Leseprobe Mitte - Fortsetzung


 ein wenig später:

... Ich hab auf meinen Sektor vom Obstsalat geschaut, als es an der Tür klingelte, und das ist bei uns keine Kleinigkeit, weil diese Klingel an der Tür, die klingelt so, als hätte das Jüngste Gericht seine Sitzungspause beendet und würde jetzt gerne mit der ewigen Verdammnis fortfahren. Und wenn dann auch noch meine Schwester Felizitas auf den Knopf gedrückt hat, dann ist es halt sozusagen: noch lauter. 

Es war Feli.
"He, Feli, was machst du denn für ein Gesicht, Schwesterherz?"
Was die inneren Organe betrifft, da ähnelt meine Schwester aber eigentlich keinem Herz, sondern eher einer Gallenblase, aber ich wollte nett sein, und deswegen hab ich zu ihr halt mal "Schwesterherz" gesagt und nicht, Schwesternmilz oder Schwesterndarm.
Sie ist voll in die Küche rein und hat sich umgeschaut, ob irgendwelche Terroristen anwesend sind. Dann sagte sie:
"Oh, ich sag's dir! Das war vielleicht ein Tag..."
Sie setzte sich hin. Ich sagte:
"Wasn los?"
Bei der Feli muss man höllisch aufpassen, wenn sie was sagt, weil sie, nachdem sie was gesagt hat, immer noch was anderes sagt, und damit bringt sie dich dann ruckzuck bis zum Kinn in die Djinga Masala mit vier Pepperonisymbolen kurz vor der Preisangabe.
Die Feli hat sich auch einen Obstsalat genommen und angefangen zu reden, über alles gleichzeitig, aber: Der Punkt ist: Sie hatte Ärger. Soviel konnte ich sofort verstehen. Ich setzte mich aufmerksam hin und sagte:
"Du meinst: Du hast Ärger?"
"Das hab ich dir doch grad erklärt, Albrecht. Hörst du eigentlich nie zu?"
"Ich hab noch Schaum in den Ohren."

Und das war absolut die Wahrheit, aber das Problem war, dass die Feli so schnell über alles gleichzeitig gesprochen hat, dass ich keine Chance hatte richtig zuzuhören, weil ich ja eher ein langsamer Zuhörer bin. Und das bin ich aus Vorsicht, und die ist bei der Feli absolut notwendig, für alle Leute, die kein Interesse daran haben, ihre eigenen inneren Organe am nächsten Tag in der Abteilung "Sonderangebote für Transplantationen" wiederzufinden.
Dann hat sie alles noch mal erklärt, und was ich verstanden habe, das ist, dass sie ihren Verleger interviewt hat, und dabei muss sie die gleiche Technik angewendet haben, wie bei den üblichen Opfern, aber das Problem ist, dass der Verleger das überhaupt nicht witzig fand, als er sich selbst am nächsten Morgen in seiner eigenen Zeitung ausgeweidet und zum Wolpertinger ausgestopft wiedergesehen hat. Ich sagte:
"Du hast deinen Chef gegrillt?"
"Meinen Chef-Chef sogar."
"Gratuliere... ich wette, das war eine ganz neue Erfahrung für ihn."
Das hab ich gesagt, weil: Ich sehe immer gern auch die positive Seite von guten Dingen. Dann hab ich gesagt:
"Du hast ihm die üblichen Fragen gestellt, wie deinen ganzen anderen armen Opfern auch immer, und er ist drauf reingefallen?"
"Wie ein Jo-Jo"
"Hä?"
"Immer wieder."
"Ah!"
"Genau."
"Und warum ist das schlecht?"
"Sag mal, bist du nicht ganz klar im Kopf?"
Ich schaute mich um:
"Wibke?"
"Ja, honey?"
"Was würdest du auf so eine Frage antworten, Wibke? Bin ich nicht ganz klar im Kopf?"
"Aber natürlich bist du das, Honey, iss deine Polenta, hm?"
Sie sagt manchmal "Maus" zu mir, die Wibke Schmidt, oder "Schatz", und ich vermute, dass sie mich gerne auf einer Pirateninsel vergraben würde, und das wars dann, aber "Hanni"? Das war neu! Sie sagte:
"Ich hab honey gesagt, nicht Hanni, aber Hanni ist eigentlich auch ganz gut; netter Name für ein Mädchen, oder? Ich denk oft an Namen für Kinder."
Wuäh!
"Siehst du, Feli? Die Wibke findet, dass man das so nicht sagen kann..."
"Was ist das denn eigentlich die ganze Zeit für ein Geplärre da aus deinem Zimmer?"
"Das ist die Jenny, sie singt."
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Published on May 31, 2013 08:00
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über Bücher, Filme und Publikationen

Albrecht Behmel
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt ...more
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