Drei Wespen kommen herein und wollen mit mir über Essen reden. Es ist nicht so leicht, sie abzuwimmeln, sie reden durcheinander und haben Argumente. Auf dem Dach gegenüber sitzt eine nasse Stadttaube und sieht verstimmt aus.
In der Dachrinne liegen wieder Dönerreste, die werden da von Möwen oder Krähen hindrapiert. Die holen sie unten aus den Mülleimern an der Kreuzung und essen sie dann in aller Ruhe bei mir hier oben. Die Hirschkuh am Saum des Waldes wäre vielleicht auch schön, aber man muss nehmen, was man kriegen kann.
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August 18, 2021
Links am Morgen
Diesen langen, langen Twitterthread kann man seltsam tröstlich finden – kleine Dinge, die man an Deutschland mag. Die beschauliche Sonntagsruhe, über die ich auch gerade neulich geschrieben habe, sie kommt dabei bemerkenswert gut weg. Wie auch der “Feierabend”, zu dem Martin Oetting auf Twitter noch einen BBC-Artikel verlinkt hat, der auf die besondere Bedeutung des Wortes eingeht. Weil die Benennung des Feierabends ihn sozusagen erst ermöglicht. Auch auf Twitter lernt man dauernd was.
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Der Kipppunkt für die Dorschpopulation in der Ostsee ist überschritten. Das geht ein wenig im Medienrauschen unter, aber was für eine Meldung. Sehr geiler Dorsch, erinnern Sie sich noch an die Werbung? Wie lange ist das her?
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It’s okay not to be okay. To whom it may concern. Wer ist schon okay? Ich bin nicht okay, Sie sind nicht okay.
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Didü – via der Kaltmamsell, glaube ich.
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Richtig gutes Zeug
Ich bestelle Second-Hand-Kleidung. Das ist vielleicht besser als ein Neukauf, denke ich mir, also besser für die Umwelt. Da wird dann immerhin für mich nichts hergestellt, da wird keine Ressource verbraucht, das ist doch gut. Nicht immer nur über Konsum schimpfen, auch selbst etwas umstellen! Einfach irgendwo anfangen. Obwohl es doch Online-Handel ist, was vermutlich auch Nachteile hat, da wird es dann gleich wieder kompliziert und man müsste es alles bis zum Ende bedenken, aber so viel Zeit hat ja kein Mensch, echtjetztmal. Egal, ich habe noch nie irgendwo Second-Hand-Kleidung bestellt, ruhig alles mal probieren. Es ist ein Sofa-Abenteuer, das passt auch zum Wetter. Und ich habe nichts gegen Second-Hand, gar nichts, das ist also keine große Überwindung.
Ich bestelle beim größten Anbieter, immer schön im Mainstream bleiben. Ich kaufe mir einen Anzug, gleich richtig zuschlagen. Eine feine Marke, erstklassig erhalten, steht da. Richtig gutes Zeug, das wäre als Neuware im Preis schon etwas anstrengend.
Der Anzug kommt superschnell an, er ist perfekt verpackt, es klappt alles dermaßen tadellos, es ist ein Traum. Allerdings sehe ich beim Probieren auch, welche Nachteile Second-Hand online haben kann. Die Bilder sind auf der Plattform nämlich eher klein, man erkennt nicht alles gut genug. Denke ich so und sehe auf die überraschend dominanten Schulterpolster und auch auf die Hose, die eine längst nicht mehr übliche Höhe am Bauch erreicht. Dieser Anzug ist tatsächlich erstaunlich gut erhalten, er ist quasi wie neu, er sieht aus wie nie getragen, aber er ist vermutlich aus den mittleren Achtzigern. Er passt mir verblüffend gut, er sieht fast aus wie Maßarbeit, aber ich sehe damit aus, so sagt die Herzdame, „wie einer dieser älteren Herren, die am späten Abend betrunken über Dorffeste wanken.“ Das ist doch mal eine präzise Beschreibung, mit der kann ich etwas anfangen, da habe ich ein Bild. Dieses Bild und dazu das Bild im Spiegel – nein. Einfach nein.
Ich schicke den Anzug zurück, auch das klappt sehr gut.
Vielleicht mal in einen Second-Hand-Laden gehen? Oder gar nichts kaufen. Noch einfacher.
