Narziß und Goldmund
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Read between June 16 - June 18, 2023
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Nur wurden wenige ihm wirklich Freund, außer den Gelehrten, nur umgab seine Vornehmheit ihn wie eine erkältende Luft.
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Du bist sehr allein, junger Bruder, du bist einsam, du hast Bewunderer, aber keine Freunde.
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ich weiß über meine Wünsche nicht so sehr genau Bescheid. Ich werde stets Freude an den Wissenschaften haben, wie sollte es anders sein? Aber ich glaube nicht, daß die Wissenschaften mein einziges Gebiet sein werden. Es mögen ja nicht immer die Wünsche sein, die eines Menschen Schicksal und Sendung bestimmen, sondern anderes, Vorbestimmtes.«
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»Soviel ich die Menschen habe kennenlernen, neigen wir, zumal in der Jugend, alle ein wenig dazu, die Vorsehung und unsere Wünsche miteinander zu verwechseln.
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»Es ist die Eigenschaft«, sagte Narziß langsam, »daß ich ein Gefühl für die Art und Bestimmung der Menschen habe, nicht nur für meine eigene, auch für die der andern. Diese Eigenschaft zwingt mich, den andern dadurch zu dienen, daß ich sie beherrsche. Wäre ich nicht zum Klosterleben geboren, so würde ich Richter oder Staatsmann werden müssen.«
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»Auch fromme und freundliche Gesichte können täuschen; verlaß dich nicht auf sie, wie auch ich mich nicht auf sie verlasse.
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es möge euch nie an Vorgesetzten mangeln, welche dümmer sind als ihr; nichts ist besser gegen den Hochmut.«
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Wie Narziß dunkel und hager, so war Goldmund leuchtend und blühend. Wie Narziß ein Denker und Zergliederer, so schien Goldmund ein Träumer und eine kindliche Seele zu sein. Aber die Gegensätze überspannte ein Gemeinsames: beide waren sie vornehme Menschen, beide waren sie durch sichtbare Gaben und Zeichen vor den andern ausgezeichnet,
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Wie seltsam und traurig war es ihm darum, sehen zu müssen, daß dies einfache und schöne Ziel so schwer zu erreichen sei.
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»Niemals mehr!« sagte befehlend sein Wille. »Morgen wieder!« flehte schluchzend sein Herz.
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Statt diesen Überlegenen mit den edelsten Waffen zu gewinnen, mit Griechisch, mit Philosophie, mit geistigem Heldentum und würdiger Stoa, war er schwach und jämmerlich vor ihm zusammengebrochen! Nie würde er sich das verzeihen, nie würde er ihm ohne Scham ins Auge sehen können.
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Aber er wußte, der Bann sei gebrochen, sie würden Freunde sein. Mochte heute Goldmund es sein, der seiner bedurfte, dem er Dienste erweisen konnte. Ein andermal würde vielleicht er selbst es sein, der schwach wäre
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Ihm schien ein harmloses Sichhingeben, ein dankbares gemeinsames Wandern im Lande der Freundschaft unbekannt und unerwünscht zu sein. Wege ohne Ziel, träumerisches Dahinwandeln schien er nicht zu kennen, nicht zu dulden.
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Er sah diese Natur von einer harten Schale umpanzert, von Einbildungen, Erziehungsfehlern, Vaterworten, und ahnte längst das ganze, nicht komplizierte Geheimnis dieses jungen Lebens. Seine Aufgabe war ihm klar: dies Geheimnis seinem Träger zu enthüllen, ihn von der Schale zu befreien, ihm seine eigentliche Natur zurückzugeben.
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Ein Sehender und ein Blinder, so gingen sie nebeneinander; daß der Blinde von seiner eigenen Blindheit nichts wußte, war nur für diesen selbst eine Erleichterung.
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Was gut ist, wissen wir, es steht in den Geboten. Aber Gott ist nicht nur in den Geboten, du, sie sind nur der kleinste Teil von ihm. Du kannst bei den Geboten stehen und kannst weit von Gott weg sein.«
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unsere Freundschaft hat überhaupt kein anderes Ziel und keinen anderen Sinn, als dir zu zeigen, wie vollkommen ungleich du mir bist!«
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Niemand gönnte diese beiden Menschen einander; durch ihren Zusammenschluß hatten sie, so schien es, sich hochmütig als Aristokraten von den andern abgesondert, die ihnen nicht gut genug waren; das war nicht kollegial, war nicht klösterlich, war nicht christlich.
