Tagung: eCulture Dialogue Hamburg – Creating Digital Access to Culture
Ja, es gibt Tagungen mit griffigeren Titeln, gar keine Frage. Aber ich war nun einmal zu der hier eingeladen, als BvD, als Blogger vom Dienst. Und weil ich eine Kolumne habe, in der Hamburger Museen regelmäßig vorkommen. Und weil ich mich gemeinsam mit einem der Organisatoren gelegentlich in der schönen Kunst des Netzwerkens übe.
Eine Tagung zur Frage, ob kulturelle Institutionen durch die sozialen Medien nun auch publizistisch tätig werden müssen, ob sie senden müssen, wie und wo und wie oft und was überhaupt sie schreiben müssen, wie und warum sie interagieren müssen. Das Social-Media-Zeug ist alles im Ergebnis elend schwer zu messen, im Grunde weiß niemand, welche Maßnahme da was genau bringt, es ist ein Kreuz. Dazu trafen sich etliche Expertinnen aus archäologischen und anderen Museen, Menschen aus dem Kulturbetrieb, von der Kulturbehörde, von Medien und aus Agenturen, die für Museen arbeiten.
Das war, fangen wir einmal ganz vorne an, eine Tagung zum Thema Social Media, bei der ich nicht zu den Ältesten im Saal gehörte, das war schon einmal ziemlich originell. Ich habe das ausgesprochen gerne, wenn so eine Veranstaltung in jeder Hinsicht gemischt ist. Wie fast überall gelang eine vernünftige Frauenquote allerdings eher nicht, etwa zehn vortragende Männer zu vier vortragenden Frauen, da geht noch was.
Da haben also Fachkräfte aus Museen über Erfahrungen mit modernen Formen der Öffentlichkeistarbeit berichtet. Das ging von den eher bombastischen, kinotauglichen und etwas RTL2-mäßigen Inszenierungen des British Museums zur Pompeji-Ausstellung, die massenhaft virtuelle Visits generierten, aber nicht unbedingt zahlende Besucher, bis zu den vergleichsweise kleinen Freuden der App-Entwicklung im Archäologischen Museum Hamburg, das war eine bunte Sammlung. Es ging um die Frage, ob man als Museum oder als was auch immer im Kulturbetrieb auf Facebook sein muss, auf Twitter oder sonstwo, braucht man eine App? Eine mobile Seite? Muss man vielleicht auch noch auf Instagram oder was? Die letzte Frage stelle man sich geseufzt vor, dann wird es gleich viel plastischer, vor welchen Problemen man in der Branche gerade steht. Im Publikum waren Menschen, für die Seiten wie Facebook längst völlig selbstverständlich sind, es waren aber auch Menschen da, die den ganzen Social-Klimbim eher lästig fanden. Ich hatte tatsächlich auch einen Gesprächspartner, der davon ausging, das würde alles wieder weggehen, man ergänze hier in Gedanken eine wegwedelnde Handbewegung und ein verächtlich gezischtes “Internetquatsch…”
Ich habe mit etlichen Teilnehmern über das vielleicht spezielle Hamburger Problem gesprochen, dass hier immer weniger Menschen Termine überhaupt mitbekommen, was natürlich ein Risiko für Museen etc. ist. Das Hamburger Abendblatt verliert an Bedeutung, die Jugend hört nicht gerade NDR-Kultur, die Regionalfenster der ARD wirken auch unübersehbar etwas betulich und sind nicht gerade auf Zwanzigjährige ausgerichtet – da fehlt mittlerweile der gemeinsame Nenner. Es hat sich im Internet auch keine Leitseite für Hamburg etabliert. Es gibt keinen einheitlichen Kalender. Es ist nicht klar, wo man hier nachsieht, wann was wo ist. Es ist nicht nur nicht klar, es ist ein einziges Elend, um das einmal deutlich zu benennen, es ist heillos kompliziert und ärgerlich zeitaufwändig, in Hamburg Termine zu finden, Veranstaltungen zu entdecken, Wochenenden zu planen. Die Termine, die man im Boulevardblättchen Morgenpost findet, vermutlich noch der bekannteste Kalender der Stadt, sie stellen natürlich nur einen Bruchteil dessen dar, was in dieser Stadt tatsächlich stattfindet. Und wirklich niemand würde der Morgenpost ein brauchbares Feuilleton unterstellen. Ich weiß aus Gespräche mit vielen Eltern, wie oft man von nix weiß, wie oft man hinterher einen Termin mitbekommt, wie oft man nur zufällig von etwas hört, was für die Kinder interessant gewesen wäre. Man muss den Regionalzeitungen in der Printversion sicher nicht hinterhertrauern, aber für Termine waren sie schon ein Segen, gar keine Frage. Was früher einmal im Abendblatt stand, das war bekannt. Heute liegt das Abendblatt online hinter einer Zahlschranke und die Printausgabe wird am Hauptbahnhof stapelweise verschenkt, in der vagen Hoffnung, dass sie am nächsten Tag jemand freiwillig kaufen könnte. Tempi passati.