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August 16, 2021
Links am Abend
Es geht zu keinem Zeitpunkt um irgendwelche Inhalte – Frau Herzbruch über Politiksimulation. Wenn Sie heute nur eine Text lesen, nehmen Sie ruhig den, das passt schon. Wobei ich merke, dass ich mit jedem Monat zusehends wütender werde. Das Wort Wut kommt weiter unten bei einem anderen Link übrigens auch noch einmal vor, da mal drauf achten. Wütend werde ich deswegen, weil mir in den letzten zwei Jahren auch auf persönlicher Ebene zu viele Menschen begegnet sind, die ihre Berufe und ihre Verantwortung nur simuliert haben. Ich fühle mich da allmählich etwas wund und empfindlich, bekomme aber leider dazu noch die Politik mit, und je nachdem, wer demnächst männliche oder weibliche Kanzlerin wird, muss ich Entspannungstechniken lernen, und zwar ebenso dringend wie gründlich.
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Gustave Doré’s East End. Via Kiki auf Twitter.
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Klima-Debatte nach dem Discounter-Prinzip. “Sorry, Leute, es kostet etwas.” Audio, 5 Minuten.
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Die Eltern sind noch längst nicht wütend genug. Währenddessen überlegen im Heimatdorf der Herzdame in Nordostwestfalen die Landwirte, ob sie vielleicht vor dem örtlichen VW-Händler demonstrieren sollten, weil der Konzern aus Wolfsburg doch gerade das mit der Curry-Wurst … ich scherze nicht. Was nun der Händler dafür kann und was das eigentlich bringen soll, das weiß vermutlich kein Mensch, aber während ich noch auf FB diese Meldung lese, in der Minute, höre ich im Radio etwas über Uwe Timm. Sie erinnern sich, der Herr hat zweifellos eine gewisse Currywurstkompetenz, mehr noch als der Exkanzler sogar, und die kann ihm auch keiner absprechen. Und er sagt da also, dass die Currywurst in einer Kantine eine domestizierte Wurst sei (ich denke mir das wirklich nicht aus), eine Currywurst, eine echte Currywurst gehöre aber zweifellos nach draußen, an einen Imbiss, quasi in die freie Wurstbahn, das Wort ist allerdings jetzt von mir.
Das sind so die großen Diskurslinien im Lande. Plötzlich Lust auf Alkohol. Schlimm.
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Etwas Schöneres, es ist dringend. Ich habe beim Deutschlandfunk in der Sendung “Europa heute” etwas über Portugals Wälder nach dem Waldbrand gehört (hier, oben der erste Link), nämlich dass man da jetzt wieder vermehrt einheimische Bäume pflanzt, Olivenbäume etwa. Und da fiel auch der Begriff Erdbeerbaum, den kannte ich gar nicht. Den habe ich also nachgelesen, ich habe einen Garten, ich muss das alles wissen, und guck, da kommt dann was mit bitterem Honig, lesen Sie mal, das ist interessant. Was man alles nicht weiß!
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August 15, 2021
Das ganze Sonntagsallerlei
Noch einmal eine unerwartet schöne Mittagsstunde, die Sonne kommt durch, es ist fast windstill auf dem Kirchhof. Ein Hubschrauber brummelt langsam über den aufgeklarten Himmel. Vom Spielplatz unten kommen helle und schnelle Ballgeräusche von der Tischtennisplatte, ein dumpferes Aufprallen vom Basketballkorb. Ein Kind jubelt immer wieder über Körbe oder Punkte, es klingt aufgeregt. Fahrradklingeln aus einer Nebenstraße, leise Gespräche. Vermutlich reden Eltern am Spielplatzrand unter den Linden, ich kann sie durch das dichte Laub nicht sehen.
Im Haus gegenüber hat jemand im Dachgeschoss alte CDs an Geschenkband gehängt und sie dann am Dach befestigt, sie wehen sachte vor den Fenstern hin und her und vergrämen Tauben von der Terrasse, so jedenfalls die Theorie. Eine Elster sitzt auf dem Dachfirst und sieht sich die Sache mit schiefgelegtem Kopf an. Lange.
Glocken läuten. Von meiner Warte hier oben aus wirkt die Stadt sonntäglich und ruhig, ein wenig kleinstädtisch vielleicht. Ein Mann geht mit seinem lustlosen Hund und sagt „Na komm“, aber in einem so freundlichen Tonfall, das ist kein Kommando, es ist mehr ein Vorschlag.
