Was ist Fiktionalistik?
Konkreter Nutzen aus fiktiven Welten Realität und Künste überschneiden sich - ähnlich wie die olympischen Ringe. Die Fiktionalistik beschäftigt sich mit denjenigen Bereichen der Kunst, in denen sie sich nicht mit der Realität deckt. Es geht um Erfundenes, Ausgedachtes und Erträumtes; um Parallel-Universen und technische oder soziale Visionen. Dadurch, dass diese Visionen die Tendenz haben, vom Reich der Phantasie in die Realität hinüberzuwechseln, man denke an Jules Verne, ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit fiktiven Innovationen sehr konkret mit der Realität verbunden.
Als Jonathan Swift die Reiche Liliput und Brobdingnag erschuf, musste er konsistente Regeln aufstellen, um sich nicht in narrative Widersprüche zu verwickeln. Vor dem gleichen Problem stand Jules Verne mit seinen technologischen Visionen und näherte sich damit zwangsläufig der Realität an: Er beschrieb die erste Mondlandung geradezu gespenstisch exakt - 100 Jahre vor Apollo 11.
Diese narrative Konsistenz ist, wenn man so möchte, der erste Plausibilitäts-Test für künftige Innovationen in der realen Welt. Je widerspruchsfreier diese virtuellen Innovationen sind, desto größer ist nicht nur die Chance, dass sie eines Tages tatsächlich umgesetzt werden können, sondern auch die Chance, dass die Geschichte, in der von diesen Innovationen erzählt wird, auf dem Markt erfolgreich ist.
Einer der Erfinder des modernen Handys, Martin Cooper sah sich von den Kommunikatoren der Serie Star Trek inspiriert, die man genauso aufklappen konnte, wie später die Handys. Der tschechische Autor Karel Capek ist der Erfinder des Wortes "Robot" - wenn auch die Idee des Maschinenmenschen bereits in der Antike bekannt war. Heute existieren Roboter fast schon auf selbstverständliche Weise. Als Ray Bradbury 1953 den Roman "Fahrenheit 451" schrieb, erfand er darin die Home Entertainment Systeme, die heute in fast jedem Wohnzimmer stehen. Die Auswirkungen der erzählerischen Künste auf Wirtschaft und Gesellschaft sind eine - wenig erforschte - Tatsache.
Dem Fiktionalisten stellen sich daher Aufgaben wie diese:
- Katalogisierung erfundener Dinge (z.B. erfundene Sprachen und Gegenstände)
- Gliederung dieser Kataloge in Kategorien
- Analyse der geistesgeschichtlichen Verwandtschaften der Erfindungen
Daraus ergeben sich, gar nicht so erstaunlicherweise, überaus konkrete Anwendungsbereiche für die reale Welt. Die Erkenntnisse der Fiktionalistik helfen Künstlern "bessere" neue Welten zu konstruieren und ihr Genre voranzubringen. Die Fiktionalistik ist aber auch, und hier geht es um Geld, eine Hilfe bei der Suche nach neuen Patenten für die reale Welt, indem sie die Sphäre des Fantastischen durchforstet und imaginäre Innovationen analysiert.
Die Überlegung, dass es sich auch im realen Leben lohnen könnte, eine fiktive Sprache wie Klingonisch zu lernen, um eine Geheimsprache zu haben, ist solch ein fiktionalistischer Ansatz, der die Brücke zwischen Phantasie und sozialer Realität schlägt.
Dass aus den Künsten heraus Anregungen für Techniker und Ingenieure entstehen liegt nicht nur daran, dass alle geistige Tätigkeit nach Art der olympischen Ringe miteinander verbunden ist, sondern auch daran, dass es Künstlern oftmals genügt, die Innovation beschrieben zu haben, ehe sie sich neuen gedanklichen Feldern zuwenden. Sie überlassen es dann anderen, für die Umsetzung zu sorgen, die - und das muss man hinzufügen - oft Jahre auf sich warten lässt.

