Karin Taglang's Blog, page 3

June 9, 2017

Rezension: Brooklyn

Eines haben Eilis Lacey und ich gemeinsam: Wir beide haben uns verliebt: ich mich in den irischen Autor Colm Tóibín und sie sich in den italienischen Klempner Tony. Eilis (sprich: Ejlisch) ist die Protagonistin von Colm Tóibíns Roman Brooklyn, daher der Zusammenhang …


Trotz der Liebesgeschichte zwischen Eilis und Tony ist Brooklyn weit mehr als ein Liebesroman. Es ist eine Geschichte über Heimat, Mut und Angst, über Familie und ja, auch ein bisschen über die Liebe. Brooklyn wirft Fragen auf, mit denen sich wohl jeder Mensch das ein oder andere Mal beschäftigt: Wer bin ich, wo gehöre ich hin und wie will ich leben?


The American Dream – or Nightmare

Die junge Eilis wächst mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Rose in Enniscorthy auf, einer kleinen Stadt im Südwesten Irlands. Ihre drei Brüder sind alle wegen der Arbeit nach England gezogen. Eilis und ihre Mutter leben von dem Geld, das Rose in ihrem Bürojob verdient; Eilis sucht schon lange vergebens nach einer guten Arbeit.


Eilis und ihre Familie leben ein einfaches, ruhiges Leben im Irland der 50er-Jahre, bis Rose Father Flood kennenlernt, einen Priester, der aus Amerika zu Besuch ist. Er bietet an, Eilis eine Stelle in Brooklyn, New York, zu vermitteln. Eilis ist davon zunächst gar nicht begeistert:


Until now, Eilis had always presumed that she would live in the town all her life, as her mother had done, knowing everyone, having the same friends and neighbours, the same routines in the same streets. (1)


Brooklyn


Obwohl Eilis eigentlich gar nicht nach Amerika will (im Gegensatz zu den Protagonist*innen vieler anderer Auswanderer-Romane), nimmt sie ihren Mut zusammen und bricht auf in Richtung Brooklyn, wo Father Flood eine Unterkunft und eine Stelle in einem Warenhaus für sie organisiert hat. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist die junge Irin weit weg von ihrem Zuhause. Wenig überraschend fühlt sie sich in der fremden Stadt unwohl und als sie die ersten Briefe von ihrer Familie erhält, überkommt sie das Heimweh.


Doch Eilis kann nicht zurück. Sie weiss, dass ihre Schwester Rose ihr eigenes Leben geopfert hat, damit Eilis nach Brooklyn gehen konnte. Rose wird ihretwegen niemals heiraten können. Sie wird für immer bei ihrer Mutter bleiben und für sie sorgen müssen, während Eilis die Möglichkeit hat, in Amerika reich zu werden. Das war es, was Eilis über Amerika gehört hatte:


While the boys and girls from the town who had gone to England did ordinary work for ordinary money, people who went to America could become rich. (2)


Was Eilis jedoch in Brooklyn vorfindet, ist alles andere als der „American Dream“. Sie ist allein und hat das Gefühl, nirgends dazuzugehören – bis sie Tony kennenlernt, einen jungen Mann aus Brooklyn mit italienischen Wurzeln. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden nimmt ihren Lauf, bei der Arbeit schliesst Eilis Freundschaften und ihre ‚Landlady‘ offeriert ihr ein schöneres Zimmer. Langsam beginnt Eilis, sich wohlzufühlen in Brooklyn.


Aber kaum hat sich Eilis richtig eingelebt, ruft sie ein Schickschalsschlag zurück in die irische Provinz. Plötzlich fühlt sie sich in ihrer eigenen Heimat fremd, doch als sie sich auch dort wieder einlebt, findet sich Eilis schlussendlich zwischen zwei Welten und steht vor der grossen Frage, wie und wo sie ihr Leben wirklich leben möchte.


Typisch Colm Tóibín

Wie auch Nora Webster ist Brooklyn ein sprachliches Meisterwerk. Colm Tóibín versteht es, mit wenigen und einfachen Wörtern sehr viel zu erreichen; er ist ein Meister des Mantras „Show, don’t tell“ (‚Zeige es, statt es zu sagen‘). So bietet er Einblick in die Gefühlswelt seiner Figuren, ohne die Gefühle als solche zu benennen.


Tóibín schreibt nicht, dass Eilis ihr Zuhause vermisst. Er schreibt nicht, dass sie sich alleine fühlt oder dass sie traurig ist. Was er schreibt ist Folgendes:


She was already crying as she went up the stairs. She knew that as long as the others were discussing their wardrobes in the kitchen below, she would be able to cry as loudly as she pleased without their hearing it. (3)


Die Tatsache, dass Eilis‘ Mitbewohnerinnen fröhlich am Tisch sitzen und die neusten Modetrends diskutieren, während Eilis weinend die Treppe hochsteigt, sagt alles. Auf einen Schlag ist klar, wie allein sie sich fühlen muss, ohne dass es explizit gesagt wird. Ein Bild, oder in diesem Fall eine Vorstellung, sagt mehr als tausend Worte.


Colm Tóibín ist bekannt für seine Portraits von Frauen, und dies nicht ohne Grund. Die Geschichte von Eilis Lacey ist eine grosse Inspiration, auch wenn sie in den 50er-Jahren spielt. Vielleicht ist sie heute sogar aktueller denn je …



Übersetzungen

Die Zitate wurden für diesen Artikel von Karin Taglang übersetzt, es handelt sich daher nicht um die offizielle Übersetzung des Romans.



Bisher dachte Eilis immer, dass sie ihr ganzes Leben in diesem Städtchen verbringen würde, wie es bereits ihre Mutter getan hat. Sie würde jeden kennen, die gleichen Freunde und Nachbarn haben und immer den gleichen Ablauf auf der gleichen Strasse erleben.
Die Jungen und Mädchen aus dem Städtchen, die nach England gingen, machten dort alltägliche Arbeit zu alltäglichen Löhnen. Doch wer nach Amerika ging, der konnte reich werden.
Sie hatte schon angefangen zu weinen, als sie die Treppe hinaufging. Solange die anderen noch in der Küche sassen und über ihre Kleider diskutierten, wusste Eilis, dass sie so laut weinen konnte, wie sie wollte, ohne dass sie jemand hören würde. (3)



Brooklyn kaufen



Die deutsche Ausgabe von Brooklyn ist 2010 im Hanser Verlag erschienen.