Lilafarbene Chrysanthemen in der Vase auf dem Wohnzimmertisch, an dem ich schreibe. Die Balkontür steht weit offen. Eine Biene fliegt ein kleines Stück in die Wohnung, zieht sich dann aber mit einem leisen Summen der Entschuldigung sofort wieder zurück und interessiert sich lieber eine Weile für den Lavendel im Blumenkasten.
In den Nachrichten geht Afghanistan nahezu kampflos verloren. An manchen Tagen ist die Gleichzeitigkeit von allem leichter, an manchen ist sie schwerer.
Auf einem Wahlkampfplakat an einer Laterne möchte ein Politiker, so steht es da, für Hamburg-Mitte nach Berlin. Da steht nicht einmal, warum er das möchte, es ist einfach so. Also so ja nun nicht, denke ich. Nach dem Wahlkampf zu urteilen, den ich hier auf den Straßen sehen kann, gibt es die CDU nicht mehr, sie kommt einfach nicht vor. Das soll mir recht sein, denke ich, und ein wenig Schwund ist eben immer.
Ein Sohn muss die Staaten der USA lernen, also alle an der Karte zeigen können. Ich lerne mit. Ich steigere mich von den peinlichsten Allgemeinbildungslücken zu „Kann ich alles“, sogar Delaware kann ich jetzt. Ich glaube, Delaware habe ich noch nie vorher gewusst. Ich kann jetzt sagen, ich habe heute etwas gelernt. Ich habe allerdings auch penetrante Ohrwürmer zu all den Staaten, die in Songs vorkommen, zu Vermont, Nebraska, Georgia, Mississippi, Alabama, West Virginia, Californication, ist gut, ich höre schon auf. Rechts oben in Maine spielte gerade die Serie Olive Kitteridge, die hatte ich Ihnen empfohlen und würde es wieder tun, die war gut. Kein Happy End, falls Sie da eine Warnung brauchen. Im Buch von Elizabeth Strout auch nicht.
Ich lese weiter und gerne in den Nachtflügen von Helen Macdonald. Präzises Beschreiben, wie gut sie das kann und wie ich das mag. Aufschreiben, was ist, aufschreiben, was man sieht. Immer weiter üben.
Ein Paar streitet sich jetzt auf der Straße, er schreit immer wieder und ohne weitere Argumente: „Du blöde Kuh!“ Sie sind beide schon älter, man hört es auch an den Beleidigungen.
Eine Mutter zieht ihr Kind vom Spielplatz weg, beugt sich runter und zischt es an: „Du musst dich schon wie ein normaler Mensch benehmen!“
Als ob das so einfach wäre, denke ich. Als ob das so einfach wäre.
Schon wieder Glockenläuten.
„Wenn die Spinne Langeweile
Fäden spinnt und ohne Eile
giftiggrau die Wand hochkriecht,
wenn‘s blank und frisch gebadet riecht …“
Der olle Degenhardt war das. Der ist schon seit hundert Jahren tot.
„Seh, hör und rieche nebenbei
Das ganze Sonntagsallerlei.“
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August 14, 2021
Die große Fracht des Sommers
Gegen Mittag in den Garten.
Auf einer Kreuzung liegt eine bereits hundertfach überfahrene Ratte, schon so flach wie ein sorgsam gearbeitetes Relief im Asphalt. Pergamentbleich und lang wie ein springendes Karnickel, das war ein großes Tier. Der dünne Schwanz steht linealgerade nach hinten ab. Am Unterbauch etwas rostrotes Gekröse mit rosafarbenen Einsprengseln, das da durch einen Autoreifen hervorgedrückt wurde. Das Gebilde sieht aus wie eine Figur aus einem Ausmalbild, da grau, da rostrot mit Buntstift eingefärbt, das hat jemand dann in diesen gedeckten Herbstfarben ausgeschnitten und da hingelegt. Bald wird es wegwehen, das dünne Etwas, das Stück Stadtnatur.
