Cloud Atlas
Eigentlich sollte ich wohl über die Lesung gestern berichten. Allerdings gibt es etwas anderes, über das ich unbedingt sprechen muss: Wir haben danach nämlich Cloud Atlas geschaut.
Cloud Atlas ist einer der großartigsten Filme, die ich seit langem gesehen habe. Auch wenn man am Anfang erst mal gar nichts kapiert. Der Film hat 6 Handlungsstränge, von denen der früheste 1849 spielt und der späteste nach dem Untergang der Zivilisation. Zusätzlich gibt es innerhalb dieser Handlungsstränge Rahmenhandlungen und Zeitsprünge. Die ersten paar Minuten verbringt man damit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wer jetzt eigentlich wer ist, wer welches Problem hat, und wie das alles zusammenhängt.
Die Verbindungen zwischen den Zeiten sind aber sehr schön gemacht. In einer Zeit liest jemand ein Buch, das die Abenteuer eines Charakters in der anderen Zeit beschreibt. Ein Charakter taucht in zwei Zeiten auf, in der einen halt älter. Der Hauptcharakter aus dem dystopischen Zukunftshandlungsstrang wird von den Leuten in dem Nach-der-Zivilisation-Handlungsstrang als Göttin verehrt. Und generell gibt es mehr Charaktere als Schauspieler, so dass jeder in jeder Zeit irgendwen spielt, was man so auffassen kann, dass sie entsprechend wiedergeboren wurden.
Nach allem, was ich vorher über den Film gehört hatte, dachte ich, es wäre im Prinzip so eine Art Liebesgeschichte über die Zeiten hinweg, aber das ist es gar nicht. Es gibt kein bestimmtes Paar, das man in jeder Zeit wiedersieht und es geht nicht so wirklich um eine Liebesgeschichte, auch wenn welche vorkommen. Der Film verbreitet mehr die Botschaft: Unsere Leben hängen alle miteinander zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Und das ist auch das, worauf die Handlung hinausläuft. Wer ein großes Geheimnis am Ende erwartet oder so was, der wird enttäuscht. Es gibt für jeden Handlungsstrang eine spannende Handlung, und man könnte sagen, sie haben alle ein ähnliches Thema. Die Parallelen werden auch immer wieder schön dargestellt, indem z.B. einer über sein eigenes Leben erzählt, aber das Bild, das man sieht, ist das eines Charakters aus einer anderen Zeit, der in einer ähnlichen Situation ist. Aber das ist halt auch alles, was der Film zeigt. Leben, die einander beeinflussen und einander in dem, was da passiert, irgendwie ergänzen und gegenseitig erklären.
Zuletzt gibt es haufenweise wunderbare Details. Ich mochte besonders die Sprache der Nach-Zivilisationsleute. Die ist immer noch sehr gut verständlich, aber sie ist ein bisschen verschliffener. Sie zeigt, wie Silben über die Zeit verloren gehen (ein Geheimnis ist z.B. ein “Geheims”) und wie falsche Grammatik langsam zu richtiger Grammatik wird, die jeder verwendet. Immer, wenn dieser Handlungsstrang kam, habe ich mich vor Freude über die Formulierungen kaum eingekriegt. Dabei wirken sie aber nicht lächerlich. Die können in dieser Sprache durchaus über ernste Dinge reden, ohne dass es blöd klingt.
Cloud Atlas ist seit gestern auf jeden Fall einer meiner Lieblingsfilme.

