Osteuropa-Literatur discussion

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Der ehemalige Sohn
Filipenko: Der ehemalige Sohn
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ehem. Sohn 3. Abschnitt: "Die nächste Zeit kam die Großmutter…" bis 16.7.
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Babette
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Jun 21, 2021 11:08AM

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Warum?
Versuch diese Wort zu vergessen. ... Gesunde Menschen stellen keine Fragen, und du solltest erst recht keine stellen. Anderenfalls kannst du verrückt werden. oder für verrückt erklärt werden. Das war ja eine in der Sowjetunion geübte Praktik um Regimegegner mundtot zu machen. Dieses Zitat könnte auch aus einem Theaterstück von Mrożek stammen. Genauso wie Unser Fünfjahresplan katapultiert uns zurück ins Jahr 1980.
Wir leben im besten Land für erwachende Komapatienten. Hier ändert sich absolut gar nichts. Bei dieser Stelle musste ich an den Film "Good Bye, Lenin!" denken, in dem es genau um das Gegenteil ging, einer in der DDR im Koma versunkenen und im vereinten Deutschland wiedererwachten Komapatientin, die vor dem Schock des Wandels geschützt werden soll. Kennt ihr den Film? Absolut sehenswert.
Angesichts des Falls Protassewitsch ist die folgende Textstelle geradezu prophetisch (bzw. es hat sich in den letzten 7 Jahren seit Erscheinen des Buches wirklich nichts geändert): "Über die Präsidenten der anderen Länder kannst du sagen und schreiben, was du willst, aber nicht über unseren! Kapiert?" Und ich habe Angst! Ich weiß, dass ich schuldig bin und ich entschuldige mich ein um das andere Mal mal bei ihm und sage: "JA, ja ... ja ... Alles klar ... Sagen Sie mir nur, was man darf! ... ERlauben Sie mir nur, was man darf ... Sagen Sie mir, was ich darf, und ich werde es machen ..."
Und gänzlich absurdes Theater sind Kinder, die 'Proteste zerschlagen' spielen. Aber wer weiß, am Spiel der Kinder kann man vieles ablesen. Wir haben damals (in der Hochzeit von "Bonanza" und "Shiloh Ranch") immer Cowboy und Indianer gespielt, seltener Räuber und Gendarm. Meine erste Frau (Jahrgang 1964) hatte zu gleicher Zeit in Polen fast immer Krieg gespielt (inspiriert von Filmen wie "Sekunden entscheiden" - Stawka większa niż życie oder "Vier Panzersoldaten und ein Hund" - Czterej pancerni i pies) und da wollte natürlich niemand die Deutschen spielen, weil die verlieren mussten. Welche Rollen haben Kinder damals in der DDR gespielt?


Bei Tokei-ihto musste ich in Wikipedia nachschlagen mit dem schönen Nebeneffekt, dass es mich daran erinnerte, dass auch ich als Kind mit Begeisterung den ersten Roman "Harka" der Reihe von Liselotte Welskopf-Henrich gelesen hatte. Ich fand sie viel besser als Winnetou. Bei Karl May hatten es mir eher die Romane im Nahen Osten angetan. Aber das ist nun schon zu sehr off topic.


Franzisks Gesundung klingt etwas märchenhaft, aber das kann ich akzeptieren, weil dadurch der Symbolgehalt gut erkennbar wird.
Die Mutter ist besser dargestellt, die sich in ihrem neuen Leben eingerichtet hat und plötzlich kommt ihr das alte Leben in Form von Franzisk in die Quere. Wie sie mit Gott verhandelt, war witzig.
Echte Witze haben in einer Diktatur Konjunktur, glaube ich. Mir gefiel am besten :"Und habt ihr gehört, dass in unserem Land jeder Präsident werden, der diesen Beruf mindestens fünf Jahre lang ausgeübt hat?"

Den Chefarzt fand ich auch unrealistisch. Ich halte nicht viel von Personen, die so plakativ das personifizierte Böse sind... solche Figuren finde ich aufgrund ihrer fehlenden Ambivalenz eher uninteressant... und irgendwie soll es ja auf der metaphorischen Ebene um Archetypen der Bevölkerung gehen und dafür ist mir diese Figur ein bisschen zu eindimensional.
Ich glaube auch, dass das die Schwäche der sehr häufig eingestreuten politischen Witze ist. Sie sind gleichzeitig plakativ und irgendwie resigniert, aber sie setzen eben auch nur ein Statement und erklären nichts und genauso wenig helfen sie irgendwie weiter, sondern machen einen eher traurig. Zumindest geht es mir damit so.
@Peter: Die von die genannten Zitate fand ich auch sehr beklemmend, vor allem deine Parallele zu Protassewitsch hat mich schlucken lassen...