Erscheinungsdatum: 17.8.2010, 302 Seiten


Bei Orell Füssli kaufen: Fr. 31.90


 




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Published on June 09, 2017 21:00

Brooklyn – das Leben zwischen zwei Welten

Eines haben Eilis Lacey und ich gemeinsam: Wir beide haben uns verliebt: ich mich in den irischen Autor Colm Tóibín und sie sich in den italienischen Klempner Tony. Eilis (sprich: Ejlisch) ist die Protagonistin von Colm Tóibíns Roman Brooklyn, daher der Zusammenhang …


Trotz der Liebesgeschichte zwischen Eilis und Tony ist Brooklyn weit mehr als ein Liebesroman. Es ist eine Geschichte über Heimat, Mut und Angst, über Familie und ja, auch ein bisschen über die Liebe. Brooklyn wirft Fragen auf, mit denen sich wohl jeder Mensch das ein oder andere Mal beschäftigt: Wer bin ich, wo gehöre ich hin und wie will ich leben?


The American Dream – or Nightmare

Die junge Eilis wächst mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Rose in Enniscorthy auf, einer kleinen Stadt im Südwesten Irlands. Ihre drei Brüder sind alle wegen der Arbeit nach England gezogen. Eilis und ihre Mutter leben von dem Geld, das Rose in ihrem Bürojob verdient; Eilis sucht schon lange vergebens nach einer guten Arbeit.


Eilis und ihre Familie leben ein einfaches, ruhiges Leben im Irland der 50er-Jahre, bis Rose Father Flood kennenlernt, einen Priester, der aus Amerika zu Besuch ist. Er bietet an, Eilis eine Stelle in Brooklyn, New York, zu vermitteln. Eilis ist davon zunächst gar nicht begeistert:


Until now, Eilis had always presumed that she would live in the town all her life, as her mother had done, knowing everyone, having the same friends and neighbours, the same routines in the same streets. (1)


Brooklyn


Obwohl Eilis eigentlich gar nicht nach Amerika will (im Gegensatz zu den Protagonist*innen vieler anderer Auswanderer-Romane), nimmt sie ihren Mut zusammen und bricht auf in Richtung Brooklyn, wo Father Flood eine Unterkunft und eine Stelle in einem Warenhaus für sie organisiert hat. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist die junge Irin weit weg von ihrem Zuhause. Wenig überraschend fühlt sie sich in der fremden Stadt unwohl und als sie die ersten Briefe von ihrer Familie erhält, überkommt sie das Heimweh.


Doch Eilis kann nicht zurück. Sie weiss, dass ihre Schwester Rose ihr eigenes Leben geopfert hat, damit Eilis nach Brooklyn gehen konnte. Rose wird ihretwegen niemals heiraten können. Sie wird für immer bei ihrer Mutter bleiben und für sie sorgen müssen, während Eilis die Möglichkeit hat, in Amerika reich zu werden. Das war es, was Eilis über Amerika gehört hatte:


While the boys and girls from the town who had gone to England did ordinary work for ordinary money, people who went to America could become rich. (2)


Was Eilis jedoch in Brooklyn vorfindet, ist alles andere als der „American Dream“. Sie ist allein und hat das Gefühl, nirgends dazuzugehören – bis sie Tony kennenlernt, einen jungen Mann aus Brooklyn mit italienischen Wurzeln. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden nimmt ihren Lauf, bei der Arbeit schliesst Eilis Freundschaften und ihre ‚Landlady‘ offeriert ihr ein schöneres Zimmer. Langsam beginnt Eilis, sich wohlzufühlen in Brooklyn.


Aber kaum hat sich Eilis richtig eingelebt, ruft sie ein Schickschalsschlag zurück in die irische Provinz. Plötzlich fühlt sie sich in ihrer eigenen Heimat fremd, doch als sie sich auch dort wieder einlebt, findet sich Eilis schlussendlich zwischen zwei Welten und steht vor der grossen Frage, wie und wo sie ihr Leben wirklich leben möchte.


Typisch Colm Tóibín

Wie auch Nora Webster ist Brooklyn ein sprachliches Meisterwerk. Colm Tóibín versteht es, mit wenigen und einfachen Wörtern sehr viel zu erreichen; er ist ein Meister des Mantras „Show, don’t tell“ (‚Zeige es, statt es zu sagen‘). So bietet er Einblick in die Gefühlswelt seiner Figuren, ohne die Gefühle als solche zu benennen.


Tóibín schreibt nicht, dass Eilis ihr Zuhause vermisst. Er schreibt nicht, dass sie sich alleine fühlt oder dass sie traurig ist. Was er schreibt ist Folgendes:


She was already crying as she went up the stairs. She knew that as long as the others were discussing their wardrobes in the kitchen below, she would be able to cry as loudly as she pleased without their hearing it. (3)


Die Tatsache, dass Eilis‘ Mitbewohnerinnen fröhlich am Tisch sitzen und die neusten Modetrends diskutieren, während Eilis weinend die Treppe hochsteigt, sagt alles. Auf einen Schlag ist klar, wie allein sie sich fühlen muss, ohne dass es explizit gesagt wird. Ein Bild, oder in diesem Fall eine Vorstellung, sagt mehr als tausend Worte.


Colm Tóibín ist bekannt für seine Portraits von Frauen, und dies nicht ohne Grund. Die Geschichte von Eilis Lacey ist eine grosse Inspiration, auch wenn sie in den 50er-Jahren spielt. Vielleicht ist sie heute sogar aktueller denn je …



Übersetzungen

Die Zitate wurden für diesen Artikel von Karin Taglang übersetzt, es handelt sich daher nicht um die offizielle Übersetzung des Romans.



Bisher dachte Eilis immer, dass sie ihr ganzes Leben in diesem Städtchen verbringen würde, wie es bereits ihre Mutter getan hat. Sie würde jeden kennen, die gleichen Freunde und Nachbarn haben und immer den gleichen Ablauf auf der gleichen Strasse erleben.
Die Jungen und Mädchen aus dem Städtchen, die nach England gingen, machten dort alltägliche Arbeit zu alltäglichen Löhnen. Doch wer nach Amerika ging, der konnte reich werden.
Sie hatte schon angefangen zu weinen, als sie die Treppe hinaufging. Solange die anderen noch in der Küche sassen und über ihre Kleider diskutierten, wusste Eilis, dass sie so laut weinen konnte, wie sie wollte, ohne dass sie jemand hören würde. (3)



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Die deutsche Ausgabe von Brooklyn ist 2010 im Hanser Verlag erschienen.


Erscheinungsdatum: 17.8.2010, 302 Seiten


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Published on June 09, 2017 21:00

June 2, 2017

Rezension: The Girls

Emma Clines Debüt ist alles andere als ein gewöhnlicher Roman. Mit The Girls hat die 1989 geborene Amerikanerin eine tiefe Charakterstudie verfasst, und eine moderne noch dazu. Die Geschichte der 14-jährigen Evie, die sich im Sog eines fragwürdigen Kults verliert, weckt in ihren Leser*innen eine grosse Frage, wenn nicht die grösste Frage in der Literatur überhaupt:


Hätte ich selbst in Evies Haut stecken können?


