Ein Netz, sie zu knechten, sie alle zu finden...


Nicht allzu oft, aber hin und wieder übertrifft die Realität die Fiktion. Dass wir immer transparenter werden, wissen wir schon seit es das Internet gibt. Emails waren nie sicher, Surfen war noch nie anonym und Daten wurden immer schon gesammelt - seit Fouché.
Der Umfang allerdings und die unmittelbare Beteiligung der Regierungen hat sogar hardcore Verschwörungstheoretiker zum Staunen gebracht. Es handelt sich bei dem Schock nicht um einen Verlust, sondern um ein Erwachen.

Die Fiktionalistik, eine Disziplin der Ideengeschichte, beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern erfundene Dinge die Realität beeinflussen - etwa in Bezug auf Erfindungen oder gesellschaftliche Entwicklungen wie die Spionagetätigkeit von gewählten Regierungen gegenüber ihrer Bevölkerung.

Also, wie sieht es mit literarischen Stoffen aus, die sich mit der Frage der Transparenz befassen? Aus Deutschland stammen erstaunlich wenige Werke, die eine entsprechende Zukunft schildern, weil - oder obwohl - wir eine entsprechende Vergangenheit haben? Interessanterweise stammt der einzige deutsche Film über eine erfundene, totalitäre Zukunft, der internationalen Rang erreichte, aus den zwanziger Jahren und damit vor dem Dritten Reich und der SED-Zeit: Metropolis von Fritz Lang.

George Orwell erschuf in seiner Horrorvision 1984 einen totalitären Staat, der unter der Führung des "Big Brother" absolut alles über seine Untertanen in Erfahrung zu bringen versuchte und direkt in die Wohnzimmer blicken konnte. 
Als Schriftsteller wusste Orwell von der Macht der Sprache und so erschuf er jenen infamen Jargon, Neusprech, dessen Ableger wir heute in der Sprache der Political Correctness wiederfinden können. Man muss nur hinhören.
Auch in V for Vendetta existiert ein derartiger Staat, ähnlich wie in Terry Gilliams Brazil - Regierungen und so genannte Nachrichtendienste verbünden sich zynisch gegen die Bürger, mit deren Steuern und Wertschöpfungen der Staat und seine Institutionen finanziert wird. 
Den Bürgern bleibt allenfalls die Möglichkeit bei Wahlen neues Personal für ihre eigene Unterdrückung zu bestimmen, wenn überhaupt. Jeder Verstoß gegen die Denkverbote und jegliche Kritik am System rückt automatisch in die Nähe des Terrorismus.

Es ist auffallend, dass viele dieser Visionen aus England stammen, einem Land, dessen letzte diktatorische Phase in die Mitte des 17. Jahrhundert fällt, in die Zeit Oliver Cromwells, als öffentliches Tanzen verboten war und Theater niedergebrannt wurden.
Wie enden diese Geschichten im Film? Während Hollywood uns oft den schönen und beruhigen Ausweg liefert, dass die Despoten am Ende in die Luft gesprengt werden, wie in Running Man, enden die europäischen Darstellungen fast alle irgendwie düster...



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Published on July 24, 2013 13:02
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über Bücher, Filme und Publikationen

Albrecht Behmel
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt ...more
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