Ein paar Meter weiter ein unordentliches Geranke an einem Brückenpfeiler, übergriffige grüne Üppigkeit, ich sehe es im Vorbeifahren und halte: Brombeeren. Und sie sind groß, reif und sie schmecken. Keine Brombeeren im Discounter kaufen, diese immer nur wie ein Sammler in grauer Vorzeit konsumieren, also da stehenbleiben, wo sie im Revier an den Wegen wild wachsen und dann dort alles abgrasen. Sich die Stellen merken, also das denkt man dann jedenfalls so, in Wahrheit aber hat man sie hundert Meter weiter schon vergessen. Im nächsten Jahr wieder überrascht sein, ach guck, Brombeeren.
Später im Garten die sieben Pflaumen anstaunen, die wir dieses Jahr noch von dem jungen Baum ernten werden. So ein prächtiges, lockendes Lila, vornehm zurückhaltend matt ist es, mit einigen wenigen glänzenden Stellen, die fast leuchtend rot sind. Aber die Früchte sind noch steinhart und hängen da also weiter, edel, erlesen und erst einmal ungenießbar.
Die Kürbisse runden sich langsam, dieses unwahrscheinliche Signalorange unter dem Laub, Hokkaido. Die Zucchini dagegen wächst längst freiwillig in Richtung Kompost und ergibt sich dort mit ihrer unverbrauchbaren Überfülle.
Eine vereinzelte Erdbeere hängt noch an den Pflanzen im Beet, auf der einen Seite zeigt sie noch ein freundlich lockendes Frühsommerrot, auf der anderen Seite aber ist sie braun und faulig, dem Boden zugewandt und schon in Auflösung begriffen.
Sohn II und ich ernten Kartoffeln und Karotten, es riecht nach Herbst und Erde und der Sohn schnuppert an einer gerade gezogenen Möhre, sagt „Das!“ und ich weiß, was er meint.
Ich habe in den letzten Wochen seltsam am Sommer vorbeigelebt, ich war nicht recht dabei und habe anders gealltagt, in der Wohnung, am Schreibtisch. Viel gearbeitet. Es zog mich nirgendwo hin, nicht einmal in den Garten. Ich saß in den Stunden ohne Arbeit eher ratlos herum, aber es hat sich gar nicht schlecht angefühlt, eher angemessen und passend. Warum soll man nicht einmal ratlos sein, das kommt vor. Einfach mal tagelang denken: Ich weiß es doch auch nicht. Wenigstens davon überzeugt sein.
Jetzt gehe ich wieder raus und das Sommerwetter scheint erst einmal vorbei zu sein, es gibt in der nächsten Woche, so lese ich, ein Preview auf den Herbst zu sehen. Die große Fracht des Sommers ist verladen, das ist von Ingeborg Bachmann. Ich lese einen Gedichtband mit Septembergedichten, weil ich den gerade passenden Band mit dem August nicht finden kann, ich greife vor. Die Luft ist kalt und voller Distelsamen, das ist nur ein Gedicht weiter und von Hilde Domin. Man kann die beiden Zeilen zusammenkleben, merken Sie das auch beim Lesen?
Die große Fracht des Sommers ist verladen
Die Luft ist kalt und voller Distelsamen.
Passt doch. Na gut, ich habe klammheimlich eine Silbe dazugeschummelt, immer ehrlich bleiben. Ein Bastelgedicht, ein Remix deutscher Dichterinnen, ein wenig früh in der Saison vielleicht. Aber ich gehe da gerne etwas vor, ich mag die Wechsel und die Zwischenzeiten viel lieber als die eigentlichen Jahreszeiten.
Egal. Es sind 20 Grad, es ist nicht warm, es ist nicht kalt, der Himmel ist bedeckt. Es kommt ein böiger Wind auf und macht einen auf dicke Hose. Es rauscht und saust in den Bäumen, die Äpfel fallen ins Gras, die Wolken sind auf einmal schwer schattiert, es wird Regen geben. Bald schon.
Ich fahre auf dem Fahrrad zurück ins kleine Bahnhofsviertel, der Wind jagt mir nach. Die Regebogenfahnen im Stadtteil hängen in Bausch und Bogen von den Balkonen. Gut gestylte Frisuren werden durch das auffrischende Wehen auf die Zauselstufe zurückgesetzt und blaue OP-Masken flattern an den Touristenoberarmen, an denen sie vertäut sind.
Und dort, aus der gemäß Wetterbericht nur noch heute gut besuchten Außengastronomie, steigt ein Schwarm weißer Papierservietten auf und fliegt in den Süden.
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