Ein Sommer voller Möglichkeiten

Die Ich-Erzählerin ist Evie selbst, allerdings nicht die 14-jährige, sondern die erwachsene Evie. Als ältere Frau schaut sie also auf den Sommer von 1969 zurück – auf ihren Sommer voller Möglichkeiten.



Wir lernen die junge Evie als unauffälliges Mädchen kennen, das im kommenden Schuljahr auf ein Internat geschickt werden soll. Sie lebt alleine mit ihrer Mutter und verbringt viel Zeit mit ihrer Freundin Connie. Evie selbst sagt von sich:


I was an average girl, and that was the biggest disappointment of all  – there was no shine of greatness on me.


Als Leser*in blickt man hinein in ihr Teenager-Dasein. In Evies Leben passiert abgesehen von gelegentlichen Streitigkeiten mit der Mutter und kleinen Schwärmereien für Jungs kaum etwas. Doch das ändert sich mit einem Schlag, als Evie eine Gruppe von Mädchen  beim „Containern“ beobachtet. Eine von ihnen ist die einige Jahre ältere Suzanne. Evie muss kein zweites Mal hinschauen; sie verfällt sofort in ihren Bann …


Mit ihrer Faszination für Suzanne landet Evie auch in dem fragwürdigen Kult, dem sie angehört. Der Kult besteht aus zahlreichen Mädchen und jungen Frauen, die ihrem Führer Russel folgen und allesamt eine sexuelle Beziehung zu ihm haben. Russel verspricht seinen „Girls“ die Welt und lullt sie mit dem Glauben an die Liebe ein. Eines der Mädchen, Donna, beschreibt Russel mit diesen Worten:


He’s not like anyone else. No bullshit. It’s like a natural high, being around him. Like the sun or something.


Mit der Zeit verfällt Evie immer tiefer in den Bann der Gruppe und fühlt sich dort wohl. Aber als Russel seinen lang ersehnten Plattenvertrag nicht bekommt, läuft plötzlich nichts mehr so, wie es soll; bis sich Evie schlussendlich im Auto auf dem Weg zu einer schrecklichen Tat befindet. Doch selbst in dieser Situation sieht sie nicht, was wirklich passiert und hat nur Augen für Suzanne:


And there I was among them. Russel had changed, things had soured, but I was with Suzanne. Her presence corralled any stray worries.


„The Summer of 69“  – historisches Foreshadowing

Emma Clines Roman weist eindeutige Parallelen auf zu einem Kult, der im Kalifornien der 60er-Jahre tatsächlich existierte: die „Manson Family“ um Charles Manson. Wie die „Girls“ in Clines Roman lebten auch sie auf einer abgelegenen Farm im Hippie-Stil.


Am 9. August 1969 ermordete eine Gruppe seiner Anhängerinnen fünf Menschen (The Guardian). Eine von ihnen war die Schauspielerin Sharon Tate, die mitsamt ihrem ungeborenen Kind brutal umgebracht wurde.


Mit diesen Fakten, aber auch mit diversen Aussagen der Erzählerin selbst, schweben die ominösen Morde beim Lesen von The Girls von Anfang an mit. Evie erwähnt „jene Nacht“ immer und immer wieder …


I had imagined that night so often. […] And though the details had receded over the years, grown their second and third skins, when I heard the lock jamming open near midnight, it was my first thought.


Emma Cline weiss, wie es geht

Auch wenn The Girls Emma Clines erster Roman ist, merkt man bereits auf den ersten paar Seiten, dass sie viel vom Schreiben versteht – vielleicht mehr, als manch andere, bekanntere Autor*innen.


Ihr Stil ist simpel und passt gut zu Evie mit ihrem unauffälligen Stil. Doch genau mit dieser Einfachheit vermag Cline immer wieder zu überraschen und bringt ihre Leser*innen zum Schmunzeln, wie in diesem Beispiel:


Connie decided she had a crush on Henry.


Auch schafft es Emma Cline mit ihrer Sprache, Mitgefühl für ihre Charaktere zu wecken – sogar für Suzanne, die am Ende zur grausamen Mörderin wird.


But Suzanne had nothing else: she had given her life completely over to Russell, and by then it was like a thing he could hold in his hands, turning it over and over, testing its weight.


Dies ist einer der wenigen Momente im Roman, in denen man Suzanne ein bisschen näher kommt. Dadurch, dass wir sie durch Evies Augen kennenlernen, können wir uns als Leser*innen kein wirklich objektives Bild von ihr machen. Evie verteidigt sie in ihren Gedanken nahezu immer und wird so zu einer unzuverlässigen Erzählerin. Doch genau das macht sie gleichzeitig zu einer sehr liebenswürdigen und authentischen Erzählerin, die ich beim Lesen von „The Girls“ lieben gelernt habe und so schnell nicht vergessen werde.




The Girls kaufen



The Girls ist 2016 bei Random House in New York erschienen. Die deutsche Übersetzung erschien im gleichen Jahr im Carl Hanser Verlag München.


Erscheinungsdatum: 25.7.2016, 347 Seiten


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Published on June 02, 2017 21:00

The Girls – eine Charakterstudie im grossen Stil

Emma Clines Debüt ist alles andere als ein gewöhnlicher Roman. Mit The Girls hat die 1989 geborene Amerikanerin eine tiefe Charakterstudie verfasst, und eine moderne noch dazu. Die Geschichte der 14-jährigen Evie, die sich im Sog eines fragwürdigen Kults verliert, weckt in ihren Leser*innen eine grosse Frage, wenn nicht die grösste Frage in der Literatur überhaupt:


Hätte ich selbst in Evies Haut stecken können?


Ein Sommer voller Möglichkeiten

Die Ich-Erzählerin ist Evie selbst, allerdings nicht die 14-jährige, sondern die erwachsene Evie. Als ältere Frau schaut sie also auf den Sommer von 1969 zurück – auf ihren Sommer voller Möglichkeiten.



Wir lernen die junge Evie als unauffälliges Mädchen kennen, das im kommenden Schuljahr auf ein Internat geschickt werden soll. Sie lebt alleine mit ihrer Mutter und verbringt viel Zeit mit ihrer Freundin Connie. Evie selbst sagt von sich:


I was an average girl, and that was the biggest disappointment of all  – there was no shine of greatness on me.


Als Leser*in blickt man hinein in ihr Teenager-Dasein. In Evies Leben passiert abgesehen von gelegentlichen Streitigkeiten mit der Mutter und kleinen Schwärmereien für Jungs kaum etwas. Doch das ändert sich mit einem Schlag, als Evie eine Gruppe von Mädchen  beim „Containern“ beobachtet. Eine von ihnen ist die einige Jahre ältere Suzanne. Evie muss kein zweites Mal hinschauen; sie verfällt sofort in ihren Bann …


Mit ihrer Faszination für Suzanne landet Evie auch in dem fragwürdigen Kult, dem sie angehört. Der Kult besteht aus zahlreichen Mädchen und jungen Frauen, die ihrem Führer Russel folgen und allesamt eine sexuelle Beziehung zu ihm haben. Russel verspricht seinen „Girls“ die Welt und lullt sie mit dem Glauben an die Liebe ein. Eines der Mädchen, Donna, beschreibt Russel mit diesen Worten:


He’s not like anyone else. No bullshit. It’s like a natural high, being around him. Like the sun or something.