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Trotz aller tiefen Verschiedenheit ihrer Wesen hatten sie beide viel voneinander gelernt; es war zwischen ihnen neben der Vernunftsprache allmählich eine Seelen- und Zeichensprache entstanden, so wie zwischen zwei Wohnstätten zwar eine Straße sein mag, auf welcher Wagen fahren und Reiter reiten können, daneben aber noch viele kleine Spielwege, Nebenwege, Schleichwege entstehen:
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dir sind die Unterschiede nicht sehr wichtig, mir aber scheinen sie das einzig Wichtige zu sein. Ich bin meinem Wesen nach Gelehrter, meine Bestimmung ist die Wissenschaft. Und Wissenschaft ist, um dein Wort zu zitieren, gar nichts anderes als eben das ›Versessensein auf das Finden von Unterschieden‹.
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Für uns Wissenschaftsmenschen ist nichts wichtig als das Feststellen von Verschiedenheiten, Wissenschaft heißt Unterscheidungskunst.
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Goldmund: »Nun ja. Einer hat Bauernschuhe an und ist ein Bauer, ein anderer hat eine Krone auf und ist ein König. Das sind allerdings Unterschiede. Sie werden aber auch von den Kindern gesehen, ohne alle Wissenschaft.« Narziß: »Wenn der Bauer und der König aber beide gleiche Kleider anhaben, dann kennt das Kind sie nicht mehr auseinander.« Goldmund: »Die Wissenschaft auch nicht.« Narziß: »Vielleicht doch. Sie ist ja nicht klüger als das Kind, das sei zugegeben, aber sie ist geduldiger, sie merkt sich nicht bloß die gröbsten Kennzeichen.« Goldmund: »Das tut jedes kluge Kind auch. Es wird den ...more
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Unser Ziel ist nicht, ineinander überzugehen, sondern einander zu erkennen und einer im andern das sehen und ehren zu lernen, was er ist: des andern Gegenstück und Ergänzung.«
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Warum willst du denn gerade deinen Gedanken besondere Beachtung zugewendet sehen, da du so viele andere Gaben hast?«
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Du glaubst, du seiest mir zu wenig gelehrt, zu wenig Logiker, oder zu wenig fromm. O nein, aber du bist mir zu wenig du selbst.«
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Wach nenne ich den, der mit dem Verstand und Bewußtsein sich selbst, seine innersten unvernünftigen Kräfte, Triebe und Schwächen kennt und mit ihnen zu rechnen weiß. Daß du das lernst, das ist der Sinn, den die Begegnung mit mir für dich haben kann. Bei dir, Goldmund, sind Geist und Natur, Bewußtsein und Traumwelt sehr weit auseinander. Du hast deine Kindheit vergessen, aus den Tiefen deiner Seele wirbt sie um dich. Sie wird dich so lange leiden machen, bis du sie erhörst. – Genug davon! Im Wachsein, wie gesagt, bin ich stärker als du, hier bin ich dir überlegen und kann dir darum nützen. In ...more
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»Die Naturen von deiner Art, die mit den starken und zarten Sinnen, die Beseelten, die Träumer, Dichter, Liebenden, sind uns andern, uns Geistmenschen, beinahe immer überlegen. Eure Herkunft ist eine mütterliche. Ihr lebt im Vollen, euch ist die Kraft der Liebe und des Erlebenkönnens gegeben. Wir Geistigen, obwohl wir euch andere häufig zu leiten und zu regieren scheinen, leben nicht im Vollen, wir leben in der Dürre. Euch gehört die Fülle des Lebens, euch der Saft der Früchte, euch der Garten der Liebe, das schöne Land der Kunst. Eure Heimat ist die Erde, unsere die Idee. Eure Gefahr ist das ...more
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Goldmund nämlich, der des Freundes Winke und Mahnungen früher oft als lästiges Besserwissen und Besserwollen abgelehnt hatte, war seit dem großen Erlebnis voll staunender Bewunderung für die Weisheit seines Freundes.
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es war auch jenes gewisse Spielerische, Altkluge, Unechte in Goldmunds Wesen wie weggeschmolzen, jenes etwas frühreife Mönchtum, jenes zu ganz besonderem Gottesdienste Sichverpflichtetglauben. Der Jüngling schien zugleich jünger und älter geworden, seit er zu sich selbst gefunden hatte. All das verdankte er Narziß.
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Narziß ahnte es und war machtlos; seines Lieblings Weg führte in Länder, die er selbst nie betreten würde.
