Männerschreck

Erst einmal zur gestrigen Frage, was tun mit transparenten Stoffen (die man ja meist gekauft hatte, weil sie so herrlich luftig waren und die Transparenz nicht so arg auffiel). Es besteht Einigkeit in dem Gedanken, diese mit einem zarten Batist in passender Farbe zu füttern. Und in der Theorie stimme ich zu.


ABER passende zarte Stoffe zu finden, ist ja schon mal das Eine – Stunden an Onlinesuche sehe ich vor mir und neue Stoffe, die ich ursprünglich gar nicht wollte noch dazu. Das Andere ist: Habe ich, habt ihr, immer Lust, jedes Oberteil doppelt zu nähen? Und ist es nicht auch schade, dass dem zarten Oberstoff seine Zartheit genommen wird? Ich denke, ich bin noch nicht am Ende mit den Überlegungen und vielleicht schaffe ich es in den nächsten Tagen einmal, mir anhand meiner Sorgenkind-Stoffe kluge Gedanken zu machen. Wie immer ist es gut zu wissen, dass das Problem nicht mich alleine betrifft.


Jetzt aber zum Männerschreck. Ich habe es gestern wirklich geschafft, die zweite Stylebook-Bluse zu nähen. Wie die erste auch ist es ein sehr simples Modell, das wenig passformsensibel ist, aber dennoch mit feinen Details aufwartet: Vier Abnäher am Ärmelsaumen schaffen Form, der V-Ausschnitt ist sanft gerundet (was ich noch verstärkt habe), die Armausschnitte sind ebenfalls geformt und kleine Seitenschlitze gibt es auch. Dazu ist das Rückenteil um vier Zentimeter länger als das Vorderteil, was eigentlich den Sitz verbessern sollte.


Eigentlich, denn bei mir rutscht die Bluse genauso wie Kaufkleidung nach hinten herunter. Ich weiß, das hat etwas mit der Balance zu tun, aber für einen solchen Schnitt fehlt mir der Nerv, mich an das Thema zu begeben. Zumal, und das verblüfft mich selbst, ich finde, dass dieses Rutschen einen gewißen Charme bei dieser Bluse ausmacht.


Schwierig fand ich die Stoffauswahl: Da der Schnitt 22 cm weiter ist als die Oberweite, dazu überschnittene Schultern hat und gerade herunter geht, sieht er in einem festen Stoff gearbeitet sehr quadratisch aus. In einer fließenden Qualität hingegen machen die Ärmelabnäher nicht viel Sinn, da die skulpturale Form zusammen fällt.


Ich habe mich für einen Leinenrest entschieden – die Bluse kommt mit etwa 1,30 m Stofflänge hin. Ob ich mit dieser Entscheidung für die Goldene Mitte das Ideal getroffen habe, weiß ich noch nicht – ich denke, ich werde die beiden anderen Varianten auch noch einmal testen. Also in fließend und in fest.


Nun, das gute Stück wurde fertig und ich hatte meine Zahnschmerzen gründlich leid und plante, heute vormittag in die Innenstadt zu fahren, um nach passenden Stoffen für zwei, drei weitere Ideen zu schauen. Ich teilte dem Gatten mit, das Auto zu benötigen. Ich machte mich zurecht. Ich warf mich in eine vom Gatten geschenkte Hose und in die neue Bluse, schnappte mir Tasche und Schlüssel und war bereit, das kranke große Kind seinem Schicksal zu überlassen und trat vor die Tür. Wo zum Henker war der Wagen???


Der Gatte befürchtete ein abendliches Gewitter und wollte einer nassen Heimkehr vorbeugen. Mies gelaunt, aber insgeheim wissend, dass mit puckernder Wunde es nicht die beste Idee war, mich zu weit vom Heim zu entfernen, machte ich also das beste aus meinem nicht hundespaziergangtauglichen Gewand und schoß Bilder. Ganz, ganz viele Bilder, die ihr alle ertragen müsst.


Zusammen mit der Dreiviertel-Culotte kommt die Bluse sehr japanisch rüber. Wobei das auch immer eine Frage des Posings ist:


 



 


So kleidsam wären beide Teile, trüge man sie wie eine lebende Schnittzeichnung. Ihr müsst zugeben, besser kann man die Linienführung nicht deutlich machen. Und stellte ich mich so vor den Gatten, so verschreckte ich ihn nachhaltig – was ich mir mal merken werde, man weiß ja nie …


Viel besser und japanischer sieht es mit ein wenig Bewegung aus:


 



 


Immerhin habe ich mich vom Computerspielmännchen bis zur Reispflückerin hoch gearbeitet.


 



 


Mit den Händen in den Hosentaschen lässt sich ja alles auf cool und lässig trimmen – dazu ein sinnender Blick, der Welt abgewandt und der Sexyness eine Absage erteilend – was diese Bluse so alles kann.


 



 


Aber fehlte nicht noch der urbane Geist? Der lässt sich schnell herbei rufen, in dem ein Teil des Saums in den Bund gesteckt wird (und ich mag das ja wirklich sehr!)


 



 


Von der Seite fällt das Rückenteil blousonartig herunter – was zum einen an den Händen in den Hosentaschen liegt und zum anderen an mangelhaften Balance.


 



 


So also wäre ich durch die Stadt gerast auf der Suche nach mehr Stoff. Statt dessen überbrachte ich Max und Micky die frohe Botschaft, dass sie nicht länger warten müssten, sondern nun gleich mit mir durch die Derle wandern dürften. Natürlich nicht in der feinen Hose, sondern in einem Poly-Crêpe-Jogginghosen-Verschnitt. Und das habe ich dann auch noch geknipst, nachdem wir zurück waren.


 



 


Was für die Bluse spricht, ist ihre Luftigkeit – alles ist weit und offen, wirkt aber angezogen. Sowas kann man doch immer gebrauchen, oder?


 



 


Mit engen Hosen gefällt sie mir übrigens ebenfalls, was für mich gar nicht in Frage käme, wäre ein Rock wie es im Heft kombiniert war. Was bei anderen wie ein Spiel mit Volumen und Längen wirkt, sieht an mir bieder und massig aus. So bleibt meine Sehnsucht nach Röcken weiterhin ungestillt.


 



 


Aber dafür kann die Bluse ja nichts …

 •  0 comments  •  flag
Share on Twitter
Published on July 06, 2017 02:19
No comments have been added yet.