Mit der Zeit verfällt Evie immer tiefer in den Bann der Gruppe und fühlt sich dort wohl. Aber als Russel seinen lang ersehnten Plattenvertrag nicht bekommt, läuft plötzlich nichts mehr so, wie es soll; bis sich Evie schlussendlich im Auto auf dem Weg zu einer schrecklichen Tat befindet. Doch selbst in dieser Situation sieht sie nicht, was wirklich passiert und hat nur Augen für Suzanne:


And there I was among them. Russel had changed, things had soured, but I was with Suzanne. Her presence corralled any stray worries.


„The Summer of 69“  – historisches Foreshadowing

Emma Clines Roman weist eindeutige Parallelen auf zu einem Kult, der im Kalifornien der 60er-Jahre tatsächlich existierte: die „Manson Family“ um Charles Manson. Wie die „Girls“ in Clines Roman lebten auch sie auf einer abgelegenen Farm im Hippie-Stil.


Am 9. August 1969 ermordete eine Gruppe seiner Anhängerinnen fünf Menschen (The Guardian). Eine von ihnen war die Schauspielerin Sharon Tate, die mitsamt ihrem ungeborenen Kind brutal umgebracht wurde.


Mit diesen Fakten, aber auch mit diversen Aussagen der Erzählerin selbst, schweben die ominösen Morde beim Lesen von The Girls von Anfang an mit. Evie erwähnt „jene Nacht“ immer und immer wieder …


I had imagined that night so often. […] And though the details had receded over the years, grown their second and third skins, when I heard the lock jamming open near midnight, it was my first thought.


Emma Cline weiss, wie es geht

Auch wenn The Girls Emma Clines erster Roman ist, merkt man bereits auf den ersten paar Seiten, dass sie viel vom Schreiben versteht – vielleicht mehr, als manch andere, bekanntere Autor*innen.


Ihr Stil ist simpel und passt gut zu Evie mit ihrem unauffälligen Stil. Doch genau mit dieser Einfachheit vermag Cline immer wieder zu überraschen und bringt ihre Leser*innen zum Schmunzeln, wie in diesem Beispiel:


Connie decided she had a crush on Henry.


Auch schafft es Emma Cline mit ihrer Sprache, Mitgefühl für ihre Charaktere zu wecken – sogar für Suzanne, die am Ende zur grausamen Mörderin wird.


But Suzanne had nothing else: she had given her life completely over to Russell, and by then it was like a thing he could hold in his hands, turning it over and over, testing its weight.


Dies ist einer der wenigen Momente im Roman, in denen man Suzanne ein bisschen näher kommt. Dadurch, dass wir sie durch Evies Augen kennenlernen, können wir uns als Leser*innen kein wirklich objektives Bild von ihr machen. Evie verteidigt sie in ihren Gedanken nahezu immer und wird so zu einer unzuverlässigen Erzählerin. Doch genau das macht sie gleichzeitig zu einer sehr liebenswürdigen und authentischen Erzählerin, die ich beim Lesen von „The Girls“ lieben gelernt habe und so schnell nicht vergessen werde.




The Girls kaufen



The Girls ist 2016 bei Random House in New York erschienen. Die deutsche Übersetzung erschien im gleichen Jahr im Carl Hanser Verlag München.


Erscheinungsdatum: 25.7.2016, 347 Seiten


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Published on June 02, 2017 21:00

May 25, 2017

Drei Heldinnen, die du einfach kennen musst

Immer wieder gebe ich meinen Leser*innen Anregungen zur Selbstliebe und Selbstbehauptung. Für mich ist beides gleichzusetzen, denn meiner Meinung nach zeigen wir am besten, dass wir uns selbst lieben und wertschätzen, wenn wir auch einmal laut Nein sagen zu Erwartungen anderer, für die wir uns verbiegen müssten.


Auch mein Blick auf Bücher ist davon geprägt: die Frauen, die ich euch hier vorstellen möchte, sind sich selber treu, stark, zweifeln auch an sich, scheitern, lernen, stehen wieder auf. Ich strebe danach, Bücher vorzustellen, die positive, bestärkende „Role Models“ für Mädchen und Frauen sind. Bücher, in denen dies nicht der Fall ist, versuche ich so zu kritisieren, dass die Leser*innen hoffentlich verstehen, dass uns das darin enthaltene Frauenbild schwach dastehen lässt, abhängig, nicht gleichwertig – und dass das nicht okay ist.


Der eigene Wille zählt

Viele Bücher, die im Moment auf dem Markt sind, erzählen Liebesgeschichten von Frauen in finanzieller Bedrängnis, die manchmal traumatisiert und hilflos sind. Ihnen gegenüberstehen dominante Männer, die sie klein halten.


Wenn es eine gelebte S/M Beziehung ist zwischen Menschen, die das willentlich, bei voller geistiger Gesundheit und mit Safe-Wörtern eingehen, ist es für mich völlig fein. Aber wenn es um junge Mädchen geht, die nicht wissen, was geschieht und Schutz suchen, ist das nicht Liebe, sondern Grausamkeit.


Dies vorab, nun Vorhang auf für meine Heroinen:


Lady Alexia Tarabotti

Aus Gail Carrigers viktorianischen Fantasyromanen, beginnend mit Glühende Dunkelheit – insgesamt 5 Bände, erschienen im Blanvalet Verlag.


Warum gerade sie? Lady Alexia lebt in einem viktorianischen England, in dem Werwölfe und Vampire normale Teilnehmer jeder Gesellschaft sind – zu unterschiedlichen Tag- bzw. Nachtzeiten natürlich. Eine Ehe mit beiden Spezies erscheint erstrebenswert, sind doch beide sehr langlebig und häufig dadurch vermögend, haben über Rudel beziehungsweise Stock (wie Vampirhäuser üblicherweise heißen) hervorragende gesellschaftliche Netzwerke und sind einfach aufregender als der durchschnittliche „Normal-Mann“.


Alexia ist mit ihren 20+ Jahren noch unverheiratet, weil sie laut der Frau Mama einen italienischen Teint von ihrem verstorbenen Vater geerbt hat und außerdem dazu neigt, ihre Meinung zu sagen und nicht bescheiden mit gesenkten Wimpern heiratswillige Herren anzublinzeln. Somit ist sie steter Quell der Unfreude für Mama, Stiefvater und ihre zwei äußerst heiratswilligen Stiefschwestern. Bis Lord Maccon, seines Zeichens mächtigster Werwolf Englands, sich von ihrem energischen Kinn, ihrer Art, einen Sonnenschirm als Vampirabwehr zu schwingen und ihrer absoluten Unwilligkeit, ihm zu gehorchen, unwiderstehlich angezogen fühlt.