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Der Geist liebt das Feste, Gestaltete, er will sich auf seine Zeichen verlassen können, er liebt das Seiende, nicht das Werdende, das Wirkliche und nicht das Mögliche. Er duldet nicht, daß ein Omega eine Schlange oder ein Vogel werde. In der Natur kann der Geist nicht leben, nur gegen sie, nur als ihr Gegenspiel. Glaubst du mir jetzt, Goldmund, daß du nie ein Gelehrter sein wirst?«
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»Es geht mir mit dem Geist und mit der Gelehrsamkeit ähnlich, wie es mir mit meinem Vater gegangen ist: ich glaubte ihn sehr zu lieben und ihm ähnlich zu sein, ich schwor auf alles, was er sagte. Aber kaum war meine Mutter wieder da, so wußte ich erst wieder, was Liebe ist, und neben ihrem Bild war das des Vaters plötzlich klein und unfroh und beinah widerwärtig geworden. Und jetzt neige ich dazu, alles Geistige als väterlich, als unmütterlich und mutterfeindlich anzusehen und es ein wenig gering zu achten.«
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Aber heut weiß ich nicht mehr, was ich eigentlich will und wünsche. Früher war alles einfach, so einfach wie die Buchstaben im Lesebuch. Jetzt ist nichts mehr einfach,
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wie machst du das nur, daß du mir immer wieder Worte sagst oder Fragen stellst, die in mich hineinleuchten und mich mir selbst klarmachen?
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Du hast andere Gaben. Du hast mehr Gaben als ich, du bist reicher als ich und bist auch schwächer, du wirst einen schöneren und schwereren Weg haben als ich.
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Das Ziel ist dies: mich immer dahin zu stellen, wo ich am besten dienen kann, wo meine Art, meine Eigenschaften und Gaben den besten Boden, das größte Wirkungsfeld finden. Es gibt kein anderes Ziel.«
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Ich will innerhalb des mir Möglichen dem Geist dienen, so wie ich ihn verstehe, nichts anderes. Ist das kein Ziel?«
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Auch wenn du morgen unser ganzes hübsches Kloster niederbrennen würdest oder irgendeine tolle Irrlehre in der Welt verkündigen, ich würde keinen Augenblick bereuen, dir auf den Weg dazu geholfen zu haben.«
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»Sieh, kleiner Goldmund, zu meinem Ziel gehört auch dies: mag ich Lehrer oder Abt, Beichtvater oder was immer sein, niemals möchte ich in die Lage kommen, einem starken, wertvollen und besonderen Menschen zu begegnen und ihn nicht zu verstehen, ihn nicht erschließen, ihn nicht fördern zu können. Und ich sage dir: mag aus dir und aus mir dies oder jenes werden, mag es uns so oder anders gehen, nie wirst du im Augenblick, wo du mich ernstlich rufst und zu brauchen meinst, mich dir verschlossen finden. Niemals.«
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Mitten im Lesen oder Lernen, mitten zwischen den Schulkameraden konnte er in sich versinken und alles vergessen, nur den Strömen und Stimmen des Innern hingegeben, die ihn hinwegzogen, in tiefe Brunnen voll dunkler Melodie, in farbige Abgründe voll märchenhafter Erlebnisse, deren Klänge alle wie die Stimme der Mutter klangen, deren tausend Augen alle die Augen der Mutter waren.
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Das Leben selber ist zu mir gekommen. Ich gehe fort, ohne Vater, ohne Erlaubnis. Ich mache dir Schande, du, ich laufe fort.«
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Dein Zustand, o amice, trägt alle Kennzeichen jener Art von Trunkenheit, die man Verliebtheit nennt.
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weißt du, daß dein Weg mit ihr vielleicht sehr kurz sein wird? Du solltest dich nicht zu sehr auf sie verlassen,
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Auch jene Frau, die so sehr lieb mit mir war, ist nicht mein Ziel. Ich gehe zu ihr, aber ich gehe nicht ihretwegen. Ich gehe, weil ich muß, weil es mich ruft.«
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ich denke mir nicht, daß ich in lauter Glück und Vergnügen hineinlaufe. Ich denke mir, der Weg wird schwer sein. Und doch wird er auch schön sein, hoffe ich.
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wunderbar schön war es, daß es auch diese Art von Liebe gab, diese selbstlose, ganz vergeistigte. Wie anders war sie als diese Liebe heut im sonnigen Feld, dies trunkene und rechenschaftslose Spiel der Sinne! Und doch war beides Liebe.
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Wie lange Gespräche hatte er mit Narziß gehabt! Nun aber, so schien es, war er in eine Welt eingetreten, wo man nicht sprach, wo man einander mit Eulenrufen lockte, wo Worte keine Bedeutung hatten. Er war damit einverstanden, er hatte heut kein Bedürfnis mehr nach Worten oder Gedanken, nur nach Lise, nur nach diesem wortlosen, blinden, stummen Fühlen und Wühlen, nach diesem seufzenden Hinschmelzen.
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Man durfte nicht viel denken, man mußte alles kommen lassen, wie es mochte.
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Nichts, ach nichts überhaupt ließ sich irgend aussprechen, irgend ausdenken – und dennoch hatte man in sich immer wieder das drängende Bedürfnis zu sprechen, den ewigen Antrieb zu denken!
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Aber dennoch war es ihm wunderlich und ein wenig traurig, daß überall Liebe so sehr vergänglich schien, die der Frauen wie seine eigene, daß sie ebenso schnell satt war wie entflammt.
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