Ralph Mönius: Grimmatorium
Lieber Autor,
danke für ein Rezensionsexemplar Ihres ersten Romans. Der Einfall dahinter gefällt mir gut: Die Gebrüder Grimm leben und arbeiten in einer heutigen deutschen Hausgemeinschaft.
Das Ergebnis allerdings gefällt mir überhaupt nicht, Herr Mönius. Auf Seite 35 des eBuchs, nach Kapitel 2.1, habe ich aufgehört zu lesen. Grimmatorium fühlt sich an wie eine RTL-Sendung: einerseits gestellt, andererseits langweilig, und abstoßend viel "ey" und "Digga" und "geh' ma Stadt".
Warum gestellt? Weil die Kinder von Wilhelm Grimm selbst heute nicht "Digga" und "komm ma klar" sagen würden. Die ganze Kindheit über mit Jacob Grimm zusammengewohnt - da sollten sie nicht ordentlich reden gelernt haben? Vielleicht würden sich Hänsel und Gretel später von Klassenkameraden einen Unterschichts-Soziolekt abschauen und nach Belieben zwischen den beiden Registern wechseln. Wem dazu der IQ nicht reicht, der spricht sein Lebtag so wie seine Eltern. Auch Rapunzel, die Youtube-Filmerin, wäre mit einem Professor als Vater und einem zweiten als Onkel nie so strohdumm bildungsfern, wie Sie das Mädchen darstellen. Schon deshalb nicht, weil Hirnschmalz zumindest teilweise erblich ist.
Und warum langweilig? Ihre Leute sind Klischees, Herr Mönius. Ich möchte gar nicht wissen, was diese Pappfiguren als nächstes tun. Märchenfiguren dürfen gerne Klischees sein, aber Grimmatorium liest sich nicht wie ein Märchen. Es liest sich so, wie eine Sendung "Familien im Brennpunkt" aussieht. Sie haben das Unterschichtsfernsehen nicht überzeichnet oder parodiert, auch nicht durch eine ungewöhnliche Sichtweise veredelt, sondern realistisch nachgeahmt.
RTL hat ein Millionenpublikum. Deshalb könnte Ihr Buch durchaus ein Erfolg werden. Sie müssen es nur an die richtigen Leute verkaufen: für Tage, an denen der Fernseher kaputt ist.
Hochachtungsvoll
Christina Widmann de Fran

Grimmatorium: eine deutsche Chronik von Ralph Mönius
erschienen: 2018 bei Periplaneta
Ich danke für ein Rezensionsexemplar.
ISBN: 978-3-95996-087-8
Erhältlich gedruckt und als eBuch auf Amazon.de.
Der Autor im Netz: www.ralphmoenius.com