Alexia wird immer mehr zur Heldin.


Eine Liebesgeschichte entwickelt sich und wird in den weiteren Büchern ausgebaut, während Alexia immer mehr zur Heldin nach meinem Geschmack wird: ehrlich, klug, sarkastisch, strategisch denkend, sich selbst zur Wehr setzend (ob nun mit spitzer Zunge gegen elterliche Erwartung, mit erwähntem Sonnenschirm oder schlicht dadurch, dass sie befreundet ist, mit wem sie will, ohne an gesellschaftliche Konventionen zu denken).


Ganz anders als die Frauen im zweiten Buch, das ich euch warm ans Herz lege:


Die Schwestern Nell und Eva

Aus Jean Heglands Die Lichtung, erschienen im Fischer Verlag.


Nell und Eva leben mit ihrem Vater in einem Haus am Waldrand mitten im Nirgendwo. Immer häufiger fällt dort der Strom aus, Flugzeuge fliegen seltener über sie hinweg, der nächste Lebensmittelladen bietet nur noch fast leere Regale und es mehren sich die Gerüchte, dass das nur der Anfang war.


Die beiden Schwestern haben eigentlich große Pläne – eine will wegziehen, um zu studieren, die andere in die Fussstapfen der verstorbenen Mutter treten und eine berühmte Ballerina werden. Doch wenn keine Autos fahren, die Post nicht mehr existiert und an Internet nicht zu denken ist, sind diese Pläne obsolet.


Die beiden warten nicht auf Helden.


Die Schwestern inventarisieren das Haus, setzen sich mit Wildkräutern auseinander, erobern den Garten von der Wildnis zurück, lernen zu jagen und zerstampfen Eicheln für Mehl. Sie entwickeln sich hin zu Macherinnen, handeln pragmatisch, warten nicht auf Helden – und haben damit mein Herz erobert. Auch als die Handlung sich zuspitzt, habe ich mir kaum Sorgen um sie gemacht, weil ich auf ihre neu gefundenen Fähigkeiten vertraut habe.


Schlussendlich ist Heldentum für mich nicht das Fehlen von Angst, sondern das Handeln, um sich oder andere zu retten und zu beschützen, obwohl man Angst hat.



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Published on May 25, 2017 22:00

May 15, 2017

Sex ist keine Nebensache – auch nicht in der Bildung!

„Die schönste Nebensache der Welt“ – so beschreiben wir Sex immer wieder. Aber ganz so einfach ist es nicht, denn Sex ist allgegenwärtig: Er ist im Fernsehen, in der Werbung, in den Köpfen aller Teenager (und wahrscheinlich auch aller Erwachsenen), auf Whatsapp und auf Skype. Sex ist unübersehbar, nicht zu ignorieren. Er definiert die Hierarchien und Werte unserer Gesellschaft.


Also ist auch der gute alte Sexualkundeunterricht von zentraler Bedeutung, selbst wenn sich das nicht besonders sexy anhört und vermutlich schlimme Erinnerungen aus der Schulzeit hervorruft … Dieser Meinung ist auch die Londoner Youtuberin Hannah Witton. Seit mehreren Jahren macht sie deshalb „Sex-Ed-Videos“ auf ihrem Youtube-Kanal und hat kürzlich ihr erstes Buch zum Thema veröffentlicht– mit dem pikanten Titel Doing It! Let’s Talk About Sex.



Einige Leute haben mich belächelt, als sie mich mit diesem Buch in der Hand angetroffen haben. „Wozu liest du denn sowas“, fragten sie. Es war sicher nett gemeint. Vielleicht machten sie sich Sorgen um mein Sex-Leben, da ich mit dem Buch wohl aussah, als bräuchte ich Nachhilfe. Doch ich habe es nicht gelesen, um mich selbst zu „bilden“ (was nicht heisst, dass ich nichts dazugelernt habe …), sondern aus der Überzeugung, dass Hannah Witton da ein sehr wichtiges Buch geschrieben hat.


„Sex and Relationship Education“, wie Witton es nennt, kurz Sex-Ed, ist in einer Gesellschaft, die wirklich Gleichstellung anstrebt, fundamental. Wir müssen unserer Jugend die gesellschaftliche Bedeutung der Sexualität näherbringen, denn sie umfasst viel mehr, als nur nicht (ungewollt) schwanger zu werden und sich nicht mit einer Geschlechtskrankheit zu infizieren. Oder, wie Hannah Witton meint:


In school we’re taught about the reproductive system, all the internal stuff like the uterus and fallopian tubes and testicles and sperm and eggs, because that’s how we make babies and that’s science. But anything to do with pleasure is conveniently left out.


Doing It!


Die Macht der Medien

In der Schule wird nur der biologische Teil der Sexualität vermittelt. Wir lernen, wie ein Kind entsteht und wie man eines verhindert, wie Geschlechtskrankheiten übertragen werden und wie man dies verhindert, und so weiter. Aber wir lernen nichts über gesellschaftliche Haltungen gegenüber der Sexualität und erst recht nichts über Beziehungen.


Also lernen wir diese Dinge anderswo: im besseren Fall von Freund*innen und Verwandten, im schlechteren Fall im Fernsehen, in Werbung, Bildern, Filmen und auf Instagram. So lernen wir Frauen von klein auf, dass wir einen Mann an unserer Seite brauchen. Wir hören von „dem einen“ und lesen in Magazinen, wie wir ihn finden und wie wichtig es ist, dass wir ihn finden. Denn ohne ihn sind wir „nicht komplett“. Doch Hannah Witton macht klar: Das ist eine glatte Lüge.


You are not a half-person waiting for your ‚other half‘ to come along and ‚complete you‘. You are whole and you are complete, just you.


Doing It!


Auch im Bereich von Schönheitsidealen und Körpergefühl hängt alles von den Medien ab. In unserer digitalen und sehr visuellen Welt wird uns tagtäglich vor Augen geführt, was „schön“ ist und was nicht. Wir lernen unterbewusst, was in unserer Gesellschaft als schön betrachtet wird und lernen damit auch, mit uns selbst nie zufrieden zu sein. Es ist ein ständiger Kampf, den Idealen zu entsprechen.


Doch wofür eigentlich? Wen wollen wir damit zufriedenstellen? Wenn wir Frauen ehrlich zu uns selbst sind, werden wir zugeben müssen, dass es uns dabei meistens darum geht, den Männern dieser Welt (oder einem ganz bestimmten) zu gefallen. Aber ist es nicht viel wichtiger, was uns selbst gefällt? Schliesslich ist es mein Körper und mein Leben …


We are told what is beautiful and made to assume that everything that doesn’t fit these ideals is not beautiful.


Doing It!


