Woher kommt das „d“ in „morgendlich“?
Eine Leserin aus München fragte sich, warum es „morgendlich” mit „d“ heißt. Bei „abendlich“ sei es ja klar, weil es vom „Abend“ komme. Aber „morgendlich“ komme ja nicht vom „Morgend“, oder? Was also hat das „d“ dort zu suchen? Grund genug für den Zwiebelfisch, sich ein paar Gedanken über Analogien und Adjektive auf -endlich zu machen.
Liebe Leserin,
in älteren Texten findet man durchaus noch die Form „morgenlich“, doch hat sich – in Analogie zu „abendlich“ – die Form „morgendlich“ durchgesetzt. Früher wurde diese auch noch oft mit „t“ geschrieben („morgentlich“). Heute gilt nur noch die Form mit „d“ als korrekt.
Dass sich zwischen „morgen“ und „lich“ ein „t“ oder „d“ gemogelt hat, ist leicht verständlich.
Es gibt nämlich kaum Adjektive, die auf „-enlich“ enden (mir fällt jedenfalls keines ein), dafür umso mehr, die auf „-entlich“ oder „-endlich“ enden – wahlweise auch auf „-enntlich“ oder „-ändlich“, was klanglich mehr oder weniger dasselbe ist. Selbst die nicht gleichen, aber ähnlichen Endungen -emdlich oder -ämtlich können dazugerechnet werden.
„Morgenlich“ stand also ganz allein auf weiter Flur, ihm gegenüber befand sich ein Heer von Adjektiven mit „t“ oder „d“: (all-)abendlich, adventlich, befremdlich, eigentlich, endlich, erkenntlich, gelegentlich, hoffentlich, ländlich, öffentlich, ordentlich, sämtlich, schändlich, umständlich, unkenntlich, versehentlich, verständlich und wesentlich.
Da Sprache genau wie Wasser gern den Weg des geringsten Widerstandes wählt, hat sich das „morgenlich“ der Übermacht anderen ergeben und wurde zu „morgendlich“.
Das hinzugemogelte „d“ findet man gelegentlich auch bei der Mehrzahl des „Morgen“, dort allerdings gilt es als falsch. Während die Mehrzahl von „Abend“ zwar „Abende“ lautet, lautet die Mehrzahl von „Morgen“ unverändert „Morgen“ und nicht „Morgende“, auch wenn das immer mal wieder zu hören (und zu lesen) ist.
Das war für einen morgendlichen Text hoffentlich ein ordentlicher Text: Eigentlich gelingen mir abendliche Texte wesentlich besser. Aber wenn meine Ausführungen für Sie nicht sämtlich befremdlich, sondern letztendlich verständlich waren, dann haben sie ihren Zweck erfüllt.
Einen Herbst voller gemütlicher Abende und erfrischender Morgen wünscht Ihnen
Ihr Zwiebelfisch
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