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Die Eltern stellen sich ihre Kinder noch vor deren Geburt in der Fantasie vor, aber die Kinder nicht ihre Eltern. Wie der erste Mensch nicht über Gott fantasiert – er ist umgeben von ihm. Nach seinem Willen wird es licht und nach seinem Willen wird es finster. Ein wundersamer Stromschalter wird gehoben oder gesenkt. Milch fließt oder versiegt. Eine Decke wird ausgebreitet oder zurückgeschlagen. Kinder betrachten ihre Eltern mit einem Blick, in dem keine Frage liegt. Voller Vertrauen. Später hören sie auf damit, und, gleich einem abgesetzten König, umwirbt und bittet sie nun der Vater oder die
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Dabei hatte er schallend gelacht, als sie ihm einmal vom Ratschlag ihrer Großmutter erzählt hat, sie solle immer sagen, was sie denke, »denn Verstopfung kriegt man von ungesagten Worten«. Worauf er ihr damals entgegnete, in seiner Familie sei es genau umgekehrt. Als Kind habe sein Vater ihm erklärt, wenn man zu viel rede, gingen einem die Wörter aus, und dann müsse man den Rest seines Lebens schweigen.
Pass auf, dass du die Blicke nicht durcheinanderbringst. Nicht, dass du meinst, du schaust nach draußen, während du in Wirklichkeit nur das siehst, was du in dir hast.
Vielleicht ist das immer so. Zwei Menschen begegnen sich wieder und sind eigentlich zu viert. Jeder trägt ein bestimmtes Bild des anderen in sich. Ein Moment der Enttäuschung, wenn der in unserem Gedächtnis schöner ist als der, den wir wiedertreffen. Ein Moment des Staunens, wenn der, dem wir begegnen, unvergleichlich imponierender ist als der in unserer Erinnerung. Der Bruchteil einer Sekunde, in dem wir, sei es freudig, sei es traurig, Abschied nehmen von der Person, die wir im Kopf hatten.
Wenn du die Chance hast, alles zu nehmen, dann wag bloß nicht, dich mit weniger zu begnügen. Sonst bist du genauso blöd wie diese Gans – Tor offen und Strick gelöst, aber die Federn noch vor Mittag Stück für Stück gerupft.