Computer Games und Fiktionalistik


Für mich sind Computerspiele ein Vergnügen; als Autor verdiene ich damit Geld, es macht viel Spass, Hintergründe und Welten zu entwerfen und Charaktere auszubauen, wie in unserem inzwischen preisgekrönten "Fortress Under Siege", dessen zweiter Teil nächstes Jahr auf den Markt kommt.


Man muss selbst eigentlich nicht viel spielen, um für Games schreiben zu können. Aber es hilft. Spiele wie Slay! Depths of Peril oder Starcraft haben mir besonders Freude gemacht, weil ich nie lange spiele, oft nur eine halbe Stunde, bevor es mir reicht - daher mag ich Spiele, die kurze Zyklen haben, keine Wissenschaft für sich sind und die einen gewissen Humor haben. Diablo oder WOW sind mir zu aufwändig und irgendwie zu "eingebildet".

Die Welt der Computerspiele als Phänomen ist faszinierend. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit gestaltet sich seit Kelman's Buch über die kunsthistorischen Hintergründe der Computerspiele immer weiter aus, vor allem im Hinblick auf die reflexartige Ablehnung, die sie bei manchen Leuten erfahren. Das sind bekanntlich oft "Pädagogen" wie Christian Pfeiffer ("Gewalt!"), die spüren, dass die Welt der Computer, die Vernetzung und die Interaktion die traditionelle Rolle des Lehrers gnadenlos überflüssig machen werden. Kein Aspekt der Jugend macht die veraltete Rolle der traditionellen Schulbildung so deutlich wie die Games.

Haben uns Grimm's Märchen dazu etwa verleitet, alte Hexen in Backöfen zu stoßen? Mich nicht. Ich denke vielmehr, dass die Strukturen der Spiele und die komplexen Anforderungen an Kooperationen, neue Wege für ganz neues Lernen eröffnet haben. Dass die Kombination aus technischem Wissen über Hardware, spielerischem Umgang mit Software und der starken sozialen Komponente (Team-Speak, W-Lan, aber auch die Organisation von Teams, etc.) eine  wertvolle Dynamik für alle möglichen Arten von Inhalten sind.

Es herrschen in der Welt der Spiele einige Regeln, über die man sehr tiefsinnig nachdenken kann und die mit der realen Welt nur sehr bedingt etwas zu tun haben. Es sind radikale Vereinfachungen und Gegen-Entwürfe zur Wirklichkeit. Bekanntlich liegt darin immer die Quelle der Innovation.

Deswegen sind Games für den Fiktionalisten immer ein hoch-interessantes Objekt. Nach welchen Regeln wird gespielt? Kann man die Regeln brechen oder so auslegen, dass Vorteile entstehen? Je mehr man sich mit diesen Regeln befasst, desto klarer erscheinen einem plötzlich die Defizite der Wirklichkeit.
 
Hier sind ein paar Beispiele:

_ Alle Nahrungsmittel, die man in Computerspielen irgendwo findet, kann man nicht nur essen, sie sind auch noch gesund und haben heilende Kräfte, anstatt einem den Magen zu verderben.

_ Reinkarnation ist zu umständlich und zu langsam. Respawning ist schneller und wirtschaftlicher. Man muss nach seinem Ableben einfach nur weiterklicken, und schon geht es weiter.

_ Wilde Tiere tragen Bargeld bei sich. Wenn man sie tötet, fallen ihre Münzen auf den Boden und man kann sie einsammeln. Diese Münzen verwandeln sich sodann automatisch in Guthaben anstatt einem die Taschen vollzumüllen. Das gleiche gilt für alle möglichen Arten von Rohstoffen.

_ Erste-Hilfe-Koffer oder Verbandskästen kann man verwenden, indem man einfach darüber hinweg-läuft. Hier hat die Medizintechnik in der Wirklichkeit echt noch einiges aufzuholen.

_ Erfahrung und Macht sammelt man nicht durch Bücher, Wissen, Kontakte und Werte, sondern mit konstantem Massenmord, für den man nie zur Rechenschaft gezogen wird, wie es in den Rittern der Kokosnuss so herrlich geschieht, wenn die Polizei eine Schlacht verhindert, indem sie die Ritter festnimmt.

_ Besonders vermisse ich in der Wirklichkeit die Tatsache, dass Geheimtüren sich farblich von ihrem Hintergrund leicht abheben. Türen, die man ums Verrecken nicht aufkriegen kann, gibt es immerhin in beiden Welten, aber nur in Computerspielen widerstehen diese Türen selbst schwerstem Gerät.

_ Froh kann man darüber sein, dass es in de Wirklichkeit keine Baumstämme oder Bordsteine gibt, über die man selbst als Superheld einfach nicht hinwegklettern kann.

_ Tröstlich ist da immerhin der Umstand, dass wenigstens die Musik niemals aufhört.



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Published on June 24, 2013 11:50
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über Bücher, Filme und Publikationen

Albrecht Behmel
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt ...more
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