Pleasure, pleasure, pleasure

Unsere Schülerinnen und Schüler lernen also nicht genug über Beziehungen und Schönheitsideale in der Gesellschaft. Sie lernen nicht, wie eine gesunde Beziehung aussieht und sie lernen auch nicht, die Werte und Normen der Gesellschaft zu hinterfragen.


Noch etwas, was sie nicht lernen, ist, wie wichtig Genuss und Vergnügen beim Sex sind. Man bringt uns bei, dass durch Sex Kinder gezeugt und Geschlechtskrankheiten übertragen werden können. Sprich: Sex ist diese gefährliche Sache, die viele Risiken mit sich bringt und deshalb besser gänzlich vermieden werden sollte, ausser man möchte ein Kind.


Doch Sex ist toll. Er soll Spass machen (und zwar allen Involvierten!) und sich gut anfühlen. Aber hat dir das je jemand gesagt?


Wahrscheinlich nicht. Obwohl dies eine der wichtigsten Informationen überhaupt ist, die Jugendliche brauchen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und sich selbst zu schützen. Jeder Mensch, und vor allem jeder junge Mensch, muss wissen, dass Sex sich gut anfühlen soll. Wenn er sich nicht gut anfühlt oder man sich selbst dabei nicht wohl fühlt, dann ist etwas falsch.


Egal, ob man besonders viel, besonders wenig oder besonders harten Sex hat – das alles ist okay, solange alle involvierten Personen ihr Einverständnis gegeben haben und keine Gesetze gebrochen werden. Wie Hannah Witton schreibt, gibt es kein „richtiges“ oder „falsches“ Sex-Leben. Es gibt nur das, was für dich selbst stimmt. Das müssen wir unseren Kindern beibringen. Genau das:


There’s no hierarchy in sex – who’s doing it right, enough, with the right people. But no one is in a position to pass judgement on anyone’s sexual preferences, sexual behaviour, the way they dress, how they look, etc. It’s really none of your business.


Doing It!


Consent, consent, consent

Ein zweites, unglaublich wichtiges Element ist das Einverständnis (‚consent‘). Witton findet in diesem Bereich sehr klare Worte:


Sex where there is a lack of consent is not sex. It’s sexual abuse or rape.


Doing It!


 Und auch hier frage ich: Hat dir das schon einmal jemand gesagt? Klar, man könnte sich auf gesunden Menschenverstand und auf allgemeine Ethik berufen. Selbstverständlich soll man niemanden zu sexuellen Handlungen zwingen, die der- oder diejenige nicht machen oder mit sich machen lassen möchte. Doch ganz so einfach ist es nicht …


So kann ich zum Beispiel mein Einverständnis für einen bestimmten Akt mit einer bestimmten Person geben, jedoch nicht mit einer anderen Person. Ich kann einem Akt einmal zustimmen, und ein anderes Mal nicht. Ebenso kann ich mein Einverständnis zurückziehen, sobald ich mich mit einer Handlung oder einer Person unwohl fühle. Ohne Begründung und ohne Vorwarnung, denn es ist nach wie vor mein Körper und mein Leben. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine eigenen Grenzen und die heisst es zu respektieren.


Du musst nichts tun, was du nicht tun willst. Nein heisst nein. Dieses Wissen ist von grundlegender Bedeutung, wenn es um den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen geht. Nur wenn ihnen dies klar ist, können sie ein wirklich selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben führen.



Neugierig auf Hannah Witton?

In diesem Video stellt sie ihr eigenes Buch vor und verrät einige Geheimnisse darüber …




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Published on May 15, 2017 01:27

May 12, 2017

In Order to Live – Mut zur Freiheit

Ich mag starke Frauen – starke Frauen mit einem Ziel im Leben. Eine solche Frau ist Yeonmi Park, die Autorin des autobiographischen Werks In Order to Live: A North Korean Girl’s Journey to Freedom. In Nordkorea erlebte Yeonmi, wie es ist, nichts zu essen zu haben. Sie lebte in einem Haus, in dem es manchmal Strom gab und manchmal (oder meistens) nicht. Ihr Vater wurde verhaftet und ist im Gefängnis fast gestorben. Auf ihrer langen Suche nach Freiheit musste Yeonmi dabei zusehen, wie ihre eigene Mutter vergewaltigt wurde. Sie und ihre Mutter wurden an Menschenhändler verkauft; und plötzlich war Yeonmis Schwester verschollen.


Wer nun meint, so etwas könne doch in der heutigen Zeit gar nicht mehr passieren, der liegt falsch. Yeonmi ist gerade einmal 23 Jahre alt; sie ist genau einen Monat vor mir geboren. Dies alles geschah im 21. Jahrhundert.



Die Situation in Nordkorea

Geschichte war in der Schule nie mein Lieblingsfach, ganz im Gegenteil. Ich konnte mit den Essgewohnheiten der Römer, den verschiedenen Säulen der Griechen und alldem nichts anfangen.


Doch um Yeonmis Geschichte zu verstehen, muss man den geschichtlichen Hintergrund von Nordkorea kennen. Daher hier ein Überblick, ganz kurz und schmerzlos:


Korea wurde im Jahr 1945, am Ende des zweiten Weltkriegs, in Nord- und Südkorea unterteilt. Die Sowietunion (USSR) übernahm die Kontrolle über den Norden, während im Süden fortan die USA regierten. 1948 wurden dann offiziell zwei separate Staaten gegründet und in Nordkorea wurde die „Democratic People’s Republic of Korea“ ausgerufen, unter der Führung von Kim Il-sung.


Kim Il-sung isolierte Nordkorea komplett von der internationalen Gemeinschaft. Seine Regierung und seine wirtschaftlichen Aktivitäten waren streng geheim. Auch sein Sohn Kim Jong-Il führte diese Abschottungspolitik weiter. Seither leidet das Land unter Hungersnöten und teilweise völlig rückständigen Lebensbedingungen.


Yeonmis langer Weg in die Freiheit

Yeonmi Park wächst mit ihren Eltern und ihrer Schwester Eunmi in Hyesan auf, einer kleinen Stadt an der Grenze zu China. In Hyesan trennt nur der schmale Yalu Fluss die beiden Länder. Der Fluss ist so schmal, dass Yeonmi manchmal den Duft der chinesischen Nudeln riechen kann, die auf der anderen Seite gekocht werden. Sie kann sogar mit den chinesischen Kindern sprechen:


„Hey you! Are you hungry over there?“ the boys shouted in Korean.


„No! Shut up, you fat Chinese!“ I shouted back.


In Order to Live


Die Region um Hyesan ist eine der kältesten in ganz Nordkorea; im Winter sinken die Temperaturen bis zu -40° Celsius. In dem kleinen Haus, in dem Yeonmi aufwächst, gibt es nichts ausser einer kleinen Feuerstelle. Es gibt zwar ein Heizsystem, doch das ist dem kalten Winter nicht gewachsen und meistens gibt es keinen elektrischen Strom. Das Erste, woran sich Yeonmi erinnert, ist die Dunkelheit und die Kälte im Haus:


My first memories are of the dark and the cold. During the winter months, the most popular place in our house was a small fireplace that burned wood or coal or whatever we could find.