Ich glaube, das Ausmaß, in dem Informationen über das Geschehen in der Stadt gerade flächendeckend verlorengehen, ist noch gar nicht überall verstanden worden. Dabei können gerade Museen in Randlage ein Lied davon singen. Die müssen schon ziemlich viel auf die Beine stellen, um überhaupt noch bemerkt zu werden. Eine simple Umfrage unter Eltern in Hamburg-Mitte, ob sie das “Klick Kindermuseum” im wilden Westen der Stadt kennen (Osdorf), würde hier schon verblüffend desaströse Ergebnisse zeigen, man kann das auf jedem Spielplatz testen.
Das ist ein Grund, warum ich die Frage nach der Notwendigkeit von Social Media überhaupt nicht mehr verstehe. Ist ein Museum dort nicht vertreten, bekomme ich z.B. es schlichtweg nicht mit und so exotisch bin ich wirklich nicht. In diesem Haushalt gibt es keine Zeitung, es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass es je wieder eine geben wird. Wir sehen nicht fern, wir hören kein Radio. Mein Medien-Input kommt vom Computer, vom Tablet, vom Handy. Was ich mit diesen Geräten nicht finde, das bekomme ich nur noch mit, wenn es etwa ein begeisterter Kollege erzählt. Das ist allerdings ein ziemlich seltener Fall. Oder wenn es Außenwerbung gibt, Plakate an jeder Ecke. Muss man sich natürlich leisten können.
Eine Hamburger Bloggerin fragte gerade auf Facebook, wie denn die Comic-Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe sei, eine ganz beiläufige Frage, nur ein Satz. Die Frage zeigt aber, dass bisher vermutlich keiner der üblichen Verdächtigen unter den Hamburger Bloggern über die Ausstellung geschrieben hat. Die Bloggerin hat keinen solchen Text gesehen, ich übrigens auch nicht. Für niemanden in meinen Timelines war diese Ausstellung anscheinend bisher eine Story. Ich halte es aber für sehr, sehr unwahrscheinlich, dass die Ausstellung keine Story hergibt oder so schlecht ist, dass sie dezent verschwiegen wird. Mir fiel die Ausstellung erst durch die Frage der Bloggerin wieder ein. Da könnte man durchaus mal hingehen, guter Hinweis überhaupt. Gleich mal einplanen. Das ist jetzt kein ausgedachtes Beispiel, das ist Alltag.
Weiterführend kann man sich natürlich fragen, wieso eigentlich niemand aus der Blog-Szene, wenn es die denn überhaupt noch als Szene gibt, darüber könnte man auch einmal einen Aufsatz schreiben, in dieser Ausstellung war? Eine Frage, der die Museen und die Bloggerinnen vielleicht gemeinsam nachgehen sollten, denke ich. Erste Ansätze dazu gibt es, so ist es ja nicht. Teils erfolgreich, teils überhaupt nicht, ich war an beiden Varianten schon beteiligt. Desaströse Erfahrungen gehören dazu, nehme ich an.