Diese narrative Konsistenz ist, wenn man so möchte, der erste Plausibilitäts-Test für künftige Innovationen in der realen Welt. Je widerspruchsfreier diese virtuellen Innovationen sind, desto größer ist nicht nur die Chance, dass sie eines Tages tatsächlich umgesetzt werden können, sondern auch die Chance, dass die Geschichte, in der von diesen Innovationen erzählt wird, auf dem Markt erfolgreich ist.
Einer der Erfinder des modernen Handys, Martin Cooper sah sich von den Kommunikatoren der Serie Star Trek inspiriert, die man genauso aufklappen konnte, wie später die Handys. Der tschechische Autor Karel Capek ist der Erfinder des Wortes "Robot" - wenn auch die Idee des Maschinenmenschen bereits in der Antike bekannt war. Heute existieren Roboter fast schon auf selbstverständliche Weise. Als Ray Bradbury 1953 den Roman "Fahrenheit 451" schrieb, erfand er darin die Home Entertainment Systeme, die heute in fast jedem Wohnzimmer stehen. Die Auswirkungen der erzählerischen Künste auf Wirtschaft und Gesellschaft sind eine - wenig erforschte - Tatsache.
Dem Fiktionalisten stellen sich daher Aufgaben wie diese:
- Katalogisierung erfundener Dinge (z.B. erfundene Sprachen und Gegenstände)
- Gliederung dieser Kataloge in Kategorien
- Analyse der geistesgeschichtlichen Verwandtschaften der Erfindungen
Daraus ergeben sich, gar nicht so erstaunlicherweise, überaus konkrete Anwendungsbereiche für die reale Welt. Die Erkenntnisse der Fiktionalistik helfen Künstlern "bessere" neue Welten zu konstruieren und ihr Genre voranzubringen. Die Fiktionalistik ist aber auch, und hier geht es um Geld, eine Hilfe bei der Suche nach neuen Patenten für die reale Welt, indem sie die Sphäre des Fantastischen durchforstet und imaginäre Innovationen analysiert.

Die Überlegung, dass es sich auch im realen Leben lohnen könnte, eine fiktive Sprache wie Klingonisch zu lernen, um eine Geheimsprache zu haben, ist solch ein fiktionalistischer Ansatz, der die Brücke zwischen Phantasie und sozialer Realität schlägt.
Dass aus den Künsten heraus Anregungen für Techniker und Ingenieure entstehen liegt nicht nur daran, dass alle geistige Tätigkeit nach Art der olympischen Ringe miteinander verbunden ist, sondern auch daran, dass es Künstlern oftmals genügt, die Innovation beschrieben zu haben, ehe sie sich neuen gedanklichen Feldern zuwenden. Sie überlassen es dann anderen, für die Umsetzung zu sorgen, die - und das muss man hinzufügen - oft Jahre auf sich warten lässt.
Published on May 02, 2013 10:22
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über Bücher, Filme und Publikationen
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt
Albrecht hat in Heidelberg und Berlin Geschichte, Philosophie und Politik studiert. Seit 1999 ist er Autor für Film, Print, Radio und TV, unter anderem für UTB, SR, ARTE, Pro7Sat1 und den RBB. Er lebt seit 2012 mit seiner Frau Afraa und seinem Sohn Wieland im Schwarzwald. In diesem Blog geht es um Bücher, Publikationen und kreative Prozesse.
In einigen wissenschaftlichen Arbeiten befasst Albrecht sich mit Themen der Geistesgeschichte, aber auch mit der griechischen Antike, sozialen Mythen aus der jüngeren deutsch-europäischen Vergangenheit und mit den Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens. Albrecht ist überzeugt davon, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen wissenschaftlicher Literatur und Unterhaltungsliteratur gibt - vorausgesetzt sie sind gut geschrieben und recherchiert. ...more
In einigen wissenschaftlichen Arbeiten befasst Albrecht sich mit Themen der Geistesgeschichte, aber auch mit der griechischen Antike, sozialen Mythen aus der jüngeren deutsch-europäischen Vergangenheit und mit den Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens. Albrecht ist überzeugt davon, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen wissenschaftlicher Literatur und Unterhaltungsliteratur gibt - vorausgesetzt sie sind gut geschrieben und recherchiert. ...more
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