In Order to Live


Während Yeonmis früher Kindheit bricht in Nordkorea eine Hungersnot aus. Yeonmis Eltern können oft nicht schlafen, weil sie nicht wissen, wie sie ihre beiden Kinder und sich selbst ernähren sollen. Yeonmi erinnert sich an den Hunger:


In the free world, children dream about what they want to be when they grow up and how they can use their talents. When I was four and five years old, my only adult ambition was to buy as much bread as I liked and eat all of it.


In Order to Live


Yeonmis Vater beginnt, auf dem Schwarzmarkt zu handeln, um seine Familie über Wasser zu halten. So kämpft Yeonmi und ihre Familie einige Jahre lang ums Überleben, bis ihr Vater verhaftet wird wegen seinem illegalen Handeln. Er wird in ein Arbeitsgefängnis geschickt, aus dem die Gefangenen nur selten lebend wieder herauskommen.


Als Yeonmi 13 Jahre alt ist überredet sie ihre Mutter, mit Eunmi und ihr über den Fluss nach China zu flüchten. Niemand von ihnen wusste, was in China auf sie zukommen würde. Doch sie erfahren es schnell genug: sie werden verkauft:


„If you want to stay in China, you have to be sold and get married,“ she told us.


We were stunned. What did she mean, „sold“? I could not imagine how one human could sell another.


In Order to Live


Im Netz der Menschenhändler in China verliert Yeonmi zuerst ihre Schwester Eunmi und dann auch ihre Mutter aus den Augen. Sie selbst fällt in die Hände eines Händlers, der sie bei sich behalten will. Ihr Kampf um Freiheit geht weiter; Yeonmi gibt nicht auf …


Eine grosse Inspiration

Yeonmi erzählt bereits im Vorwort, dass ihr die Flucht nach Südkorea gelungen ist. Doch ihre Geschichte ist trotzdem spannend zu lesen. Als sie in jener Nacht die Grenze zu China überquerte, wusste die damals 13-jährige Yeonmi nicht wirklich, was sie tat. Sie wusste nur, dass sie und ihre Familie wahrscheinlich sterben würden, wenn sie in Nordkorea bleiben:


I wasn’t dreaming of freedom when I escaped from North Korea. I didn’t even know what it meant to be free. All I knew was that if my family stayed behind, we would probably die – from starvation, from disease, from the inhuman conditions of a prison labor camp.


In Order to Live


Erst einige Jahre später begann Yeonmi, die Situation in Nordkorea überhaupt zu verstehen. George Orwells Animal Farm öffnete ihr die Augen:


I saw my family in the animals – my grandmother, mother, father, and me, too: I was like one of the „new pigs“ with no ideas. Reducing the horror of North Korea into a simple allegory erased its power over me. It helped me set free.


In Order to Live


Yeonmis Geschichte hat mich sehr berührt. Dieses kleine, zerbrechliche Mädchen hatte einen unglaublich starken Willen. Sie hat schreckliche Dinge erlebt, und trotzdem ist ihr Buch positiv und hoffnungsvoll – von Selbstmitleid keine Spur. In einer Zeit, in der Tausende von Flüchtlingen in die Hände von Schmugglern geraten, im offenen Meer ertrinken oder monatelang in prekären Verhältnissen campieren, ist Yeonmis Geschichte kein Einzelfall. Sie öffnete mir die Augen.



In Order to Live kaufen



Nora Webster ist im September 2015 bei Penguin Books erschienen. Die deutsche Übersetzung „Mut zur Freiheit“ folgte wenig später im Goldmann Verlag.


Erscheinungsdatum: 29.9.2015, 288 Seiten


Bei Orell Füssli kaufen: Fr. 33.40


 



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Published on May 12, 2017 09:06

March 3, 2017

Nina Is Not Ok – wirklich nicht

Slut Shaming und Victim Blaming – diese Begriffe hat in unserer Gesellschaft wohl Jede*r schon gehört. Doch was sie bedeuten, ist nicht allen klar. Am einfachsten lassen sich die Begriffe an konkreten Beispielen erklären; und Shappi Khorsandis Roman Nina Is Not Ok enthält viele davon. Wenn man den Klappentext liest, bekommt man den Eindruck, dass es vor allem um Eines geht, und zwar nicht um das Eine, sondern um Alkohol. „Nina doesn’t have a drinking problem“, steht da. Hat sie doch, aber darum geht es wirklich nicht. Es geht auch nicht um Ninas wilde Nächte oder um ihren Sex mit Männern, die ihr Vater sein könnten.


Vielmehr geht es in Nina Is Not Ok um ein junges Mädchen mit einem Selbstbewusstsein gleich Null. Nina sagt über sich selbst:


So I’m the average-looking slapper, good for a quick blow job …


Nina Is Not Ok, S. 161


Es geht um ein Mädchen, das vergewaltigt und öffentlich blossgestellt wird. Der wahre Kern des Romans sind die Kommentare, die Nina auf den sozialen Netzwerken erhält, nachdem die Freundin ihres Vergewaltigers Alex ein Foto dieser verhängnisvollen Nacht auf Facebook gepostet hatte. Darauf ist die betrunkene Nina in einer Bar zu sehen – den Penis von Alex im Mund.


Einige der Kommentare unter dem Bild:


‚Whoa! That’s a worst blow job ever! She needs lessons!‘


‚You’re such a slag!‘


Nina Is Not Ok, S. 236


Ein klassisches Beispiel von Slut-Shaming: Ninas öffentlicher sexueller Akt stimmt nicht mit den patriarchalischen Erwartungen an Frauen überein – sie verhält sich ‚wie eine Schlampe‘, nicht wie ein anständiges Mädchen. Das Problem an der Sache ist die Doppelmoral, die sich hinter diesen Erwartungen versteckt. Bei Männern wird dasselbe Verhalten gefeiert und gilt als cool. Ein Mann, der zwei Frauen im Arm hat und sie abwechslungsweise küsst oder anfasst, ist ein ‚Held‘. Eine Frau, die dasselbe mit zwei Männern tut, ist eine ‚Schlampe‘.


Aus solchen Überlegungen folgt Victim Blaming: die Ansicht, dass eine Frau, die sich ’schlamping‘ verhält oder anzieht, selbst schuld ist, wenn sie vergewaltigt wird. Der arme Mann konnte sich einfach nicht zurückhalten. Immer häufiger wird bei Vergewaltigungen das Opfer beschuldigt. In unserer Gesellschaft gibt es sogenannte ‚Rape Myths‘. Nina Is Not Ok ist ein realistisches Beispiel, wie solche Rape Myths zu Victim Blaming führen.


