Ein modernes Märchen: schwarzweiß, in Kindersprache und so nicht passiert.

Lieber Leser,
Mit der Biographie von Antonia Brico hat dieser Roman wenig zu tun. Grob stimmen die Eckdaten: Adoptivtochter, Klavierunterricht gegen das Nägelkauen, Dirigentin geworden, keine Festanstellung bekommen, ein Frauenorchester gegründet. (Hier ist das Buch zu Ende; tatsächlich arbeitete Antonia Brico woanders weiter, nachdem das Frauenorchester pleite ging.)

Im Film wie auf dem Buchdeckel trägt Maria Peters' Antonia ein Kleid, schaut traurig aus dem Gesicht einer Standard-Filmschönheit. Sie leidet mehr als ihr Vorbild, zunächst unter der Fuchtel einer herzlosen Adoptivmutter, dann unter der Trennung von einem Mann, der sie von ihrer Karriere zurückgehalten hätte. Beileibe keine starke Frau hat Peters da erschaffen, sondern ein eitles Fräuleinchen, das an anderen Leuten vor allem Kleidung und Frisur bemerkt, und das an niemandem ein gutes Haar lässt. Denken - diese Antonia denkt in kurzen Kindersätzen, genauso die anderen beiden Hauptfiguren. Alle drei kritteln in Gedanken an ihren Mitmenschen herum. Ich fürchte, da spricht die innere Stimme der Autorin.
In einem Interview schwärmte Maria Peters, am Romane schreiben gefiele ihr vor allem, dass man nicht mehr alles zeigen müsse. Endlich dürfe sie klipp und klar sagen, wie die Figuren sich fühlten. Sie tut es ausgiebig. Gefühlt jeder dritte Satz lautet: "Ich bin traurig" oder "Ich war erschrocken." Bin und war verwendet die Autorin nach dem Zufallsprinzip. Ist in Drehbüchern ja nicht wichtig.
Das Ergebnis: ein Buch wie ein Grundschulaufsatz, nur länger. Schade um die Vorlage. Das Leben von Antonia Brico ist gewiss einen Roman wert, aber einen guten. Und einen besseren Film. Es gibt einen: Antonia, A Portrait of the Woman. Dort erzählt Antonia Brico selbst ihre Geschichte. Sie lobt ihre Solisten, bringt die Interviewerin zum Lachen, und macht viel Musik.
Hochachtungsvoll
Christina Widmann de Fran
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