Wobei es aber nicht an den Bloggern hängt, wir sind auch nur Medienpartikelchen Es ist ja nicht so, dass mit einem Blogartikel hunderttausend Menschen von der Ausstellung erfahren hätten. Aber eben doch vielleicht tausend. Und ein paar weitere Tausend, wenn das Museum genug Fans auf FB hat und dort postet. Oder ausreichend Follower auf Twitter. Oder Fans und Follower, die wenigstens jemandem folgen, der die Veranstaltung teilt. Oder die einen Blogartikel darüber teilen, oder einen Tweet, ein Foto, was auch immer. Das Museum für Völkerkunde, um irgendein Hamburger Museum herauszugreifen, hat 2.445 Fans auf FB. In einer Stadt mit 1,8 Millionen Einwohnern, in der es vermutlich deutlich über 400.000 Facebook-User gibt. Ist das gut? Ist das mager? Und wo genau hängen die Jugendlichen der Stadt eigentlich gerade online herum? Kann man sie da erreichen?
Die Frage, was genau Museen in den sozialen Medien denn machen sollen, die kann man nicht beantworten. Eigentlich müssen sie alles probieren und immer abwägen, was sinnvoll erscheint. Es hängt auch an den Begabungen der PR-Menschen, die eine kann Twitter, der andere kann bloggen, wenige können alles. Es ist eben kein reines Konzept, das man abarbeiten kann, das wird vielleicht auch nicht überall verstanden. In den sozialen Medien braucht man einen Stil, um Erfolg zu haben, man muss die Marke dort neu aufbauen, Plakatwerbung wirkt dort nicht. Und was in Hamburg geht, das geht vielleicht nicht in Berlin oder in Basel oder in London. Und was zum Thema Comic geht, geht nicht zum Thema Archäologie.
Ein dänisches Museum betreibt eine Seite zu Wikingern, es steht dabei allerdings ganz im Hintergrund, dass die Seite vom Museum kommt. Es ist einfach eine sehr erfolgreiche Seite zum Thema Wikinger, die auch schon mal auf die Ausstellungen verweist, ganz nebenbei. Das Museum Kalkriese (Varus-Schlacht) hat seine FB-Seite dagegen wieder eingestellt, weil sie Anlaufstelle für Menschen mit ultradeutscher Gesinnung wurde. Die Lösungen sind nun einmal nicht übertragbar.
Nun muss man sich ein Museum nicht als flotte Start-Up-Butze vorstellen, eher als eine behäbige Institution mit behördlicher Ausrichtung. Natürlich kann so eine Institution nicht mal eben herumspielen, Sachen versuchen, experimentieren. Es ist eher typisch, dass die Konzeptentwicklung Monate dauert, der Weg durch die Gremien ein weiteres halbes Jahr, die Finanzierung der geplanten Maßnahme auch noch mal viele Wochen usw. Und wenn alles fertig ist, hat sich die Welt schon wieder so verändert, das nichts mehr passt. Kann man das überhaupt ändern? Wohl nicht in den Organisationen, aber doch auf Stellen. Social-Media-Experten einstellen, die etwas dürfen und die auch etwas machen wollen, das hilft schon. Denen ihren Spieltrieb lassen, Fehlschläge in Kauf nehmen, Fahrt aufnehmen. Anders kann ich es mir nicht mehr erfolgreich vorstellen. Mit anderen Akteuren in den Medien, Bloggern, Twitterern, Youtube-Filmern, was auch immer, dafür sorgen, dass es Geschichten gibt. Anders wird man die Teile des Publikums, die den klassischen Medien nicht mehr folgen, nicht mehr erreichen können. Ob das, was das Museum zu bieten hat, diesen Leuten dann gefällt, das ist eine ganz andere Frage. Natürlich findet nicht jeder ein archäologisches Museum, ein Planetarium oder was auch immer spannend – und wenige ohne Interesse wird man missionieren können. Aber die, die sich interessieren können, einfach nicht mehr zu erreichen, das kann auch keine Option sein.
Mir sagte ein Museumsdirektor auf der Tagung, dass er eher einen Social-Media-Experten als einen Archivar einstellen würde, wenn das Budget ihn zur Wahl zwingen würde. Das finde ich vollkommen nachvollziehbar und sympathisch. Oder, wie es eine Social-Media-Managerin formulierte: Das Archiv ist auch in zehn Jahren noch da – die Besucher vielleicht nicht.
Es gibt hier eine Seite mit allen Tweets und Bildern zum Event.
Maximilian Buddenbohm's Blog
- Maximilian Buddenbohm's profile
- 2 followers