„Rape Myths sind in einer Gesellschaft weit verbreitete Vorstellungen davon, wie eine Vergewaltigung aussieht. Diese Vorstellungen beeinflussen die Entscheidung der Betrachter*innen, ob es sich überhaupt um eine Vergewaltigung handelt und wer die Schuld dafür trägt. Somit bestimmen Rape Myths, ob und in welchem Ausmass das Opfer beschuldigt bzw. der Täter freigesprochen wird.“


Bohner et al., Temkin & Krahé, Ward, Gerger, Kley, Bohner & Siebler, zitiert in (1).


Wie hat eine Vergewaltigung auszusehen?

Als Gesellschaft haben wir klare Vorstellungen davon, wie eine ‚echte‘ Vergewaltigung auszusehen hat. Wenn eine Frau nachts alleine auf einem dunklen Parkplatz ihr Auto sucht, dort von einem ihr unbekannten Mann gewaltsam in sein Auto gezerrt und dort gefesselt und vergewaltigt wird, dann ist das Vergewaltigung – daran besteht kein Zweifel. Das Opfer hat nichts falsch gemacht, die Frau war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort.


Aber was ist, wenn eine Frau (Nina) aus einem Club geworfen wird, weil sie einem Mann (Alex) in der Öffentlichkeit einen Blowjob gibt, und der Mann ihr nach draussen folgt und sie von hinten *vögelt*, während sie – praktisch bewusstlos – an einer Wand lehnt und er sie an den Armen hochhalten muss, weil sie sonst zusammenklappen würde … Ist das Vergewaltigung? Oder ist es keine Vergewaltigung, weil sie ihm davor einen geblasen hat; weil sie sich ’nuttig‘ verhalten hat?


Bei dieser Frage kommen die Rape Myths ins Spiel. Hier eine Liste der gängigsten Bestandteile dieser Mythen (1), die sich wohlgemerkt alle auf die Frau (das Opfer) beziehen:


Gängige Rape Myths

Rauschzustand durch Alkohol und andere Substanzen (1)
provokative Kleidung (1)
Attraktivität (1)
schlechtes Ansehen/Ruf (1)
tiefer beruflicher Status (1)
Frau fragt nach einem Date (2)
Mann bezahlt beim Date (2)
Frau willigt ein, mit dem Mann nach Hause zu gehen (2)

Der eigentliche Mythos ist, dass Frauen, auf die einige dieser Merkmale zutreffen, die Vergewaltigung ‚verdienen‘ und den Täter somit keine Schuld trifft. Nina wird vor allem wegen ihres schlampigen Rufs und ihrem übertriebenen Alkoholkonsum für die Vergewaltigung durch Alex verantwortlich gemacht:


„Die sexuelle Vergangenheit einer Frau scheint für viele ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Frage, ob sie dem Sex zugestimmt hat oder nicht. (…) Bei einer Frau mit einem schlechten Ruf glaubt der/die Betrachter*in eher, dass sie eingewilligt hat.“


Schuller & Klippenstine, zitiert in (2).

Nina hat den Ruf einer ‚Schlampe‘, die sich jede Nacht volllaufen lässt und dann wild in der Gegend *herumvögelt*. Deshalb wird ihr die Schuld an der Vergewaltigung durch Alex zugewiesen oder die Vergewaltigung wird gar gänzlich geleugnet. Denn wer Ninas Ruf kennt, geht davon aus, dass sie eingewilligt hat, da sie ja sowieso immer wieder wahllos mit wildfremden Typen schläft.


Es kommt noch schlimmer: Das Opfer beschuldigt sich selbst.

Gesellschaftlich akzeptierte Rape Myths beeinflussen nicht nur die Meinung der Betrachter*innen, sondern – wenn nicht zuallererst – auch das Opfer selbst. Nina verneint selber immer wieder, dass Alex sie vergewaltigt habe, selbst nachdem sie ein Video der Tat gesehen hat, und stellt sich viele Fragen:


Is it rape if I was so drunk that I couldn’t be totally clear about not wanting to have sex in the alleyway with a stranger? Is it rape if you later invite him to your eighteenth birthday party? Is it rape if you can’t be a hundred per cent sure you hadn’t bent over and said, ‚Fuck me, fuck me now,‘ like a total whore because it’s all a blank to you?


Nina Is Not Ok, S. 242


Nina ist hin- und hergerissen. Sie will sich nicht eingestehen, dass sie vergewaltigt wurde, doch tief in ihrem Inneren weiss sie es:


I’m not an idiot; I know that boys who fuck girls when they are unconscious are rapists. I know that.


Nina Is Not Ok, S. 242


Boyle und McKinzie bestätigen, dass Opfer von Vergewaltigungen sich oft selbst die Schuld zuweisen und das Verhalten des Täters als harmlos abtun, besonders dann, wenn sie den Täter kennen:


„Wenn Frauen von ihren Partnern oder von Bekannten angegriffen werden, machen sie den Täter oft nicht für seine Tat verantwortlich, verharmlosen den angerichteten Schaden und beschuldigen sich selbst.“


Boyle & McKinzie, zitiert in (3).


Nina hat Alex zwar erst am Abend der Tat kennengelernt, doch davor wurde sie bereits intim mit ihm. Wir können Alex also als einen Bekannten betrachten, besonders auch weil dieser später mit Ninas Freundin Zoe zusammenkommt. Deshalb lädt Nina ihn auch zu ihrem 18. Geburtstag ein.


Seine Beziehung zu Ninas Freundin Zoe ist ein weiterer Grund, dass Nina sich nicht eingestehen will, dass er sie wirklich vergewaltigt hat. Zoe ist hoffnungslos verknallt in ihren perfekten Alex und redet nur noch von ihm. Nina möchte ihrem Glück nicht im Weg stehen. Ihr eigenes Wohlergehen geht dabei leider vergessen.



Literatur (eigene Übersetzungen):

Van der Bruggen, Madeleine & Amy Grubb. 2014. „A review of the literature relating to rape victim blaming: An analysis of the impact of observer and victim characteristics on attribution of blame in rape cases“. Aggression & Violent Behavior 19, S. 523-531. http://dx.doi.org.ezproxy.uzh.ch/10.1....
Cohn, Ellen S., Erin C. Dupuis & Tiffany M. Brown. 2009. „In the Eye of the Beholder: Do Behavior and Character Affect Victim and Perpetrator Responsibility for Acquaintance Rape?“. Journal of Applied Social Psychology 39:7, S. 1513-1535. http://onlinelibrary.wiley.com.ezprox....
Boyle, Kaitlin & Lisa Slattery Walker. 2016. „The Neutralization and Denial of Sexual Violence in College Party Subcultures“. Deviant Behavior 37:12, S. 1392-1410. http://www.tandfonline.com/doi/abs/10....


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Published on March 03, 2017 05:56

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